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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 02.03.1910
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1910-03-02
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19100302012
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1910030201
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1910030201
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1910
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Deutscher Reichstag. 45. Sitzung. 5. Berlin, 1. März. (Priv.-Tel.) Am Bundcsratstische Staatssekretär Delbrüu. Der erste Vizepräsident Dr Spahn eröffnete die Sitzung nach 1^ Uhr. Auf der Tagesordnung steht zunächst die Wahl des Präsidenten. Auf Vorschlag des Frhrn o. Hertling (Ztr.) wird der bisherige Notpräsident Graf v. Schwe- rin-Loewitz (Dkons.) durch Zuruf ge wählt. Graf o. Schwerin-Loewitz: Ich bin Ihnen siir die mir durch die soeben vollzogene Wahl und ftir das mir einheitlich im Hause entgcgengebrachte Ver trauen aufrichtig dankbar. Ich weist die hohe Würde und Ehre des mir von Ihnen übertragenen Amtes, des höchste», welches das deutsche Volk seinen Vertretern zu vergeben hat, und welches vor mir von einer Reihe hoch ausgezeichneter Männer geführt worden ist, i n v o l lst e m M a st e zu würdigen. Ich bin mir aber auch der großen und schweren Aus gaben, welche sich mit diesem Amte verbinden, in vollem Maste bewußt. Ich verspreche für die Er füllung dieser meiner Aufgaben meine ganze volle Kraft einzuschen. (Beifall.) ^>ch ver spreche namentlich, was ich eigentlich für selbstver ständlich ansehe, gegenüber allen Parteien dieses Hauses und allen Mitgliedern dieses Hauic» unbedingteste strengste Unparteilich keit zu wahren. (Beifall.) Ich bitte Sie andrer seits, Sie alle ohne Ausnahme, mich in der Erfüllung meiner Aufgaben, in der Förderung unserer Geschäfte, in der Wahrung der Ordnung des Hauses und in der würdigen Führung unserer Verhandlungen nach Kräften zu unterstützen. Denn ich meine, wir haben alle ohne jeden Unterschied der Parteistellung da» gemeinsame Interesse daran, unsere Ver handlungen würdig geführt und dadurch das Ansehen des Reichstages im Innern wie im Aus- lande gewahrt und gestärkt zu sehen. (Beifall.) In dieser Voraussetzung nehme ich die auf mich gefallene Wahl mit nochmaligem herzlichen Dank an. (Leb hafter allseitiger Verfall.) Bevor wir in die Tagesordnung weitergehen, glaube ich im Sinne des Hauses zu handeln, wenn ick unseren hochverehrten Vizepräsidenten, welche während der mehr als zwei Monate Fehlens des ersten Präiidenten die Geschäfte des Hauses mit ebenso viel Umsicht wie Sachkenntnis geführt haben, den wärmsten Dank des Hauses ausspreche. (Leb hafte Zustimmung.) Ihr Beifall zeigt mir, daß Sie mit mir einverstanden sind Ich hoffe, daß die beiden Herren mir auch weiter mit ihrer Kenntnis, ihrem Rat und ihrer Unterstützung zur Seite stehen werden. (Wiederholter Beifall.) Darauf setzt das Haus die Spezialberatnng des Etat» siir das Ncichvamt des Innern fort. Zu diesem Etat sind im ganzen 55 Resolutionen beantragt. Tie allgemeine Diskussion über den ersten Ausgabetitel: Staatssekretär 50 000 °K, wird wieder ausgenommen. Abg. Linz (Rpt), der zunächst das Wort erhält, ist im Saale nicht anwesend. Aba. Boehme (Wild): Meine Freunde halten an der Schutzzolltarifpolitik fest, wie sie in dem Zolltarif von 1902 niedergelegt ist. Man hat auf die handels politische Entwicklung Dänemarks hingewiesen, das keine Schutzzölle hat. So ein kleines Wirtschafts gebiet mit besonders günstigen klimatischen Verhält nissen darf mit Deutschland aber nicht ver glichen werden. Daß bei uns die Güterpreise ge stiegen sind, ist zuzugeben, das liecst an der Steige rung der inneren Kolonisation und an der infolge dessen gestiegenen Nachfrage. Der Futtermittel zoll ist schon deshalb nicht von der Hand zu weisen, weil er als Kompensationsobjekt für die Handels verträge benutzt werden kann. Deutschland ist wohl imstande, seinen gesamten Vieh-, Fleisch- und Ge treidebedarf zu decken. Unter dem Schutz der Zoll politik ist die Landwirtschaft imstande gewesen, jetzt schon die Produktion erheblich zu vergrogern. Ueber den Begriff der Erbanfallsteuer sind im Volke ganz sonderbare Anschauungen entstanden. Frhr. v. Wangenheim hat in Breslau und in Gncsen gesagt, 500 Millionen Mark hätten allein durch Bier und Tabak aufgebracht werden können; aber die soziale Feigheit habe das verhindert. Wie kann das ein Mann behaupten, der an der Spitze der Mittelstands- und Bauernbewegung stehen will? Unter den indirekten Steuern leidet doch zunächst der Mittelstand, der Bauer, der kleine Handwerker, der sein Gesinde ernähren muß. Wir denken gar nicht daran, die Erbanfallsteuer als solche als Steuerideal anzusehen; ich persönlich gebe der Neichswert- zuwachssteuer den Vorzug. Die Vermögen s- nnd Umsatzsteuer sind in keiner Weise so gerecht wie die Erbanfallsteuer. die Sie äbgelehnt haben. Der Bund der Landwirte klagt darüber, daß die Relchsregierung sich nicht in genügender Weise der Finanzreform angenommen hätte. Wir müssen uns im Gegenteil dagegen wen den, daß sogar die Behörden des Staates es für ihre Pflickt halten, in einseitigem Parteisinne Stellung zu nehmen gegen die Gegner der Finanzreform, und so gar den Reichskanzler an greifen und be drohe», wie es z. B. die Posener Landwirt schaftskammer in einer Broschüre getan hat. Da» ist Parteiregiment. Die Negierung müßte die Beamten veranlassen, Neutralität zu wahren. Wir verlangen nichts weiter als gleiches Recht für alle. Die Entstehung des Deutschen Bauern bundes ist hervorgegangen aus einer Bewegung im Osten, namentlich im Posenschen, die nicht gemacht ist, sondern aus der Not der bäuerlichen Bevölkerung heraus geboren wurde. Gerade von den leitenden Persönlichkeiten des Bundes der Landwirte sind dle Ansiedler getäuscht worden, indem die Herren bei dem Reichskanzler forderten, daß die Rcstgüter beibehalten werden sollten^ die di« deut schen Bauern und Ansiedler nicht wünschen können, weil es gegen das national« Interesse ist, da auf diesen Restgütern in der Hauptsache polnische Ar beiter beschäftigt werden. Frhr. v. Wangenheim hat uns als fahnenflüchtig bezeichnet. Davon ist keine Rede. Wir sind weder fahnenflüchtig, noch haben wir uns gewandelt. Der Deutsche Bauern bund bekämpft auch keineswegs die konservative Partei als solche. Wir werden durch unsere Agita tion dafür sorgen, daß die Gegensätze zwischen LandwirtschaftundZnvustrie.wiefle jetzt kundig geworden, daß der BundderLandwirte neuerdings für die Nationalliberalen eine Gefahr zu werden droht. Der deutsche Bauernbund soll die Gefahr abwehren. Landauf, landab werden Versammlungen abgebalten, es er scheint eine eigene Korrespondenz, es erscheinen Flug blätter. Es gibt aber Leute, die behaupten, einganz anderer Bund habe das Geld hergegeben, von dem wir wissen, daß er das Geld hat. Gewiß besteht ei» sogenannter Fränkischer Bauernbund bei uns in Bayern. Er ist mit Mann und Fahne in da» Heer lager des deutsche!» Bauernbundes eingezogen, aber er ist eine Organisation, von deren politischer Be deutung in Bayern niemand etwas weiß. (Sehr richtig! im Zentrum.) Es wurde an die Mitglieder ein Rundschreiben versandt mit der Aufforderung, innerhalb 5 Tagen die Erklärung abzugcben, ob sic die Schwenkung mitmachen wollten. Unterdessen haben sich in Kitzingen 18 Obmannschaften versammelt und erklärt, es handle sich um eine Uebcrrum- p e l n n g. Daß es tatsächlich so war. wird dadurch bewiesen, daß unter den Namen der Mitglieder auch solche von toten stehen. (Heiterkeit.) ,,h halte mich für verpflichtet, das vorzubringen, weil Mit glieder des fränkischen Bauernbundes mit mir Füh lung genommen und gesagt haben, daß sie von der ganzenSachegarnichtswissen. Abg. Böhme hat dem Bund der Landwirte vorgcrcchnet, daß er bei den Nachwahlen sehr schlecht abgcjchnittcn habe. Aber wie steht es mit den Nationallibcralen? (Sehr richtig! im Zentrum.) Wie ist cs denn den Liberalen bei den badischen Landtagsmahlen ergangen, wie in Sachsen? (Zuruf.) Bei uns in Bayern spielt das keine große Rolle, da weiß man nichts mehr von Nationallibcralen. (Heiterkeit, Zustimmung im Zentrum.) Wir wehren uns unserer Haut, bisher haben wir die Nachwahlen aut überstanden. Es gibt Schwankungen. Ihnen geht es auch mal schlecht. (Heiterkeit.) Manches, was Dr. Böhme gesagt hat, findet bei mir keine Beanstandung. So, wenn er meinte, man müsse eine Verjöhnungspolitik treiben. In der Landarbcitcrfrage stimme ich Dr. Böhme vollständig zu. Die ländlichen Arbeiter müssen als unabhängige freie Bauern ge boren werden. (Zustimmung.) Aber die den Bauernbund gegründet haben, denken nicht an eine Stärkung des Bauernstandes, sondern cs sind Leute, die da sagen, säet zwiefach, dann könnt ihr ernten. Deshalb kann ich die Entstehung des Bauernbundes nur bedauern. (Beifall im Zentrum.) Abg. Dr. Hahn (Dkons.): Der Abg. Fuhrmann hat sich drei Tage Zeit genommen, um eine Rede gegen mich zu verbrechen. (Vizevräsident Erbprinz zu Hohenlohe bittet, solcye Ausdrücke zu ver meiden.) Ich kann seine Rede nicht ernsthaft nehmen; er hat alles, was an politischem Klatsch in der Pro vinz Hannover verbreitet wird, hier zusammenge tragen. Es ist mir niemals eingefallen, eine so un geheuerliche Aeußerung über einen so verehrten Mann wie Bennigsen zu tun. Daß die „Kölnische Volkszeitung" über mich einen abfälligen Artikel ge bracht hat, ist bedauerlich. Es geschah dies zu einer Zeit, wo man den Charakter des Bundes oer Land wirte noch nicht erkannt hatte. Man sollte sich über haupt mit Privatangelegenheiten nicht so beschäftigen, Herr Fuhrmann! (Lebhafte Zustimmung.) Der Bund der Landwirte polemisiert in der vornehmsten Weise gegen seine politischen Gegner. (Lachen links.) Wir haben in Hannover niemals erne Politik treiben wollen, wie sie heute dre nationalliberale Partei treibt; den Zug nach links machen wir nicht m i t. Wir sind seit Jahrhunderten an der Waterkant treue Liberale gewesen. (Lachen links.) Heute fin den meine Landsleute mehr die Uedereinstimmung ihrer Meinung mit den Konservativen als mit den Nationalliberalen. Der Bund der Landwirte ist beim Kampf für die deutsche Landwirtschaft von den Na tionalliberalen im Stich gelaßen worden. Der Block, der politisch vielleicht berechtigt war, darf nichr auf da - wirtschaftliche Gebiet übertragen werden. Gegen dieses Bestreben setzen wir uns mit Recht zur Wehr. Mit der Reckten haben wir uns in dieser Beziehung immer tadellos vertragen. Unsere Zollgesetzgebung ist der Industrie sehr gut bekommen; sie kann nur revidiert werden auf Kosten der Landwirtschaft. Ich habe Bülow nicht gestürzt, sondern seine Freunde auf der Linken. (Zustimmung rechts; Lirm links.) Er hat ihnen einen Wechsel in Versprechungen ge geben, die er nachher nicht erfüllen konnte. (Unr-.hc links.) Jedenfalls hat sich die Linke damals nicht als reif erwiesen. (Große Unruhe: Lachen links: Zu stimmung rechts.) Daß soll zetzt durch skrupellose Agitation im Lande wieder cingeholt werden (Leb haftes Bravo! rechts; Unruhe uno Lärm links ) Die Notionalliberalen haben fick ihren Rückgang in Han nover selbst zirzuschreiben. Jin übrigen: Wer sihimpft hat unrecht! (Lebhaftes Bravo! rechts; Unruhe und Lacken links.) Abg. Eothein (Frs. Dgg.): Der letzte Satz spricht von der Selbsterkenntnis des Herrn Hahn. Im übrigen sind Streitigkeiten erzürnter Liebender für Dritte nicht erbaulich. Der Getreidebau leidet unter der Viehzucht absolut nicht, wie Dänemark beweist. Dort hat man es auch verstanden, durch billige Bodenpreise dem Arbeiter das Selbständigwcrden zu ermöglichen. Die Preße des Bundes der Landwirte leistet an Verhetzung das menschenmögliche. (Bei fall links.) Diese ganze Verhetzung und Wirksamkeit des Bunde» der Landwirte und das Streben keiner Führer, namentlich Dr. Hahns, soll nur dazu dienen, die politische Macht an sich z« reihen. Dem Zentrum, dem Dr. Hahn fortgesetzt Ver beugungen macht, ist zu empfehlen, sich »ich» zu sehr auf seinen neuen Freund zu ver lassen. Hahn schlägt sich, Hahn verträgt sich! (Heiterkeit.) Auf den uns gegebenen Bülow Wechsel hätte Dr. Hahn nichts gegeben, seine Partei verlangt von Reichskanzlern stets bar Geld. Der Bundesrat und der Reichstag sind gleichberechtigte Faktoren, eine besondere Ehre kann ick in der gegenseitigen Mitarbeit nicht erblicken. Herr Dr. Hahn, künftig etwas mehr Selbstgefühl! (Heiterkeit, links.) Prinz zu Schilnalch-Carolath (Natl.): Ich will zum Etat des Innern sprechen. (Sehr gut!) Es wird Zeit, daß der Staatssekretär sein Gehalt endlich bewilligt erhält. Meiner früheren Anregung auf Anstellung weiblicher Gewerbeinspek toren, respektive von Assistentinnen für diesen Posten, ist noch immer nicht in genügendem Maße entsprochen. Ich empfehle diese Frage dem Staats sekretär erneut zur Erwägung. Staatssekretär Delbrück: Aus den letzten Worten glaube ich etwas berausgehört zu haben, was in Be- ziehung zum Etat stand. (Heiterkeit.) Die Anstellung von Gewerbeaufsichtsbeamten ist Sach« der Einzel» auf die Spitze getrieben erscheinen, sich wieder ab- j schleifen, daß wieder ein Zusammenschluß aller erwerbenden Berufe erfolgt. Abg. Fuhrmann (Natl.): Dr. Hahn hat neulich in seiner Bescheidenheit wieder den Beweis dafür geben wollen, daß er alles weiß und alles kann. Nur die Gabe der Bescheidenheit läßt er ver missen. In der Erklärung, die er 1893 vor der Wahl abgab, heißt es, er werde, falls er in den deut sche» Reichstag gewählt werden sollte, politisch und wirtschaftlich im nationalliberale» Sinne zu wirken gesonnen sein. Ich glaube, nicht irre zu gehe», wenn ich annehme, daß es schon damals mit seiner inneren nationallibcralen Ueberzeugung etwas schief ausgesehen hat. Der unwandelbare Dieder ich Kahn hat alsbald, nachdem er in die Reichstags fraktion eingetreten war. seine Wandlungsfähigkeit gezeigt, indem er hier von der Tribüne eine Rede hielt, die dem wenige Stunden oder Tage vorher festaeleatcn Parteistandpunkt direkt widersprach. Sein Wort ist bekannt, daß er nicht ruhen wolle, vis der letzte Nationalliberale aus Hannover verschwun den sei. (Widerspruch Dr. Hahns.) Unsere Kan didaten waren alle Gutsbesitzer, Hofbesitzer und Gutsverwalter; wer aber waren die Kandidaten des Bundes der Landwirte? Der frühere Bankbeamte und jetzige Direktor des Bundes der Landwirte Dr. Diederich Hahn (Heiterkeit), der Zeitungsverlegcr Bruhn, der ultramontane Iustizrat Förster, der antisemitische Ober lehrer Henkel, der Amtsrichter Dr. Vahren horst, Professor Dr. Lotz u. a. Auf welcher Seite der beiden Kandidatenlisten das größere Verständnis für die landwirtschaftlichen Interessen liegt, wird dem Hause klar sein. Noch vor den Landtagswahlen 1908 erließ der Bund der Landwirte ein Flugblatt, wie ich es gemeiner, verloge ner und unehrlicher bei keiner Partei ge sehen habe. Die Agitation des Bundes der Landwirte in der Erbschaftssteuer will ich nicht wieder aufrollen, aber welche gewißenlose Agitation hat der Bund der Landwirte im Lande gegen die Erbschaftssteuer ge trieben! Diese große Organisation braucht von Zeit zu Zeit ein neues Schlagwort, durch das sie die Massen bei der Fahne hält. Erst war es der Antrag Kanitz, dann der Bimetallismus, das Börsengesctz, die Margarine, das Pökelfleisch und schließlich die Erbschaftssteuer. Herr Hahn hat in seiner großen Gewissenhaftigkeit in» Zirkus Busch auch das Wort wiederholt, daß Bassermann gesprochen haben soll von dem „Raubzug auf die Taschen des arbeitenden Volkes". Auf den Zwischenruf, daß dies dementiert fei, sagte er. er hätte in den Zeitungen dieses Wort gelesen. Aber der Direktor einer solchen Organisation sollte sich aus dem Ste nogramm des Parteitages vorher über zeugen, ob ein solches Wort auch wirklich gefallen ist. (Sehr richtig! bei den Nationalliberalen). Er hielt sich auch für befugt, sich über den Ton aufzuregen, den Wachhorst de Wente angeschlagen hat. Da er als Direktor des Bundes der Landwirte eine ge wiße moralische Verantwortung trägt für alles, was vom Bunde gesagt und geschrieben wird, will ich einige Proben von dem dort beliebten Tone geben. (Der Redner tut dies.) Und wie hat Herr Dr. Hahn sich über unfern hochverehrten, unvergeßlichen Führer v. Ben nigsen ausgelassen? Anderseits lasen wir in der „Köln. Dolksztg": Dr. Hahn gehört zu den un bedeutendsten Persönlichkeiten des Reichstages. (Große Unruhe rechts; Heiterkeit links.) Sein Auftreten als Redner stand in umgekehrtem Verhältnis zum Inhalt seiner Rede. Dabei hat Dr. Hahn jede mögliche Gelegenheit gesucht, sich dem Zentrum an den Hals zu werfen. In Hannover geht er mit den Welfen zusammen, um die National liberalen zu beseitigen. Dr. Hahn beschuldigt uns, wir wollten mit den Sozialdemokraten gehen, davon ist absolut nicht die Rede. Als in früherer Zett in Plauen eine Nachwahl erforder lich wurde^ erklärte die Bundesleituna, ein freihänd lerischer Nationalliberaler sei gefährlicher als die Wahl selbst eines Sozialdemokraten. Es würde da durch direkt in die Freiheit des Wahlkreises ein gegriffen, was zu der Zeit, als ich noch Mitglied des Bundes der Landwirte war (Rufe: „Aha!" rechts) — ich bin zehn Jahr« Mitglied ge wesen, dann aber mit einigen meiner Freunde hin ausgeworfen worden, (stürmische Heiterkeit) — direkt grundsätzlich vom Bunde perhorresziert worden war! Sollte eine landwirtschaftsfeindliche Mehrheit in den Reichstag kommen, so wird der Bund der Landwirte als Totengräber der deutschen Landwirtschaft hingestellt werden. Dank der Besonnenheit meiner Freunde („Oh!" rechts) haben wir den Zolltarif er reicht, mit dem wir die Handelsverträge gemacht haben. Wir werden auf diesem Wege der Landwirt schaftsfreundlichkeit fortschreiten. (Beifall bei den Nationalliberalen.) Abg. Horn-Sachsen (Soz.) begründet die Re solution seiner Fraktion, die die verbündeten Negie rungen ersucht, eine Verordnung zu erlaßen, die für die in der Glasindustrie beschäftigten Arbeiter die Dauer der Arbeitsschicht auf 8 Stunden des Tages beschränkt und in den Glashütten die Nacht arbeit an den Glasöfen behufs Verarbeitung der Glasmassen, und an den Strecköfen das Strecken ver bietet und in den Glashütten das Arbeiten an Sonn- und Festtagen, mit Ausnahme der erforderlichen Unterhaltung des Feuers in den Oefen, allgemein verbietet und anordnet, daß an den Wochentagen bei den Arbeiten an Glas- und Strecköfen, bei denen der Schichtwechsel eingesiihrt ist, die erste Schicht nicht vor 4 Uhr morgens beginnen, die zweite nicht nach 10 Uhr abends enden darf. Solchen gerechten Forde rungen gegenüber muß es merkwürdig berühren, wenn der Handelstagsausschuß auch die Frauen und Kinder in diese gesundheitsschädlichen Betriebe hincintreiben wolle. Leider fehlt es noch an einer zulänglichen Statistik über die Gesundheitsverhältnisse der 1000 Glashütten mit 85 000 Arbeitern. Es ist n i ch t r i ch - t i a , was v. Liebert behauptet hat, daß die Glas arbeiter selbst schuld sind, wenn ihre Gesundheit ge fährdet wird: dazu sind den Glasarbeitern Leben und Gesundheit ein viel zu kostbares Gut, als daß sie das auf» Spiel setzen, vielmehr ist es die Profitsucht der Unternehmer, welche eine Verbesserung der Gesund- beitsverhältniße der Glasarbeiter verhinderte. (Bei fall bei den Sozialdemokraten.) Abg. Dr. Heim (Ztr): Wer den heutigen Ver handlungen gefolgt ist, müßte auf den Glauben kom men, es handle sich hier um den Staatssekretär de» Innern, namens Dr. Hahn. Die Debatte hatte einen rein persönlichen Charakter, ich will den Herren auf diesem Gebiete nicht folgen. Es ist offen staaten. Ts wäre nach der Anregung des Vorredners vielleicht zu erwägen, ob die Sache nicht reichsgesetz- lich geregelt werden soll. Die Schwierigkeit liegt vielleicht darin, daß inan lick lein rechtes Bild von der Vorbildung der weiblichen Gewerbrinspektoren machen konnte. Sind diese Vorarbeiten abgeschlossen, können die Bundesstaaten vielleicht vorangehen. Abg. Detto (Natl.): Wie steht es mit der Ab änderung der Gewerbeordnung hinsichtlich der Land messer? Wann kommt die seit langem erwartete Vorlage? Staatssekretär Delbrück: Die Frage ist zurzeit Gegenstand der Erörterung zwischen Preußen und den verbündeten Negierungen. Abg. v. Strombeck (Ztr.): Ter Resolution auf Ein schränkung des Hausierhandels kann ick mich nicht anschließen. Im Eichsseld ist der Hausierhandel unentbehrlich. Staatssekretär Delbrück: Diese Frage ist schwie riger zu regeln, als angenommen zu werden pflegt. Es muß Rücksicht genommen werden auf die Bedürf nisse der Bevölkerung. Diese Bedürfnisse sind in den verschiedenen Landcsicilcn durchaus verschieden. Auch ist die Beschränkung der Artikel für den Hausier handel schwerlich durchznsetzen. Abg. Knlervki (Pole): Die baldige Schassung einer Arbeitslosenversicherung ist drin gend zu fordern. Ansnahmemoßnahmcn gegen die polnische Bevölkerung, wie sic immer bcstchen, sind zu verwerfen. Damit ist die Debatte geschlossen. Bravo aus allen Seiten. Ter Titel „Gehalt bcc> Staatssekretärs" wird bewilligt. Die Weiterbrratung wird auf morgen 12 Uhr vertagt. Schluß 7 Uhr. Sächsischer Lnnülag. Zweite Kammer. 11. öffentliche Sitzung. I'. Dresden, 1. März Präsident Dr. Vogel eröffnet die Sitzung um 10 Uhr 6 Min. Das Haus ist mäßig be^tzr, der Tribünenbesuch ist ziemlich stark. Am RegierungZtischc: Die Minister Graf Bitz thum v. Eckstädt, Tr. v. Rüger und Dr. Beck nebst Kommissaren. Sekretär Anders verliest die Eingänge zur Regijtrande, worauf inan in die Tagesordnung ein tritt. Punkt 1 und 2 betreffen Ncchcnschaftssachen. Zn Punkt 1 beantragt der Berichterstatter der Deputation Abg. Singer-Rothenkirchen i. V. (Natl.), die Etat überschreitung bei Kap. 97, k a t h o l i s ch c Kirchen und wohltätige Anstalten, nachträglich mit 2485,99 zu genehmige». Zu Punkt 2 beantragt im Namen derselben Depu tation Abg. Schwager-Zittau (Frs.) bei Kap. 20, D i - rekte Steuern, die Etatuberschrcitungen mit 99 486,68 ^l, sowie die außeretatmäßigen Ausgabe,! um 580 nachträglich zu genehmigen, ebenso bei Kap. 21, Zölle und Verbrauchssteuern, die Etatsüberschreitungen von 45 216,75 .1t und die außeretatmäßigen Ausgaben von 46 768,34 .tt. Zu Punkt 1 bemängelt: Abg. Günther-Plauen i. V. (Frs ), daß sür die katholische Kirche Nachbewilligungen beantragt wür den, während man den D e u t) ch t a t h o l i k e n jede finanzielle Unterstützung verweigere. 1906/07 sei vom Landtage eine solche Unterstützung für die Dcutschkatholiken bewilligt, aber von der Negierung nicht ausgezahlt worden. Das sei nicht korrekt. Abg. Fräßdors-Dresden (Soz.) betont, die Sozial demokratie wolle überhaupt keine Verwendung von staatlichen Geldern zu kirchlichen Zwecken, das sei konsequent, rnsolgedesien müßte sic auch gegen die N a ch b e w i l l i g u n g stimmen. Kultusminister Dr. Beck erinnert nochmals an dos kürzlich bei der Etatdebatte erwähnte Flugblai!, worin gesagt sei, die Deutschkatholiken fragten nicht danach, was der einzelne glaube, sondern über ließen es jedem einzelnen selbst, danach seien die Glaubenssätze der Dcutschkatholiken nich, mehr als christlich zu bezeichnen. Abg. Günther (Frs.) widerspricht und führt ans, schon im Interesse der Parität sei eine gleich mäßige Behandlung der Deulschkatholiken auch i>, finanzieller Hinsicht geböte». Nach einer kurzen Erwiderung des Kultus ministers betont Abg. Dr. Roth (Freis.) nochmals den Standpunkt seiner Fraktion, wonach die Regierung verpflichtet sei, den Dcutschkatholiken die Anerkennung als Rcli gionsgemeinschafr zu entziehen, wenn ihre Glaubens lätze nach Ansicht der Regierung nicht mehr den, Standpunkte von 1848 entspräche!!. Nachdem Kultusminister Dr. Beck nochmals den Rcgierungsstandpunkt verteidigt und Abg. Opitz (Kons.) erklärt hat, die Rechte werde sich dem Stand punkte der Negierung anjchließen, wird die Nach bewilligung zu Kap. 97 gegen die Stimmen der Sozialdemokraten ausgesprochen. Bei Kap. 98, sonstige Kultuszweckc, sind Anträge nicht ge stellt, es erfolgt also auch keine Beschlusstaßung. Bei Punkt 2 wird die beantragte Nachbewilligung nach dem Berichte des Referenten dedattelos und einstimmig zu Kap. 20 ausgesprochen, zu Kap. 21 gegen die sozialdemokratischen Stim- m c n. Zu Punkt 3 stellt namens der Finanzdeputation.V der Berichterstatter Abg. Anders-Dresden (Natl.) den Antrag, nach der Vorlage bei Kap. 27, a u s d e n S1 a a t s k'a s s c n ruhende Jahresrenten, die Ausgaben mit 406 623 lck zu bewilligen, ebenso bei Kap. 28, Ab lösung der dem Domänenetat nicht an gehörigen Lasten, die Ausgaben mit 20 000 .k zu bewilligen. Debattelos und einstimmig erfolgt dies. kLrvlltLvVLlt 8LSL 'Lf'x Ivttus MiMmvr, Knlserl. uvck Xovlpl. Uok-LlLllokortekndrlkaot. klüZvZ uni psianlnos. Eustkiv lielimgnn, ksäendsu. keiprig - plsgwilr, Lrnrt-Mey-Ai-SLZe S—11. Leleplion 8767. irrste und decleulencisle Iieiprigei- Zperislladrik leine!' ürsehAftS-killnchtUNgril Li-5ke Nekerenrien. öttligsle preke. Pi-omple5le keäienung. sowie SchauIenslek-AInlagen.
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