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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 29.06.1911
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1911-06-29
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19110629021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1911062902
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1911062902
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1911
- Monat1911-06
- Tag1911-06-29
- Monat1911-06
- Jahr1911
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r. Univerfitätsnachrichten. Der Direktor des chirurgisch - poliklinischen Instituts der Universität Leipzig. Nürnberger Straße 55, Pros. Dr. med. Her mann Heineke, wird lerne Antrittsvorlesung als auhero.deutlicher Professor der medizinischen Fatultät zu Leipzig Sonnabend, den 1. Jul» d. I., mittags 12 Uhr rn der Aula der Universität über das Thema: ..Erfolge und Aussichten der Behandlung des Krebses" halten. * Jubiläen. Das Porzellan- und Kunstgewerbe haus F. B, Selle, Petersstr. Ui. tann am 1. Juli auf ein bojähriges Bestehen zurückbftcken. — Ter Buchbinder <,riecrich Paul Worlitzsch in 2.-Reudnitz begeht heute das Jubiläum 25 jähriger Tätigkeit in der Leipziger Buchbinderei Attiengeiellschcnt vorm Gustav Fritzsche in L -Reudnitz. - Am nächsten Sonn- adeno »eiert der Zigarrencieschäitsinhaber Gustav Lehmann, L.-Neudnitz, Kreuzstraße tl, sein 25 jäh riges Gejchäftsjudiläum. — Am 1. Juli wohnt Frau Bertha verw. Jung ha ns 25 Jahre im Grundstück Wurzner Straße 8">. * Billigere Eisendahnsahrt nach dem Harze. Der Verkehrsverein Leipzig stellte am 27. Mai d. I. bei einer Besprechung des Bundes Deutscher Verkehrsvereine mit der Kgl. Eijenbahndirektion in Magdeburg den Antrag, das; von Leipzig aus, ins besondere für den Sonntagsausslugsverkehr billigere Zugverbindung nach dem Harze geschaffen werden möchte. Die Kgl. Eijenbahndirektion Halle a.. S. teilt dem Bcrkehrsverein daraufhin mit, das; der Sonntags-Sonderzug Halle — Halber- stadt vom 25. d. M. ab versuchsweise von und bis Leipzig durchgeführt wird. Es werden dazu in Leipzig, Berliner Bahnhof, Sonder- zug-Nückfahrkarten zu folgenden Preisen ausgegeben werden: Rach Aschersleben 5,50 nach Wegeleben 4,10 .<(, nach Halberstadt 4,60 .U. Die Abfahrt von Leipzig, Berliner Bahnhof wird um 5 Uhr lO Min. vormittags, die Ankunft in Leipzig am folgenden Montag um 12 Uhr 46 Min. vormittags erfolgen. Bei ausreichender Benutzung wird der Zug bis zum 17. September verkehren. Es bedeutet dies eine wesentliche Annehmlichkeit für alle diejenigen, die Sonntagsausflüge nach dem Harze unternehmen wollen. Wir hoffen, das; von der sehr dankenswerten Einrichtung reichlich seitens des Publikums Gebrauch gemacht wird, damit die König!. Eisenbahndirektion Halle in der Lage ist, diese Einrichtung auch fernerhin zu erhalten. Die Geschäftsstelle des Verkehrsvereins ist bereit, nähere Auskunft in dieser Angelegenheit zu erteilen. * Auszeichnung. Die Königliche Kreishauptmann schaft Leipzig hat dem seit 29. Juni 1886 ununter brochen in der Leipziger Buchbinderei-Aktiengesell schaft vorm. Gustav Fritzsche in Leipzir-Neudnitz, Crusiusstraße 4 6, beschäftigten Buchbinder Friedrich Paul Worlitzsch in Leipzig-Reudnitz eine Belo- blgungsurkunde ausgestellt, die ihm heute in Gegen wart eines Vertreters seiner Arbeitgeberin an Rats stelle ausgehündigt wurde. * Der Leipziger Mannerchor traf gestern 5.40 Uhr früh mittels Sonderzuges, dessen Maschine mit ver dientem Lorbeer geschmückt war, auf dem Berliner Bahnhof ein. Ständen die elften drei Tage im Zeichen künstlerisäier Betätigung, die nach jeder Be ziehung von reichem Erfolg gekrönt waren, so war der vierte Tag ausschließlich dc-r Erholung gewidmet. Nachdem die ganze Nacht vor der Abfahrt die See stürmisch bewegt gewesen und strömender Regen her- niederqegungen war, konnte der Männerchor seine Ueberfahrt 7 Uhr früh bei prächtig.m Sonnenschein und nur leicht bewegter See von Norderney über Helgolan^ nach Bremerhaven auf dem Calondampfer „NajaLe" antreten. In Norderney erreichten den Verein verschiedene telegraphisch? Grüße und Glück wünsche, so vom Brooklyner „Arion", von der Ber liner Liedertafel, „Oberon", Gera, u. a. m. Eine be sondere Freude wurde dem Verein in Norderney zu teil, als der frühere Vorsitzende des Wiener Männer gesangvereins Kommerzialrat Schneiderhahn aus 'Wien, im Konzertlokal Grüße des Wiener Männer gesangvereins überbrachte und dafür vom Verein mit Wagners „Mein Leven" in englischer Verballhornung. Wie in allen musikliebenden Ländern ist auch in England das Erscheinen von Richard Wagners Selbstdiographie mit lebhafter Spannung erwartet worden, und voll Freude begrüßte man dieses köst liche Vermächtnis des großen Meisters. Aber, nach dem die erste hohe Dankbarleit für die Herausgabe dieses Schatzes und die ersten eiligen Anertennunoen vorüber sind, regt sich in den Kreisen der englischen Wagnersreunde ein jtetig wachsendes Mißbehagen, das sich jetzt in Hellen Flammen der Empörung zu entladen beginnt. Es zeigt sich, daß die englische Ausgabe von „Mein Leben" in einer so minder wertigen, ungenauen und vielfach sinnentstellenden Uebersetzung herausgebracht worden ist, daß man wohl von einer Verballhornung sprechen kann. Unter dem Titel „Eine erstaunliche Uebersetzung" gibt jetzt P. G. Konody in der „Daily Mail" an lei tender Stelle der Entrüstung darüber Ausdruck, daß man ein Werk wie Wagners Selbstbiographie in einer solchen Uebcrtragung herausgcben konnte. „In Wagnerkreisen machen sich die ersten Anzeichen des kommenden Sturmes fühlbar. Es kann nicht mehr lange dauern und der Sturm wird mit seinem ganzen Zorne auf das Haupt des anonymen Frevlers der „autorisierten" Uebersetzung niedergehen. Dieser un glückselige Mensch hat ein sehr lesbares Buch ge bracht, oas in einem so guten Englisch geschrieben ist. daß er das einstimmige Lob des Heeres der Bücherbesprccher erntete, die in der ersten Hast ur teilten oder keine Gelegenheit halten, diese englische Version mit dem deutschen Originaltext zu ver gleichen. Denn eine genauere Prüfung der An gelegenheit muß unvermeidlich zu einem ganz anderen Urteil führen. Von der ersten Zeile bis zu der letzten enthalten die zwei stattlichen Bände kaum eine Seite, auf der der ursprüngliche Text sinngetreu in englischer Sprache wiedergegeben ist." Konody billigt dem Uedersetzcr genug das Recht zu. für manche unüber setzbaren Ausdrücke der Wagnerschen Sprache sinn entsprechende englische Umschreibungen auszwuchen, „aber er bat kein Recht, rn dem Benreben. ein fließendes Englisch zu schreiben, sich mit den Worten Wagners solche Freiheiten zu erlauben, die nicht nur den beabsichtigten Sinn stören und entstellen, sondern die sogar geeignet sind, den Charakter Wagners in ein falsches Licht zu setzen. Er hat nicht das Recht, einen Mann von tieicr Kultur, im .-ominoii e »ng', also im Jargon der Scraße, sprechen zu lassen. Immer wieder werden in dieser „autorisierten Ueber setzung" Richard Wagner Aeußerungen untergeschoben, die man vergebens in der Originalfassung von „Mein Leben" sucht. Aeußerungen, die ernsthafte Widersprüche zu den vorhergehenden oder nach folgenden Stellen Hervorrufen, die ein ungünstiges Licht auf leinen Charakter werfen oder die reiner Unsinn sind." Und nun gibt Konody eine Anzahl von Beispielen, die in der Tat mehr als erstaunlich sind und dieser englischen Ausgabe von Wagners eigener Lcbcnsbe- einem begeisterten „Grüß Gott" empfangen wurde. Auf der Dampferfahrt kam der Humor deutscher Sänger in weitestem Mastz.- zum Ausdruck. Wenn auch di« Seekrankheit eine erkleckliche Anzahl Opfer fordert«, so wechselten Reden und Gesänge in fröh lichem Ncigeii sich ab. Besonderes Glück hatte der Mannerchor auf der Ueberfahrt dadurch, daß er di« beiden praßen Ozeandampfer, den auslaufenden „Kaij-r Wilhelm II" und den «inlausenoen „Kaiser Wilhelm d-n Großen", in allernächster Nähe sich be gegnen sah. ihnen eine gesangliche Ovation bringen und schließlich in Bremerhaven auch noch das Von- bordgehen der eingelaufenen Schiffe beobachten konnte. Nachdem im Hotel Seeluft gemeinsam das Mittagessen eingenommen war, wurde der Nach mittag zur Besichtigung des Dampfers „Großer Kur fürst" und des Fischereihafens in Geestemünde ver wendet und die Zeit bi» zu dem um 8 Uhr erfolgenden Abgang des Sondcrzuges von Bremerhaven aus mit sangesbrüderlichem Beisammensein ausgefüllt. So kann die diesjährige Sängerfahrt des Leipziger Männerchors in allen seinen Teilen als äußerst er folgreich und gelungen bezeichnet werden. * Probealarm. Heute früh 6.05 Uhr wurde die Feuerwehr nach dem Schützenhof alarmiert. Von der Hauptwache rückten 2 Grosjfeuerlöschzüge aus, außer dem noch die 4. Bezirkswache. Die Uebung, die eine Stunde dauerte, stand unter der Leitung des Brand- injpe.tors Kästner. * Verschiebung des Zeitpunktes für da» Inkraft« treten von Schulgelderhöhungen. In der Sitzung vom 10. Mai d. I. haben die Stadtverordneten den Beschluß gefaßt, bas Schulgeld in den höheren Mäd chenschulen und dem Lehrerinnenseminar von Ostern d.I. ab zu erhöhen und auch an den hiesigen städtischen Holdren Schulen eine Erhöhung des Schulgeldes für Auswärtige auf das Doppelte des Schulgeldes für Hiesige eintreien zu lassen, sowie gleichzeitig den Be griff „Auswärtige" in die Form zu fassen, das; als Auswärtige di« Schüler betrachtet werden, deren zur Bezahlung verpflichtete Angehörige in hiesiger Stadt nicht wohnen. Gleichzeitig haben sie folgenden Zusatz beschlossen: „Reichsausländer, deren zur Bezahlung des Schulgeldes verpflichtete Angehörige hier wohnen, haben das Doppelte des Schulgeldes für Hiesige zu entrichten, Reichsausländer, deren zur Bezahlung verpflichtete Angehörige nicht hier wohnen, das Drei fache. Als Reichsausländer werden di« Kinder der hier wohnenden Bcrufskonsuln nicht betrachtet." Die beschlossenen Schulgelderhöhungen haben nun in den Kreisen der daran Beteiligten Beunruhigung hervorgerusen und veranlaßt, das; jetzt eine große Zahl der von der Maßnahme betroffenen auswärtigen — Auswärtige im Sinne des neuen Beschlusses — und nichtdeutschen Zahlungspflichtigen beim Schulamt gegen die neue Einrichtung vorstellig geworden sind. Diese Eingaben, deren Endzweck darauf hinausgeht, im einzelnen Falle zu erreichen, daß das Schulgeld nach den für Hiesige geltenden Sätzen oder wenigstens wieder nach den früheren Sätzen berechnet werden soll, werden in erster Linie damit begründet, daß es doch eine gewisse Härte bedeute, wenn Personen, die in Leipzig ihr Geschäft haben, oder Grundstücke be sitzen, bei denen also der Mittelpunkt ihres geschäft lichen Lebens in Leipzig liege, und di« infolgedessen oft recht erhebliche Beträge zu den Gemeindeabgaben beitragen, lediglich, weis sie ihr« Wohnung außerhalb, wenn auch noch so nahe an der Stadtgrenze haben, oder Personen, die zwar Reichsausländer sind, aber seit einer langen Reihe von Jahren in Leipzig ihren Wohnsitz haben, höheres Schulgeld als Hiesige zahlen sollen. In zweiter Linie wird darüber geklagt, daß die Erhöhung des Schulgeldes erst im Laufe desSchul- jahres und nicht vor dessen Beginn bekanntgegeben morden sei und dabei angeführt, das; es den Eltern, wenn diese Maßnahme bereits vor Ostern bekannt ge wesen wäre, zur Vermeidung dieser oft nicht unbe- trächtlichen Mehrausgaben möglich gewesen wäre, von der Anmeldung der Schüler in der betr. Schule abzusehen, bzw. sie von dort wieder abzumelden und staatlichen oder Privatschulen mit billigeren Schul geldsätzen zuzuführen, daß «in solcher Ausweg aber im Lause des Schuljahres ohne 'Nachteile >ur dcn Bildungsgang der Schüler nicht wohl beschritten wer den könne. Der Rat erkennt an, daß den in den Ge suchen vorgetragenen Gründen insoweit «ine gewiße Berechtigung nicht abaesprochen werden kann, als die Einführung d«r Schulgelderhöhuna im Laufe des Schuljahres mit Wirkung vom 1. April 1911 für viele Zahlungspflichtige Schwierigkeiten mit sich bringt. Er hat daher beschlossen, die Schulgeld erhöhungen erst von Ostern 1912 an eintreten zu lassen. * 28 00« Mark unterschlagen. Seit gestern, den 28. Juni 1911 abends 8 Uhr, ist nach Unterschlagung von 29 000 -4t amtlicher Gelder der Ratsexpedient und Schulgeldeinehmer Oswin Linus Lüpfert, zuletzt Ranstädter Steinweg 44 I wohnhaft, flüchtig. Lüpfert hat die unterschlagenen Gelder gestern kas siert und ist zuletzt im Bureau der „Braunen Eil boten", Tröndlinring 4, gegen -L8 Uhr abends ge sehen worden. Er ist am 16. Oktober 1883 in Nieder frankenheim bei Geithain geboren, 1,65 bis 1,68 Meter groß, schwächlich, hat hagere Gestalt, blasse, mehr gelbliche Gesichtsfarbe, hellblondes Haar, ge lichteten Scheitel, hohe Stirn, kleinen, hellblonden, etwas hochgedrehten Schnurrbart, trägt Klemmer mit schwarzgelblicher Horneinfassung und goldenem Bügel. Der Eilbote, der ihn zuletzt gesehen hat, be schreibt seine Kleidung wie folgt: Sportmütze, neuer silbergrau schimmernder Gummimantel, grauer An zug, vermutlich grau mit gelb gesprenkelt, weißer Stehkragen, schwarze oder gelbe Schnürstiefel. Ver mutlich hat er noch einen braunen Filzhut und einen neuen Panamahut mit lila Band bei sich. Er hat falscl-es Gebiß, zum Teil in Gold gefaßt. Sein Gang ist schlapp, er fällt in den Knien etwas ein. Alle Personen, die den Lüpfert kennen und aus Mit teilungen von ihm Auskunft über Reisepläne dessel ben geben können, werden gebeten, sich unverzüglich in der Kriminalabteilung des Polizeiamtes zu mel den. 500 Mark Belohnung erhält die Person, durch deren Angaben eine Ergreifung des Flüchtigen und eine Wiederherbeischaffung des unterschlagenen Geldes oder eines größeren Teiles davon gelingt. * Aus Liebeskummer schoß sich gestern abend in einem Hause der Friedrichstraße ern in der Stein straße wohnhafter Schuhmacher eine Kugel in die Brust. Er fand Aufnahme im Krankenhause. Die Verletzung ist ungefährlich. * Verhafteter Unhold. In Haft kam ein 49 Jahre alter Töpfer aus Eppertshausen, der sich kürzlich im Johannistal an einem 5jährigen Mädchen in unsitt licher Weise verging. * In Verwahrung der Kriminalpolizei befinden sich zwei Fahrräder, deren Eigentümer bisher nicht ermittelt werden, konnten. Das eine ist ein Straßen renner, Marke „Bravour", bat gelbe Holzfeläen, Vorbaulenkstange, rote Gummis und Freilauf. Das andere Fahrrad ist markenlos, völlig rot gestrichen gewesen, ohne Freilaus und hat gewöhnliche Hebel bremse. Wahrscheinlich sind die Räder bereits im Jahre 1910, evenr. noch früher gestohlen. — Ferner befinden sich in Verwahrung der Kriminalpolizei ein Opernglas in gelbem Futteral mit Riemen, sowie eine Schlipsnadel, bestehend aus zwei weißen und einer gelben Perle Die Gegenstände wurden im Besitze zweier kürzlich verhafteter jüngerer Burschen gefunden. Ich Von einem Straßenbahnwagen überfahren wurde in der Dresdner Straße beim Ueberschreiten der Fahrbahn eine 53 Jahre alte Handelsmanns- Ehefrau aus der Weißenburgstraße in L.-Anger, die einzige Stütze und Ernäherin ihres erblindeten Mannes. Die Frau, die eine schwere Kopfverletzung davontrug, wurde in das Stadtkrankenhaus gebracht. * Festgenommene Spitzbuben. In Haft kam ein 28 Jahre alter Handlungsgehilfe aus Danzig, der aus einer Wohnung in der Windmühlenstraße einen Ueberzteher gestohlen hatte. Ferner konnte dem Festgenommenen nachgewicsen werden, daß er kürzlich im Brühl eine Anzahl Skunksfelle gestohlen, sowie in Dessau und Danzig ebenfalls Diebstähle verübt hatte. — Auf Ersuchen der Staatsanwaltschaft Halle a. S. wurde Donnerstag früh ein vorüber gehend sich hier aufhalrender 50 Jahre alter Arbeiter aus Obhausen von der Kriminalpolizei verhaftet. Er steht im Verdacht, sich 5000 widerrechtlich an geeignet zu haben. * Unfälle. In der Windmühlenstraße fiel gestern abend einem mit Abladen von Papierballen beschäf tigten 21jährigen Geschirrführer ein solcher im Ge wichte von 4—5 Zentnern auf die Brust. Er erlitt eine Vrustkorbquetschung und wurde im Kraft krankenwagen ins Krankenhaus gebracht. — Ein in der Fockestraße bei der Wasserrohrlegung beschäftigter 53^ähriger Arbeiter aus Neustadt erkrankte gestern plötzlich so erheblich an Eicht und Rheumatismus, daß er in seine Wohnung gefahren werden mußte. — In der Karl-Heine-Straße in Plagwitz wurde gestern ein Geschirrführer von seinem Pferde an den linken Unterschenkel geschlagen und so erheblich verletzt, das; er in ärztliche Behandluug genommen werden mußte. «US Sschlen. Leisnig, 29. Juni. (Frecher Schwindler.) Ein sich in der Nähe von Leisnig aufhaltender junger Mann entpuppte sich als ein gesuchter Hoch- stavler; er wurde hier verhaftet und dem Amtsge richtsgefängnis zugefllhrt. Der Verhaftete nennt sich Diplom-Ingenieur Gustav Hans A. Durch seine Schwindeleien ist eine hiesige Molkerei, für die er Mrlchlieferungsverträge mit den Landwirten der Umgegend abfchließen sollte, durch gefälschte Verträge um zirka zweihundertdreißig Mark ge schädigt worden. Als er auf Anzeige des Geschä digten zur Vernehmung nach dem Polizeiamte ge bracht wnrde, stellte sich heraus, daß man einen von der Staatsanwaltschaft Gera und der Amtsanwalt schaft Weida wegen Falschspiels steckbrieflich ge suchten Schwindler erwischt hatte. Er hatte die Kühnheit, sich erst kürzlich auf Grund gefälschter Papiere mit einer hochachtbaren jungen Dame aus Leipzig zu verloben. r Glauch-tu, 28. Juni. (Unfall.) Ein Fleischer geselle von hier, der mit seinem Meister einen Bullen transportierte, wurde in einer Scheune, wo sie vor heftigem Regen Schutz gesucht hatten, von dem wütenden Tier mit den Hörnern heftig gegen die Wand gedrückt. Der Unglückliche hat schwere innere Verletzungen davongetragen. * Tirschheim, 29. Juni. «Die Vezugsgenossen- schaft und Darlehnskafse von Tirschheim) und Umgegend, eine der größten landwirtschaftlichen Genossenschaften, wird am Bahnhofe zu St. Egidren ein größeres Lagerhaus mit Gleisanschluß und einer Zufahrtsstraße errichten lasten. Tageschronik. In Lonüon verlchwunüen. London, 29. Juni. Großes Aufsehen erregt hier das geheimnisvolle Verschwinden einer wohlhabenden Dame aus Bremen mit ihrer Gesellschafterin. Die Dame ist die 55jährige verwitwete Frau Franz Vogt, die am letzten Montagmorgen hier zu einem Besuch« bei ihrem in seiner Villa Womersley House in der Dickinson Noad im Londoner Stadtteil Crouchend wohnenden Sohn eintraf. Ihre Begleiterin hieß Lena und war ungefähr 19 Jahre alt. Der Sohn, Herr Franz Vogt, erzählte einem Ver treter der „Eoening News" folgende Einzelheiten über dcn mysteriösen Vorfall: Er wohne erst seit schreibung zum mindesten einen Ehrenplatz unter den Kuriositäten schlechter Uebersetzungscunst sichern müssen. Für die Sorgfalt, mit der man bei der Auswahl des Uebersetzers vorgegangen ist, ist es z. B. bezeichnend, daß oer Satz, in dem Wagner davon spricht, wie ernsthaft seine Zuneigung zu Minna Planer war, in der Uebersetzung lautet „ . . . daß meine Plane >ie! sehr von Minna abhingen," wobei also der Name Planer einfach mit „Pläne" über setzt und der ganze Sinn des Satzes entstellt ist. Aber das sind Einzelheiten, über die man mit einem Lächeln Hcnweggehen könnte. „Jedoch muß Protest erhoben werden gegen die vielen Verzerrungen und Verdrehungen, die der Original text in den Händen des Uebersetzers erfahren hat. Die Stellen z. B., in denen Richard Wagner von der tiefen Erschütterung und dem unverlöschlichen see lischen Eindruck spricht, den er beim ersten Abend mahl empfing und der so groß war, daß er nie mehr das Sakrament empfangen wollte, aus Furcht, diesen Eindruck abzuschwächen, wird einfach in dein Sinne übersetzt: „Den Schauder (!), mit dem ich das Brot und den Wein empfing, war so unvertöschbar in mein Gedächtnis emgegraben, daß ich niemals mehr dce Kommunion nahm, um das nicht mit Leichtfer tigkeit ! zu tun." „Dem Schöpfer des Parsifal solche Aeußerungen in den Mund zu legen, und das zu einer Zeit, die der Niederschrift des Textes zu dem großen Mustk- drama, rn dem er den tiefsten Sinn reiner christlicher Mystik zum Ausdruck brachte, unmittelbar vorher ging, das verstelgt sich zu einer Beschmutzung des Andenkens an den Meister . . Oer Lithograph Sacckels. Dem jüngst verstorbenen Lithographi«- und Stein- druckercibejitzer Adolf Gi lisch in Jena widmet Ernst Haeckel in der Lokalpresse eincn längeren interessanten Nachruf. Haeckel, der mit Liltjch über vier Jahrzehnte zusammen gearbeitet hat, nennt ihn einen Künstler und Naturforscher von ungewöhnlichen Verdiensten. In o.n weicestcn akademische» Kreisen sind die vorzüglichen Abbildungen bekannt und hoch geschätzt, durch di« dieser Meister der Zeichenkunst und Lithographie Tausende von Abhandlungen und viele größere Werke aus allen Gebieten der Biologie illu striert hat. Zahlreiche und angesehene Naturforscher der Gegenwart und der letzten vierzig Jahre find Adolf Giltsch für seine Mitarbeit zu größtem Dank verpflichtet, besonders auf allen Gebieten der Bio logie, Zoologie und Botanik, Anatomie und Physio logie, Pathologie und Entwicklungslehre. Am näck-sten aber stand ihm Ernst Haeckel. Nachdem der Gelehrte geschildert, wie er mit Adolf Giltsch und besten Vater bekannt geworden und ge meinsam gearbeitet hat, fährt er fort: „In ausgedehntem Maße mußte ich jedoch die Hilfe von Adolf Giltsch erst für mich in Anspruch nehmen, nachdem ich 1876 die Bearbeitung rOnes großen Teils der „Challenger Reports" übernommen hatte . . . Die zwölf Jahre (von 1877 bis 1889), in denen ich gemeinsam mit Adolf Giltsch an der Er forschung Lieser wunderbaren Tiefjee-Schätz« und ihrer Darstellung auf 230 Ouarttafeln besänftigt war, sä)enkten uns beiden die schönsten und kostbarsten Lebenserinnerungen. Allein schon die Untersuchung des berühmt««! „Radiolarienschlammes" der Tiefsee und der märchenhaften, auf der Challengerreise selbst von Sir John Murray angefertrgten Plankton präparate von Radiolarien eröffnete uns eine neue Welt von „Kunstsormen der Natur"; sie bescherte uns zehn Jahre lang täglich eine neue Fülle von mikro skopischen Gemüts- und Augen«rgötzungen". Ich konnte in Len drei dicken Bänden meines „Reports" über 4000 verschiedene Arten von Radiolarien be schreiben, — eine Klasse von einzelnen Urtieren, die erst 1858 von meinem großen Lehrer Johannes Müller in Berlin aufgestellt worden war; dieser konnte damals nur 50 Arten unterscheiden, und ich war glücklich, als ich 1862 (in meiner ersten Mono graphie der Radiolarien) ihnen zirka 100 neue Arten anreihcn konnte. Im ganzen hat Adolf Giltsch im Laufe der 42 Jahre unserer gemeinsamen Arbeit über 400 Tafeln Ercßquart- oder Folioformat für mich gezeichnet und lithographiert; außerdem zahlreiche kleine Tafeln in Okiavformat. Die Ausführung meiner Handzeich- nungcn, die er vielfach korrigierte und verbesserte, waren überall gleich sorgfältig, geschmackvoll und naturgetreu. Ohne seine unschätzbare Mitarbeit, ohne seine unermüdliche Vertiefung in die große Aufgabe wäre es mir niemals möglich gewesen, dieses un geheure Arbeitsmaterial zu bewältigen. Ebenso wär« es ohne ihn mir nicht gelungen, Li« 100 Tafeln meiner „Kunstformen der Natur" herzustellen, die viel dazu beigetragen haben, das Interesse und Verständnis der „verborgenen Schönheiten der Natur" in weitere Kreise zu tragen." Haeckel schließt: „Meister Giltsch hat zwar bei Lebzeiten von keiner Fakultät die Würde eines Doctor honoris causa erhalten, di« er wohl verdient hätte. Aber er wurde schon seit Jahren von vielen Studenten in Jena, die sich seiner wertvollen Be lehrung im mikroskopischen Beobachten und Zeichnen erfreuten, als „Herr Doktor Giltsch" angeredet und verehrt." Wilhelm Berylöe Aus Kopenhagen schreibt man uns: 76 Jahre, ist Wilhelm Bergsöe. einer der beliebtesten Dichter des älteren dänischen Geschlechts, aus dem Leben geschieden. Sein Buch „Von der Piazza del Popolo" gehörte seit Jahrzehnten und gehört noch heute zu den geleiensten Büchern der dänischen Literatur überhaupt. Wie Bergsöe zur Dichtung kam, das ist ein ganz merkwürdiger Roman. Als der Sohn des Admini strators der alten tönigl. Porzellanfabrik am 8. Fe bruar 1835 zu Kopenhagen geboren, widmete er sich der Zoologie und erwarb mit einer Abhandlung über gewiße, im Kopfe des Schwertfisches lebende Tiere, zu deren Erforschung er eine Reise nach Italien und ans Mittelmcer unternommen hatte, 1860 den Doktorgrad. Da traf ihn ein schwerer Schlag: in folge der Ueberanstrengung seiner Augen bei der Benutzung des Mikroskopes befiel ihn eine Augen entzündung, die ihm schließlich nicht mehr als einen schwachen Schein des Lichtes auf dem einen Auge übrig ließ. Lange qualvolle Monate lag der junge Doktor in seinem dunklen Krankenzimmer, und es kam ein Tag, wo er aus seinem Bestecke sich ein Riester herausholte, um der Pein seines Lebens ein Ende zu machen. Nur eine Art der Vision, in der er das ganze Zimmer von abscheulichen Gespenster gestalten erfüllt sah, hielt ihn vom „letzten, ernsten Schritt" zurück. Nicht lange darauf klopfte bei ihm eines Tages ein Kopenhagener Buchhändler an, der durchaus ein Buch von 20 Bogen von ihm haben wollte. Er hatte auf populär-wissenschaftliche Abhandlungen oder auf kleine Novellen gerechnet, und er erschrak nicht schlecht, als er statt besten von Bergsöe ein dickes Romanmanuskript erhielt. Es war „Von der Piazza del Popolo". Die Aufnahme, die das Buch fand, war merkwürdig genug: dem zahmen dänischen Publikum galt es für „zu frei", ja für „unsittlich", und es sehite nicht an vernichtenden Kritiken. Das Buch hat sie alle überlebt und wird heute noch immer wieder aufgelegt. Seine Stärke lag in der Frische der italienischen Reiseerinnerungen und Erlebnisse, die Bergsöe hier in einem eleganten dänischen Stile vortrug und mit einer geschickt erfundenen spannenden Handlung zu verbinden verstand. Seine persönlichen Erinnerungen bildeten auch weiter den eigentlichen Gehalt der Werke, die ferner aus seiner Feder erschienen, und worunter „Aus der alten Fabrik" und die „Braut aus Rörvig" bervor- ragen. Hatte nun so Bergsöe selbst als Realist be gonnen und um seines Realismus willen Wider spruch erregt, so geschah es, daß er gegen den Rea lismus, wie ihn ein späteres Dichtergejchlecht in Dänemark verstand, auf das heftigste Stellung nahm. 1894 veröffentlichte er eine Komödie „Die Männer der Wahrheit", worin Dichter wie Holger Drach- mann, Schandorph und andere in scharfem, satirischen Lichte dargestellt wurden, und seinen Einfluß bei der Verteilung des literarischen Zwecken dienenden Anckerschen Legates machte er immer im Sinne der Feindseligkeit gegen die moderne Richtung geltend. Diese war daher auch ihrerseits dem alten Bergsöe nicht gerade hold gesinnt, und es hat ihm z. B. Georg Brandes Ideenarmut und Mangel an entschiedener Persönlichkeit vorgcworfen. Gewiß ist, datz Bergsöe nicht zu den großen Geistern der Dichtung gezählt werden kann; aber er besaß Erfindung, technisches Geschick, eine Frische der Darstellung, die sich da, wo er von seiner geliebten Tierwelt sprechen kann, bis zu wirklich poetischem Schwünge steigert, und endlich eine von feinem Ge schmack« geläuterte Form, die auch seinen Gedichten zu großer Beliebtheit verholfen hat. Sein Haupt werk gilt heute in Dänemark als die mustergültige Lektüre des „Uebergangsalters'' als das schönste und empfehlenswerteste Werk für Jünglinge und Jung frauen, die ins Leben treten.
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