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Sächsische Radfahrer-Zeitung : 31.08.1901
- Erscheinungsdatum
- 1901-08-31
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Universitätsbibliothek Leipzig
- Digitalisat
- Universitätsbibliothek Leipzig
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1683809971-190108315
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1683809971-19010831
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1683809971-19010831
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- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungSächsische Radfahrer-Zeitung
- Jahr1901
- Monat1901-08
- Tag1901-08-31
- Monat1901-08
- Jahr1901
- Titel
- Sächsische Radfahrer-Zeitung : 31.08.1901
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X. Jahrgang No. 18. 250 31. August 1901. nicht für seine Erfindung begeistern können, obwohl — der Unselige kommt mit Bogen voll Zahlen — es doch aus dieser kleinen Berechnung sonnenklar sei, welch enormen Nutzen seine Pläne bieten. Er wird Zahlen auf Zahlen häufen, bis es ihnen vor den Augen flimmert und sie sich plötzlich erinnern, dass sie gerade genau in 10 Minuten in dem und dem Cafe sein müssen. Sie treten auf die Strasse, beglückt, wieder die reine Himmelsluft atmen zu können. Da klingelt es rechts, da klingelt es links, ein ganzes Konzert von mehr oder minder unharmonischen schrillen Tönen ist losgelassen. Da sausen sie vorbei, die Wadenstrümpfler, über die niedrige Lenkstange gebeugt; der Rücken bildet einen Halbkreis, der Kopf ist weit vorgestreckt, die Augen haben den Weg zu prüfen. Der harmlose Spaziergänger darf sich glücklich preisen, wenn er, ohne überfahren zu werden, den rettenden Bürgersteig erreicht hat, denn »Wehe, wenn er losgelassen Radelnd ohne Widerstand, Durch die volkbelebten Gassen Saust der neue Radverband.« Manchesmal freilich bedauert man, dass die »Strampelbrüder« gar so schnell vorbeieilen, dann nämlich, wenn sich gerade einmal eine hübsche »Strampelschwester« unter ihnen befindet. Was war das für ein Schrecken, als die ersten Radlerinnen auf der Strasse erschienen. Die dicke Kanzleirätin wollte ihren Gatten gar nicht mehr aus dem Hause lassen; sie behauptete, er sei etwas leicht angelegt und nun gar — Mädchen und Frauen auf dem Rad! »Und in welchem Kostüm«, setzte die Frau Steuerrat hinzu, die leeren, wasserblauen Augen anklagend zum Himmel gerichtet, der solche Schandthaten geschehen lassen konnte. So haben die alten Basen gejammert und gezetert. Aber trotz aller Bibelzitate aus der Geschichte von Sodom und Gomorrha fahren die Evastöchter heute mehr als je. Diesen Fortschritt verdanken unsere Damen zweifellos »ces datnes«. Zu Paris, da radelten zuerst die zahllosen Schauspielerinnen, Tänzerinnen, Chansonetten und sonstige Künstlerinnen mit und ohne Engagement. Damals fand man ein solches Erscheinen in der Oeffentlichkeit entschieden verwerflich. Eine gebildete höhere Tochter hörte bei der Erzählung solcher Frevel überhaupt nicht oder nur errötend zu. Aber bald begann auch die Cröme da la cröme de la sociötö dem neuen Sport zu hul digen. Der Herr Geheimrat las mit gesträubtem Haar, dass hohe und allerhöchste Herrschaften radeln. Und als er gar erfahren musste, dass die Prinzessin von Wales mit ihren Töchtern das Stahlross besteige, da fürchtete er wohl, dass die Welt untergehen würde, aber er getraute sich doch nicht, seiner Bertha die Erlernung des neuen Sports unter dem Vorgeben, es sei höchst unpassend und ungehörig zu verweigern. Doch wenden wir uns nun zu einer hochwichtigen Frage, zur Toilettenfrage. Da giebt es zwei Extreme. Die schöne Verkörperung des einen ist die vielgenannte, vielgeschmähte Prinzess Chimay. Sie erschien im letzten Frühjahr an der Seite ihres Rigo im Bois de Boulogne. Sie trug eng anliegende Knabenhöschen aus schwarzem Atlas und dunkle Kinderstrümpfchen, die das klassisch schöne Knie freiliessen . . . Wir gehören zwar nicht zu denen, die über einen solchen Anblick erröten zu müssen glauben, aber der Gedanke, unsere dicke Frau Nachbarin ebenso sehen zu müssen, bestimmt uns zur Verwerfung dieses Kostüms. Am anderen Flügel der »Emanzipation« marschiert eine Studentin, die wir Gelegenheit hatten zu bewundern. Wir müssen voraus schicken, dass sie krachdünn ist, einen Kneifer auf der sommersprossigen Nase trägt und im Mund stets eine Zigarette. Diese sonderbare Abart der Gattung Mensch erscheint in riesigen Pumphosen, aus denen die Beine hervorbaumeln wie Streichhölzer aus einer Mörsermündung. Ich muss gestehen, dass ich dieser Radlerin die Gattin des glücklichen Rigo vorziehen würde. Aber das Richtige haben beide doch nicht getroffen. Ein kurzer, fussfreier Rock ist das ein fachste, praktischste und — weiblichste. Um Modelle zu finden, braucht man keine Mode zeitung zu nehmen, ohne deren Abonnement nach der Behauptung der Redaktion überhaupt keine Hausfrau existieren kann, da heisst es nur acht zu geben, wenn man an Strassenecken vorbeispaziert. Da kleben die riesigen Plakate der verschiedenen Fabriken, die Er zeugnisse einer neuen Kunst, welche von London und Paris zu uns gekommen. Gerade die Radfabriken, die bei ihrer regen Konkurrenz sich am meisten der Reklame bedienen, haben diesen neuen Kunstzweig mächtig gefördert. Unsere ganze Industrie verdankt der ungeahnten Blüte des Sportes ihren bedeutenden Aufschwung. Das Rad ist längst aus einem Luxus gegenstand ein allgemein nützliches und notwendiges Verkehrsmittel geworden. In dieser Ueberzeugung werde ich mich jetzt sofort auf meine Maschine setzen. Denn soeben fuhr meine Freundin Adele, die ge schickteste und fescheste Radfahrerin weit und breit, winkend an meinem Fenster vorüber. (Fränk. Kurier.) ¥ Die volkswirtschaftliche Bedeutung des Automobils. Das Automobil dient heute im wesentlichen zwei Zwecken, die keine allzugrosse volkswirtschaftliche Bedeutung haben, dem Luxussport und dem Transport dienst grosser grossstädtischer Unternehmungen. Die jenigen Eigenschaften, die ihm eine für die Volks wirtschaft wichtige Rolle zuweisen können und hoffentlich in einer nicht zu langen Zukunft zu weisen werden, hat es bisher noch nicht erworben. Diese Rolle ist die eines Transportmittels im interlokalen Verkehr; hier aber kann es die bisherigen Transport mittel im grossen Stile erst dann ablösen, wenn es ihnen wirtschaftlich überlegen ist, d. h. wenn es ent weder billiger oder schneller oder komfortabler und sicherer ist als das von Pferden gezogene Gefährt, resp. (bei zwei durch die Eisenbahn verbundenen Ortschaften) als der Personenzug. Diese Konkurrenz-
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