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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 12.05.1909
- Erscheinungsdatum
- 1909-05-12
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-190905120
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19090512
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19090512
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1909
- Monat1909-05
- Tag1909-05-12
- Monat1909-05
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Bezugs-Prei» ««r^ld Dr»i!chl»ud« »u» d« deuN»« K»l»n>n> »irtteliährl. 8 *. momui. ttdrl^i vtaatr» «n »«« durch »tu «chchattUstull, — «attt» «rhäitNch. Da» Lrl v>U>o D«,«dt-n rrichenn w tchca», üch 7 »«I au» ^»ar «Or,»n» «ilrr» AUtale» ». »nnai>»rfirli«« a^chM» 7A ch ma, all.. »mrtelMil. vur» ««-«ld D«,l>ch> LI» a«1Ichl. P-Ndkl^llakld. gern« t» «Ä-mn, rtnm-mri. »m> D»ua»Üaat»^ Kali«, L»«ab»ra. «ikdrrlLut«, «<w- Ld^nmo»n-<rl»n«d«« > >ug,N»«vla< 8. bet »ntrrr» Lrä-rr». Mltate«, Sprdittur« «ch Uimahmek-llrn. «wi« PoMmtrr» »»» vriOstr»,«». Lt, «t»»«iiu Kummer kcht« I» «adaMu» «,» «eschättiarllr, gOhau»i«,ast« 8. S«rowrich«i 1<«L l««ü. l4«ch WpMerTagMM Handelszeitung Amtsblatt des Nates und des Volizeiamtes der Ltadt Leipzig. Anzeigen-PreiS Mr AaUrai« au» e«i»»ig uns Umgefiun« dU -gelpaltene PrtUzeil« Lb H, finanziell« «uz«,en 30 ch, Reklamen l ^U; »W« au»wta» 3V SteNamen l-L> »»«Aalland bvch, finanz. An zeige« 7ü^ Reklamen l^O Inserate n.vehorden i» amilichenleUM^ Beilagegebübr ä Laujenv exkl. Poft» tzednhr. GelchLskaanzeigen au benorzogUr »teil« im Preis« erhihl. Radatl nach Dartk gefiert eilte AustrLae kSnnen nicht zardck- I«-<>g-n werden, gür da« Erscheine» an beitimmten Lagen und Plätzen wird leta» ljiaranrie übernommen. «ln,eigen-Annahme: Uugufiattzlatz 8, bei sämtlichen Filialen n. allen Annonce»- Slpedilionen des Ja» und «utzlande». Paovk-Filiale Uerlta: Carl Duncker, Herzogl. «agr. Hofimch- bandlung, Lützowstratze lü. (Telephon Vl, Str. äiillij). Paupl-Filial« Dre-bea: Geeslratze 4. l (Telephon Eli. Nr. 131. 1V3. Jahrgang. Mittwoch 12. Mai «909. Der» wichtigste. * In der Finanzkommission wurde am Dienstag der An - trag der Subkommission zur Tabaksteuervorlage mit 16 gegen 12 Stimmen angenommen. (S. d. des. Art.) * In einer Konferenz beim Reichsschatzsekretär Sydow wurde fest gestellt, daß die Frage der Reichswertzuwachssteuer noch lange nicht genug geklärt sei, und daß man daher keine derartige Vorlage an den Reichstag bringen könne. (S. d. bes. Art.) * Die Meißner Kirchenkonferenz beschäftigte sich gestern mit den „Zwickauer Thesen" deS Sächsischen Lehrervereins. Prof. v. Rietschel (Leipzigs legte eine Anzahl Leitsätze vor, die sich scharf gegen die Forderungen der Lehrer wenden, aber gleichzeitig eine Reform des Religionsunterrichtes für nötig er klären. (S. Bericht 3. Seite.) * Am heutigen Mittwoch findet die angekündigte Entre- vue zwischen Kaiser Wilhelm und König ViktorEmanuel in Brindisi statt, der große politische Bedeutung beigemessen wird. lS. Ausl.) * Die Wiener „Neue Freie Presse" meldet aus Fiume: Das ganze österreichisch-ungarische Geschwader hat vom Kaiser den Befehl erhalten, dem Deutschen Kaiser ent gegen z u f a h r e n und ihn sodann nach Pola zu be gleiten. lS. Ausl.) » Prager Blättermeldungen zufolge wird Kaiser Wilhelm bei der Rückreise aus Wien über Böhmen fahren und dem Thron folger Erzherzog Franz Ferdinand einen fünfstündigen Besuch abstatten. lS. Ausl.) * Wie aus Lans telegraphiert wird, beabsichtigen die franzö - fischen Bergarbeiter, sich dem bevorstehenden General streik der Post- und Eisenbahnbeamten anzu schließen. Weiteres s. d. bes. Art.) * Zur russischen Ministerkrisis wird heute aus Peters- bürg gemeldet:Zar Nikolaus sprach dem Ministerium Sto lypin trotz der Ablehnung des Etats für den Marinegeneralstab sein unverändertes Vertrauen aus. lS. AuSl.) * Nach neuesten Meldungen aus Teheran fordern die Nationa listen die Abdankung des Schahs. Die persische Lage sei sehr ernst. lS. Ausl.) Die „kosbisrs". lVon unserm Pariser D.-Korrespondenten.) * Paris, 9. Mai. Die Vorbereitungen der Regierung für den Generalstreik der Post und Eisenbahn lasten darauf schließen, wie wenig Hoffnung besteht, daß der große Kladderadatsch vermieden werden kann. Was am meisten be unruhigt, ist die Tatsache, daß man nur weiß: die „postisrs" werden streiken, baß man aber nicht weiß, wann der Streik beginnen wird. Das föderale Komitee der Postober- und Unterbeamten bat Vollmacht, den Ausstand von einem Augenblick zum andern zu dekretieren. Es wartet augenscheinlich den Ausfall des Referendums der Eisenbahner ab, deren Delegiertenkongreh im Prinzip den Streik beschlossen hat. Bei einer derartigen Ungewißheit, wann Frankreich aufhören wird, ein moderner Verkehrsstaat zu sein, traf der Ministerrat ganz ungewöhnlich« Vor kehrungen. In Paris erhalten die Offiziere und Soldaten keinen Urlaub: am Sonntag waren alle Truppen in den Kasernen konsigniert, und so wird cs wohl auch in der Provinz sein. Der Eiffelturm ist mili tärisch abgesperrt, um jeden Versuch, die Anlage drahtloser Telegraphie zu zerstören, unmöglich zu machen. Das Zentral-Telegraphenamt ist ebenfalls militärisch besetzt, und die Beamten mußten gestern zwischen einer doppelten Reihe von Soldaten mit aufgepflanztem Bajonett hin durchschreiten, um in ihre Diensträume zu gelangen. Eine Kompanie von Elektrikern wurde aus dem 1. und 5. Pionierregiment gebildet und nach Paris gesandt, um im Streikfall die Telegraphisten des Zentral- bureaus zu ersetzen. An alle Bürgermeister der Gemeinden an den Nationalhauptwegen wurde gestern vom Ministerium des Innern die Weisung gesandt, mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Polizcikräften den freien Verkehr der Postautomobile auf ihrem Gebiet zu sichern: feste und fliegende Posten von Gendarmerie sollen auf der ganzen Länge deS WegeS jedes Attentat gegen Postautomobile vereiteln. Die Regierung hat im stillen Erkundigungen eingezogen, um sich eine möglichst große Zahl von Kraftwagen für den Fall des Ausstandes zu sichern, die beim Aufhören des Bahnverkehrs die Briefsäcke nach den Hauptplätzen trans portieren sollen. Innerhalb der Hauptstadt sollen sofort dieselben Sol daten, die beim Ausstand im März den Briefträgerdienst und den Dienst der Briefsortierung begonnen hatten, neu eingestellt werden. Die Post verwaltung empfiehlt dem Publikum durch Plakate, die Adressen aller für Paris bestimmten Briefe durch Hinzufügen der Nummer deS Arron dissements zu vervollständigen, da dies eine größere Regelmäßigkeit in der Bestellung garantiere. Andererseits haben die Direktoren der Post, des Telegraphs und des Telephons ihrem Personal bekanntgegeben, daß von jetzt ab kein Urlaub bewilligt wird, außer in den dringendsten Fällen. Die Präsidenten der Handelskammern batten Unterredungen mit den Ministern de- Handels und der Oeffentlichcn Arbeiten, um die sofortige Einrichtung der Privatpost zu besprechen. Auf einem großen Plan Frankreichs und einem Plan von Paris hatte man mit Fähnchen die Städte und Zentralen markiert, in denen die Handelskammern auf eigen« Faust den Postbetrieb übernehmen wollen. Die Großindustriellen und Kaufleute werden eine genügende Anzahl ihrer Angestellten nach den provisorischen BureauS senden, wohin alle Handeltreibenden ihre Briefe, die den Aufdruck der Firma tragen müssen, schaffen können. Die Briefe sollen, richtig frankiert, um k Uhr abends von den verschiedenen Aus gabestellen nach der Pariser Handelskammer gebracht werben, von wo sie mittels Automobilen in Säcken nach den verschiedenen Bahnhöfen weiterbefördert werden. Alle Säcke werden dann mit der Adresse einer Provinzialhandelskammer versehen, die ihrerseits für die möglichst rasche Verteilung der Sendungen zu sorgen hat. Die Annahme der Korrespon denz von Privaten, Drucksachen, Einschreibebriefen usw. soll natürlich verweigert werden. Falls der Eisenbahnerstreik gleichzeitig ausbricht, werden die Handelskammern Automobile für den Provinzdienst requi rieren. In ähnlicher Weise haben sich der „Cercle de la Librairie", der „Cercle republicain du Commerce et de l'Jndustri«", das Syndikat der Hallengroßhändler und andere Korporationen organisiert: überall sind Kredite votiert worden: so haben die Handelskammern von Rouen, Lille usw. je 10 000 Fr. bereitgestellt. Nimmt man hinzu, daß fast die gesamte Flotte mobilisiert ist, um entlang der Küste die drahtlosen Tele gramme zu übermitteln, so kann man sich eine Vorstellung davon machen, wie ganz Frankreich mit all seinen konservativen Kräften dem Entschei dungskampf mit der gewerkschaftlichen Bewegung entgegengeht. Die Disziplinargerichte gegen die unbotmäßigen „portiers" haben nun ihre Tätigkeit begonnen. Auf dem Unterstaatssekretariat tagten drei verschiedene Disziplinargerichte für Oberbeamte, Unterbeamte und Streckenarbeiter. Sie setzten sich zusammen aus je fünf Direktoren, die den Minister vertraten, und zwei Beamten vom Rang des Angeklagten. Man hatte angekündigt, daß die beiden Vertreter der Beamten nicht er scheinen würden. Sie waren aber doch zur Stelle, und es ist schon ein Zeichen der großen Einigkeit und des Mutes, den einfache Briefträger oder Telegraphisten besitzen, wenn sie sich nicht scheuen, ihre höchsten Vorgesetzten Auge in Auge herauszufordern. Namens der Verwaltung saßen in den Disziplinargerichten der Direktor der elektrischen Post dienste, der Direktor der Postsparkassen, die Direktoren des höheren und des niederen Personals, der Direktor der Buchführung, der Direktor des Betriebsmaterials, der Chef deS administrativen Sekretariats, die Kabinettschefs des Ministeriums der Oeffen-tlichen Arbeiten, sowie des Unterstaatssekretariats der Post. Vor diesen erschienen als di« Ver treter des Personals die Postagenten Pinette und Lachaud, um sogleich zu Beginn der Sitzung dos Disziplinargericht aufzufordern, sich für in- kompetent zu erklären, weil die Vergehen der Angeklagten nichts mit dem Dienst zu tun hätten: ihre politische Tätigkeit außerhalb des Dienstes wäre ein Teil der von den Menschenrechten jedem verliehenen Bürger freiheit. Der Vorsitzende deS Disziplinargerichts antwortete, daß die Frage der Kompetenz nicht gestellt werden könne, worauf Pinette und Lachaud sich mit der Bemerkung, daß sie ihre Demission als Mitglieder deS Disziplinargerichts gäben, sich zurückzogen. ES war die Frage er örtert worden, pb die Direktoren allein ein Recht besäßen, über die Be amten z« urteilen, wenn nicht, wie das Gesetz es vorschreibt, deren Ver treter anwesend sind. Die Frage wird vor dem Conseil d'Etat demnächst entschieden werden: jedenfalls hatte der Minister sie im vornhinein in bejahendem Sinne beantwortet, weil die Disziplinargerichte nur konsul tativ urteilen und der Minister die Strafe ausspricht. Die sieben Ange klagten des gestrigen TageS, die Oberagenten Chastanet, Courtade, Lamarque, Le Glso und Lamy, der Unterbeamte Fouquet und der Re dakteur in der Zentralverwaltuug Montbrand, waren nicht erschienen, und der Diener, der sie nacheinander aufzurusen hatte, konnte nur mit Mühe seinen Ernst bewahren, wenn er alle zehn Minuten in dem leer stehenden Vorzimmer den Namensaufruf ertönen ließ. Wie der Minister es vorgeschlagen hatte, so urteilten natürlich die Direktoren: Dienst- entlassung aller sieben Angeklagten. Für den Unterbeamten Fouquet waren zwei Briefträger namenS LangrSe und Roblet als Supplementär richter erschienen, die eine andere Taktik einschlugen und den Fall ihres Kameraden vertraten: hier wurde mit fünf gegen zwei Stimmen die Amtsentsetzung ausgesprochen. Noch am gleichen Mend sanktionierten die Minister die Strafe. Die Verfolgungen sind noch nicht am Ende: auch gestern wurden mehrere Ober- und Unterbeamte wegen ihrer Reden in den verschiedenen Meetings vom Amt suspendiert, u. a. acht Beamte des ZentraltelegraphenamtS unter folgender Begründung: „Sie haben sich in den Säst» lärmende Kundgebungen erlaubt, die den Dienst störten, und insbesondere die „Internationale" gesungen: aufgeforbert, mit diesem Skandal aufzuhören, folgten Sie nicht den Befehlen Ihrer Vorgesetzten und machten sich so einer groben Insubordination schuldig. Schließlich haben Sie Ihre ChesS beleidigt." — Diese acht Angeklagten werden sich vor dem Disziplinargericht von einem Advokaten, Thibault, verteidigen lasten. DaS Föderalkomitee erläßt neuerlich einen Aufruf, in dem es heißt: „Disziplin! Bei den Herausforderungen der Regie rung bleibt daS einige und disziplinierte Personal der P. T. T. ruhig. Das ist der größte Beweis von Mut, den man von Männern verlangen kann, deren Empfinden sich gegen daS unqualifizierbare Verfahren der Regierung aufbäumt. Unsere Kameraden vom Zentraltelegraphenamt kehrten zur Arbeit zurück -wischen einer Reihe Soldaten mit aufge- pflanztem Bajonett, und trotz dieser unverdienten Beleidigung hat keiner seinen Unwillen hervorbrechen laste». Die Regierung ist über diese Haltung außer sich, die alle ihre Wünsche und Erwartungen enttäuscht. Sie wollte den augenblicklichen Streik. Wir werden ihn beginnen, wenn wir dazu gezwungen werden, aber wir werden ihn erst dann beginnen, wenn für uns die Stunde gekommen ist. Die bezahlte Presse will in unserer Klugheit nur ein Zeichen unserer Angst und unseres ZögernS sehen. Wir wissen alle, daß dem nicht so ist. Die Verwaltungsvorstände der „Association Gsn^rale des AgentS", deS „Syndikat national deS Sous-agents" und deS „Syndikat d«S ouvrierS" sind mit allen Mili tanten und mit dem Föderalkomitee übereingekommen, durch methodische Vorbereitung den Erfolg einer Bewegung zu sichern, die unvermeidlich scheint. Die Stunde ist nahe, wo in Paris wie in der Provinz alle wie mit einer Stimme antworten müssen: Hier! — DaS föderale Komitee." — Inzwischen sind schon di« StreikbureauS neueröffnet und die Abge sandten für die Provinz bezeichnet worden: alles ist bereit, um von einem Augenblick zum andern den Ausstand zu beginnen, und am heutigen Sonntagnachmittag wird man sich in einer Massenversammlung der „postisr»" davon überzeugen können, ob sie nach wie vor zum Streik bereit sind. Eine ausfällige politische Nebenerscheinung sind die Alarmnach- richten mehrerer Pariser Blätter auS Berlin über angebliche deutsche Kriegsprojekt« für den Augenblick deS Streikbeginnes in Frankreich — eine bestellte Arbeit, die nur dazu bestimmt ist, Unentschostenheit in die Reihen der Beamten zu tragen: denn nichts rechtfertigt diese ten- denziösen Meldungen. Die „postisrs" haben denn auch eine Erklärung erlassen, in der sie gegen diese durchsichtigen Manöver protestieren und versichern, daß sie bei der geringsten Gefahr von außenher ihren Dienst wieder aufnehmen oder an die Grenze eilen würden. Sehr interessant ist auch eine heutige Meldung des „Figaro", der zu wissen glaubt, daß der jüngst in den Senat gewählte Seine-Präfekt de Selves seinen Platz dem verhaßten Unterstaatssekretär der Post, Simyan, überlasten wolle, womit für Clemenceau eine Hauptsorge in Wegfall komme. Man fragt sich nur, ob die Pariser Gemeindebeamten zufrieden sein werden, Herrn Simyan zum Chef zu erhalten. * Telegraphisch wird uns ferner zur Situation noch folgendes ge meldet: Paris, 11. Mai. (Telegramm.) Die Postbeamten in Havre und Clermont-Ferrand haben sich zugun st en eines Ausstan- des ausgesprochen und werden einer eventuellen Streikparole des Zentralkomitees Folge leisten. Paris, 11. Mai. (Telegramm.) Die Postbeamten hielten in letzter Nacht ein Meeting ab und beschlossen, den Ausstand zu verkünden, falls ihnen die Kammer nicht hinreichende Genugtuung geben werde. Paris, 11. Mai. (Telegramm.) „Petit Journal" meldet, daß ein zelne Streckenarbeiter der Telegraphenverwaltung ihre Einlagen aus den Sparkassen zurückgezogen hätten. Man erblickt hierin ein Anzeichen dafür, daß zum mindesten die Streckenarbeiter ernst- lich zum Ausstande entschlossen seien. Zrrv Reiehsfinanzveforiii. Die Kriegserklärung der Konservativen, die am Sonntag die „Kreuzztg." veröffentlichte, ist allerwärts in demselben Sinne gewertet worden, wie wir es gestern taten. „Das Block-KartenhauS stürzt ein. Alle gutgemeinten Versuche, das zerbrechliche Gebilde vurch geduldiges und vorsichtiges Hantieren zu stützen, sind an dem starren Widerspruch, an dem Partei-Machtwillen der Koniervativen gescheitert", schreibt der „Hann. Cour." und kennzeichnet mit diesen Sätzen treffend die Situation, die sich allerdings bereits seit der Blockkündigung des Herrn v. Normann ganz in gleichem'Sinne beurteilen ließ. WaS indes damals von den Konservativen noch schämig abzulcugnen versucht wurve, bat man jetzt endlich offen eingeslanven. Die selbst verständliche Folge deS offiziellen Bruches ist die Aussichts losigkeit aller VerständigungSversuche zwischen der Reckten unv per Linke», und damit rückt die Frage nach dem Schicksal Bülows wieder in ven Brennpunkt deS Interesses. Die „Frkf. Zig." will zwar Wissen, daß der Reichskanzler einen bestimmten Entschluß noch nicht ge faßt habe, aber einmal, und zwar sehr bald, muß er sich doch dazu auf raffen, wenn die Vorwürfe gegen die Negierung, daß auch sie an der Verschleppung der Finanzrelorm beteiligt sei, nicht ins Ungemessene steigen sollen. An der Festigkeit des Willens der Konservativen zu zweifeln, würde von mangelnder Kenntnis der Cbaraktere in jener Partei zeugen. Es will deshalb nicht viel besagen, wenn jetzt vom offiziösen Draht mit Geschlossenheit Nachrichten verbreitet werden, nach denen sowohl derGrasSchwerin-Löwitz wie der Abg. Pauli-Potsdam, dem dffsen- tierenden Kleeblatt Gesellschaft leisten und für die Erbanfallsteuer stimmen wollen. Die „Kreuzztg." ist ihres Triumphes sicher und bemerkt mit leidig zu der in einem Potsdamer Blatte veröffentlichten Erklärung Paulis: „Der Abgeordnete Pauli wird wohl kaum in die Lage lommen, dieses Versprechen (für die Erbanfallsteuer zu stimmen, d. Rev.) einzu lösen, da die verbündeten Regierungen schwerlich noch eine Vorlage ein- bringen werden, wie sie der Abg. Pauli erwartet." Ueber die Aeuße- rungen bes Grafen Schwerin-Lowitz, die in Anklam gefallen sind, schweigt sich das Blatt allerdings noch aus, und das kommt uns einigermaßen verdächtig vor, zumal eS über den armen Pauli-Potsdam wie über einen Ketzer herfällt. Immerhin selbst angenommen, raß nun wirklich fünf Abgeordnete einen abweichenden Standpunkt vertreien, so bält doch die weit überwiegende Mebrheit der konservativen Reichstags fraktion zur Fahne der Gegner der Erbanfallsteuer, und so wird dlirch dieje Abspringungen an der Gesamtlage nicht das Geringste geändert. DaS Fiasko der Reichswertzuwachssteuer. Bei Herrn Sydow hat am Montag eine Konferenz von Kommunal vertretern stattgesunken, die ter Erörterung deS Projekts einer Reichs wertzuwachssteuer galt. Die „Voss. Ztg." berichtet über das Ergebnis dierer Konferenz, "an der außer ben Oberbürgermeistern der großen Städte auch Verlreter der Wissenschaft und eine Reihe von Kommissaren einzelner Bundesstaaten teilnabmen: „Man gelangte zu dem fast ein mütigen Ergebnis, daß rie Frage der Reichswertzuwachssteuer zurzeit noch lange nicht genügend geklärt sei, um mit einer Vorlage an den Reichstag beranzutreten, daß ferner zweifellos die Erträgnisse der Steuer überaus großen Schwankungen unterliegen würden unv die Steuer bei günstiger Schätzung höchstens 12'/, Millionen, bei noch opti mistischerer und in besonders günstigen Jahren höchstens 20 Millionen bringen würde." Darnach ist also die Verwirklichung dieses Planes ausgeschlossen, und die Verwirrung der Lage nimmt immer mehr zu. In der Versammlung deS Tabakvereins, die, wie wir bereits mitteilten, am 4. Mai Stellung zu der Tabaksteuer frage genommen hat, wurde der Versuch der vier Firmen A. R. Iedicke <L Sohn in Dresden, I. Goldfarb in Pr.-Stargard, Elfässiscke Tabak manufaktur in Straßburg und I. L. Bruns L Söhne in Hannover- Wülfel, für eine neue Art Banderolesteuer, durch die von ihnen als Spezialität hergestellte Waren begünstigt werden sollien, Propaganda zu machen, als Vertretung krasser, ganz vereinzelter Sonder interessen mit Entrüstung zurückgewiesen. Gegenüber der ver schwindenden Minderheit dieser Außenseiter hält der Deutsche Tabak verein an seinem Beschluß fest: „Ein gedeihlicher Fortbestand des Deutschen TabakgeweibeS ist nur möglich, wenn das ,etzige System der Besteuerung de» deutlchen Tabaks und der Verzollung deS ausländischen Tabaks lediglich nach dem Gewicht unter schonender Berücksichtigung der gesamten Rauch-, Kau- und Schnupstabakfabrikation bcibchalten wird." O Die Tabaksteuervorlage 1u der Finanzkommission. 0. Berlin, 11. Mai. (Prwattel.) Tie Finanzkommission, die heute auf Kosten des Plenums den ganzen Tag für sich hat, beginnt mit der Beratung der Tabaksteuer. Wie schon bekannt, bat die Subkommission sowohl daS System der Regierungsvorlage, die Banderole, als auch den Antrag Weber- Mommsen abgelehut, der etwa 40 Millionen durch eine einjach«
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