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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 07.07.1903
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-07-07
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19030707027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903070702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903070702
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- LDP: Zeitungen
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- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
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Bis an die äußersten Grenzen des menschlichen Daseins hat Papst Leo XIII. seine Tage hinaufgeführt; Jubilar als Pontifex und als Priester, konnte er Feste begehen, wie sie glanzvoller kaum je einer seiner Vorgänger auf dem Stuhle Petri gefeiert hat; triumphierend hat die vatikanische Presse aller Länder diese Feste als Beweis dafür gepriesen, daß Macht und Ansehen der katholischen Kirche im Vergleiche mit der Vergangenheit noch gewachsen seien. Und doch senkten sich tiefe Schatten auf das Walten Leos XIII. herab, und doch mutzte er am Spätabend seines Lebens und am Ende seines Pontifikats in der Ansprache an die Kardinäle vom 15. April 1901 bekennen, bedrohlichen Gefahren gegenüberzustehen, die in der Zukunft noch wachsen würden! Woher aber drohen diese Gefahren ? Weder aus protestantischen Staaten, noch aus dem schis- matischen Rußland, weder vom Islam, noch vom Heiden tums, sondern ausschließlich aus katholischen Ländern. Daher ist auch die Wehmut erklärlich, die durch jene päpstliche Ansprache hindurchklingk. Wie sollte sich nicht tiefe Niedergeschlagenheit des Papstes -bemächtigen, wenn er sieht, daß das Ergebnis seines Pontifikats eine leidenschaftliche Bewegung gegen die römische Kirche in Spanien, Portugal, Belgien und vor allem in Frank reich ist? Frankreich insbesondere- hat den Papst doppelt enttäuscht: einmal durch die Ordensgejeygebung, sodann durch die Passivität gegenüber Leos Hoffnung, mit Hülfe des Zweibundes die w e l t l i ch e H c r r s ch a f t im Kirchenstaate wieder zu erlangen. Seinem Schmerze hierüber hat Leo noch auf dem Sterbelager Ausdruck gegeben und damit aufs neue gezeigt, wie be rechtigt Leos Biograph L. K. Goetz war, in seinem vor trefflichen Werke „Leo XIII." < Gotha 1899, F. A. Perthes), die Wiederherstellung des Kirchenstaates als eines der beiden großen Ideale zu behandeln, denen Lev ganz ver gebens nachgcstrebt hat. Das zweite große Ideal, dessen Verwirklichung Papst Leo nicht einmal in den Anfängen schaute, ist die Union der beiden katholischen Kirchen. Hiervon ab gesehen aber hat Leo XIII. als Politiker und Diplomat mannigfache größere und kleinere Erfolge anfzuweisen. Gemäßigter als sein Vorgänger, nahm er zum Nutzen für die römische Kirche die nach allen Seiten abgebrochenen Beziehungen wieder auf und bot die Hand zum Frieden. Durch seinen freilich nicht von Erfolg gekrönten Eifer für die Lösung der sozialen Frage gelang es ihm, große Massen des arbeitenden Volkes vieler Länder an der Seite des Papsttumks festzuüalten. Die geschichtlichen Schätze des Vatikans der Forschung erschließend, stimmte er weite Kreise der gebildeten Welt günstig für die römische Kurie. War Leo XIII. deshalb wirklich der „liberale" Papst, als welcher er manchem, namentlich in der Ver klärung des Greisenalters, erschienen ist? Urkund liche Zeugnisse, gerade aus den letzten Jahren, beweisen das Gegenteil. „Liberal" war Leo nicht gegenüber dem Protestan tismus. Er hat ihn in der Eanisius-Encyklika ge schmäht, er hat in der Iubiläumsbullc vom 11. Mai 1899 geboten, um die „Ausrottung der Ketzereien" zu beten, er hat in seinem „Testament", d. h. in dem apostolischen Schreiben, das er zum Beginn des fü' wanzigstcn Jahres seines Pontifikats an alle erließ, die Kriegserklärung gegen die Reform'' »ert und er hat „motu proprio" die Leitun .. „Bewahrung des Glaubens", d. h. die Organisation zur Bekämpfung des Protestantismus in der Stadt Rom, einem besonderen Rate der Kardinäle übergeben. „Liberal" war Leo auch nicht gegenüber den freie ren Richtungen im Katholizismus. Ganz zu schweigen von seiner Haltung zum Alt-Katholizismus, hat er d i e Richtung der römischen Kirche verdammt, die nach einer Aussöhnnua mit der modernen Welt strebte, den Amerikanismus, wie ihn ein Erzbischof Jreland vertrat (1899). Und in einem Schreiben an die Bischöfe Englands vom März 1901 bekämpfte Leo die freigeistigen Regungen innerhalb des Katholizismus, indem er u. a. wörtlich sagte: „Man kennt sie nur zu gut, die Verderbnis, die bald wütet, bald droht, und ihren Ursprung in völlig irrigen Meinungen hat, deren Gesamtheit gewöhnlich mit dem Namen liberaler Katholizismus bezeichnet wird." „Liberql" war Leo auch nicht gegenüber dem mo dernen Staate und der modernen Kultur. Er hat in seinem Testamente die Kriegserklärung gegen den modernen Staat erneuert, weil dieser die Ehe in den Bereich seiner Gesetzgebung zog und die Ehescheidung ge stattete, sowie die Herrschaft in der Schule behauptete. Ausdrücklich erneuert hat Leo ferner in seinem Testamente die Kriegserklärung gegen die alte und gegen die moderne Philosophie, deren Irrtümer schon von den Vätern der ältesten christlichen Zeiten widerlegt sein sollen. Erneuert hat Lev in seinem Testamente endlich die alte Praxis, auf die Abkehr der Geister von der rörnischcn Hierarchie den angeblich allgemeinen sittlichen und politischen Niedergang zurückzuführen. Und zugleich kennzeichnete er seine Stellung in der modernen Welt dadurch, daß er selbst die sittliche und die politische Einkehr der Menschen nur gelten läßt, wenn sie mit der Rückkehr in den Schoß der römischen Kirche verbunden ist. Die Rückkehr znm Christentums allein, so sagte Leo XIII. in seinem Testamente, „ist kein wahres und kein vollkommenes Heilmittel, wenn sie nicht die Rück kehr zur einen, heiligen, katholischen, apostolischen Kirche bedeutet, da das Christentum in der katholischen Kirche sich betätigt und verkörpert, dieser souverän geistigen und vollkommenen Gesellschaft, die der mystische Körper Jesu Christi ist und zum sichtbaren Oberhaupte den Papst hat." So bewährte auch Leo XIII. die Erfahrung, daß der römische Pontifcr als die Verkörperung des vatikanischen Systems nur den Schein des Liberalismus, der Duld samkeit, haben kann. Leos Mäßigung hat es nicht dahin kommen lassen, daß der Kampf zwischen dem vatikanischen System und der modernen Welt auf der ganzen Linie und in Hellen Flammen entbrannte. Ob es dabei bleibt, hängt wesentlich von dem Ergebnis des bevorstehenden Konklave ab. Wir lasst» nun die leoten Meldungen über das unauf haltsame Fortschreile» der Toveökraiikbeit Leos folgen: * Nom, 6. Juli. Die Aerzte des Papstes haben, nachdem von ihnen zunehmender Krästeverfall sestqestellt worden ist, fast alle Hoffnung aufgegeben» daß der Papst die schwere Krisis überstehen könne. Die Nahrungsaufnahme ist völlig ungenügend und die Herztätigkeit, die aus zusetzen droht, wird' nur durch Reizmittel aufrechterhalten. Der Zustand.Her Lunge ist unverändert, doch glaubt man, daß Lek Papst die Nacht überleben wird. Der Papst hat fast den ganzen Tag im Lehnstuhl zugebracht, weil ihm sitzend das Atmen leichter wird. Der Papst ist bei völliger Geistesklarheit und unterhält sich trotz deS Verbots der Aerzte mit den Sekretären. — „Avanti" zufolge bestätigte Lapponi, daß der Zustand des Papstes hoffnungslos sei und daß der Papst nur durch ein Wunder gerettet werden könnte. — Das genannte Blatt meldet ferner, Kardinal Vives äußtrte, seine Kollegen seien zu schmerzlich bewegt, nm an das Konklave zu denken. DaS Blatt fügt hinzu, Vives gehöre zu der Partei Rampollas und werde seine Stimme im Konklave geltend machen. * Rom, 6. Juli. Die letzte Oelung wurde dem Papst heute abend ll'/z Uhr von dem Eakustan Msgr. Pässen erteilt. * Rom, 6. Juli, (ll Uhr abends) Mazzoni erklärte einem Vertreter der „Agenzia Stesani", er glaube, der Papst könne, wenn nicht ein unvorhergesehenes Ereignis eintrete, noch 24 oder 48 Stunden leben. — Wie „Osservatore Romano" in einer Sonder ausgabe meldet, wurde um 8 Uhr abends in der Paulinischen Kapelle das Allerheiligsle ausgestellt. — Die „Tribuna" schreibt, die neue Verschlimmerung im Befinden des Papstes ries überall einen tiefen Eindruck hervor. Als dem Papst die letzte Oelung erteilt wurde, waren Lapponi und der Leibdiener des Papstes Centra zugegen. Die Feierlichkeit war von kurzer Dauer. Der Papst empfing die letzte Oelung bei vollständig klarem Geist. * Nom, 6. Juli. Nach Empfang der letzten Oelung richtete sich der Papst einige Augenblicke von seinem Kissen auf und segnete die Anwesenden mit den Worten: „Dies ist mein letzter Segen." Sämmtliche Anwesenden waren sehr gerührt. Der Papst fühlt sich sehr schwach. Der Puls setzt zeitweise aus. Man glaubt indessen, daß der Kranke den morgigen Tag noch erlebt. Nach Mitternacht vermehrte sich die Schwäche des Papstes. Mehrere Kardinäle begaben sich nach dem Vatikan. Die Bronzetüren des Vatikans werden um '/I2 Uhr nachts geschlossen. Der Petersplatz trägt, wie die Stadt über haupt, das gewohnte Aussehen. — Bor dem Vatikan sammelten sich jedoch zahlreiche Journalisten an. Der Gemeinderat sprach heute abend in einein einstimmigen Beschlüsse die besten Wünsche für die Genesung des Papstes aus. * Nom, 6. Juli. Außer den bereit- Genannten waren bei der Erteilung der letzten Oelung noch die Kardinäle Gotti und Mathieu zugegen. Nach der Feierlichkeit wurden dem Papste Depeschen mitgeteilt, in denen dem Wunsche Ausdruck gegeben wird, daß er wiederhergestellt werde. .Der Papst zeigte sich sehr gerührt. Lapponi sprach ebenfalls die Ansicht aus, daß der Kranke, der stets bei vollem Bewußtsein ist, den morgigen Tag erlebe. Hinsichtlich des Befindens des Papstes schreibt die „Tribona", dem gestrigen Pessimismus folgte heute im Vatikan ein übertriebener Optimismus. Das Blatt fügt hinzu, Rampolla sei es, durch den die günstigen Nachrichten verbreitet werden. — Bei der Erteilung der letzten Oelung waren ferner zugegen der Untersakrista», Majordomus Azevedo, Oberstkämmerer BiSleti, die päpstlichen Nobelgarden, Gras Pecci, Kommandant Rospigliosi, Marquis Sacchetti, die Geheimkämmerer Misciatelli, Graf Zichy, Sony d« Samper, Scapinelli, di« Sekretäre Mazzolini und Angelt und der Ueberbringer der goldenen Rose, Graf Soderini. * Rom, 7. Juli. (Telegramm.) Das Bulletin von 6 Ubr morgens lautet: Der Papst ruhte während der Nacht gut und »ahm einige Nahrung. Möglicherweise wird er noch den ganzen Tag leben. Das nächste Bulletin wird wahrscheinlich um 8V, Uhr ausgegeben. * Nom, 6. Juli. Auf dem PeterSplatze sammelten sich am Abend einige hundert Personen an. — Nur Rampolla und die Neffen des Papstes betraten heute das Gemach deS Papstes.— Heute vormittag erkundigte sich der Papst, wat mau in Rom von seiner Krankheit sage. * Rom, 6. Juli. Gestern vormittag diktierte der Papst dem Sekrelär Angrli einige lateinische Verse und bat diesen, sie sofort in die Druckerei des Vatikans zu schicken, weil er deu Korrekturabzug sehen wolle. Der Papst äußerte, eS wären die letzten Verse seines Lebens und er wolle sie vor seinem Tode ver- öffentlichen. Der erste Hexameter lautet: „8ol moritur vespro codeus sua, rexoa rudeuti." Die Verse atmen tiefe Melancholie und enthalten unter Anrufung deS Erlösers und der heilige» Jung frau einen Abschied von allen Christen. * Rom, 6. Juli. Wie die „Tribuna" meldet, diktierte der Papst heute Msgr. Marzolint einige Anordnungen bezüglich deS Kirchenvermögens und Msgr. Angeli Verfügungen über da- Privatvermögen. Während er diktierte, ging der Papst mehr mals zum Geldschrank und Schreibtisch, um dir Papiere» die er brauchte, herauszunehmen. * Rom, 6. Juli. Alle Personen, welche nicht zum Vatikan gehören, mußten den Palast um 10 Uhr abends verlasse». ES wurde selbst nicht gestaltet, den Krankheitsbericht zu lesen. — „Jtalie"meldet, Kardinal Gibbons werde dem Konklave beiwohnen können, da sich jein Dampfer anheischig gemacht hat, ihn in sechs Tagen Feuilleton. Hotel Alpenrose. Roman von Arthur Achleitner. url nerbolen. Das Beispiel dieses Paares wirkte ansteckend für andere Tischgesellschaften, die sich vielleicht dem Wirt gegenüber für seine Konzert-Aufmerksamkeit revan chieren wollten und gleichfalls Champagner bestellten. Still zogen sich die Inkognito-Herrschaften zurück, von Tschurtschbergcr ehrfurchtsvoll durch den Saal geleitet. ElwinL »vard bald ausgelassen lustig und genehmigte eine zweite Pulle, da der Kavalier erklärte, es sei noch immer zu früh zum Schlafengehen. Aufsallenderweise trank Winkelhofer nun fast gar nichts mehr, genoß Gieß- hübler Wasser, und motivierte feine Enthaltsamkeit mit Herzklopfen, das vieles Sekttrinken jedesrnal bei ihm Hervorrufe. „Was, Herzklopfen?" lachte Elwine übermütig. »Herzklopfen vom Sekttrinken! Lassen S' Ihnen nicht auslachen, lieber Baron! Es hätte allenfalls noch Sinn, wenn Sie ob meiner Nähe Herzpumpern bekämen; von dem bissel Schampuß sicher nicht!" „Ganz richtig, Allergnädigste, wer vermöchte in Ihrer bezaubernden Nähe kalt zu bleiben!" „Na also! Bleiben Sie bezaubert! Ich erlaube es Ihnen, weil Sie mein Kavalier sind! Hab' mir schon lange einen wirklichen Kavalier gewünscht! Apropos, eigentlich hatte ich Zweifel an Ihrer Echtheit —" „Wie?" „Na, seien Sie nur gut! Wissen Sie, beim ersten Anblick habe ich nicht recht geglaubt, daß Sie ein wirk licher Kammcrhcrr sind", plapperte, wcinselig geworden, das fesche Weib heraus. „Sehr freundlich, Gnädigste! Wahrscheinlich fühlten sich Gnädigste ob meines unangenehmen Blickes ab gestoßen? Das ist nun freilich ein liebel, für welches ich nichts kann, und an das man sich gewöhnen muß." „Hab' ich ja auch bereits getan! Auch innerlich Abbitte geleistet!" „Sehr gütig! Sind Gnädigste nun überzeugt von meiner sogenannten Echtheit?" „Aber natürlich! Kavalier durch und durch, von der Sohle bis zur — Glatzen, o Pardon! Hören S', lieber Baron, ich glaub', ich hab' genug! Gehen wir!" Winkelhofer drehte sich seitlich, orientierte sich in der Richtung zum Saalausgang und erklärte sich nun bereit, die weinsclige Dame hinaufzubcgleiten. Der einsame Zecher war verschwunden. Um Mitternacht erloschen die letzten Lichter, es ward totruhig im Hotel, und alles lag im besten Schlafe. Tschurtschberger bewohnte nach der Umquartierung der hohen Herrschaften sein altgewohntes Gemach und schlief im eigenen Bett den ehrlich verdienten Schlaf des Gerechten. Es mochte etwa ein Uhr sein. Die Straße vom Ober dorf herunter humpelte der Nachtwächter und rief in altgewohnter Weise die Stunde aus. Im Flur des ersten Hotelstockwerkcs huschte ein rotes Laternenlicht, getragen von einer in Filzschuhen schleichenden Mannes person, zu den Gemächern der Prinzessin. Dichtes Haar und starker, schwarzer Bart umwucherte den Kopf des sorgsam lauschenden Mannes, der, hemdärmlig und im Beinkleid steckend, sich an der Zimmertür des herrschaft lichen Appartements zu tun machte, indem er eine sehr feine, kleine cylindrische Zange in das Schlüsselloch steckte und nach dem innen steckenden Zimmerschlüssel sondierte. Nach wenigen geschickten Griffen war eine Schlinge von feinstem Stahldraht um den im Schlöffe steckenden Schlüsselkopf befestigt, der Schlüssel mit der Miniatur zange gepackt und so gedreht, daß er durch das Schloß ge stoßen und am Draht langsam inwendig zu Boden ge lassen werden konnte. Der Mann richtete sich auf, lauschte wohl eine Viertelstunde, wobei die kleine Laterne mit dunkelrotem Glase von einem schwarzen Tuche verdeckt blieb. Es rührte sich nichts. Leise ward die auf ingeniöse Weise vom Schlüssel be freite Tür geöffnet, das Tuch von der Laterne weg genommen, und geräuschlos trat der nächtliche Besucher in das Gemach, das sich als Vorzimmer, von der Kammer frau bewohnt, erwies. Wiewohl der Mairn das Rot licht*) direkt auf die Schläferin fallen ließ, erwachte die Kammerfrau nicht. Die nächste Tür war unverschlossen *) Es wird behauptet, daß rotes Licht Schlafende eher fester schlafen mache, als daß cs dieselben aufwccke. In Gcbirgsländern besteht z. B. der Brauch, daß Bauern burschen nächtlicherweile mit Laternen, über welche ein rotes Tuch gebreitet ist, in die Kammern der Dirnen schleichen nnd Unfug genug treiben, ohne daß die schlafen den Mädchen erwachen. Vergl. vr. H. Groß, Handbuch für Untersuchungsrichter (Graz 1899). und führte zum Salon. Hier blieb der nächtliche Be sucher ein Weilchen, stehen und horchte. Regelmäßige Atemzüge künden tiefen Schlaf der Bewohner des an stoßenden Gemaches. Auch diese Tür ist unverschlossen, ein leichter Griff auf die Klinke öffnete diese, und ein tretend, beleuchtete der Mann die schlafenden Damen, sodann die an den Betten stehenden Nachttischchen, auf welchen, wie erwartet, die vor -em Schlafengehen achtlos abgenvmmenen Schmuckgegenstände lagen. Mit wenigen Griffen waren Ringe, Broschen, ein Perlenkollier und ein mit Diamanten besetzter Kamm geborgen, und nun zog sich der Hotcldieb geräuschlos zurück. An der letzten Tür zwickte er den Stahldraht ab und nahm ihn zu sich, steckte den Schlüssel von innen ins Schloß und verschwand, nachdem er die Tür leise zugcmacht hatte. In wenigen Minuten war der Mann die Treppe hin unter gehuscht. Fünftes Kapitel. Die Tatsache, daß im roten Hause eine neue Häuserin eingestellt wurde, verknüpft mit der weiteren Tatsache, daß diese Häuserin identisch mit dem entlassenen Hotel stubenmädchen Sina ist, das mußte Ober- und Unter schwarzwasser wie die Bewohner der malerischen Um gebung in Aufregung bringen. Den gut situierten Hungerte hätte manche Frauensperson mit Vergnügen zum Gatten genommen, so der Metzger nur gewollt; für Lchorsch, den Sohn, bestehen überhaupt in Frauen- und Müdchenkreisen ungemessene Sympathien. Nun aber herrscht im roten Hause eine dralle, üppige Person, die es zweifellos verstehen wird, einen der Hungerles ein zufangen; es fragt sich nur, ob Sina den Alten nimmt oder schon hinsichtlich der Jahre den Jungen. Läster- mäuler prophezeiten den Gang der Ereignisse in einer Richtung, die für die Häuserin absolut nicht schmeichelhaft ist, und besonders Mißgünstige gaben der Meinung dahin Ausdruck, daß alsbald der Sittenwächtcr, der Pfarrer, von dem sonderbaren Verhältnis im roten Hause müßte verständigt werden. Um all das Gerede kümmerte sich Sina, die das HauS höchst selten verließ, nicht im geringsten. Schorsch wurde in Wirtshäusern wohl gelegentlich wegen der neuen Häuserin „ausgczwickt", doch verstand cs der Bursche, sehr kräftige Antworten zu geben, und damit verging den Ulkbrüdern am Zechtisch die Lust, zumal da sic cs mit dem Weinspeudierer nicht verderben wollten. Hingegen nahm Hungerte son. jede, auch die harmloseste Andeutung übel, und wurde der Meister wild, wenn nur leise die Jugend seiner Häuserin erwähnt wurde. Nach seiner Auffassung entspringen solche Andeutungen nur dem Neid und Aerger, außerdem aber habe es niemanden zu kümmern. Ein vorzügliches Gegenmittel brachte Hun- gerle solchen Leuten gegenüber auf drastische Weise an, indem er die Spottlustigen einlud, zuerst die Fleisch schulden zu bezahlen und hinterdrein sodann die bos hafte Zunge spazieren gehen zu lassen. Das wirkte vor trefflich und stopfte den Leuten wenigstens während ihrer Anwesenheit im roten Hause den Mund. Am häuslichen Wirken Sinas hatte Hungerte seine Helle Freude; die Häuserin versteht es, ihm jeden Wunsch vom Gesicht abzuguckcn, sie kann, wenn auch nicht gerade hervorragend, kochen und nimmt auf alemannischen Ge schmack genügend Rücksicht. Zudem blitzt alles vor Sauberkeit, und klug fügte sich das Mädel in des Alten Gewohnheiten, Schrullen, sowie in den Hausbrauch. So gar um die „Bank" wollte Sina sich annehmen und bat gelegentlich um Anlernling der Fachkenntniffe des Fleisch verkaufes. Vergnügt lachend meinte Hungerte, das hätte Zeit, bis die Kopulation werde stattgefunden haben. Das war deutlich genug und ließ die Absichten klar erkennen. Sina waltete daher geduldig ihres Amtes und ließ die Dinge an sich herankommen. Gelegentlich fragte der Alte den Sohn, wie ihm die Veränderung seit der Einstellung der Häuserin gefalle, und Schorsch versicherte dem Vater, daß man es besser eigentlich nicht haben könne, wenn Sina so fleißig uns Häuserin bleibe. Auf die Einschränkung des Lobes m der Beifügung legte Hungerte kein Gewicht, vielleicht hatte er sie auch überhört. Nach seiner Meinung min dere sich die als sicher vorausgesetzte Opposition Schorschls gegen daS Heiratsprojekt, und das war Hungerle zunächst die Hauptsache. Der Alte war des weiteren auch gar nicht böse darüber, daß Lchorsch seine arbeitsfreie Zeit vielfach auswärts verbrachte, und küm- mertc sich nicht weiter um das Tun und Treiben deS Sohnes außerhalb des Hauses. Verdruß gab cS daheim insofern, als Sina allmählich doch die Eigenschaften einer Herrin und Frau gegenüber der Magd t>erauSkchrte und in Streitfällen direkt hand greiflich wurde. Kam Hungerle dazu, so gab er immer der Häuserin recht, schlich dann zur Magd und beruhigte diese mit einem Geldgeschenk, nur um ihr Bleiben zu erzielen. Selbstverständlich benützte die Magd jede Ge legenheit zu neuem Streit, nachdem sic sich der Anwesen heit des Hausherrn vergewissert hatte, und Sina zeterte und schlug wie erwünscht, und jedesmal rückte der Akte
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