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X. Jahrgang No. 11. 25. Mai 1901. 148 § 10. Wenn ein Pferd oder ein anderes Tier vor dem Fahrrade scheut oder wenn sonst durch das Vorbeifahren mit dem Fahrrade Menschen oder Tiere in Gefahr gebracht werden, so hat der Radfahrer langsam zu fahren und erforderlichenfalls sofort ab zusteigen. Geschlossen marschierenden Truppenabteilungen, Königlichen und Prinzlichen Equipagen, Leichen- und anderen öffentlichen Aufzügen, den Fuhrwerken der Kaiserlichen Post und der Feuerwehr, sowie den Fuhr werken, welche zur Besprengung oder Reinigung der öffentlichen Strassen dienen, ist von den Radfahrern überall völlig Raum zu geben. Werden Fuhrwerke oder Züge dieser Art von Radfahrern gekreuzt, so haben letztere so lange zu halten, bis erstere vor über sind. § 11. Auf den Haltruf der Polizei- und Strassen aufsichtsbeamten ist jeder Radfahrer verpflichtet, sofort anzuhalten und abzusteigen. § 12. Es müssen bei sich führen und den Auf sichtsbeamten auf Verlangen vorzeigen: a) Radfahrer, welche in Sachsen einen Wohnsitz haben, eine auf ihren Namen lautende, von der Polizeibehörde — Polizeidirektion zu Dresden, Stadtrat beziehentlich Polizeiamt, Bürgermeister, Gemeindevorstand, Gutsvor- steher — des Wohnortes ausgestellte, für die Dauer des Kalenderjahres gütige Radfahrer karte. Für Personen unter 14 Jahren erfolgt die Ausstellung auf Antrag des Vaters, Vor mundes oder sonstigen Gewalthabers. Die Radfalirkarte ist nach dem Schema der Beilage A auf festem Papier auszustellen. "Heber die Ausstellung der Karten hat die Polizeibehörde ein Verzeichnis nach dem Schema der Beilage B zu führen. Für die Ausstellung kann eine Gebühr von 25 Pfennigen, welche in die Kasse der auszustellenden Behörde zu fliessen hat, er hoben werden. b) Radfahrer, welche ihren Wohnsitz ausserhalb Sachsens in einem Staate haben, in dem Radfahrerkarten gleicher oder ähnlicher Art vorgeschrieben sind, eine nach den dortigen Bestimmungen gütige Radfahrkarte. c) Radfahrer, welche weder in Sachsen, noch in einem unter b genannten Staate ihren Wohn sitz haben, einen anderweitigen genügenden Ausweis ihrer Person. Militärpersonen, sowie uniformierte und mit einem Dienstabzeichen versehene Beamte, welche das Fahr rad dienstlich benutzen, bedürfen einer Radfahrkarte oder eines sonstigen Ausweises nicht. § 13. Den Radfahrern gegenüber sind die gleichen wegepolizeilichen Bestimmungen zu beobachten, wie gegenüber den Fuhrwerken. Mutwillige Belästigungen und sonstige Ungebühr- lichkeiten gegenüber den Radfahrern sind verboten. § 14. Zuwiderhandlungen gegen vorstehende Bestimmungen werden, insoweit nicht allgemeine Straf vorschriften Anwendung finden, mit Geldstrafe bis zu 60 Mk. oder mit Haft bis zu 14 Tagen für jeden Fall bestraft. § 15. Im übrigen gelten auch für Radfahrer die vorstehend nicht besonders erwähnten Bestimmungen in § 1 der Verordnung vom 9. Juli 1872, den Ver kehr auf den öffentlichen Wegen betreffend (G. u. V.-Bl. 8. 347), soweit diese Bestimmungen anwendbar und nicht durch gegenwärtige Verordnung abgeändert sind. Nicht minder leiden bei Zuwiderhandlungen die Bestimmungen in § 3, Absatz 1 und 3 der Verordnung vom 9. Juli 1872 in Verbindung mit der Verordnung, die Kompetenz in Wege- und Brückenpolizeistrafsachen betreffend, vom 26. September 1879 (G.- u. V.-Bl. S. 362) und bezüglich der Befugnis der Polizeibehörden zu besonderen Anordnungen die §§ 2 und 5 der Verord nung vom 9. Juli 1872 Anwendung; insbesondere haben die Polizeibehörden alle für den Fahrrad verkehr verbotenen Wege und Wegeteile durch weithin lesbare, das Verbot enthaltende Tafeln deutlich kenntlich zu machen. § 16. Gegenwärtige Verordnung tritt am 1. Juni 1901 in Kraft. Mit diesem Zeitpunkte wird die Verordnung vom 23. November 1893, den Verkehr mit Fahrrädern auf den öffentlichen Wegen betreffend (G.- u. V.-Bl. S. 257), aufgehoben. Dresden am 2. April 1901. Die Ministerien des Innern und der Finanzen. v. Metzscb. Für den Minister: Dr. Ritterstädt. Gebhardt. Beilage A. Königreich Sachsen. defv'en.Radfahrkarte^r/po/ für Herrn Fabrikdirektor Horst Wolff wohnhaft in Leipzig-Plagwitz, Zschocherschestrasse 43, II. Etage. Leipzig, am 1. Juni 1901. Die Poli7.eidirektion. (Stempel) N. N.