XIV. Jahrgang No. 11. 185 25. Februar 1905. Rechte angemasst haben, so ist das kein Grund dafür, dass sie diese Rechte behalten dürfen, so bald der durchgehende Verkehr mit seinem älteren und grösseren Rechte die Strasse zurück verlangt. Kirchhoffs technische Blätter. Eine heitere Radtour. Von E. R.. in Lp. Es mögen vielleicht acht Jahre verflossen sein, als ich mit meinem Freunde, einem wohlbeleibten Herrn, aber nichtsdestoweniger leidenschaftlichen Radfahrer, eine Vergnügungstour im westlichen Teile des Erzgebirges unternahm Die Witterung an diesem Sommertage war wie geschaffen zu einer Radpartie, nicht zu heiss und nicht zu kalt. Bald hatten wir denn auch unter heiteren Ge sprächen unser Ziel, ein beliebtes Hotel in einem böhmischen Grenzorte erreicht und liessen uns den kredenzten Ungarwein auf das beste schmecken. In Gesellschaft des radfahrerfreundlichen Wirtes war nur zu bald die Stunde herangerückt, die uns an die Nachhausefahrt erinnerte. Zur Rücktour wählten wir einen bedeutend kürzeren Weg, nur hatten wir auf diesem eine fünf Kilometer lange und am Ende ziemlich hohe Steigung zu überwinden. Um mich über die zu passierenden Ortschaften, Steigungen und Anzahl der Kilometer zu orientieren, nahm ich mein Tourenbuch zur Hand, da mir der Weg nicht so geläufig wär, als der heute bereits zurückgelegte. Leider machte ich hierbei die betrübende Entdeckung, dass mir mein liebes Frauchen nicht das Tourenbuch meines S. R.-B., sondern einen Band Engelhorns Romanbibliothek in mein Jacket gesteckt hatte. Die Ver wechselung ist allerdings auch leicht möglich, tragen doch beide Bücher einen Umschlag von roter Farbe, ebenso wie auch das Format von ziemlich gleicher Grösse ist. Bei anderen Gelegen heiten mag ja diese Bibliothek sehr unterhaltend sein, aber heute wäre mir es doch lieber gewesen, ich hätte in meinem Tourenbuche lesen können. — Nicht ohne Besorgnis machte ich meinen Freund auf die lange Steigung aufmerksam, hatte er doch neben seinem schwereren Rad auch noch ein Köi pergewicht zu tragen, das von dem unseres Altreichskanzlers nicht viel abgewichen haben dürfte. Und bei dem Nachmittagsschoppen war er ja auch nicht leichter geworden. Ich machte mich also schon auf ein Stündchen Radschieben gefasst. Merkwürdigerweise erweckte mein Hinweis auf die lange Steigung auf ihn nicht den allerge ringsten Eindruck, was mich umsomehr wunderte, als ich ganz genau wusste, dass mein Kamerad vom Fusswandern, verbunden mit Radschieben kein allzu grosser Freund war. — Wir radelten also in der allerfidelsten Stimmung ab, bald hatten wir den noch in der Ebene liegenden Ort B. hinter uns und näherten uns nun dem langgestreckten und dichtbevölkerten Orte U., wo die schier endlose Steigung begann. Ich mit meinem Leichtgewicht getraute mir ja den grössten Teil der Steigung bei etwas Anstrengung hinaufzuklettern, aber meinem Sportkollegen durfte das unmöglich sein. Es war mittlerweile die Zeit eingetreten, zu welcher sich die ganze schulpflichtige Dorfjugend vollzählig auf der Strasse einfindet, um sich vorm Schlafengehen noch einmal auszutoben. So unge fähr eine Stunde vor Sonnenuntergang. — Wie ich vorausgesehen, so geschah es auch. Mein Freund stieg ab, was für mich gleichzeitig das Zeichen war, ebenfalls abzusteigen. „Richtig,“ dachte ich, „jetzt geht es per pedes.“ Zu damaliger Zeit waren die Radfahrer in dieser Gegend noch nichts alltägliches, durchfahrende Radler fanden stets Beachtung. Auch uns ging es so. Die Bemerkung: „Ach der Dicke“ schlug oft an unser Ohr. Dass wir beim Absitzen von einer Anzahl Jungen umgeben waren, die sich erboten, unsere Räder für ein kleines Trinkgeld bis auf die Höhe zu schieben, war nach den damaligen Verhältnissen etwas ganz selbstverständliches. Ich hatte mein Rad bereits einem solchen dienstbaren Geist über geben und während ich ihm noch einige gute Ratschläge erteilte, die sich auf die sorgfältige Behandlung meines Rades während des Trans portes bezogen, hörte ich, dass mein Kamerad in eine sehr lebhafte Konversation mit den an wesenden Dorfjungen verwickelt war. Ich wandte mich um und sehe zu meinem Erstaunen vier der strammsten Jungen um sein Rad versammelt, die es, wie es den Anschein hatte, nach der Höhe bringen sollten. Warum nun hierzu vier und nicht blos einer genommen werden sollte, darüber sollte meine erweckte Neugierde bald befriedigt werden. (Schluss folgt.)