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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 07.03.1911
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1911-03-07
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19110307015
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1911030701
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1911030701
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1911
- Monat1911-03
- Tag1911-03-07
- Monat1911-03
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auf 64,9 Millionen belauft. Rechnet man danach die ungedeckten Matrikularbeiträge mit 80 Pf. für den Kopf au«, so kommt mau zu einer Summe von .-»1,5 Millionen Mark. Um di« Differenz von .1 Millionen Mark werden demnach die Ver hältnisse der Reichskasse durch di« letzte Volkszählung auf gebessert. Selbstverständlich werden um ebensoviel die Bud gets der Einzelstaaten mehr belastet. Dost sich bei der Verteilung der ganzen ungedeckten Matrikular- beitragssumme auf die Einzelstaaten infolge der letz ten Volkszählung gleichfalls Verschiebungen werd«« bemerkbar machen, weil auch diese Verteilung nach der Kopfzahl vorgenommen wird, darauf ist bereits hingewiesen. > .. Demlches Seich. Leipzig, 7. März. * Lohnbewegung im mitteldeutschen Kohlengebiet. Die Bergarbeiter in den Braunkohlenrevieren Zeitz, Weißenfels, Raumburg. Altenburg und Borna sind in eine Lohnbewegung eingetreten. Die Hauptforde rungen bestehen in achtstündiger Arbeitszeit nnd Lohnerhöhungen um ca. 20 Prozent. Die Entscheidung fällt ledoch erst im April. — Auch im Zwickauer Kohlenrevier fanden am Sonntag Bergarbeiteroersammlungrn statt. Sie beschäftigten sich mir dem neuen Zwangsstatut zur Knapp- schaftspensionskasse. Reichstagsabgeordneter Sachse und Landtagsabgeordneter Krautze übten an dem Entwurf scharfe Kritik, namentlich bemängelten sie die autzerordentliche Erhöhung der Mitgliedcrbei- träge bei gleichbleidender Rente und die Bemessung der Rente nach Lebensjahren, statt nach Dienstjahren. Die Bergarbeiter wollten die erhöhten Beiträge gern zahlen, aber nur, wenn auch die Rente erhöht werde. Ein« in diesem Sinne abgefaßte Resolution »and in allen Versammlungen Annahme. In den nächsten Tagen werden auch in den übrigen sächsischen Revieren Protestoersammlungen abgehalten. Im Laufs dieser Woche wollen die Bergleute der Zwickauer Reviere den (Grubenbesitzern ihre Forderungen nach höheren Löhnen und Verbesserung der Pensionsverhälinisse unterbreiten. * Die Kandidaten der Sozialdemokratie für di« bevorstehenden Reichstagswahlen sind bereits in beinahe allen Wahlkreisen Deutschlands ausgestellt. Rur wenige fehlen, die 23 sächsischen Kreise sind sämtlrch besetzt. Es kandidieren in Sachsen: 1. Kreis, Zittau: Edm. Fischer, Schriftsteller, Briesnitz. 2. Kreis. Löbau-Ebersbach: Krätzig, Redakteur, Berlin. 3. Kreis. Bautzen: Wilh. Buck, Arbeitersekretär, Dresden, 4. Kreis, Dresden-Neu stadt: Aug. K a d e n , Fabrikant, Gohlis. 5. Kreis, Dresden-Altstadt: Dr. G. Kradnauer, Redak tcur, Dresden, tt. Kreis, Dresden-Tharandt: G. Horn, Redakteur. Lindenau. 7. Kreis, Meißen- Großenhain: R. Schmidt, Redakteur, Dresden. 8. Kreis, Pirna: Otto Rühle, Schriftsteller, Halle. 0. Kreis, Freiberg Oederan: H. Wendel. Redak teur, Frankfurt a. M. 10. Kreis, Döbeln-Rotzwein: K. Pinkau, Photograph, Leipzig. 11. Kreis, Oschatz: R. Lipinsky, Verleger, Leipzig. 12. Kreis, Leipzig-Stadt: M. Cohen, Kaufmann, Frankfurt a. M. 13. Kreis, Leipzig-Land: F. Geyer, Fabrikant, Leipzig. 14. Kreis, Dorna-Pegau: Karl Rüssel, Parteisekretär. Leipzig. 15. Kreis, Mitt- weida-Limbach: D. Stücklen. Redakteur, Berlin. IM«.Kreis, Chemnitz: E. Noske, Redakteur. Chem nitz. 17. Kreis. Glauchau-Meerane: Mokken- bühr, Parteisekretär. Berlin. 18. Kreis, Zwickau- Crimmitschau: W. Stolle, Gastwirt, Gejau. W. Kreis, Stollberg-Scbneeberg: G. Schöpflrn, Redakteur, Leipzig. 20. Kreis, Zschopau-Gelenau: P. Löhre, Schriftsteller, Zehlendorf. 21. Urei», Annaberg-Eibenstock: E. Grenz, Kassierer, Leip zig. 22. Kreis, Kirchberg-Auerbach: Dr. P. Lensck), Redakteur, Leipzig. 23. Kreis, Plauen: H. I 8 ckel, Kewerbedeamter, Berlin. * I» Liberalen Verein Groitzsch und Umg. sprach am vorigen Freitagabend Generalsekretär Dr. Westenberger über das Thema: „W as trennt uns von den Konservativen?" Die unge teilte Aufmerksamkeit der Versammlungsteilnehmer während des Vortrages wie auch die anschließende lebhafte Dieckussion zeugten von dem regen Interesse, das dieser wichtigen politischen Frage von sämtlichen Anwesenden entgegengebracht wurde. Im Schluß wort behandelte Dr. Westenberger aus eine aus der Versammlung ergangene Anregung hin hauptsächlich die Frage, was er unter einer gesunden Parteipolilik verstanden wissen wolle. Allseitiger reicher Beifall wurde auch diesen Ausführungen entgegengebracht. * In der Monatsversammlung des Alldeutschen Verbandes. Ortsgruppe Leipzig, am 3. März be richtete der Vorsitzende zunächst über die Vorarbeiten zur Gründung eines Gauverbandes der alldeut schen Ortsgruppen im nordwestliclzen Sachsen und den angrenzenden Teilen von Thüringen und Preutzen. Nach einer Reihe weiterer geschäftlicher Mitteilungen sprach Herr Herbert Laersz über „Nationale Fragen in De u t j ch ° O st a f r i k a". Nach einer lebhaften Aussprache stimmte die gut besuchte Ver sammlung folgenden Leitsätzen zu: 1) Durch ein Ge setz ist zu verbieten, die Eingeborenen in anderen europäischen Sprachen als der deutschen zu unterrich ten. 2) Die baldige Einführung der Neichswährung in Deursch-Osbasrika ist anzuslreben. 3s Die Regie rung möge der Einwanderung fremder Ansiedler ent- gegeiavirten. dagegen die deutsche Einwanderung be günstigen und vor allem dafür sorgen, datz in allen Behörden und öffentlichen Betrieben nur deutsche Be amte, Techniker usw. 'angestellt werden. 4) Die Ein- geborenenpolitik mutz sich nach den Interessen der deutschen Bevölkerung richten. 5) Die Einwanderung von Indern mutz verboten werden. 6) Die Selbst verwaltung ist weiter auszugestalten. * Der Kronprinz ist am Montag bei seiner Ankunft in Port Said vom Gouverneur im Namen des Khetiven und vom deutschen Gesandten Fürsten o. Hatzfeld-Wildenburg begrützt worden. Darauf begab er sich im SonLerzug nach Kairo, wo er vom Khediven, den Ministern und Diplomaten empfangen wurde. Er stieg im Savoy-Hotel ab, in dem die Kronprinzessin schon seit längerer Zett weilt. * Zum SO. Geburtstage des bayrischen Prinz regenten. Der bayrisck-e Prinzregent überwies den beiden seinen Namen tragenden Feldartillcrie- regimentern Nr. 1 und 7 zur Erinnerung an seinen 90. Geburtstag als wettere Zustiftung zu der von ihm früher errichteten Regimentsstistuna je 25 000 Mark, ferner dem Verbände der Prinz- regent-Luitpold-Kanoniere in München 4000 und dem Verein ehemaliger Luitpold-Kanoniere in Augsburg 1000 .tz. Weiter bestimmte der Prinz regent, datz die Summe von 25 000 .K, die die Pfälzische Hypothekenbank in Ludwigs- lMen als Iubiläumsspende ihm zur Verfügung ge stellt hat, zur Unterstützung von Winzern, di« durch Mitzwachs oder Schädlinge in unverschuldete Nottage geraten sind, verwendet werden soll. Der Prinzregent liest ferner den Ministern v. Miltner, v. Wehne r'. tü Frauendorfer und v. Brett- reich als Erinnerungsgabe an seinen 90. Geburtstag eine Plakette mit dem Bilde des Regenten in Silber Uberlddifm»«»« verlieh weitere Auszeichnungen an die obersten Hofchargen. Autzerdem ernannte der Prinzregent seinen Urenkel Prinz Luitpold von Bayern zum Leutnant st la »uits des 1. Feld- artillerieregiments, oas den Namen des Prinz regenten Luitpold trägt. * Trauerfeier für Konteradmiral Sühler. Am Montagvormtttag fand am Kronprinzenkai in Ham burg eine militärische Trauerfeier für den am 21. Januar in Hongkong verstorbenen Chef des ostasiatischen Kreuzergeschwaders Konteradmiral Gühler statt. In seiner Gedächtnisrede erwähnte der Divisionspfarrer Oberkonsistorialrat Wiehl- Altona, datz der Verstorbene am 15. Dezember auf dem Wege zum Konsulat einen doppelten Beinbruch erlitten und sich in das englische Marinehospital in Hongkong begeben habe, wo er am 21. Januar an den Folgen einer hinzugetretenen Typhusorkrankung ver storben sei. Nach der Trauerfeier wurde die Leiche nach Kiel übergeführt. * Zur bevorstehende» Kultusdebatte im preussischen Abgeordnetenhaus. Der Ministerpräsident von Beth- mann Hollweg wird am Dienstag im preuhischen Abgeordnetenhaus zur Beratung des Kultusetats erscheinen. Wie verlautet, wird er zur Frage des Antimodernisteneides das Wort ergreifen. Von nationalliberaler Seite sind als Redner bestellt die Abgg. von Campe, Hackenberg und Friedberg, von der Fortschrittlichen Volkspartei in erster Linie Funk. * Zum neuen portugiesisch-französischen Handels abkommen schreibt die Zentralstelle für Vorbereitung von Handclsverirägen: Das neue portugiesisch-fran zösische Handelsabkommen enthält eine Reihe Artikel Zollermätzigungen in Portugal, die auch der deutschen Ausfuhr kraft unserer Meist begünstigung zugute kommt. Eine Liste mit (Segen überstellung der bisherigen und der ermäßigten Zoll sätze liegt in den Geschäftsräumen der Zentral stelle für Vorbereitung von Handelsverträgen (Berlin Roonstratze 1) zur Einsichtnahme aus: auch wird Interessenten auf Wunsch schriftliche Aus kunft erteilt. * Gegen die preutzischc Feuerbestattungsoorlage wird von konservativer und Zentrumsseite Sturm ge laufen. Der „Kreuzzeituna" und der „Germania" schließen sich jetzt noch „Reichsbote" und „Deutsche Tagesztg." an. Der „Reichsbote" wird ganz wild und fragt: Wie lange wird man noch auf die Schlagworte der liberalen Volksverführuna hören? Wie lange? So lange bis Gottes Gerichte drein fahren, wie am Anfang des vorigen Jahrhunderts, wo der auf klärerische Liberalismus eine ähnliche Herrschaft führte wie jetzt. (!) Auf Worte hört man nicht, nur die Tatsachen des Verderbens und des Zu jammenbruchs können wirken. Wenn man ein bißchen unbefangen nachdächte, so müßte man sich doch sagen, Laß es toller Wahnsinn ist, die Leichen verbrennung als einen Kulturfortschritt zu preisen. Die „Deutsche Tagesztg." geht etwas ruhiger zu Werke. Sie stellt sich in der Hauptsache auf den Standpunkt, daß die Vorlage nicht notwendig sei, weil ja in Deutschland (außerhalb Preußens!) be reite 23 Verbrennungsöfen bestehen. Der Artikel schließt mit den Worten: „Mag der Entwurf Gesetz werden oder nicht, wir bleiben dabei: die Einäscherung ist kein Fortschritt, sondern ein Rückschritt, ihre Einführung war nicht notwendig, und w i r werden es nach wie vor mit der alten deutschen christlichen Grabes- und Gottcsackersitte halten. Wir wollen keine Ver brennungsöfen und keine llrnenballen, sondern die alten Erdgräber und die alten Friedhöfe." Die Vertreter der schwarz-blauen Koalition wer den vermutlich auch kraft ihrer Stimmenmehrheit im Abgeordnetenhaus« die Feuerbestattungsoorlage begraben. * „Eutschulduna" de« Offizierkorp«. Von der Btt düng eines angeblich auf Entschuldung des deutschen Offizierkorps gerichteten Zweckoereins wußte dieser Tage eine Korrespondenz zu berichten. Wie der „Berl. L.-A." demgegenüber auf Erkundigungen an zuständi ger Stelle hört, ist diese Nachricht völlig aus der Luft ae griffen. „Es kann weder von einer Verschuldung des deutschen Offizierlorps die Rede sein, noch ist ein Verein begründet worden, der die in jener Korrespondenz angegebenen Zwecke för dern soll." * Der Papst und die Pole«. Nach einer Meldung aus Posen erfährt ein dortiges polnisches Blatt, daß der Papst die Kirchcnvcrwaltung Enesen und Posen ermächtigt habe, die Geistlichen, die sich in der Leitung von Genossenschaften betätigen, von dem Verbot dieser Bcsckiäsligunq auf zwei Jahre zu dispen- sieren. — Wenn sich die Meldung bestätigt, so macht also der Papst um der Polen willen eine Ausnahme. * Bei den Ausschreitungen in Metz handelt es sich nur um groben Unfug und nicht um eine politische Demonstration. Die auf reizenden Zurufe wurden anikbeinend nur zu dem Zwecke ausgcstoßen, um die Menge für die Ver hafteten einzunehmen. Der Vorfall klärte sich dahin auf, datz von den vier jungen Metzgergesellen, die den Lärm machten und sich ihrer Verhaftung mit Messer und Schlagring widersetzten, mit Hilfe der Soldaten drei verhaftet wurden, während der vierte entkam. Verletzt wurde niemand. ÄUSliM-. Frankreich. * Die Fremdenlegion. Der konservative Senator Guldin de Villain kündigte an. er werde den Minister des Auswärtigen Cruppi sofort über die von deutscher Seite erhobene Forderung interpellie ren, daß die Frage der Fremdenlegion dem Haager Schiedsgericht zu unterberiten sei. Seiner Ansicht nach sei es mit der nationalen Würde Frankreichs unvereinbar, einer solchen Aufforderung nachzukommen. — Eine Frage, Herr Senator Guldin de Villain: „Entspricht denn die Institu tion der Fremdenlegion überhaupt der Würde Frankreichs?" * Eine Drohung der Elektriker? Der Sekretär des Verbandes der Elektrotechniker in Paris, Pa- taud, richtete an den Baron Rothschild ein Schreiben, in dem er mit Nachdruck verlangt, datz die infolge eines Streiks vor fünf Monaten entlassenen Mitglieder seines Syndikates wieder eilige, stellt würden. Er wisse, daß Baron Rothschild, wenn er auch dem Vcrwaltungsrate der Vereinigten Elektrizitätsgesellschaft nicht angehöre, durch seine Strohmänner der Wiedereinstellung der Elektrizi- tätsarbeiter, wie übrigens auch der Eisenbahner, sicb widersetzen. Patand schließt mit der Drohung, die Arbeiter würden ins antisemitische Lager über gehen, falls Rothschild ihren Forderungen kein Gehör schenke. Gleichzeitig fordert Pataud den Baron Rothschild auf, die Regierung möge nicht pur für die Wiedereinstellung der Eisenbahner, sondern auch für die der Elektrotechniker eintreten. England. * Englands Beteiligung an der Internationalen Hygieneausstellnng in Dresden. Der Lord - Ma > ar von London nahm den Vorsitz des nationalen Aus schusses zur Vorbereitung der Beteiligung Englands Tiraler Volkskunst in einem Bürgerheim. Seit Jahren wird von allen Seiten gegen die Kunstspeicher, die sich Museen nennen, gepredigt, und das Bewußtsein ist rege geworden, wir können erst dann von künstlerischer Kultur reden, wenn die Kunst ein Faktor unseres täglichen Lebens geworden, wenn sie, zugleich Herrin und Dienerin, in unser Heim eingezogen ist. Doch leider verhindern diesen fest lichen Einzug unsere Künstler eher, als daß sie ihn förderten. Der Schaffende ist stets eigensinnig: denn im Eigensinn offenbart sich der eigene Sinn, und zu meist unsozial. Er stellt sich außerhalb seiner Zeit, um für die Zukunft, für alle Zeit zu wirken. So fügen sich die Werke schwer in den Rahmen unserer Burgerwohnungen, und wir haben uns durch stet« Erfahrung daran gewöhnt, die meisten Werke von vornherein als Museumsstücke zu betrachten. Daher war der Gedanke der Gesellschaft der Freunde des Kun st gewerbe-Museums sehr glücklich in der geschmackvollen, van Verständnis für Heimkunst und liebevoll erbauten Villa des Herrn A. Polich in Gautzsch eine Ausstellung der plastischen Werke des Tiroler Künstlers MaxStolz zu ver anstalten. Ucber die ursprüngliche Schöpferkraft dieses Volks künstlers habe ich bereits bet der Ausstellung seiner Werke in der Kunsthalle bei Beyer L Sohn aus führlich berichtet. Hier sei nur erneut ausgesprochen, wie in der stilvollen Umgebung des Polichschen Heims sich die urwüchsigen Tirolergestalten einfügten und doch, ein Gegensatz zu der Kultur der Umgebung, wie Persönlichkeiten in ungewohnter Zvelt sich reckten und wuchsen: denn echte Kunst bietet uns Stolz, und in geschmackvolle Räume, mit Verständnis ange ordnet, kann man alle Stile, jedes Kunstwerk hinein stellen, wenn das Kunstwerk wirklich ein Gebilde der Kunst ist. Vom einfachen Hottschnitzer ist Stolz aus gegangen, und gerade die Beherrschung der Technik, das Verständnis für die Struktur seines Materials gibt den Gestalten die wurzelechte Kraft des Ur sprünglichen. Doch nicht nur seine Tiroler Typen, in denen man die Liebe des Künstlers zu seinem Volke begreifen lernt, meistert Stolz; auch die innige Ge stalt ecner Madonna, erinnernd an französische Werke des XIV. Jahrhunderts, zeugt von seiner Gestal- tunaskunst, wie di« vorzügliche nackte Knabenfigur, stark naturalistisch behandelt, seine intime Kenntnis des menschlichen Körpers verrät. Möchte der Künst ler, der jetzt aus dem Dunkel de» Nichtgekanntsetns herausgerissen worden ist (und das mit Recht), sein« Urwüchsigkeit behalten, und zugleich Dankbarkeit für die, die so liebevoll ihm den Weg zur Höhe ebneten. Nur ungern schied man von den Werken, von ihrer schönen Umgebung; doch echte Kunst schenk^ wie jede, Erlebnis, nicht mu den Eeimk Vs» Eaaenblicke, sondern auch Vie sttur va» StzimmMng. Dr. Rokart Prophezeiungen. Der Begriff des Mutes hat im Laufe der Zeit manche Wandlung durchmachen müssen. Früher ver stand man darunter wohl hauptsächlich den körper lichen Mut: Gefahren zu trotzen, den Feind anzu greifen und Schrecknisse zu bestehen. Heut« schätzen wir neben diesem auch noch den geistigen Mut: für die Ueberzeugung einzutreten. Es war einer der Mutigsten dieser Art, der gestern abend im Zentraltheater über Prophezeiungen sprach. Dr. Max Kemmerich bewies uns an der Hand un widerleglicher, historischer Beispiele, von denen nir die erstaunlichsten gestern früh in dem Artikel „Gibt es Weissagungen?" schon veröffentlicht haben, das Vorhandensein einer Sehergabe. Wir haben darunter eine Naturkraft zu verstehen, die nicht jeder zur Ver fügung hat, die wir uns bis jetzt noch nicht erklären können, die sich bisher auch nur ans einzelne» ihrer Wirkungen ganz zweifelsfrei beweisen läßt. Den Be weis hat der Vortragende vollständig erbracht an den Prophezeiungen des Nostradamus, der im Jahre 1555 in Lyon ein Buch hcrausgab, dessen Weissagungen bis in unsere, ja über unsere Zeit hinausragen. So finden wir in diesem Buche, dessen Echtheit Dr. Kemmerich sich von verschiedenen Gelehrten Nachweisen ließ, die Schlacht von Sedan vorausgesagt, die durch ihre Einzelheiten über die Todesabsichten Napoleons III. und deren Vereitelung Staunen er regen. Aber wenn hier noch die Zweifler mit dem Einwand kommen, das sei Zufall, dann müssen die Prophezeiungen der französischen Revolution auf das Jahr, der mit ihr verbundenen Abschaffung der christlichen Zeitrechnung, der Nennung der Namen Montmorencys und seines Henkers jeden Zweifel zer stören. Der Vortragende führte noch eine ganze Reihe solcher unwiderleglicher Beweise an, auch aus nuferer Zett, aber er fand den Mut. offen cinzugcsteben, über die Sehergabe und ihr Zustandekommen wissen wir nichts. Er unterließ es, auch nur Mutmaßungen darüber ausznsprechen, obwohl er ganz genau weiß, daß ein großer Teil der Hörer gerade deswegen ge kommen war und unbefriedigt den Vortrag verlassen mußte. Dieser Mut ehrt Dr. Kemmerich fast ebenso wie der, daß er es überhaupt wagte, für Ding« ein zutreten, di« allgemein noch für Humbug und eines Gelehrten unwürdig gelten. Prüfen und die Fehlerquellen suchen ist vorläufig das einzige, was sich auf diesem neuen Gebiete tun läßt, das uns vielleicht weite, ungeahnte Möglichkeiten erschließt. Jedenfalls bringen ihm alle denkenden Mensche^ großes Interesse entgegen, und es ist nur zu bedM.ern, daß Dr. Kemmerich nicht über eine bessere Rednergabe verfügt und seine Zuhörer nicht mehr zu fesseln versteht. Seinem Buch aber hastet dieser Mangel nicht an, es verspricht ein« sehr fdannenve, »Ser auch seyr nachdenklich« Lektüre zu «erden. Dr. l- Theater unü Lanzette. Leipzig, 7. März. VI. Abonnementskonzert der Musikalischen Gesell schaft. In äußerst würdiger Weise wurde gestern der von der Musikalischen Gesellschaft veranstaltete Kon zertzyklus beschlossen, in dem unter Herrn Dr. Georg Göhlers künstlerischer Leitung u. a. eine Anzahl sehr interessanter Werke aus alter und neuester Zett (Fischer, Händel, Bruckner, Hugo Wolf, Mahler, Debussy) erstmalig vermittelt und edle Kunstgenüsse geboten wurden. Diesmal kam ausschließlich Beetho ven zu Worte, mrd zwar mit der Namensfeicrouvertüre, dem Es-Dur-Klavterkonzert und der neunten Sin fonie, also mit drei Werken, die insofern zueinander in innerer Beziehung stehen, als jedes in seiner Weise die Freude musikalisch wiedergibt. Kommt in der T-Dur-Srnfonie die Festfreude eines ganzen Volkes, das diese beim Namenstag seines Fürsten empfindet, zum Ausdruck, so stimmt der letzte Satz des Klavier konzertes, das kraftstrotzende, dahinjagende Rondo ein Freuden- und Iubettied auf das Leben an, wie dies in allerdings noch viel gewaltigerer Weise im Finalsatze der „Neunten" geschieht, dem in seiner äußeren Anlage wie in der Darstellung von Seelen zuständen grandiosen, unübertroffenen LLerke, dessen Grundgedanke die Erlösung zur Freude, zur Freude schöpferischen Wirkens ist, und dessen Schlußsatz Wag ner in seiner 1846 geschriebenen programmatischen Er läuterung als das Ende der Instrumentalmusik be zeichnet. Dies« drei Werke übten, dank der so vor trefflichen Wiedergabe, auf die sehr zahlreich er schienene Zuhörerschaft eine ihrem geistigen Gebalt entsprechende, an Intensität sich stetig steigernde Wir kung aus, so daß am Schluß des Konzertes allen Aus führenden, insbesondere aber Herrn Dr. Georg Göhler durch nicht endenwollenden, stürmischen Applaus ge dankt wurde. Und in der Tat, es war eine gewaltige Leistung von hohem künstlerischen Wert, die der Dirigent dieser Konzerte gestern vollbrachte, der durch diese großzügige, geistvolle Interpretation dieses Riesenwerkes in Beethovens Gedanken- und Gefiihls- welt in einer Weise einführte, die gewaltige Ein drücke hinterließ. Das aber vermochte Herr Dr. Göhler nur, weil er dies Werk vollständig in sich aus genommen, weil er das Ganze vollständig beherrschte, es fast ohne Zuhilfenahme der Partitur dirigierte und das Orchester sofort jedem seiner Winke folgt«. Diesem wie auch dem mitwirkenden Riedelverein ge bührt für di« so wohlaelunaene Lösung der schwieri gen, anstrengenden Aufgabe vollste Anerkennung. Das Soloquartett wurde von den Damen Anna Kaempfert (Frankfurt a. M.), Agnes Leyo« Hecker (Berlin) und den Herren Paul Paps- darf (Altenburg) und Friedrich Str alh- mann (Weimar) gesungen, die gewiß befriedigten, ohne iedoch klanglich, wir verkennen nicht wie schwie rig die« hkr ist, etwa. Besondere« zu bieten. Das Klavierkonzert vermtttette Fräulein Ellv Rey, die temperamentvoll«, auf« beste bekannt« Künstlerin, mit überlegener Technik und großzügiger Gestaltungs kraft. Den männlich herben Charakter des ersten Satzes wußte sie im Anschlag sehr treffend wiederzu geben, spielte auch mit straffer Rhythmik und Leiden schäft das Rondo, der Mittelsatz aber lag ihr relativ am wenigsten. Hier hätte die Kantilene noch innig- zarter und weicher erklingen müssen. Als Ganzes be trachtet aber war die Wiedergabe dieses Konzertes im Verein mit dem sehr schön und schmiegsam beglei tenden Orchester eine hochbedeutende Leistung. 6urt Renns nri. Konzert von Maria Terefia Baldini. Endlich einmal gab es einen anderen Konzerttypus. Eine dunkeläugige Veroneserin gewann mit ihrem Harfen spiel stärken Beifall. Frl. Maria Terefia Baldini ist eine treffliche Künstlerin. In ihren schlanken Fingern ist der scharf begrenzte Rhythmus Alleinherricher. Der Vorrrag zeigt die Leidenschaft zart abgetönt, das Incalzando nur selten und das Rubato fast niemals. Technisch wird alles geklärt, sicher und mit vornehmer Ruhe geboten. Des öfteren gab es beinahe überraschende Effekte, z. B. jenes ton gewaltige Crescendo in Hasselmans Ballade, dann auch einige Stellen in desselben Eitana-Capriccio und in Tedeschis spanischem Stück. In Anbetracht der von Natur gegebenen Homophonie in Permanenz und dem ausgesetzten Arpcggieren, also Auseinander lösen der Akkorde im Harfenspiel, war es vielleicht um so erstaunlicher, in wie hohem Grade Fräulein Baldini mittels feiner Tongebung und edlen Vor trags der an sich ja sehr einfachen Melodien wahrhaft zu wirken wußte. Nicht zum wenigsten war es wohl auch die stille Zurückhaltung und vornehme Eleganz, die das Spiel der Dame nicht allein förmlich bild mäßig gestalteten, sondern auch im Hörer sympathische Anklänge wachriefcn. Ungefähr das Gegenteil be wirkten die Vorträge der Geigerin. Frl. Mary Dickenson gab unheimliche Kraftproben, unge wöhnlich großen Ton und energischen Strich. Aber nicht mehr. Technische Sicherheit und Reinheit der Intonation fehlcen völlig, von Tonschönheit war keine Rede, und die Auffassung des Tonstücks ging völlig unter in wütendem Eestreiche der Saiten. Es war, als ob präformierte Keime violinistischer Dar stellungskunst wohl vorhanden wären, aber mit grober Hand herausgenssen und verdorben würden. Ver wunderlich war bei der Sache nur, daß in unserer vielgerühmten Musikstadt auch solch unkultivierte; Violinspiel noch durch äußere Beifallskundgebung be lohnt wird. Es hat's eben mancher Mann in Sachen der Kunstanschauung gar herrlich weit gebracht. Denn gestern wurde Glazounows A Moll-Konzert doch gar zu stillos und Goldmarks Arie zu wenig seelenvoll wiederaegeben. Und Lorelli dachte sich die Flageolett stellen seiner Eiga sicher etwas anders, als Fräulein Dickenson sie zu spielen versucht«. Dem in dem Vor- trage von Brahma-Joachims ungarischem Tanz sich geltend machenden musikalischen Unwesen gegenüber war die Pianofortebegleitung des Herrn Henri Kaminski gänzlich machtlos. L. 8.
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