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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 03.11.1909
- Erscheinungsdatum
- 1909-11-03
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-190911030
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19091103
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19091103
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1909
- Monat1909-11
- Tag1909-11-03
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Nr. SVS. 10S. Jahrg. Leipziger Lagcdl:.^ Mittwoch, November 1S0S. * ReichStagSabgcordneter Freiherr von Gamp wurde aus Anlaß seines 25jährigen Jubiläums als Vertreter des Wahlkreises Deutsch-Krone zum Ehrenbürger der Stadt Deutsch-Krone ernannt. » Des JannschauerS Kriegserklärung. Herr von Oldenburg-Januschau hat seinerzeit mit die ersten Schüsse auf den Kanzler Bülow abgegeben, jetzt hat er die Attacke auf den neuen Reichskanzler Bethmann Hollweg eröffnet. Auf einer Provinzialvcrsammlung des Bundes der Landwirte in Graudcnz brachte er die bei den Konservativen Sitte gewordene Darstellung bei der Rcichsfinanzrcform vor und verriet noch ein mal, wie er seinerseits sich das Verhalten des »fürsten Bülow gedacht hätte: der größte und erfolgreichste Augenblick in der Laufbahn des Fürsten Bülow wäre der gewesen, wenn er im Reichstage erklärt hätte: „Da Sie sich über die Erbschaftssteuer nicht einigen können, das Vaterland aber in Not ist, so nehme ich die Finanzreform in der mir dargebotenen Form an/ Dann hätte Fürst Bülow einen Bombenerfolg gehabt. Die Konservativen seien baff gewesen, als statt dessen der Kanzler erklärte, ohne di« Liberalen mach« er die Sache nicht. Da habe man sich in der konservativen Fraktion gesagt, jetzt ist eS alle mit ihm, eS ist ihm nicht mehr zu helfen. Di« Stelle, die sich gegen Herrn v. Bethmann Hollweg richtet, lautet: ES werde lange dauern, bis Herr v. Bethmann Hollweg sich das Vertrauen derjenigen Partei erwerbe, die nunmehr dem Vaterlande verschafft habe, was eS an Geldmitteln brauche. Fürst Bülow und Herr v. Bethmann hätten Zentrum und Konservative untertnriert und die Liberalen übertaxiert. Hoffentlich werde der neue Kanzler von dieser Erfahrung gelernt haben. Die Konser vativen seien getragen von dem Bewußtsein, daß eS ihre Aufgabe sei, dem Vaterland zu dienen und deshalb zur Mitarbeit von Herrn v. Bethmann bereit; aber der neue Reichskanzler werde die Konservativen zu ent schlossenen und rücksichtslosen Gegnern haben, wenn die genötigt sein sollten, die preußische Verfassung zu verteidigen, die allein noch stehe als Hort vor der KüiiigStrcue. — Noch deutlicher scheint er sich in einer Bündler- versammlnng in Marienburg ausgesprochen zu haben. Hier berichtete er u. a., daß auf seinen Antrag der nationallibcrale Abgeordnete Sieg aus dem Bunde der Landwirte ausgeschlossen worden sei. Tann kam so etzoas wie eine Kriegserklärung an den Kanzler. Er sagte: Herr v. Beth mann Hollweg hat eine schwere Erbschaft angetreten. Der Draht zwischen den Konservativen und ibm ist entzwei, aber die konservative Partei werde Deutsches Reich. Leipzig, 3. November. * Tienstanweisnng zum Wassergesetz. Das ..DreSdn. Journ." ver öffentlicht die Dienstanweisung für die mit der Vollziehung des Wasser gesetzes vom 12. März 1909 und der dazu erlassenen Ausführungsverord nung vom 21. April 1909 betrauten Verwaltungsbehörden. * Sachsen und dir staatsbürgerliche Erziehung. Wie das „Dresdner Journal" erfährt, bat die Frage der Einführung des staatsbürgerlichen Unterrichts neuerdings den Gegenstand eingehender Erwägungen der säch sischen v.ierrichtkverwaltung gebildet. Die in dieser Beziehung soeben erlassenen allgemeinen Anordnungen des Kultusministeriums behandeln die Frage für die höheren UnterricktScinstalten und die Fortbildungsschulen. Ans diesen Anordnungen ist folgendes zu entnehmen: Die Einführung eines besonderen Unterrichtes in Staate- und Bürgcrknnde wird zurzeit nicht beabsichtigt. Zunächst soll der Versuch gemacht werden, die Aufgabe im Rahmen der bestehenden Lehrpläne zu lösen. Der Unterricht in Geschichte, HeimatS- und Erdkunde sowie in den Sprachen soll namentlich in den höheren Klassen für eine besondere Behandlung der Staats- und Bürgerkunde Raum lassen. Das Ministerium wird auch m Erwägung ziehen, inwieweit die Wünsche der Lehrerschaft auf gründ liche Kenntnis de? in Frage stehenden Stoffes gefördert werden könnte. Das Ministerium wünscht, daß im nächsten Schuljahre an die Ausgabe der staatsbürgerlichen Erziehung herangetreten werden kann. In den Fort- bi l d u n gS schu le n mit der gesetzlichen Mindeststundenzahl wird sich der Unterricht in der Bürgerkunde auf das Notwendigste be- sch-räuken müssen. Die DezirkSschulinst>«ktoren sind angewiesen, dafür Sorge zu tragen, daß von Ostern 1910 ab in allen Fortbildungsschulen des Lander, soweit dies noch nicht geschehen ist, die erforderlichen Einrichturrgen getroffen werden. — Das ist nicht gerade viel, aber doch immerhin ein Anfang. * Der Verein der Freisinnigen Bolkspartei zu Leipzig hielt, wie man uns schreibt, am Montag den 1. November im Restaurant „Hopfenstock" eine außerordentlich zahlreich besuchte Mitgliederversammlung ab, in der eine lebhafte Aussprache über das Ergebnis der Landtagswahl, mit dem die Freisinnige Volköpartri wohl zufrieden sein könne, stattfand. Die statt liche Anzahl von Stimmen, die Herr Georg Engler auf sich vereinigt habe, zeige, daß die Freisinnige Volkspartei jetzt auch in Leipzig festen Fuß zu fassen beginne. Große Freude rief die eingetroffene Nachricht von dem Siege des Bürgermeisters Dr. Roth in Burgstädt hervor. * Kartell Sächsischer Mittlerer Staatsbeamter. Dem vor kurzem gegründeten Kartell Sächsischer Mittlerer Staatsbeamten sind zwei wei- tere Vereine beigetreten: die Vereinigung der Beamten der Verwaltung der direkten Steuern im Königreich Sachsen und der Verband der Bureanbeamten der Kgl. Sachs. Landesanstalten und der diesen nahe stehenden Dienststellen. Damit sind nunmehr zehn Vereine im Kartell vertreten und die Mitgliederzahl hat sich wiederum erhöht. Kartelleiter ist Eisenbahnassistent Große in Hainsberg. Dem Kartellausschutz ge hören je drei Vertreter der beteiligten Vereine an. Außerdem besteht noch ein Verfassungsausschuß und ein Presseausschuß. DaS Kartellprogramm liegt im Entwürfe vor. Die Kartellsatzungen kommen demnächst zur Be ratung. * Gründung eines sächsischen Auwaltsvereins. Am 31. Oktober d. I. wurde in Dresden der „Sächsische Anwaltsverein" gegründet. Der Ver ein faßt die zehn lokalen sächsischen Anwaltsvereine zusammen. Mit glieder des neuen Vereins sind diese Lokalvereine, nicht die einzelnen Anwälte. Der Verein hat sich die Förderung der Interessen der säch sischen Anwaltschaft zum Ziel gesetzt und wird hierbei im Einverständnis mit dem Vorstand der Anwaltskammer im Königreich Sachsen arbeiten. Die Vorverhandlungen fanden unter der Leitung des Oberjustizrats Dr. Mittasch, Dresden, des Vorsitzenden des Vorstandes der Anwalts kammer, statt. In den Vorstand des Sächsischen Auwaltsvereins wur den gewählt die Rechtsanwälte Iustizrat Beutler-Chemnitz, Johannes Lehmann-Drcsden, Dr. Sicckc-Üeipzig. alte Richtung nach Norden beibehalten hätte, so würden wir am nächsten Morgen 7 Uhr schwedisches Land unter uns gehabt haben. Nur 12 Sack Ballast hätten »ns nach Aussetzung der beiden anderen Gefährten für die Nachtfahrt zur Verfügung gestanden, ein Vorrat, der erfahrungs gemäß selbst in Anbetracht der starken Abkühlung des Gases ausgereicht hätte. Für die sichere Beurteilung der Lage fehlte uns jedoch die Hanptunterlage, nämlich eine Wetterkarte vom Freitagvormittag. Wie leicht konnte sich die Druckvertcilung über Skandinavien verschoben haben! Mit Rücksicht auf unfern neuen „Leipzig" sowie vor allem auf die Passagiere, die zum ersten Mal heute im Ballon aufgestiegen waren und nicht zum aerinostcn in Anbetracht der drei in Leipzig zurückgeblie bene besseren Ebehalften, die mit Eintritt der Dunkelheit ungeduldig ans Landungstelegramme harrten, wurde von einem Weiterflug bis Putbus, geschweige denn nach Schweden, abgeselwn, und die Landung wegen der guten Bahnverbindung bei Nenstrehlitz beschlossen. Ein trügerisches Moor in der Nähe der Stadt und der Wald nörd lich davon mußten noch überflogen werden. Dann bot sich günstiges Gelände für die Landung. Der Fall aus 0M Meter .Höhe wurde am Schlepptau abgefangen, und sanft setzte Ubr nachmittags der Korb auf dem Boden aus — meine liebenswürdigen „Schutzbefohlenen" waren erstaunt, daß eine Ballonlaudung sieb so „sehr glätt" vollziehen konnte. Ein paar Fesselballonanssiiege am Schlepptau für die Bewohner von Peckatel verfehlten ihre Wirkung nicht: Bereitwillig und gern half man beim Verpacken und Wcgsahrcn des Ballons. Ein Blick auf die Wetterkarte vom Sonnabend, den 30. Oktober, lehrt, Ivie richtig eS war, daß bei dem flauen Winde der Flug nach Schweden nicht gewagt worden ist. Unter dem Einfluß eines über der Südspitze Norwegens während der Nacht entstandenen neuen Teiltiefs von 750 Millimeter wäre der Ballon statt nach Norden gegen Osten abgetrieben und vielleicht viele Stunden vom rettenden Lande fern gehalten worden, was bei dem verhältnismäßig geringen Ballast hätte verhängnisvoll werden können. Unsere Absicht, von Nenstrehlitz an? eine,rasche Verbindung über Berlin mit der Heimat zu erlangen, war erreicht, und so konnten wir uns alle schon nm nächsten Tage wieder frisch nnd gestärkt unseren Berusspflichten widmen. Hauptmann Härtel sTr. 19j in Leipzig. Vallon „terpzrg's" zweite ^Probefahrt. In der kurzen Zeit, der seit der Gründung des Leipziger Vereins I für Luftschisfahrt vergangen ist, trat an mich schon mehrfach die Frage I heran, ob es denn eigentlich für einen solchen Verein in diesen Tagen, I wo immer neue Meldungen von Erfolgen lenkbarer Ballons eintreffen, I noch Zweck hätte, im Freiballon aufzusteigen. Dem ist aber entgegen- I Inhalte»: Die Lertkballonfahrt stellt so große Anforderungen an die I Finanzkraft, daß es einem, zumal loyalen, Verein schlechterdings un möglich ist, sich aus diesem Gebiete zu betätigen ; man bedenke doch, daß I dann neben dem kostspieligeren Ballon eine eigene große Halle zur Unterkunft für das — natürlich viel größere — Luftschiff beansprucht wird, außerdem eine Mannschaft, dir nur zu diesem Zweck unterhalten I werden müßte und ls»t not eine Wasserstostgasanlage, der neirvuc- i i-c-rum aller Lenkballonkahrten. Es ist eine irrige Ansicht, daß durch die Erfindung und Vervoll- I lommnung von lenkbaren Luftschiffen der Mert von Freiballons illn- I sorisch wird. Zur Erforschung des LustmeereS sowie zu wissenschaft lichen Erkundungen, z. B. lustelekirischen Messungen, Bakteriennnter- suchunyen der Lust u'w. wird auch künftighin der Freiballon dienen, während den lenkbaren Luftschissen die regelmäßige Verbindung zwischen größeren Plätzen überlafsen bleibt. Keineswegs aber wird man jemals auf den so ofl schon geschilderten eigenartigen Zauber verzichten wollen, den eine Freiballonsahrt immer wieder von nenem aus das menschliche Gemüt ausübt. Abgcseben von dem Abenteuerlichen, das den Freiballon- führten zn eigen ist — weil man doch nie weiß: Wohin die Fahrt? —, darf man auch den gesundheitlichen Wert einer solchen Reise nicht ver kennen. Zumal in unserer schnellebigen Zeit, wo man so gern an über anstrengten Nerven leidet, bietet eine solche Fahrt durch den reinen Aetbcr, in vollkommener Ruhe, gerade auch für den Geist Genüsse, die ein Laie nicht ahnen kann, und — die vielleicht eine vorübergehende seelische Depression eher zu heben imstande sind, als ein halbes Dutzend teurer Sanatorien. Gerade diese? wundersame Dahinaleiten ist es, das den Freiballonsahrten eigen ist, und das einen besonderen Reiz ausübt, dessen die Reisenden im Lenkballon nicht teilhaftig werden können, weil ans sie dos ununterbrochene Arbeiten der Motoren und Propeller einstürmt. Hinweg also mit den Vorurteilen gegen den be- stebendeu Wert de? Freiballon-! Vertrauen wir un? einmal unserem „Leipzig" an, erwählen uns vorher noch aus unserem Bekanntenkreis be geisterte und lustige Gefährten, — oder besser noch: Gefährtinnen — und: „Gluck ab!" zur fröhlichen Fahrt! So war'? auch am letzten Freitag, als der Ballon „Leipzig", zum erstemnal geschmückt mit National'lagge und dem Wimpel der Stadt Leipzig, aus einer Fahrt nach Mecklenburg seine Kraft erprobte. Die Füllung auf dem Meßplatz, die nur iii provisorischer Wesse ge schehen konnte, weil hier nur 10-Zentimeter-Rohrleitung zur Verfügung sieht, war acht Uhr beendet. Als der Ballon vom hochverdienten Vor- sitzenden des Vereins, Herrn Hofrat Dr. Pfaff, mit Geschick abgewogen, in sein Element emporstieg, beseelte mich beim Anblick der viel hundert köpfigen Menge der Gedanke: Wenn es doch schon in unserer Mach! läge, die so fröhlich Winkenden da unten, von deren Interesse für die Luftschiffahrt ihre Anwesenheit Zeugnis ablegte, mit herauf zn nehmen, um sie die Freuden unserer Fahrt mit erleben zu lassen. Auf derselben Straße, auf der ich am 29. Juni d. I. im „Par- seval III" über Leipzig Einzug hielt, schwebten wir — allerdings in ent- oegcngesetzter Richtung — davon. DaS Rosental war rasch überflogen, schon seben wir auf Gohlis hinab! Ansteigendes Gelände ... ein paar Hände Ballast! Dem weilen Hof der 106er Kaserne geht's entgegen, dann eine leichte Schwenkung rach recht? und, als litten wir ein Steuer an unserem Ballon, geht es gerade über die Wohnungen zweier Mit- fahrenden hinweg. An? allen Fenstern winken nn? weiße Tücher Ab- schiedSgrüße zu. Gleich darauf sollte sich ein Bild aus dem Nekrutenleben enthüllen. Wir freilich gewannen dem Zirkelreiten in der Artillerie- und .... in der altvertranten Trainkaserne eine andere Seite ab, als e? dem diensteifrigen Kameraden da unten vielleicht möglich war, der uns, wie ArchimedeS, hoffentlich verziehen bat, daß wir seine „Zirkel störten". Die zweite Probefahrt deS „Leipzig" sollte eine Nachtfahrt werden. . Wir hatten uns cnzch danach eingerichtet. Nach der Wetterlage zu schliefen, mußten wir zunächst nach Norden segeln, nm dann vvti einer' über dem westlichen Frankreich befindlichen, stark ausgeprägten De pression nach Westen abgelenkt zu werden. Alles war beschlossen: Abends 5 Ubr Zwischenlandung, zwei der Mitfahrtnden mußten anssteigtnf der! Herr Stabsarzt blieb mit mir im Korbe. Doch das Sprichwort der Lustschisser sollte auch heute Recht behalten: „Denn erstens kommt cs anders und zweitens als man denkt." Aber ich will nicht vorgreifen. Eben überfliegen wir das durch unsere Felddienstubungen zur Ge nüge bekannte Gelände von Seehausen und Göbschelwitz mit seinen markanten Windmühlen und rufen auf den Feldern arbeitenden Leuten aus 100 Meter Höhe unfern Morgengruß zu. Jetzt mußte die Ge- icbwindigkeit des Ballons testgestellt werden, was infolge der geringen Höbe und Sichtbarkeit der Erde nicht schwer war. Der Abstand zwischen zwei auf der Karte deutlich kenntlichen Punkten, der in einem bestimmten Zeitraum überflogen worden war^ wurde gemessen und ergab die Kilo- Meterzahl: 25 Kilometer in der Stunde. Durch Verlängerung unserer bisherigen Fahrtrichtung auf der Karte in Verbindung mit der eben errechneten Fahrtaeschwindigkeit konnten wir feslftellen. daß wir etwa fäl Uhr mittags die Haveljeen bei Brandenburg erreichen würden. Schon ist die heimatliche Grenze überflogen, was man ohne Karten unterlage schon an der Bauweise der unter uns dahinziehenden Dörfer erkennt Während die sächsischen Ortschaften zumeist mit weißen Manern heronfleuchtcn, zeigen sich die preußischen im Braunrot ihrer Backsteine. Daß unser „Leipzig" das Interesse der Bevölkerung erregt^ erkennen wir deutlich in Hohenleine, wo der Schullehrer feine Klasse in den Schulgarten geführt hat, nnd uns mit Hurra empfängt. Bei Crensitz geht es über die Bahn Delitzsch—Eilenburg hinweg der Dübener Heide zu. Wir schwammen beständig auf einer leichten Dunstschicht, die etwa 250—100 Meter über der Erde lagerte. Zur Rechten tauchte die Hoh burger Schweiz und der Colmberg bei Oschatz, zur linken der Petersberg bei Halle heraus der uns auf lange Zeit eine gute Orientierung bot. Hinter ihm lag der Brocken, der Wächter deS mittleren Deutschlands, in seltener Klarheit. Tie Windungen der Elbe wurden kurz nach 11 Uhr zwischen Coswig und Wittenberg überflogen, ohne daß der Ballon die sonst beim Flug über Flußläuse üblichen Erscheinungen — Sinken und Ablenkung — zeigte. Aus der Ferne dringt dumpfes Rollen an unser Ohr, daS sich ver stärkte, je weiter wir gegen Brandenburg vordrangen: Liebe Erinne- rungen weckte es an Jüterbogs Schießplatz und mein Kommando zum Lehrkursus. Eine anmutige Szenerie tat sich in der Gegend von Brandenburg au': die Stadt selbst, die vielen Seen, belebt von Segelbooten, Kanäle mn Kähnen und Zillen, liebliche Dörfer ringsum, dazwischen Wald- vnrzellcu und freundliche Wiefcnstiicke, über die des Jägers Büchse knallt, dann wieder dunkle Moore, und dies alle? beleuchtet von der matt strahlenden Oktobersonne. In der frischen Lust von 800 Meter Höhe regte sich der Appetit; die Gattinnen der drei anderen Mitfahrer aber hatten, wie sich zu nuferer aller Freude herausstellte, aufs beste für uns gesorgt. Auf der weiteren Fahrt sollten uns auch geschichtliche Erinnerungen beschert werden, die, znmal für uns Soldaten, besonderes Interesse er wecken mußten: Die Schlacht bei Fehrbellin. Die Stadt mit ihrer historischen Brücke über den Rhin, die Denkmäler dort und bei Haken berg, alles lag so klar 1000 Meter unter unS, daß wir, wie überhaupt öfters aus dieser vom Wetter begünstigten Fahrt, daS Objektiv hinab richteten. Aus Fehrbellin folgt Neu-Ruppin- Reizvoll liegt e? eingebettet zwischen dem langgestreckten Rhin-See und dem Nltruppiner Forst, ein mal eine andere Art von Neu-Ruppiner Bilderbogen! Die Kontraste folgen aufeinander, eben noch die Irrenanstalt in tiefstem Schweigen zu unseren Füßen und nun daS kante, frohe Soldatenleben aus dem Kosernenhof. , Von Rheinsberg, am Rande des großen Neustrehlitzer Seedistriktes gelegen, klangen drei Glockenschläge herüber. Die ,,b aue Stunde" nahte, die gerade in diesen Oktobertagen für die Luktschif er so deutlich in die Erscheinung tritt. Die Welt da unten nahm allmählich eine blaugraue Färbung an; die bunten Farben deS Herbste-, die wir bei unserem Flug über die Wälder ost zu bewundern Gelegenheit hatten, verlöschten. Jetzt mußte die Entscheidung fallen, ob zur Zwischenlandung ge schritten und die Nachtfahrt angetreten werden konnte. 25-30 Kilometer Stundengcschwindigkcit hatten wir bisher gehabt In Berücksichtigung einer Verminderung der Windstärke um 3V Proz. wäre 9 Uhr abends Greifswald und 10 Uhr PutbuS auf Rügen erreicht wor den. Menn nur ein 1ö Kilometer rascher Wind auch deS Nack>tS seine auch mit Bethmann zum Woble des Staates arbeiten. Im übrigen, wenn gesagt wird, Bethmann Hollweg werde eS schwer fallen, auswärtige Politik zu treiben, so glaube er eS nicht. An 4 Millionen guter Soldaten marschiert man nicht so leicht vorbei. Wir wollen den Frieden, ober wir fürchten un» vor niemand. — Daß der Draht zwischen den Konservativen und dem Kanzler entzwei ist, wußte man bisher noch nicht. Die „Kreuzztg.", das Organ der Konservativen, hatte die „Germania" schwer gerüffelt, als sie Herrn v. Bethmann Hollweg vor seiner Ernennung zum Kanzler als eine mißliebige Persönlichkeit hinstcllte, und ihrerseits die Freiheit der kaiserlichen Entschließung verteidigt. Einstweilen ist wohl auch an den Ernst der Kriegserklärung nicht zu glauben, Herr v. Oldenburg gebraucht gcrn starke Ausdrücke und ist nicht Herr v. Heydebrand. - Oberbürgermeister Dr. VoSberg in Potsdam hat den Ruf, Direktor des Hansabundes zu werden, abgelchnt. So wird durch das offiziöse Wolff-Bureau verbreitet. Es liegt sehr nahe, in dieser geflissentlichen Verbreitung dieser Ablehnung einen Schachzug gegen den Hansabnnd zn erblicken. Worauf zielt man wohl dabei ab? * Eine Denkschrift über die Getreidecinsuhrscheine. Eine Denk schrift über die Frage der Getreideeinfuhrscheinc wird, wie die „Inf." an unterrichteter Stelle erfährt, aegenwärtig im Reichsschadamt aus- gearbeitet. Die entsprechenden Arbeiten sind bereits so weit fortge schritten, daß mit der Einbringung der Denkschrift in der nächsten Session des Reichstages gerechnet werden kann. Da alle in Betracht kommenden Fragen, die mit den Eiusuhricheinen im Zusammenhang stehen, in der Schrift eine eingehende Erörterung erfahren, dürfte auch über die Stellungnahme der Regierung hierzu völlige Aufklärung ge bracht werden. Im übrigen finden bei den zuständigen Ressorts über eine etwa vorzuuehmcnde Einschränkung bei der Verwendung von Ein fuhrscheinen zur zollfreien Einfuhr von Getreide und anderen Waren Erwägungen statt, die zu einem Abschluß bisher nicht geführt haben. * Gegen die Schissahrtsabgabcn. Ter VcrbaudZtcig der hessi schen Verkehrsvercinc, dem auch die Abgeordneten Heul zu Herr»?- heim, Moltban und Pennrich beiwohnten, beschloß eine Resolution an die hessische Regierung zu richten, worin diese ersucht wird, sich der Ein- fnhrung von S ch i f f a h r t s a b g a b c n mit allen Mitteln zu widersetzen. Ausland. Japan. Bevorstehender koreanischer Aufstand? In London ringe- gangene Nachrichten au« Kobe bestätigen, daß di« Japaner mit de» Au», brnch schwerer Unruhen auf Korea rechnen. General Okuto, der die japanischen Truppen ans Korea kommandiert, Hai deshalb seine Reise nach Tokio aufgegeben. Persien. ' * Die Unruhen. Die Petersburger Telegrapbenagentur meldet au» Täbris: Flüchtlinae bringen aus Ardebil beunruhigend« Nachrichten. Die Stadt befindet sich in kritischer Lage. Jeden Ta§ wird das Eindringen der Schahsewennen erwartet. Da» neben der Festung brlrgene rnsfisch, Vizekonsulat hat beschlossen, de« Oesterreich-Nngarn. Zur Demission der tschechischen Minister. Die „Wiener Zeitung" wird am Mittwoch zwei kaiserliche Handschreiben veröffentlichen, wonach die Minister Zazek und Braf auf ihre eigene Bitte vom Amte enthoben werden. Beiden wird die Würde des Geheimrates ver liehen. Mit der Leitung des AckcrbauministeriumS wird der SektionSchef Pop betraut. -<-« Graf MenSdorff amtsmüde? Ein Londoner Telegramm be- richtet: In den Kreisen der hier lebenden Oesterrcichcr verlautet, daß der Londoner österreichische Botschafter, Graf MenSdorff, seine Ab berufung wünsche. Als Grund für die Rücktrittsabsichten des Bot schafters wird angegeben, daß er seit der Annexion Bosniens und der Herzegowina daS Vertrauen König Eduards nicht mehr in dem früheren Umfange besitzt, nnd daß auch sein Gesundheitszustand in letzter Zeit zn wünschen übrig lasse. Wie eS heißt, soll der bisherige Botschafter in Paris, Graf v. K h e v c n h ü 1 l e r, auf den Londoner Posten berufen werde». Z Sanktion für die deutschen Schntzgcsche. Aus Wien wird gemeldet: Die von den Landtagen von Niederöstcrrcich, Oberösterreich, Salzburg und Vorarlberg beschlossenen Gesetzentwürfe über den Gebrauch der Landessprache in den Landtagen, bei den autonomen Behörden, ferner über den Gebrauch der Unterrichts sprache an den staatlichen Landes-, Lehrer- und Lehrerinnenbildungs- anstalten und an den Landesrealschuken haben die Sanktion des Kaisers erhalten. England. « Die Munizipalwahlcn. Eine Londoner Depesche berichtet. Bei den Munizipalwahlcn am Montag erhielten nach den bis Mitternacht aus den einzelnen Stadtteilen, mit Ausnahme London selbst, vorliegenden Ergebnissen die Konservativen und Unionisten 32, die Liberalen 33, die Arbeiterpartei 15, die Unabhängigen 4 Sitze und die Sozialisten 1 Sitz. Nach den bis Dienstag früh vorliegenden Wahl ergebnissen aus 28 Stadtteilen halten sich Gewinn und Verlust der ein zelnen Parteien ungefähr das Gleichgewicht, so daß die Konservativen die vor drei Jahren errnnqene starke Majorität behaupten. Portugal. s^- Tie Abreise des König? Manuel zum Besuche des Königs von Spanien ist nunmehr, wie uns aus Lissabon telegraphiert wird, auf den 7. November festgesetzt worden. Ruhland. o Die innere Politik der Regierung. Ministerpräsident Stolypin er klärte, wie uns unser Petersburger Korrespondent telegraphiert, dem Dumaabgeordneten Grafen Uwarow gegenüber alle Gerüchte, wonach die Regierung ihren Standpunkt in der inneren Politik geändert bwbe, für unbegründet. Die Regierung sei weder nach rechts, noch nach links abgeschwenkt. D Keine Einverleibung Wyborgs. Unserem Privatkorrcspondentcn in Petersburg wird von zuständiger Stelle mitgeteilt, daß der Plan der Einverleibung des Gouvernements Wyborg vorläufig fallen gelassen ist. Griechenland. 8t. Die niedergeschlagene Revolte. Unser Korrespondent inA1 hen depeschiert uns: Nach amtlichen Feststellungen sind bei dem Kampf mit den Meuterern 4 Matrosen getötet, ein Offizier und 6 Mann verwundet worden. An der Verschwörung der längeren Marineoffiziere waren nur die Söhne der angesehensten Familien be teiligt. Die öffentliche Meinung beschuldigt den früheren Minister Rhallis der Urheberschaft der Verschwörung. Im ganzen sind 22 Per- sollen an der Verschwörung beteiligt. Sie machen der Öffentlichkeit gegenüber geltend, daß sie ursprünglich von dem Militärbund und auch von der Regierung in ihren Forderungen unterstützt worden seien und daß dann die plötzliche Schwenkung eine anfreizende Wirkung ausgeübt habe. — Telegraphisch wird zu der Angelegenheit noch weiter gemeldet: Athen, 2. November. sTelcgramm.j Den jüngsten Nachrichten zufolge erscheint es nicht ausgeschlossen, daß Typaldos mit seinen An hängern in di« Nähe Athens zurückgekehrt ist nnd von Freunden der- steckt gehalten wird. Polizei sucht die Umgegend von Athen un- aufhörlich ab. 8t. Athen, 2. November. sPrivattclegramm.j Der Offiziers- ' nss erklärte, eine parlamentarische Diskussion über den Marineauf stand nicht zu wünschen und übermittelte diesen Beschluß gestern der Partei Theotokis nnd dem Parlamentspräsidcnten. Zwei Kompanien Infanterie besetzten den Hof und die Korridore des Parlaments. Ein Teil der Garnison stand in den Kasernen unter Waffen. Das Parlament hörte schweigend die sehr kurze Eröffnung des Premier- Ministers Mavromichalis an, daß der Aufstand dank der be wundernswerten Haltung von Heer und Marine schnell unterdrückt wurde und daß die Bestrafung der Schuldigen bevorstehe. — Die Zeitungen veröffentlichen heute die Antwort des Obersten Zorbas auf eine an ihn gerichtete Anfrage, ob das Gerücht von der Auslösung der Militärliga begründet sei. Zorbas erklärt kategorisch, die Liga werde ihr patriotisches Werk fortsetzen und sich nicht auflösen. Türkei. I Entwendete Geheimakten. Aus Saloniki wird uns telegra phiert: Unbekannte Täter eAwachen im Jungtürkenklub den eisernen Kassenschrank und entwendeten angeblich zahlreiche geheime Schriftstücke. Unter den Mitgliedern de» Komitee» herrscht große Er- r e g u n g.
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