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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 07.07.1903
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-07-07
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19030707027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903070702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903070702
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
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4834 nach Havre zu bringen. Dagegen werde der Erzbischof von Sydney, Kardinal Moran, an dem Konklave nicht teilnehmen können. — Die Kardinale, welche den Kardinalshut »och nicht erhallen haben, empfangen ihn durch den Eamerlengo, damit sie an dein Konkin» r trilnehmen können. — Die Architekten des BatikauS Schneider und Martinocci trafen Maßregeln für das Konklave. * Nom, 6. Juli. Ter Papst wollt« gestern »in Breve unter zeichnen, durch welches Mfgr. Bolpini zum Sekretär der Kon- sislorialkongregalion ernannt wird. Diese Ernennung ist sehr wichtig, weil im Falle eine- Konklave- der Sekretär dieser Kongregation, der gleichzeitig Sekretär deS heiligen Kollegiums ist, die Leitung des StaatSfekretariats übernimmt, dessen Inhaber seine Tätigkeit mit dem Tode de- Papstes rinslellt. — Ter Hauskaplan deS königlichen Hauses Msgr. Lanza stellt in einem Schreiben an die „Tribuna" in Abrede, daß er insolge einer Depesche des Königs in Rom geblieben sei. * Nom, 6. Juli. Wie die „Capitain Fracassa" meldet, versani- meltrn sich bei dem Kardinal Gotli heule elf Kardinal«, um ihre Ansichten bezüglich der Papstwahl auszuiauschen. Dabei wurden die Namen Bannutelli, Gotti und Rampolla genannt. Das Blatt meldet weiter, wenn Kardinal Oreglia zum Papst gewählt werden sollte, werde er den Namen PiuS X. annrhmen, weil er von PtuS IX. zum Kardinal ernannt wurde. Sollte einer der von Leo XIII. ernannten Kardinäle gewählt wrrden, so werde er wahrscheinlich den Namen Leo XIV. annehmrn. * Nom, 6. Juli. Gegenüber der Meldung deS Pariser ..GauIoiS" erklärt di« „Tribuna", die italienischen Minister halten keine Ver anlassung, im Hinblick auf dir Erkrankung de- Papstes sich mit der Reis« d«S Königs nach Pari- zu beschäftigen. Hinsichtlich deS Zeitpunktes der Abreise des König- von Racconigi nach Pari- ist durchaus nicht-geändert. — Ferner erklärt die „Tribuna" es aufs bestimmteste für falsch, daß Zanardelli mit den Ministern des Kabinett- über irgendwelche- Vorgehen beriet, da- bezweckte, dem Papst« die durch die Gesetze verbürgte Unabhängigkeit einzuschränken. Zanardelli werde sich darauf beschränken, die Achtung der Gesetze und der Freiheit zu sichern. Politische Tagesschau. * Leipzig, 7. Juli. Sozialpolitik und Sozialdemokratie. Die Reichstagsperiodc 1868/1903 soll nach dem „Vor wärts" durch den „f a st völligen Stillstand der ernsthafteren Lozialresorm" gekennzeichnet sein,' selbst leicht erfüllbare Forderungen der Arbeiter be züglich des Arbeiterschuycs seien zurückgewiescn worden; dafür habe das Unternehmertum die Arbeiter in der rück sichtslosesten Weise ausgebeutet und der Klassenstaat habe den Bolksmasscn die wichtigsten Lebensmittel und den Lebensunterhalt durch die Erhöhung der Zölle verteuert. Die letztere Behauptung des sozialdemokratischen Zentral organs seyr bei seinen Lesern eine Urteilslosigkeit und eine Unwissenheit sondergleichen voraus. Denn Zoll erhöhungen, die lediglich auf dem Papiere stehen, können unmöglich den Lebensunterhalt verteuern. Nicht viel besser als mit dieser maßlosen Hetzerei des „Vorwärts" ist es mit dem Urteile bestellt, das er über die sozialpolitischen Leistungen in den Jahren 1898—1903 fällt. Je krasser das Verdikt des sozialdemokratischen Zentralorgancs ist, um so mehr ist es am Platze, den Tatsachen gegenüber radikaler Verkleinerungssucht zu ihrem Rechte zu verhelfen. Das Material dafür findet man in den letzten Jahrgängen der „Sozialen Praxis". Das genannte Organ der Sozial reformer hat vor drei Jahren in einer Betrachtung über die sozialpolitische Bilanz der damals abgelaufenen Reichs tagssession hervorgehoben, welche große und entschlossene Mehrheit für die tatkräftige Fortführung einer arbeiter freundlichen Politik schon in der ersten Session des 1898 gewählten Reichstages vorhanden war und wie stark die verbündeten Regierungen durch die sozialpolitischen Im pulse des Reichstages beeinflußt wurden. Das erste her vorragende Ergebnis dieser Verhältnisse war die Revision des Jnvalidenversicherungsgcsetzes. Nach Jahresfrist gelangten die' Novellen zur Unfallver st ch e r u n g zum Abschluß, die eine wesentliche Verbesse rung und Erweiterung dieser segensreichen Institution be deuten ; die Novelle zur Gewerbeordnung steuerte nicht nur den gröbsten Mißbräuchen im privaten Stellennachweis, sondern führte auch die richtige Ausdehnung des Arbciterschutzes auf die Handels- ange st eilten in offenen Ladengeschäften herbei und bahnte eine weitere Regelung der Konfekttons. Heimarbeit an. Endlich bleibt als Errungenschaft dieser Session die Aufhebung desBerbinbungsver- botes für politische Vereine, die für die ge werkschaftliche Bewegung von größter Bedeutung ist. Die reformfreundliche Haltung des Reichstages hat natur, gemäß imBundeSrate ein Echo geweckt. Durch die Verordnungen vom 9. und 18. Juli 1900 wurde der Arbeiterschutz auf die Werkstätten au-gedehnt, in denen durch elementare Kraft bewegte Triebwerke nicht bloß vorübergehend zur Verwendung kommen. Aus der späteren Zett heben wir nur folgende auf dem Gebiete des Arbeiterschutzes getroffenen Maßnahmen hervor: Die Bilndesratsvervrduung vom 23. Januar 1902 kam dem Arveiterschutze im G a st w i r t s g e w c r b e zu statten. Die Bundcsraisverordnung vom l. März 1902 regelte die Einrichtung und den Betrieb in Gummi waren- fabriken. Die Bnndesratovervrdnung vom 27. Mai 1902 erneuerte die für den Arbeiterschutz inWalz - und Hammerwerken getroffenen Verfügungen. Mit dem Arbeitersmutze inZiegcleicn beschäftigte sich ein Rund, schreiben des preußischen Handclsministers an die Regie rungspräsidenten. An Vorarbeiten zur weiteren Aus dehnung des Arbeiterschutzes hat es auch sonst keineswegs gefehlt. Dahin gehört die Veröffentlichung des Ergeb- nisses einer Erhebung über die Arbeitszeit der Gehülfcn und der Lehrlinge in kaufmännischen Evmp- toircn. Die letzte Tat der Kommission für Arbeiter statistik war die Feststellung der Fragebogen für eine Er- l>ebung über die Verhältnisse im F l e i s ch e r g e w e r b e und im FubrwcrkSbct riebe. Die Untersuchung über die ArbcitSverhältnissc in der Binnenschiff fahrt wurde fortgeführt. Die Regelung der Heimarbeit in der C r g a r r e n i n d u st r i e wurde von leitender amtlicher Stelle angekündigt und von derselben Stelle wurde der Hoffnung Ausdruck gegeben, daß wir bald zum 8 U h r - L a d e n s ch l n s s c gelangen. Endlich wurde beim kaiserlichen Statistischen Amte eine besondere Ab teilung für Arbeiterstatistik gebildet und die Herausgabe des R e i ch S a r b e i t s b l a t t e S durchge führt. Uebcrblickt man alles, was aus dem Gebiete der Sozialpolitik in dem Jahrfünft 1898 bis 1903 geschehen ist, dann erkennt man leicht, daß die Behauptung des „Vor wärts" vom „fast völligen Stillstände der ernsthafteren Svzialrcform" eine leere Phrase ist. Erklärt wird sie durch das sozialdemokratische Bedürfnis, nur die Sozial politik der Sozialdemokratie als die einzige wahre Sozial politik auszugeben. Bleibt dieses Bedürfnis vorbildlich für das Verhalten der sozialdemokratischen Reichstags fraktion, dann kann die Sache der Sozialreform im neuen Reichstage ernste Gefahren laufen. Dann nämlich tritt der Fall ein, den die „Soziale Praxis" süngst ins Auge faßte, als sie auSeinandersetzte, daß die Sozialdemokratie in ihrer jetzigen Stärke zusammen mit andern Parteien, denen zuviel an Arbeiterfürsorge verlangt wird, „BoS- hcitsmehrhciten" zu bilden vermöge, denen manches nütz liche Gesetz zum Opfer fallen könne —, wofern nicht durch die sozialdemokratische Opposition der Arbeitseifer der bürgerlichen Sozialreformcr und der Negierung crlahine. Liberale Einigungsbcstrebungen und die „Freisinnige Zeitung". Der Ausgang der Wahlen mußte jedem liberal denken den Manne den Wunsch nahe legen, daß durch eine größere Geschlossenheit der liberalen Parteien der Rückgang des Gesamtlrberalismus endlich aufgehalteu werden möchte. Da an diesem Rückgänge der linke Flügel des Liberalis mus nahezu allein partizipiert, so sollte man meinen, daß gerade auf dieser Seite auch der Wunsch nach einer Ver ständigung am lebhaftesten hervvrtretcn müßte. Weit ge fehlt: Die „Freisinnige Zeitung" lehnt mit dürren Worten jede Annäherung üb. Sie nennt alle Bemühungen zu einer Einigung geringschätzig „allgemeine Redewen dungen", die über die Gegensätze zwischen den National liberalen und den anderen Parteien in der Zollfrage nicht hinweghclfen könnten. Ebensowenig könnten die Gegen sätze verschleiert werden, die zwischen den Natioualltbe- ralen und der Freisinnigen Vereinigung einerseits und dcn beiden Volksparteicn andererseits in Heeres-, Marine, und Kolonialfragen beständen. Wenn der von Herrn Richter geführte Flügel des Liberalismus aus den auch bei den gegenwärtigen Wahlen so deutlich hervorgetretenen Tatsachen, daß der grundsätzliche Kampf gegen alle natio nalen Forderungen ausschließlich der Sozialdemokratie nützt, den Linksltberaliömus aber schwer schädigt, noch nichts gelernt hat, so wird in sachlicher Beziehung freilich eine Einigung zwischen den liberalen Parteien wohl nur sehr selten herbeizuführen sein. Es wäre aber schon gut, wenn die Parteien es wenigstens unterließen, sich gegen seitig zu befehden. Dazu aber verspürt das Organ des Herrn Richter gar keine Neigung. Es kämpft nicht nur gegen die Nationallibcralen, sondern Tag für Tag auch gegen die beiden rechts und links von ihm stehenden Gruppen des Linksliberalismus. Tag für Tag richtet die „Freisinnige Zeitung" Angriffe gegen die Freisinnige Bereinigung und die Süddeutsche Bolkspartet, wobei der Gerechtigkeit wegen allerdings zugegeben werden muß, daß auch die Organe dieser Parteien sich fortgesetzt gegen die Freisinnige VolkSpartet ergehen. Wenn es nicht so überaus kläglich wäre, so hätte cs etwas ganz Humori stisches, wie jede dieser Parteien hcrauszurechnen sich be müht, daß die „befreundeten" Parteien sich bei den Wahlen blamiert hätten. Sv wirft die „Frankfurter Zeitung" dem Blatte des Herrn Richter vor, es stehe so außerhalb der Verbindung mit den weiten Bolkskreisen, daß es von deren Sorgen und Wünschen keine Vorstellung habe. Das Frankfurter demokratische Organ macht demgemäß der „Freisinnigen Zeitung" das liebenswürdige Kornpliment, sie sei ein interessantes Dokument derVer- g a n g e n h e t t. Die „Freisinnige Zeitung" erwidert darauf: „Man könnte ebenso von der Deutschen BvlkS- partei sprechen als einem Dokumente der Vergangenheit. Nichts läßt sich der Freisinnigen Volks- Partei zum Vorwurfe machen, waS nicht ebenso und in noch stärkerem Maße auf die Deutsche VolkSpartet in Süddeutschland zu trifft." In diesem Punkte müssen wir der „Freis. Zeitung" allerdings durchaus zustimmeu. Beide Parteien haben a» dem Ruin dcS LinksliberaliSmuS durch ihre kvn. staute Negation vollkommen gleichmäßig beigetragen, beiden gebührt deshalb der Dank der Sozialdemokratie einerseits und der Reaktion, insonderheit des Zentrums andercrscitS, in vollkommen gleicher Weise. Präsident Loubet in England. „Mit Enldnsin-mua" ist, wie die Londoner Blätter ge flissentlich bervorbeben, der Präsident der französischen Republik gestern auf britischem Boden empfangen worden, eine Accentuierung, die wobl ebenso auf Deutschland zielt, wie die Besorgnis deS Unterhaus- initaliedS Lambert wegen der DegliickmünschnngSadresse deS Parlaments, auf die man jetzt lieber verrichten möchte, da man sie später einmal beim Besuch „irgend eines Vertreters einer Großmacht" ru verweigern sich gezwungen sehen könnte, was dann eine Nichtachtung bedeuten würde. In seiner Erwiderung auf die Begrüßungsansprache deS Mayor- in Dover führte Präsident Loubet aus, er komme im Namen Frankreichs und auf die liebenswürdige Einladung des Königs und bringe dem großen Nachbarvolk« einen öffentlichen Freundschaftsbeweis. England und Frankreich hätten nicht allein Jnteressengründe, um zu- sammenzngehen und zu einer Verständigung zu gelangen; beide Länder hätten auch Ihre Wohlfahrt auf freiheitliche Ein richtungen gegründet und hätten da- gleiche Bestreben, den Frieden zu erhalten. Ihr Einvernehmen nütze nicht nur ihnen selbst, sondern auch dem Fortschritte der Zivilisation und der Wohlfahrt der Menschheit. Nrch ibrer Ankunft in Aork House begaben Präsident Loubet und Minister Delcasss sich nach dem Buckingbam- Palaste, um dem König ibren Besuch abzustatten. Loubet sprach dem König seinen herzlichsten Dank für den ihm in Dover und in London zu Teil gewordenen Empfang auS. Von der vor dem Palaste angesanimelien Volksmenge wurden sie lebhaft begrüßt. Boni Buckingham-Palast begab sich der Präsident nach dem Malborough Hcuie rum Besuche des Prinzen von Wale-, dem er da» Großkreuz der Ehrenlegion verlieh. Der Präsident besuchte darauf den Herzog von Conuaught im Clarence House und fuhr sodann zur französiichen Botschaft, wo er eine Abordnung der fran zösischen Kolonie empfing. Bon der Botschaft kehrte der P>äsident nach dem Dork House zurück, auf dem ganrcn Wege von einer ungeheuren Menge begeistert begrüßt. Vom Hork House begab sich der Präsident wieder nach dem Bncktugbam-Palaste, wo gegen 9»/, Ubr ein Festmahl statlfand. Hierbei brachte der König einen Trinkspruch auf den Präsidenten Loubet auS. Der König gab seiner Freude Ausdruck, die die Königin und er selbst empfinde, den Präsidenten im Buckingham- Palaste zu empfangen, und sprach die Hoffnung au«, daß der Präsident eine angenehm» Erinnerung an den Aufent halt in London mitnrhmen werde. Der Empfang, der ihm von allen Klassen der Bevölkerung bereitet worden sei, be- weise die wahrhaft freundschaftliche Gesinnung gegen- über Frankreich, dem Lande, da- England am nächsten liege und infolgedessen auch sein bester Nachbar sein sollte. Der König erinnerte schließlich an den Besuch, den er kürzlich Paris ab stattete, und an den liebenswürdigen Empfang, der ihm dort zu teil geworden sei. Präsident Loubet erwiderte: Ich bin von dem Empfang, der mir von Eurer Majestät bereitet ist, umsomehr gerührt, al» er sich an die gesamte französische Nation richtet. Ja ihrem Namen bitte ich Eure Majestät, meinen aufrichtigsten Dank entgegenzunehmen. Frankreich bewahrt sorgfältig die Erinnerung an den Besuch, den Sie Paris abgestattrt haben. Ich bin gewiß, daß dieser die glücklichsten Erfolge haben und in hoher Weise dazu dienen wird, die Beziehungen ausrrchtzuerhalten und noch enger zu knüpfen, die zwischen den beiden Nationen bestehen für ihr gemeinsames Wohl und dl« Sicherung de» Weltfriedens. In diesem Sinne trink« ich auf da» Wohl des König- Eduard VII., Ihrer Majestät der Königin, des Prinzen und der Prinzessin von Wale» und der gesamten königlichen Familie und der englischen Nation. Deutsches Reich. /X Berti«, 6. Juli. iKaufmännische Arbeit», gerichte.j Mehrfach werden neuerdings Angaben ge- macht über veränderte Aussichten des tm Bundesrate ein gebrachten Gesetzentwurfs wegen kaufmännischer Arbeits gerichte. Als wir seiner Zeit über die Gegensätze berich teten, die schon bei der Vorbereitung des Gesetzentwurfs hervortraten, meldeten sich von verschiedenen »eiten- die bekannten Besserwisser und stellten alles anders dar. Da bei ist es notorisch, daß noch beute Meinungsverschieden heiten in zweierlei Richtungen bestehen, ganz wie dies seiner Zett von uns mitaeteilt wurde. Einmal in der Rich tung, ob es rötlicher sei, die Angliederung der neuen Sondergerichte an die Amts- oder an die Gewerbe- ge richte vorzunehmen; zweitens in der Richtung, ob eine Verbilligung des Verfahrens zu erreichen sei, wenn nicht allgemein das Bestreben nach einer Verbilligung des Verfahrens bei Fragen des Arbeitsvertrages sich durch setze. Die im preußischen Staatsministertmn bestehenden gegensätzlichen Auffassungen über die Opportunität der Einbringung einer Vorlage speziell nur über kaufmän nische Arbeitsgerichte konnte als nicht mehr fortbestehend angesehen werden, als der beregte Gesetzentwurf im Bun- desrate eingebracht worden war. Hier aber zeigte sich alsbald, daß eine Mehrheit für -en Entwurf nicht gerade leicht zu gewinnen fein werde. Insbesondere er hoben gerade solche Regierungen Bedenken, von denen es bekannt ist (wie von denen der Hansastädte), daß bei ihnen die Rücksichtnahme aus die von dem Handelsstande in den Vordergrund gestellten Inter essen eine Sorge erster Ordnung sei. Es kann nicht unsere Aufgabe sein, auch die anderen Regierungen auf- zusühren, die sich mit denen der Hansastädte der Regelung der Angelegenheit auf dem vorgesehenen Wege nicht sym pathisch gegcnüberstellten. Wäre noch vor der Be endigung der Gcsetzgebungsperiode die Frage zur Ent scheidung gebracht worden, so würbe ihre Erledigung wahrscheinlich noch mit viel größeren Schwierigkeiten verknüpft gewesen sein, als die Beratung der Kranken versicherungsnovelle. Was nun weiter werden wird, ist eine ourn postseior. Ruhen wird die Angelegenheit ganz gewiß nicht. Einer ihrer eifrigsten Verfechter aber (der Abgeordnete Bassermann) ist leider in den Reichstag nicht wiedergewählt worden. Es fragt sich, ob in dem neuen Reichstage von anderer Seite der Anstoß gegeben werden wird, die Sache in seinem Sinne zu fördern, oder ob ihre Verfolgung besser eine Vertagung erfährt, bis sie, nachdem der intellektuelle Urheber -es Gesetzentwurfs über die kaufmännischen Arbeitsgerichte wieder in den Reichstag gewählt ist, sozusagen von neuem und aus dem Vollen heraus ausgenommen werben kann. * Berlin, 6. Juli. Ueber die Stellung d«S Nationalliberalismus zum Zentrum schreibt heute die „Nat.-Lib. Korr.": Speziell auf das Zen trum wird, das haben die diesmaligen Wahlen zur Evi denz bewiesen, für Nationalliberale bei den Wahlen nie mals zu rechnen sein. Nachdem Männer wie Basiermann und Büsing, deren nick« kulturkämpserische Richtung außer allem Zweifel steht, durch das Verhalten der Zentrums wähler gefallen sind, ist für die nationalliberale Partei keine Aussicht mehr vorhanden, durch Entgegenkommen auf die Wünsche des Zentrums den kirchlichen Frieden im Reiche zu befestigen. Es scheint, als ob das Zentrum selbst ein solches Entgegenkommen der nationalliberalen Partei zu diesem Zwecke nicht wolle. Man mag anerkennen, daß speziell in Baden der konfessionelle Gegensatz schwer über brückbar ist. Unsererseits wir- man aber auS dem Um stände, daß Bassermann durch die Schuld des Zentrums gefallen ist, nur die Tatsache entnehmen können, daß die schärfste klerikale Richtung im Zweifel eben kräftiger ist, als der Einfluß ruhigerer Elemente in jener Partei. Da- durch wird auch uns bis mrs weiteres notwendig die Rich tung gegeben, welche dahin gehen muß, zwar jeden kultur kämpferischen Akt für die Zukunft zu vermeiden, ebenso aber auch sedes Entgegenkommen für spezielle Zentrums wünsche abzulehnen. — Der Kaiser bat dem Maaistrat der Stadt Kolberg auf ein HulvigungSlelegramm desselben anläßlich der Ent- büllungSfeier für die Doppelstandbilder NettelbeckS »nd GneisenauS von Bord der .Hohenzollern" die folgende Drabtantwort erteilt: „Ich beglückwünsche die brave Stadt Kolberg zum heutigen siesttaqe und danke derselben für den warmen Au-druck patriotischer Gesinnung, welcher Mich aufrichtig erfreut bat. Möchte der Geist der Vaterlandsliebe und der Treue zum Herrscherhaus», gepaart mit rücksichtsloser Opferfreudigkeit und kühnem Heldenmute, wie er der Stadt und ihrer tapferen Garnison unverwelklichen Ruhm ein getragen hat, al» kosibarste» Vermächtnis weiter sortleben und gepflegt werden zum Wohle und zur Ehre der Einwohner KolbergS. Da- walte Gott! Wilhelm L." — Im Auftrage deS Kaiser- wird sich Prinz Heinrich am 24. August nach Trebitz in Posen begeben, um sich bei der 700jährigen Feier de- Grabmal- der heiligen Hedwig in der dortigen Pfarrkirche vertreten zu lassen. Da der mit einer Krone ober einem Silbergulben heraus, immer hübsch still und hinter Sinas Rücken. Schorfch interessierte sich in letzter Zeit auffällig für den Korellenfang, die besten Fischplätze kannte er ohnehin von klein auf, er lief fleißig in die lange Schlucht, kehrte jedoch augenblicklich um, so er des alten Fischers an sichtig wurde, und kletterte dann zum Fischerhäuschcn empor, um Pelagia zu besuchen. An des Mädchens Seite zu sitzen und zu plaudern über seine Hoffnungen und ZukunftSpläne, das war dem feschen Burschen das Liebste. Füchsl war ja so nett und lieb, nur das ständige Be tonen von arm und reich empfand Schvrsch lästig. So sagte er eines Abends, da das Pärchen bei ein ander saß in der kleinen Stube, es könne leicht sein, daß der Spieß mal umgedreht und sodann der Schvrsch weit aus nicht mehr eine sogenannte „gute Partie" sein werde. Erschreckt blickte Pelagia auf den Burschen und stam melte: „Ist vielleicht ein Unglück im Geschäft geschehen?" „Ah na! Unser Geschäft ist nicht leicht umzubringen, da müßt' schon etwas Besonderes daherkommen, oder es müßt' der Vater einen Riesenschniyer machen." „Was meinst denn hernach, Schorschl?" Der Bursche zögerte, eine Glutwclle der Verlegenheit stieg ihm in die Wangen. „So red', Schorschl, mich packt die Angst! Weißt ja, daß ich dir nur Gutes wünsch' im Leben, das beste, darfst mir's glauben!" „Ich auch! Schau, Füchsl, ich hab' dich ja auch so viel gern!" Nun erglühte Pelagia und senkte die Lider. „Zum ängstigen wär die Sach' grad nicht, aber recht z wider lunangenehmj kann sie doch werden, wenn . . ." „Wenn? Droht dir waS?" „Ja! Weißt, FüchSl, der Lohn soll eigentlich nichts über das Tun und sandeln des VaterS reden, cS steht dem Jungen nicht zu, Vater bleibt Vater . . „Hat denn dein Vater was vor, daS dich schädigen könnte?" Schvrsch nickte. „So red' doch! Ist eS waS Arge-?" „Na, na? Das nicht! Weißt, FüchSl, der Vater will noch einmal — heiraten!" „Ah, nicht möglich!" „Ja, doch! Ich hätt' ja nichts dagegen, könnt' schließ lich auch gar nichts dagegen machen; aber eine Stief mutter hab' ich mir doch etwas anders vorgestellt als wie . . „Wer soll denn deine Stiefmutter werden?" „Na, darüber redet doch bereits das ganze Dors!' „So? Ich weiß kein Sterbenswörtel darüber; ich komm' ja auch nirgends hin, kann also auch nichts hören." „Was dn sagst, Füchsl? Du weißt darüber nichts? Sck-ier nicht zu glauben! Hast auch nichts gehört, daß wir eine neue Häuserin haben?" „Nein!" „Ah! Das ist aber schon bald spaßig! Ich hab' ge meint, es gibt kein Hans in Schwarzwasser, wo darüber nicht geredet worben ist, und jetzt hör' ich, daß du wirklich nichts weißt. Ja, Füchsl, die junge Häuserin, weißt, die Sina von der „Alpenrosen", die der Tschurtschbcrger davongejagt hat, dieselbe, ein patschierliches Ding und gewiß eine fleißige Häuserin, grab' dieselbe will der Vater heiraten. Und das, mein' ich, wird kein gut tun!" „Jung ist sie, die Häuserin? Und am End' sauber auch dazu?!" Schorfch nickte. „Und der Vater ist doch schon in den Jahren?! Oh, Schorschl!" rief Pelagia, schlug die Hände vor das Ge sicht und schluchzte. „Aber, Füchsl, was hast denn?" Schorfch rückte näher zum weinenden Mädchen, tröstete nach Kräften und suchte die Hände Pelagias vom Antlitz zu ziehen. „Oh, das gibt — ein Unglück!" rief schmer-bewegt und erschüttert baö Mädchen. „Füchsl, liebes Füchsl! Lei nur grad geschetdt und heul' nicht! Schau, Herzl, ich bleib' ja fest und tapfer, schau, ich halt zu dir, und selbst wenn es sein muß, daß durch Vaters Heirat mein Gerstl lHabej weniger wird oder ganz pfutsch geht, ich bleib' dir treu, weil ich dich so viel gern hab'! Schau, Herzl, komm' ich einmal zum heiraten, ich nimm ja keine andere als dich! Und jetzt greine nicht, guck mir ins Gesicht und sag', daß du auf mich warten willst, auch wenn ich ein armer Schlucker werd'!" Die Hände (logen weg, da- Gesichtchen erglühte, unter Tränen lächelte bas Mädchen und barg den Kopf an Georgs Brost, flüsternd: „Ach, bist du gut! Und ich hab' dich ja auch so viel gern!" „Vergelt's Gott tausendmal für daS liebe Mörtel! Jetzt sind wir verlobt, FüchSl, und so Gott will, werden wir auch richtige Eh'leut'!" „Ich bleib' dir treu und wart' auf dich, Schorschl!" Das Geräusch nahender Tritte schreckte das Pärchen auseinander. „Sag' derweil noch nichts!" flüsterte Schvrsch und verließ die Stube, um hellauf zu lachen beim Anblick der Brotbötin, die ins Fischerhäuschen hausieren gekommen und so zum Störenfried bei der Verlobungsscene ge worden war. Die Gelegenheit zum Abchiedskuß ist aber immerhin vereitelt, und zudem mahnt die Dämmerung zum Heimgehen. Unterwegs noch im oberen Dorf traf Schor.ch einen Kameraden von seiner Kompagnie, der schon von weitem rief: „Etnpackon, Schvrsch, morgen heißt es ein rücken!" Wiewohl Schorfch darauf vorbereitet war, überraschte ihn die Nachricht dennoch, sie wirkt just jetzt nach heimlicher Verlobung mit Pelagia sehr unangenehm, wenngleich die Manöver auf heimatlichem Boden stattfinden werden. Biel wird die Herumkraxelei in den Schwarzwasserbergen nicht uüyen, einmal im Kompagnievcrband und Uniform steckend, besteht wenig Hoffnung, am Abend dem lieben Füchsl einen Besuch abzustatten, und selbst wenn möglich, wird es nicht angängig sein, in Uniform zum Fischer- Häuschen zu kommen. Das ruft Aussehen hervor, auch werden sicherlich etliche Kameraden sich anschlteben wollen, das zarte Geheimnis würde offenkundig, Pelagias Ruf ge schädigt werden. ,Hol' der Teufel das gange Manöver!" sluchie Schvrsch innerlich, wiewohl er gewiß ein braver Kaiserjäger gewesen und deS Kaisers Rock in Ehren ge halten hat. Den Aerqer in Mein zu ertränken, fühlte sich der Bursch zwar geneigt, aber stärker war da» soldatische Pflichtgefühl, es muß gepackt, alle» zur Abreise morgen mit dem Frühzuge bereit gestellt werden. So stapfte denn Schorfch in» rote Haus, und Gina überreichte ihm da» richtig etngetrofsene Einberufung», schreiben. Bedauernd meinte Sina: „Muß er wirklich einrücken, der Herr Schorfch? Da will ich noch geschwind aufkochen und für eine Menasch sorgen zum mitnehmcn, nicht?" „Dank schön, ist nicht nötig, e» tut'» ein Trumm (großes Stück! Braten auch ober ein Selchfleisch!" „Und ein Flascherl Wein! Gleich werd' ich in den Keller gehen!" rief geschäftig und dienstbereit die Häuserin. „Meinetwegen! Wo ist denn der Vater?" „Der Herr ist in die „Alpenrosen" hinüber, mit -em Wirt reden wegen Einquartierung und der Fleischliefc- rung! Gleich wie das militärische Briefe! abgegeben worden ist, war der Herr Vater auch schon zum Türl hinaus." „Das glaub' ich aufs erstemal! Na. nun kann der Tanz losgehen. He, Sina, etliche Wäsch' brauch ich noch! Die verflixte Aufräumwut von die Frauenzimmer! Alles in meinem Kasten mar gestern schon durcheinander, alles umgeräumt, ich find nichts mehr!" „Sein S' nur grad wieder gut! Aufräumen muß ich. Ordnung schaffen, die Junggesellenwirtschaft taugt nichts! Ich werd' alles besorgen! Wenn S' mttgehcn, können S' gleich scheu, daß Ihre Sach' gut und ordentlich aufgeräumt ist, nur im anderen Kasten, weil cs dort besser Platz bat!" „Also her mit dem Zeug! Die Extramontur zieh' ich an! Ich hol' derweil mein Koffer! vom Speichers Einigermaßen unmutig über die Ablehnung ihrer Be- gleitung ging Sina. Schorfch stolperte in den Speicher hinauf, trug das Neservistcnkosfcrl herunter, stäubte es säuberlich ab, schlankweg gleich in der Wohnstube, so daß die schönsten Staubwolken die Möbel bedeckten und die Vorhänge grau wurden. Inmitten dieser Tätigkeit kam Sina herein mit der Wäsche. Die Säuserin kreischte vor Entsetzen auf und zeterte über solch grenzenlose Wirtschaft. „Gleich geht Er hinaus! Das Abstauben besorgt man vor dem HauS! Ich leid es nicht herinnen!" „Ist ja schon vorbei! Ein bissel mehr Staub oder weniger tut auch nichts!" Sina jammerte über die Verstaubung und geriet in Wallung. Unwirsch antwortete Schorfch mit Hinweis, daß die Häuserin zum Reinigen -da und immer nur ein Dienst bot sei. Einen Augenblick stand Sina wie erstarrt, bann über legte sie, wie sie sich verhalten solle, und wählte die Tränen zur Antwort. (Fortsetzung folgt.)
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