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Sächsische Radfahrer-Zeitung : 26.11.1898
- Erscheinungsdatum
- 1898-11-26
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Universitätsbibliothek Leipzig
- Digitalisat
- Universitätsbibliothek Leipzig
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1683809971-189811266
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1683809971-18981126
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1683809971-18981126
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungSächsische Radfahrer-Zeitung
- Jahr1898
- Monat1898-11
- Tag1898-11-26
- Monat1898-11
- Jahr1898
- Titel
- Sächsische Radfahrer-Zeitung : 26.11.1898
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VII. Jahrg. No. 25 543 26. November 1898 Breslauer Thore, und ich fuhr nach Breslau, Oels ab. Ich machte allerdings dadurch einen Umweg, doch der Umstand, dass mir der starke Nordwestwind auf der 110 Kilometer langen Strecke bis Oels eine tüch- > tige Unterstützung zu teil werden lassen würde, be- I wog mich, vorläufig diese Richtung beizubehalten und später, wenn der Wind nachlassen sollte, nach Norden abzubiegen. Im flotten Tempo erreichte ich die kleine Stadt Parch- witz. Die Strasse hinter dieser Stadt glich einer Rennbahn. Plötzlich tauchte hinter dem Oderwald ein gigantisches Bauwerk auf. Es ist das Kloster Leubus, das ohne Zweifel das umfangreichste Bauwerk Deutschlands ist. Es dürfte wenige Bauten geben, die in ihren Ausdehnungen dem riesigen Klostergebäude (jetzt Irrenanstalt) gleichkommen, ein Gegenstück wäre allenfalls in den altrömischen Kaiser palästen oder in dem Kolosseum zu finden, denn die an- j deren grossen Bauten bilden keine einheitlichen Bauten, | sie sind mehr Städte als Paläste. Leubus übertrifft auch das Berliner Schloss bedeutend an Ausdehnung. Die Front des Klosters beträgt 223 Meter und die Seitenflügel haben eine Länge von 118 Meter. Die Mauern des Erdgeschosses sind so stark, dass man | in jeder Fensternische bequem Bettstelle, Tische und zwei Stühle unterbringen kann. Einenähere Besichtigung dieses mächtigen Bauwerkes, das viele Sehenswürdigkeiten aufzuweisen hat, musste ich wegen Mangels an Zeit unterlassen. Kräftig trat ich wieder auf die Pedale, um heute noch so viel wie möglich Kilometer zu „fressen.“ Zu meinem grossen Bedauern erreichte aber die gute Beschaffenheit der Strasse schon vor Neumark ihr Ende, und der am Vormittag niedergegangene Gewitterregen hatte die nur sehr mittelmässige Strasse obendrein bis Breslau sehr aufgeweicht. Trotzdem flog ich, von dem Sturm getrieben, schnell an den reizlosen Fluren vorüber. Hinter Lissa wurde die Strasse noch schlechter, und je mehr ich mich Breslau näherte, desto mehr liess dieselbe zu wünschen übrig. Die Radfahrer sind hier, wie ich be obachtet und an mir selbst erfahren habe, nach Regen wetter darauf angewiesen, lediglich den wenig guten Fussweg zu benutzen, was allem Anschein nach auch all gemein geduldet wird. Wenn icli es mir nicht fest vorgenommen hätte, heute durch nichts mich am schnellen Vorwärtskommen abhalten zu lassen, so würde ich am Schlachtviehhof wegen des jämmerlichen Pflasters abgestiegen sein. Der Radfahrer, der auf diesem Wege seinen Einzug in Breslau hält, be kommt durch dasselbe keinen schönen Begriff von der grossen Provinzial-Hauptstadt. Wenn nach allen Rich tungen hin die Strassen so schlecht sein sollten, dann kann man die Breslauer Sportkameraden nur aufrichtig bedauern. Erst das Asphalt-Pflaster der breiten äusseren Strassen söhnte mich wieder aus. Ohne Aufenthalt (selbst der berühmte Schweidnitzer Keller konnte mich nicht reizen) passierte ich Breslau, um in der Richtung nach Oels ziemlich dieselben schlechten Erfahrungen mit den Vorstadt Strassen zu machen. Die Gegend hinter Breslau ist weniger anmutig und erst in der Nähe des Schlosses Sibyllenort, das bekannt lich dem Könige von Sachsen gehört, wird durch den grossen Park etwas Abwechselung geschaffen. Kurz vor Oels liess der Wind allmählich nach und sprang nach Südwesten um. Ich hatte richtig kalkuliert oder ich hatte ein riesiges „Schwein!“ Ich bog deshalb in Bohrad nach Nordost ab und setzte meine Reise über Juliusburg fort. Die Strassen wurden von hier aus wieder besser. Gegen 7 3 / 4 Uhr passierte ich bereits Militzsch, in dessen Nähe sich ca. 40 grosse Seen befinden. Die ein zelnen Seen sind öfters nur durch schmale Landzungen voneinander getrennt. Ununterbrochen ging die Fahrt ohne Aufenthalt weiter. „Vorwärts“ war heute die Parole. Die Ortschaften liegen hier weit auseinander. Die Strassen sind wenig belebt, und sehr selten begegnete mir oder überholte ich ein lebendes Wesen. Kurz vor Zduny wurde ich bereits polnisch begrüsst. Gegen alle Erwartung wurden die Strassen in Posen besser - wie in Schlesien. Schon war es infolge des Schwarzbewölkten Himmels dunkel geworden, als ich Koschmin passierte. Ich fuhr ohne Licht weiter, denn ich nehme auf Wanderfahrten keine Laterne mit. Bald wurde es so finster, dass man kaum noch die nächsten Strassenbäume erkennen konnte. Von nirgends her drang ein Laut, nur das leise Schnurren meiner Radkette war zu vernehmen. Die Welt schien wie ausgestorben. Von der Empfindung eines öden Verlassen seins wird man bei solchen nächtlichen einsamen Fahrten in unbekannter Gegend überfallen, ehe man es vermutet, und man sehnt sich wieder in die Gesellschaft von Men schen zurück. Endlich tauchte in weiter Entfernung ein schwacher Lichtschimmer auf. Rabenschwarze Nacht war es geworden, als ich um 11 Uhr in Jarotschin ein traf. Es hielt nicht schwer, einen ehemaligen Chemnitzer Kollegen und Sportkameraden, den ich liier wohnen wusste, ausfindig zu machen. Wie Ziethen aus dem Busch kam ich mit meinem Rade und mit sportlichem Grusse plötzlich in das Zimmer hinein, in welchem mein Kollege mit mehreren Sport kameraden beim Glase Bier sass. Erst allgemeines Stau nen, dann aber ging ein freundliches Begriissen des sächsi schen Sportkameraden los. In der gastfreundschaftlichsten Weise wurde ich auf genommen und später mit mir noch eine kleine Kneipen reise angetreten. Wenn ich etwa nach der anstrengenden Tour die Ab sicht gehabt hätte, recht bald schlafen zu gehen, so würde ich mich sehr verrechnet haben. Spät kam ich nach Jarotschin, aber früh war es, als ich endlich mein Bett aufsuchen konnte. Bereits um 6 Uhr wurde ich durch einen Sportkame raden geweckt, der mir das Geleite bis Neustadt a. d. Warthe geben wollte. Schnell war ich fahrbereit und beglich meine Rechnung. Hierbei machte ich wieder die wenig angenehme Wahrnehmung, dass die norddeutschen Hotel preise höher wie in Sachsen und Süddeutschland sind. Vor unserer Abfahrt besuchte ich noch den schönen Park mit Schloss des russischen Botschafters. Was ich hier zu sehen bekam, hätte ich in der Provinz Posen nicht gesucht. Viele von denen, die im westlichen oder südlichen Deutschland wohnen, machen sich übrigens, wenn sie von der Provinz Posen hören, eine ganz falsche Vorstellung. Sie meinen, wer hier lebe, der lebe wie in der Verban nung. Er sieht in seiner Vorstellung nur niedrige Hütten, die nie Häuser im bescheidensten Sinne genannt werden können. Unsauberkeit in des Wortes verwegenster Be deutung herrsche in diesen Behausungen. Fahrbare Land strassen gebe es in diesem Lande nur wenige und der
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