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Sächsische Radfahrer-Zeitung : 26.11.1898
- Erscheinungsdatum
- 1898-11-26
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Universitätsbibliothek Leipzig
- Digitalisat
- Universitätsbibliothek Leipzig
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1683809971-189811266
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1683809971-18981126
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungSächsische Radfahrer-Zeitung
- Jahr1898
- Monat1898-11
- Tag1898-11-26
- Monat1898-11
- Jahr1898
- Titel
- Sächsische Radfahrer-Zeitung : 26.11.1898
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VII Jahrg No. 25 544 26 November 1898 Deutsche könne, wenn er nicht polnisch verstehe, im ' Lande nicht durchkommen. Liese und ähnliche Vorstellungen sind vollkommen irrig, denn man lebt in der Provinz Posen wie in jedem anderen deutschen Lande und hat hier dieselben geord neten Zustände wie anderswo. Arbeiten doch Deutsche hier schon fast ein Jahrtausend mit unermüdlichem Fleiss, und sie sollten das Land nicht weitergebracht haben? Allerdings giebt es ja noch viele Güter, auf denen die bekannte polnische Wirtschaft zu Hause ist, und auch die kleinen Häuser der Polen machen keinen reinlichen Ein druck, aber wo fänden sich solche Häuser nicht. Freilich darf man, was Vergnügen anbelangt, in den kleinen und mittleren Städten keine hohen Ansprüche stellen, Beamte, die aus anderen Gegenden Deutschlands hierher versetzt worden sind, haben sich aber gut ein- I gelebt und fühlen sich ganz wohl, denn man findet überall geselliges Leben. Wer für Naturschönheiten schwärmt, findet allerdings in Posen wenige, doch giebt es einzelne Gegenden, die wegen ihres Reichtums an grossen Seen und Waldungen nicht des landschaftlichen Reizes entbehren. — Mein Begleiter legte mir auf dem guten, aber nur sehr schmalen Fusswege ein flottes Tempo vor. Wie überall, werden auch hier die Fusswege bei trockenem Wetter ganz besonders von den Radfahrern viel benutzt und man hat dafür den bezeichnenden Ausdruck „rändeln“ erfunden. Beim Nehmen einer kleinen Anhöhe, was, nebenbei bemerkt, hier zu den grössten Seltenheiten gehört, da das Land durchgängig flach ist, liess ich meinen Begleiter [ plötzlich hinter-mir, denn im Bergfahren sind die posen- schen Radfahrer nicht geübt. In Neustadt a. d. Warthe wurde Einkehr gehalten, um nach einem etwas lang ausgedehnten Frühschoppen Ab schied von meinem liebenswürdigen Begleiter zu nehmen. Ich glaube, es würde Mittag herangekommen sein, wenn ich mich nicht von der Kneiperei, zu der sich noch der Postverwalter und ein Geschäftsreisender aus Crimmitschau eingefunden hatte, mit Gewalt getrennt hätte. Heute hatte ich nun Gelegenheit, das Leben und Trei ben auf der Landstrasse, in Dörfern und kleineren polni schen Städten genauer kennen zu lernen. Das erste Fuhrwerk, das ich überholte, war eine so genannte „Pritzschke“ mit zwei kleinen polnischen Pferden bespannt. Es ist dies das charakteristische Fuhr werk der Polen, das keine Federn besitzt und auf welchem Strohbunde mit darüber gelegten Decken als Sitze dienen. Mit Vorliebe fährt der Pole mit diesem Wagen auf dem sogenannten Sommerweg, ein drei Meter breiter, un- chaussierter und mit losem Sand bedeckter Weg, der fast auf allen posenschen Chausseen die Hälfte der Fahrbreite einnimmt. Die polnischen Pferde sehen zwar klein und schwäch lich aus, sind aber den Anstrengungen, die ihnen zuge mutet werden, vollkommen gewachsen, denn der polnische Bauer schont seine Pferde nicht, er liebt schnelles Fahren selbst auf holprigen Wegen. Durch langsames Ueberholen veranlasste ich deshalb den Bauer sehr leicht, seine Pferde immer mehr anzu treiben. Nur ganz allmählich wurde ich etwas schneller, bis schliesslich das Gespann zurückblieb. Da der Bauer mir kein Wort verstand, so suchte ich ihm durch den Zu- | ruf „Wuttki, Miloslaw“ und durch Gebärden verständlich zu machen, dass ich etwas spendieren würde, wenn es seine Pferde fertigbringen, mit mir bis Miloslaw Schritt zu halten. Meine Zeichensprache schien der Bauer richtig verstanden zu haben und die Aussicht auf den Wuttki (Schnaps) bewog ihn, unbarmherzig auf die Pferde ein zuhauen. Mit aller Kraft setzten die armen Tiere noch einmal ein, um bald darauf, durch das ungewohnte Tempo schnell ermüdet, wieder langsamer zu werden. Nun zeigte ich erst durch Uebergang zu einem Spurt und darauf folgendem flotten Tempo, wie sehr der Bauer sich ver rechnet hatte. Nach kurzer Zeit konnte ich auf der schnurgeraden Chaussee nur noch das Gespann als einen Punkt hinter mir erkennen. Der erste Eindruck, den man von dem polnischen Bauer empfängt, ist keineswegs günstig. Schon in seiner äusseren Erscheinung, in dem langen Rock von grob wollenem Zeuge, den ungeordneten, langen Haaren em pfiehlt er sich nicht besonders. Im allgemeinen steht er auf sehr niedriger Bildungsstufe und macht wenig An sprüche in Bezug auf seine Wohnung. Seine Wirtschafts gebäude sind meist baufällig, mit Stroh gedeckt und aus Lehm gebaut. Der unsaubere Hof, in dem die Acker geräte untereinander liegen, gewährt kein Bild der Ord nung. Das Städtchen Miloslaw, unweit der russischen Grenze, das ich bald nach der kleinen Wettfahrt erreichte, macht mit seinem grossen Marktplatz einen echt polnischen Eindruck. Ein schönes grosses Schloss mit grossartigem Park, das dicht an der Stadt liegt, erinnert an die grossen schlesischen Herrensitze. Hier bekam ich auch zwei Polinnen zu Gesicht, die so ziemlich alle Eigenschaften besassen, die in dem Lob lied auf die Polin im „Bettelstudent“ aufgezählt werden. Wenn aber vielfach behauptet wird, die Polinnen seien meistens von wunderbarer Schönheit, so muss man das für Uebertreibung halten, denn man sieht hier und auch in der Stadt P.osen nicht mehr hübsche Gesichter wie anderswo. Ich war infolge der grossen Wärme und nach dem Früh schoppen gegen Mittag etwas abgespannt, hungrig und durstig geworden, als ich auf dem grossen Marktplatz in Wrescheu ankam. Ein vorzügliches Gräzer Bier, das man nur hier in dieser Gegend ganz besonders gut bekommt, stillte meinen Durst in kurzer Zeit. Dieses Bier, das für den Fremden erst einen eigentümlichen rauchigen Beigeschmack hat und dieserhalb auch öfters „geräuchertes Lagerbier“ ge nannt wird, ist für den verdursteten Radfahrer wegen seiner erfrischenden Eigenschaft mit nur ganz geringem Alkoholgehalt wie geschaffen. Wegen seines grossen Kohlensäuregehalts ist das Bier für den Magen ausser dem sehr bekömmlich. Ein gut gepflegtes Märzen-Gräzer moussiert stark nachhaltend wie Champagner. Vielfach erzielt man das Moussee abei - auch durch vorheriges Hineinlegen zweier Reiskörner in das spitze Glas. Den übrigen Bieren habe ich in Posen keinen Geschmack ab gewinnen können. Auf der etwas mittelmässigen Strasse ging es nach der kleinen Ruhepause flott vorwärts. Bald konnte ich die beiden Domtürrae von Gnesen hinter einem Walde auf steigen sehen, und kurzeZeit darauf hatte ich das schlechte Pflaster dieser Stadt unter mir, (Schluss folgt.)
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