VIII. Jahrg. No. 3 37 4. Februar 1899 Ein alter Wanderfahrer des S. R.-B. ir hatten in No. 1 der Bd.-Ztg. die „Ergeb nisse des Wettbewerbs um die im Jahre 1898 meistgefahrenen Kilometer in den Be zirken“ veröffentlicht, und gelang es uns, das Bild des II. Preisträgers, der zugleich eines unserer ältesten Mitglieder ist, zu erhalten. Herr F. W. König, Kirchschullehrer in Ober-Gräfen- hain bei Narsdorf, fuhr im vergangenen Sportsjahre, als ein Mann in der Mitte derFünfziger, 101 Touren mit 7826,8 km und wol len -wir unseren Le sern nicht vorent halten , wie unser verehrter König Wanderfahrer ge worden ist. Lassen wir ihn erzählen: Schon Ende der 70 er Jahre habe ich den verschie densten Sport mass voll betrieben. Tur nen, Jagen, Reiten, Fechten, Schiessen, Kegeln etc. mussten dem Stubenhocken das Gleichgewicht halten. Das Turnen befriedigte mich endlich nicht mehr; zum Reiten fand ich zu selten das Nötigste; die Jagd versalzte mir § 25 des Jagdgesetzes; zum Fechten hatte ich gar oft keinen Partner und die Schiesserei lang weilte mich, nach dem mir Dianas Dienst verleidet worden war. — Ostern 1888 bekam sondern zog wie eine Schnecke dahin und mein guter Kol lege schien nicht abgeneigt zu sein, die Schuld mir in die Schuhe zu schieben, blieb aber sonst gemütlich. Als je doch von Altenburg aus nach des Tages Plag und Hitze nachts gegen 11 Uhr auch noch abscheuliches Wetter leuchten und Donnern und Krachen hinzukam, der Himmel seine Schleusen öffnete und ein noch unverschämterer Blasius mich bei Meussdorf höchst unhöflich aufforderte, abzusteigen, da war es mit der Gemüt lichkeit vorbei und gerne wäre ich nun heeme gewesen. Mein lieber Otto hatte es auch vor gezogen, seine Ro- sinante bescheiden am Zügel zu führen und so wanderten wir denn, wenn auch unzufrieden, uns aber ins Unver meidliche fügend, mit eingezogenen Köpfen, machtlos dem peitschenden Regensburger und dem schändlichen Blasius preisge geben, schweigend hintereinander von Meussdorf - Rathen- dorf bis Obergräfen- hain. Die erwähn ten unverschämten Gesellen hatten uns schrecklich mitge spielt ; kein Fädchen unserer Kleidung hatten sie unver sehrt gelassen und sogar unsere Räder hatten sie, wie wir am anderen Tage zu unserer Betrüb nis bemerkten, zum ich einen strammen Radler zum Haus- F. W. König, II. Sieger im Wettbewerb um die meistgefahrenen Kilometer. Teil rot zu färben versucht, zum Teil und Berufsgenossen. Gar bald war Jagen und Reiten, Schiessen und Fechten vergessen; eine Schinderkarre, mit Schmutz überzogen. Zum Glück gab es bei Muttern zur Feier des Tages nicht die da und dort übliche Brumm- o nein, ein Dreirad wurde am 21. Juli aus Leipzig-Reud- suppe, sondern eine Kanne warmen Feiertagsblümchen und nitz geholt und los ging die Strampelei. Schon den vierten I behilfliche Hände, uns aus dem Nassen ins Trockene zu Tag ging nachmittags die Fuhre nach Meuselwitz. Mein Kollege Otto, stolz auf seinem Hochrade, liess zwar seine Ueberlegenheit seinem König nicht merken, aber dieser dachte schon vor Altenburg: „0, wie schön ist’s doch — bei Muttern?“ — i bewahre; er dachte: „Wie schön wär’s doch, wenn es bis Meuselwitz und von da wieder bis zu Hause immer bergab ginge!“ Aber leider! Es ging nicht nur abwechselnd bergauf, sondern auch das Rad wurde immer schwerer, ja es wollte sogar heimwärts auf ebener Strasse trotz öfteren Oelens nicht mehr flink sich drehen, bringen. Nachdem wir, mein Leidensgenosse Otto und ich, die Thränenspuren des Himmels an uns beseitigt, und etwas erholt und Regen, Wind und Räderschieben gehörig betitelt hatten, meinte doch meine kluge Nes: „Ihr seid nun wohl gründlich kuriert!“ — Sie dachte wahrschein lich, wir hätten eine Kneippsche Kur gemacht. — Otto lächelte eigentümlich und schwieg, ich aber sagte etwas verstimmt: „Wenn kein Schnupfen nachkommt, — für diesmal hat’s zugereicht.“ Dies war die erste Tour, die für manchen genügt hätte, ihm das Vehikel zu verleiden.