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Sächsische Radfahrer-Zeitung : 05.03.1898
- Erscheinungsdatum
- 1898-03-05
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Universitätsbibliothek Leipzig
- Digitalisat
- Universitätsbibliothek Leipzig
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1683809971-189803056
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1683809971-18980305
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1683809971-18980305
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungSächsische Radfahrer-Zeitung
- Jahr1898
- Monat1898-03
- Tag1898-03-05
- Monat1898-03
- Jahr1898
- Titel
- Sächsische Radfahrer-Zeitung : 05.03.1898
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110 5. März 1898 VII. Jahrg. Ko. ß Zu Rad m die hohe Tatra. Von A. Grützner. (Fortsetzung.) X. Zum Popper-See. „Kleine Schlittenfahrt gefällig, meine Herren ? Ver gessen Sie aber nicht, die Schirme aufzuspannen; es regnet nämlich, so sehr es eben an einem Augusttage nur zu regnen vermag.“ Schlittenpartie und Kegenchikanie, wie reimt sich das zusammen? Nun, ich wills Ihnen verraten. Die Keimung beruht nicht etwa blos in dem Gleichklang der letzten Silben, sondern: Wir stehen vor dem grossen Schnee felde am Südwesthange der Meeraugspitze und sind im Begriff hinunterzurutschen. „Auf den Stock gesetzt! Hussa! Los!“ — Voran der Führer. Seine Rutschmaschine ist der Stiel seiner Handaxt. Dieser ist zu kurz, biegt sieh unter der Last und nun folgt ein Drama oder auch Lustspiel — wie mans nimmt — in drei Akten. 1. Der Stiel bricht. 2. Sein Reiter stürzt. 3. Mein Kollege nimmt das unerwartete Hindernis mit einem mächtigen Purzelbaum. Als wenn es eine Wette gelte, als wenn es sich um die vielgewünschte Pariser Armbinde handelte, so schnell kollern beide den steilen Hang hinab. Wie sie mit Händen und Beinen rüdem! Ich möchte mir vor Lachen die Seiten halten, wenn ich nur meinen Renner loslassen könnte. Unten aber hole ich das Versäumte weidlich nach. Ich stecke mein liebenswürdigstes Lächeln auf, raffe alles mit mir zur Verfügung stehende Pathos zusammen und begrüsse den sich aus dem Schnee krappelnden huldvollst: „Mein Herr! In anbetraeht Ihrer soeben an den Tag gelegten geradezu pyramidalen Ruderfertigkeit erlaube ich mir, Ihnen hiermit feierliehst Ihre Beförderung zum Reservelieutenant der k. k. Gebirgsmarine mitzuteilen.“ Ja, Schadenfreude ist doch die reinste. Der also Geehrte aber brummte, während er eifrig den Schnee aus Genick, Ärmeln und Schuhen schüttelte: „Dass ich nur immer der Peehhengst bin und Sie stets solche grosse Kartoffeln haben !“ „Bitte, bitte, keine Schmeicheleien ! Wer schon, wie ich, 7 Jahre Ski läuft oder, wie einst meine Schul buben im Gebirge sagten, Semmeltrögelrutscher ist, dem — wie stolz ich mich dabei in die Brust warf, — dem kann so was nicht passieren.“ Diese Neckerei hat wenigstens den Erfolg, dass wir alle drei zum Schlüsse recht herzlich lachen. „Humor soll leben und wenns noch mehr regnet!“ Aber der tragische Schluss kommt noch. Zum Werke, das wir ernst bereiten — das Schneeausschütteln nämlich — gebührt sich wohl ein mächtiger Schluck, wenn kräftge Tropfen sie begleiten, dann geht die Arbeit munter fort. „Donnerwetter, wo ist die Bulle ? „Hier, aber wie!“ Zer brochen und vergossen, das ist des Kollerns Fluch. — Weh mütig umstehen wir die Scherben. Am meisten scheint sich der Führer den Verlust zu Herzen zu nehmen. Ich vermute, er denkt bei sich: „Gern noch einen Axtstiel, wenn . . . .“ Ob sich nun Freund Andreas vor der cognaklosen, schrecklichen Zeit fürchtet, oder ob ihn plötzlich mit Macht die Sehnsucht nach der breithüftigen Liebsten ergreift — ich mags nicht entscheiden —, kurz und gut, er sagt fortwährend : „Poppersee 2 Stund’, ich Meeraugspitze, Fisehsee.“ „Aha, er will heim ! Kollege, was meinen Sie, werden wir uns zurecht finden?“ Na ob; wir haben ja die Karte und hier scheint auch so etwas ähnliches, wie ein Pfad beginnen zu wollen.“ Wir zahlen ihm also 8 Gulden und hängen unsere Berliner selbst um; noch ein Händedruck, dann klettert er aufwärts. Wie gewandt, wie schnell! Bald leuchten seine weissen Wollhosen hoch über uns. Noch ein Juchzer, dann verschwindet er unsern Blicken. Wir steigen rasch zu Thal; manchmal gehts sogar im Laufschritt. Der Abhang ist lange nicht so steil, wie nach dem Fischsee zu. Die Hände brauchen wir nur selten zu Hilfe zu nehmen. Selbst Damen dürften von dieser Seite aus die Meeraugspitze ohne besondere Schwierigkeiten bezwingen können. Ein hoher Wasserfall braust zur Seite, er spendet uns eiskalten Trunk, entströmt er doch dem grossen Schnee felde. Das Rauschen des Falles, das Schallen unserer Tritte und das Klatschen der Regentropfen sind die einzigen Laute in dieser Felseneinsamkeit. Da, ein gellender Pfiff, noch einer! Was ist das ? Ist’s das Geschrei eines Raubvogels, ist’s der Warnungsruf des Wachtpostens einer Murmeltierkolonie ? Wahrscheinlich das letztere; doch meinen Kopf mag ich nicht verwetten, da meine spähenden Blicke weder einen Vogel, noch einen der possierlichen Nager zu entdecken vermögen. Mein Kamerad steht vor einem Häufchen Losung. „Sollte bis hier herauf ein Hirt seine Herde getrieben haben ? Die wenigen Grasbüsehel schauen doch zu dürftig aus.“ Darum folgt der Schluss: Wir hahen hier ein gewisses Etwas einer Gemse vor uns. Zu sehen ist natürlich keins dieser Tiere; die werden bei dem Wetter hübsch zu Hause bleiben. Ist’s ein factum oder eine Hypothese ?“ Bald darauf überschreiten wir ein Trümmerfeld. Hier liegt Block an Block, einer immer grösser als der andere. Da heisst es manchmal grosse Schritte machen, dann wieder einmal springen oder gar klettern. Wieviel tausend mögen hier liegen ? Was für ein Toben und Krachen mag das ge wesen sein, als diese Massen von den fast senkrecht sich hoch, hoch über uns erhebenden Zinnen herabstürzten ? Ist’s auf einmal geschehen, oder sprengt der Winterfrost nacli und nach das verwitterte Gestein ab ? Wenn jetzt ein solcher Block herabgesaust käme ! Wir armen, kleinen Erdenwürmer! Wie kommt aber diese vierseitige, allem Anscheine nach von Menschenhänden behauene Säule, die dort zur Hälfte herausragt, unter diese 'Trümmer? Sollte sie einst auf jenem hohen Gipfeln über uns von einem Touristen zum Ge dächtnis an die Bezwingung des Berggeistes errichtet worden und später herabgestürzt sein ? Unter uns blinken die beiden Froschseen (über 1900 m hochgelegen). Wir umgehen den grösseren und betrachten von allen Seiten seine felsige Insel, welche nämlich, wie in unserm gedruckten Führer von Kolbenheyer zu lesen ist, die Gestalt eines hockenden Frosches haben soll. Wir finden nicht die geringste Ähnlichkeit. Mit welch glühender Phantasie mag der begabt gewesen sein, der diese Ähnlichkeit fand! Mein Kamerad aber versteigt sich zu folgender Erklärung: „Der See hat seinen trefflich passenden Namen jedenfalls darum bekommen, weil 1. die Insel nicht im geringsten einem Frosch gleicht und der jedenfalls selbst ein Frosch sein muss, der die Ähnlichkeit finden will, und 2. weil wahrscheinlich noch nie ein solch quakendes Amphibium sieh ihn zum Wohn sitz erkor. Das arme Tierchen wäre sicher nach wenigen Tagen erfroren oder an unerfüllter Sehnsucht nach den Fleischtöpfen des Niederlandes gestorben.“ Ade, du hockender Frosch! Wir folgen dem anfangs ziemlich deutlich sichtbaren Pfade am östlichen Seeufer, dann geht es wieder über Blöcke. Ich bemerkte, dass einige Steine mit Blaustift gezeichnet sind. Jetzt aber ist jede Spur ver wischt. Wo ist der Weg? Zur Linken geht es steil bergauf; zur Rechten und vor uns hindert eine mit Blöcken übersäte Höhe den Ausblick. Von ihrer Kuppe aber muss man jeden falls ins Thal sehen können. Also hinauf! Richtig, da sind auch wieder Fussspuren und die blauen Striche, und drunten rauscht der Hinzenbach. Rasch gehts nun zu diesem hinab. In der Schutzhütte, die dort stehen soll, wollen wir unser Vesperbrot verzehren. Nach der Karte müssten wir diese schon längst erblicken können. Sind wir vielleicht schon wieder auf falschem Wege? Doch bald wird uns des Rätsels Lösung. Von der Hütte sind nämlich nur noch wenige Mauer- und Balkenreste übrig. Nur ein Haufen verkohlter Holzstücke zeugt von verschwundener Pracht. Ein Hirt mag sich hier gewärmt haben. Bald werden wohl auch noch die letzten Reste in Rauch und Asche sich verwandeln. Auf den Karten aber wird man noch lange lesen: Schutzhütte unter den Froschseen. Mittlerweile hat der Regen aufgehört; vielleicht sah Pluvius ein, dass alle seine tückische Nässe an unsern humor erfüllten Korpussen wirkungslos abbläuft. Wir setzen uns also auf einen Stein, das Gesicht dem Bache und den rechts seitigen Felsen zugekehrt. Grade vor uns erhebt sich ein Gipfel bis zu 2378 m Höhe. Seinen Fuss bedeckt eine grosse Schutthalde. Häufig tönt zu uns das Geräusch rollender Steine herüber. Die G oralen erzählen sich, dort oben wohne der
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