Vom Erzgebirge zum Wasgenwalde. Radfahrt von Richard Ihle. Diesen Tag- gelangte ich bis Banzenheim, welcher Ort aber nach meinen im dortigen Gasthofe gemachten Erfahrungen eher Wanzenheim hätte heissen können. Hier waren die Preise hoch,, die Unterkunft aber nichts weniger als komfortabel, trotzdem der Gasthof, wie die meisten in den Reichslanden und Baden, ein Schild mit der Aufschrift Radfahrerhilfsstation trug. Ja, mir hätte noch jemand helfen können?! — In dieser Gegend be merkte ich oft, dass die Frauen fast alle Gefässe, selbst schwere, auf dem Kopfe tragen. Auf ebener, rennbahnartiger Strasse ging’s am Sonn tagmorgen weiter über Kembs, St. Ludwig nach Basel, dunkles Braun überging. In einem Dorfe unterwegs kam mich plötzlich die Müdigkeit so an, dass ich vom Rade heruntermusste und sans faeon mich unter einen Baum am Strassengraben auf den Rasen legte, einen Arm durch die Speichen des angestellten Vorderrades zog und ent schlummerte. Als ich aus meinem Halbschlaf erwachte und mich i noch eine Weile an Ort und Stelle herumdrückte, bot mir ein biederer Schweizer an: Er hätte einen schattigen Garten und auch eine Bank darin, ich könnte es mir dort bequem machen und nach Herzenslust schlafen. Da ich aber wieder vollständig mobil wär, machte ich von dem (Fortsetzung.) der zweitgrössten Stadt der Schweiz (ca. 53 000 Ein wohner), der Hauptstadt des gleichnamigen Kantons. Ehe ich aber in die Stadt gelangte, musste ich für mein Rad (jedes wird mit 15 kg Gewicht angenommen) 10,50 Frs. Zoll hinterlegen.*) Schnelle und gemütliche Abfertigung auf dem Zollamt. In Basel, einer schönen modernen Handelsstadt, mit elektrischer Bahn, Universität, Münster, Museen, sah ich auch, wie schon in Strassburg, Auto- i mobile; eine solche Kutsche mit mehreren Insassen kam im 30-km Tempo eine Bergstrasse herauf, eilte über einen Platz und jenseits ging’s mit unverminderter Schnellig- I keit wieder strassenabwärts. Durch die schöne fruchtbare Berglandschaft fuhr ich nun dahin. Feld-, Obst- und Wiesenbau, sowie rege In- j dustrie (Seidenfabrikation) wird in dieser Gegend be- j trieben. Das war ein schöner Sonntag. Aber fürchter- | lieh brannte die Sonne als wollte sie mit Gewalt gut machen, was mir vorige Woche der Regen Uebles an- gethan hatte. Ich fuhr im Schwitzer und meine von ihm nicht bedeckten Körperteile bekamen eine krebsrote Farbe, die im Laufe der nächsten Tage geradezu in ein *) Ei, ei! Ein so alter Bundeskamerad sollte doch wissen, dass der S. R.-B. Grenzkarten nach der Schweiz ausgiebt. D. R. liebenswürdigen Anerbieten keinen Gebrauch. — Meine Landstrasse führte bald in Schweizer, bald im Badischen Gebiete. So gelangte ich auch (37 km von Basel) nach dem poetisch verherrlichten Säckingen mit seinem Schloss am Rhein. Den Zauber des ewig schönen „Behüt’ dich Gott, es wär zu schön gewesen, behüt’ dich Gott, es hat nicht sollen sein“, empfindet man hier zwiefach und alle schmerzlich-süssen Erinnerungen tauchen im Geiste wieder auf. Wie könnt’ ich dein vergessen. 0 schöne Zeit, o sel’ge Zeit. — Im schönen Rheinthal mit seinen rebenbepflanzten Bergen und Hügeln, freundlichen Dörfern und Städtchen, Burgen und Schlössern, gelangte ich nach Waldshut in Baden. In einer grösseren Brauerei kehrte ich ein. Unter den vielen Besuchern des schattigen Restaurationsgartens herrschte ein gemütliches Leben. Hier war gut sein. 0 Welt, wie bist du schön, kommt einem unwillkürlich in Gedanken beim Blick in diese gesegnete Gegend. Aber da bekanntlich nichts schwerer zu ertragen ist, als eine Reihe schöner Tage, so empfand auch ich ab und zu schon Sehnsucht nach der Ruhe und dem Frieden des heimischen Herdes, begreiflicherweise, denn eine derartige, selbst ohne Anstrengung durchgeführte Reise wirkt auf die Dauer, schon durch die Fülle des Gesehenen, etwas er müdend. —