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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 15.03.1914
- Erscheinungsdatum
- 1914-03-15
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-191403154
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19140315
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- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19140315
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- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1914
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- Tag1914-03-15
- Monat1914-03
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Sonntav. is. marr 1S14. Letpzigrr Tageblatt. Sette 2. Nr. 134. sonmags-nosgave. nchmungen, beigetreten sind. Dem Direktorium des Verbandes gehören vierzig Persönlichkeiten der Industrie und des Handels an. Den Verhandlungen solate auf Einladung des Generaldirektors Ballin ein Festm a hl im Hotel Ecplanade zu Berlin, wobei Geheimrat Dr. Paa! che den Dank der Versammlung für die großen und er folgreichen Bemühungen Ballins um den Deutsch- Amerikanischen Wirtschaftsverband in einem mit Be geisterung aufgcnoinmenen Trinkspruch zum Ausdruck machte. Vie „Note Woche" un- -ie Anarchisten. Der sozialdemokratischen „Roten Woche" stehen die Anarchisten aller Schattierungen durchaus ab geneigt gegenüber. „Was bedeuten zehn — oder hunderttausend Abonnenten oder Vereinsmitglieder für den Befreiungskampf der Menschheit, wenn der Sozialismus ihnen ein Buch mit sieben Siegeln ist und dank sozialdemokratischer Agitation auch bleiben must? — fragt der „Freie Arbeiter". Das Organ der lokalistisch organisierten Syndikalisten ldie „Einig keit") höhnt noch ungleich bitterer, wenn es schreibt: „Tietz und Wertheim sind dem sozialdemo kratischen Klassenkamps Lehrer geworden! Mit der W a r e n h a u s r e k l a in e wird der Bund der Landwirte, wird der geeinigte Arbeitgeberver band, wird die Rcichsregierung, wird jede bürger liche Parlamentsmchrhett in Scherben geschlagen werden. Hunderttausend organisierte Parteigenossen mehr, aus je tausend neue Mitglieder einen Partei beamten mehr, und der Kapitalismus liegt im Verenden. Man erfindet immer neue Methoden, Mitglieder zu gewinnen, aber niemanden fällt cs ein, die Organisationen ihrem Zweck entgegenzu- liihren, den Ucbermut der Herrschenden zu bän digen. Es werden nicht Arbeiter gcwocben, den Klassenkampf zu führen — die gewerbs- m ästigen Politikanten brauchen mehr Stimmvie h." Bon diesem Standpunltc stellt das anarcho sozialistische Gewerkschcntsblatt der Arbeiterbewegung folgendes Horoskop: „Sie wird innerhalb von zehn Jahren syndikalistisch geworden sein, oder sie wird den lcsttcn Rest ihres jizialrevolutionären Inhalts verloren haben." „Stillbeihttfen." In der sächsischen Ersten K a in in er wurde kürzlich eine Petition des Vorstandes des Säch sischen Gemeindetages run Gewährung von Stillprämicn der Regierung zur Berück sichtigung überwiesen. Oberbürgermeister Dr. Dittrich-Leipzig konnte dabei mit Stolz darauf Hinweisen, das; Leipzig für diesen Zweck jährlich 35000 Mark aufwende. In diesem Zusammenhang sind vielleicht einige wei tere Zahlen aus dem ganzen Deutschen Reiche von Interesse. Zurzeit gelangen in 323 deut schen Gemeinden Beihilfe» an stillende Mütter zur Verteilung. Diese Unterstützungen werden in zweierlei Form gewährt, teils in darein Gelde, teils in Nahrungsmit tel n. Von den 323 Gemeinden zahlen bares Geld 152 Gemeinden, in den übrigen 1.71 Ge meinden werden Naturalien verteilt. In diesen Fällen besteht die Unterstützung meistens in der Lieferung von Milch, die in Tagesrationen von je einem Liter für die Dauer von drei Monaten zur Verfügung gestellt wird. Iu 15 Gemeinden gibt es im Anschluss an Fabriken Stillstuben pder Stillkrippeu. Dafi es sich bei diesen Un terstützungen um recht bedeutende Geldsummen handelt, erkennt man, wenn mau hort, dafi die Stadt Berlin im letzten Jahre die Summe von 180 000 Mark für diesen Zweck aufgewendct hat. (Das ist im Verhältnis zur Einwohner zahl etwa die gleiche Aufwendung, die Leip zig zu diesem Zwecke machte. D. Md.) Aber auch andere Geineinwesen, darunter auch solche kleinen Umfanges, sind mit ansehnlichen Be trägen an der Gxsamtsumme beteiligt. 248 Gemeinden gaben ihre Gesamtausgaben mit 708 700 Mart an, so daß jede dieser Gemeinden durchschnittlich im Jahre etwa 3000 Mark für Stillbeihilfen bereitstellt. Uebrigcns findet in den letzten Jahren fast überall ein Ansteigen der für diesen Zweck eingestellten Etatsmittel statt. Bemerkenswert ist noch die Tatsache, daß die meisten Gemeinden scharf betonen, dafi die Gewährung von Unterstützungen an stillende Mütter den Charakter von Armenunterstützungen nicht hat und daher den Verlust irgendwelcher Bürgerrechte nicht nach sich zieht. Deutsch«» Reich. * Aus dem 1v. Reichstagswahlkreise. Die na- tionallibcrale Ortsgruppe Nossen hielt am Donnerstag, den 12. März, im Hotel „Stadt Dresden" eine politische Versammlung ab, die von Fabrik besitzer Stadtrat Müller geleitet wurde. Partei sekretär Hilmer-Wurzen und Generalsekretär Dr. Brüst-Leipzig sprachen über die wichtigsten poli tischen Tagesfragen. Letzterer insonderheit über den Arbeitswilligenjchutz und das liberale Wahl abkommen, durch das bekanntlich bei seiner ersten Betätigung in der Lausitz ein Sozialdemokrat zur Strecke gebracht wurde. Die beiden Vorträge wurden sehr beifällig ausgenommen. * Kreisversammlung des Bundes der Landwirte in Leipzig. Zahlreich war der Heerbann der Mit glieder des Bundes der Landwirte aus Leipzigs Um gebung dem Rufe des Rittergutsbesitzers Töpfer- Böhlen gefolgt, und wohlgesüllt war der grosse Saal des „Sanssouci". Aber ihrer harrte eine herbe Enttäuschung. Reichstagsabgeordneter Dr. Oertel war infolge der Anstrengungen der Dresdner Haupt versammlung des Bundes der Landwirte „gesund heitlich zulammengebrochen" und hatte als Ersatzmann den stellvertretenden Borsitzenden des Bundes der Landwirte Rittergutsbesitzer aus dem Winckel-Logau gesandt. Die leise Enttäuschung zog sich auch durch die ganze Versamm lung, die vom Vorsitzenden Töpfer-Böhlen mit einem Königshoch eröffnet wurde. Hierauf ergriff Rittergutsbesitzer aus dem Winckcl das Wort zu seinem Referat, das alles in allem ausklang in der Forderung des engen Zusammenschlusses aller bodenständigen Elemente in Stadt und Land, unter besonderer Betonung der mora lischen Pflicht, dem Bunde der Landwirte beizu treten. Nebenbei vertrat er natürlich landwirt schaftliche Wünsche, ritt an gegen die Ver- mögcnszuwachssteuer und legte das Ver halten der 10 000 schwedischen Bauern als leuchtendes Borbild allen warm ans Herz. Der Vortrag fand den erwarteten rauschenden Beifall. An der darauf folgenden Debatte beteiligten sich Kammerherr v. Frcge Weltzic » , der lebhaft die Befugnisse und Rechte des Parlamentarismus beklagte und nur in dessen bedeutender Einschrän kung das Heil erblickte, sowie Herr Wehner, der über innere Kolonisation, Fleischvcrsorgung und Heranziehuna der unehelichen Kinder für die Zwecke der Landwirtschaft sprach. Der Vorsitzende Töpfer schloß oie Versammlung mit der Mahnung, bei der bevorstehenden Wahl in Borna-Pegau Mann für Männ nur für eiiren bürgerlichen Kandidaten ein zutreten. * Das neue Eisenbahnanleihegesetz wird dem Land tage in nächster Zeit zugehen. Der Entwurf for dert, abgesehen von der Schaffung von Nebenbahnen und der Verstärkung des Kleinbaynfonds, 2ö0 Mil lionen Mark. Hiervon entfallen allein zirka 17.1220 000 .<l auf die Beschaffung neuer Fahrzeuge. In Aussicht genommen ist u. a. der oiergleisigc Ausbau der Strecken Langfuyr—Zoppot, Luckenwalde—Jüterbog, Münster—Osnabrück und Birkenwerder-Frohnau. * Die Petitionctommission des Reich»ta>e» hat eine Petition der Vereinigung deutscher Hebammen, dahingehend, dast die berufliche Ausbildung, Prü fung und berusliche Tätigkeit der Wochen bettpflegerinnen retchsaesetzlich ge regelt werden, dem Reichskanzler als Material überwiesen. Die Petition will die Tätigkeit der Wochcnbeltpflegerinnen einschränken und die wirt schaftliche Lage der Hebammen bessern. Regierungs seitig wurde hierzu «usgefübrt: Die Sorge um Mutter und Kind übernimmt für die ersten zehn Tage nach der Geburt die Hebamme. Wochenbett- pfleaerinnen, die in wohlhabenden Familien be schäftigt werden, unterstehen also ihrer Kontrolle. Eine Gefahr, dast Wochenbettpflegerinnen Krank heiten üvertragen können, besteht somit nicht direkt. Die Bemühungen um gründliche Ausbildung der Wochenbettpflegerinnen verdienen im Interesse der öffentlichen Gesundheitspflege zweifellos Förderung. Es ist darum mit Freude zu begrüßen, dast z. B. das aus Reichsmitteln unterstützte Kaiserin-Auguste- Niktoria-Haus in Charlottenburq Lehrgänge für die Ausbildung von Wochenbettpflegerinnen eingerichtet hat. * Ueber die Besoldungsvorlage im Reichstage ist zwischen sämtlichen Parteien eine endgültige Vereinbarung zustande gekommen. Um ein Zu standekommen der Vorlage zu erleichtern, haben die Fraktionen ihre Wünsche auf Erweiterung der Re- aierungsvorschläge auf das dringendste beschränkt. Der Antrag wird als einstimmiger Beschluß aller Parteien vorgelegt werden. Die Zu stimmung der Fraktionen cst unter der Verpflichtung erfolgt, dast keine Partei weitergehend« Anträge stellt und falls solche von einem Außenseiter ge stellt werden sollten, sie geschlossen abzulehnen sind. Weiterhin besteht Einmütigkeit unter den Fraktionen, an ihren Anträgen festzuhalten, auch wenn die Reichs regierung bei ihrem Widerspruch gegen jede Erweite rung der Vorlage beharren sollte. In diesem Falle wird übrigens mit dem Scheitern der Vor lage gerechnet, wofür die Regierung dann allerdings die Verantwortung zu tragen hätte. * Jin Wahlkreise Stendal-Osterburg wird, sobald die Wahl des Abg. Hoesch für ungültig erklärt sein wiro, der nationalliberale Landtagsabgeordnete Wachhorst de Wente kandidieren. * Im preußischen Abgeordnetenhause haben die bürgerlichen Parteien einen Antrag eingebracht, die Königliche Staatsregierung zu ersuchen, den Mit gliedern des Hauses für die Dauer der Legislatur periode und für den Bereich der gesamten Monarchie Frcifahrtskarten auf den beliebigen Weg strecken und auf beliebiger Strecke zu den Staats bahnen zu gewähren. * Zum Mitglied des westpreußifchen Provinzial tags ist an Stelle des nationalliberalen Abgeord neten Sieg, der nicht wieder gewählt wurde, v. Oldenburg-Januschau gewählt worden. * Der Wehrbcitrag und die Ausländer. Wie uns ein eigener Drahtbericht aus Köln meldet, er fährt die „Kölnische Zeitung" aus Berlin: Das in einigen Blättern angetündigte Vorgehen der ausländischen Diplomatie gegen die Heranziehung ihrer Landesangehörigen zum Deut schen Wehrbeitrage ist noch nicht erfolgt. Es erscheint Mch Zweifelhaft, ob es zur diplomatischen Forderung auf Befreiung der im Deutschen Reiche lebenden Ausländer vom Wehrbeitrage kommen, wird. Möglich ist, daß unter vielen der beglaubigten Diplomaten eine Erörterung darüber stattgefunden hat ober statlfinden wird, ob Schritte zur Be freiung der Ausländer einen Erfolg haben dürften. Schwerlich ist der deutsche Wehrbei trag als eine Kriegs st euer ausiujasjen, von der Ausländer auf Grund von Vertrügen verichont bleiben; denn als Kriegssteuer kann nur eine Steuer gelten, die im Zusammenhangs mit einem bereits ausge brochenen oder bevorstehenden Kriege erhoben wird. Dies trifft aber beim 'Wehrbeitrage nicht zu. Er ist auch keine Ausnahmebefteuerung in dem Sinne, daß er den im Deutschen Reiche wohnenden Fremden in härterer Weise trifft, als den Inländer Ausland. Italien. * Salandra übernimmt die Bildung de, Kabi nett». Aus Rom, 14. März, wird drahtlich gemeldet: Wie „Giornale d'Italia" berichtet, hat Salandra mit seinen Bemühungen um di« Bildung des Kabinetts begonnen. Er suchte u. a. den bis herigen Minister des Aeußern di San Giuliano auf, vermutlich, um ihn zu bitten, sein Porte feuille zu behalten. Türkei. * Verschiebungen im Ministerium. Aus Konstan tinopel, 14. März, wird gemeldet: Der Wechsel im Finanzministerium wird durch Meinungsverschieden heiten zwischen dem Finanzminister und dem Wa l u f m i n i st e r erklärt. Dieser wollte nicht dulden, daß zur Deckung des Defizits Wakufabgaben erhöht werden. Für den Fall, dast auch der Wakuf- minister zurücktritt, soll er Schechul-Islam werden, was angesichts feiner sehr lrberalen An schauungen die Abkehr von dem bisherigen reaktionären Fanatismus auf religiösem Gebiet be deuten würde. Japan. * Aus dem japanischen Parlament. Aus Tokio, 14. März, wird gemeldet: Das Abgeordeten- haus hat die vom Oberhaus am Flottenetat vor genommene Aenderung abgelehnt. Eine gemeinsame Sitzung beider Häuser zur endgültigen Beschlußfassung soll am 17. d. M. stattfinden. Uruguay. Die deutschen Linienschiffe in Uruguay. Wie aus Montevideo, 14. Mürz, gemeldet wird, frühstückten die deutschen Matrosen an Lano zusammen mit denen von Uruguay. Die Schüler der deutschen Schulen, die aus Buenos Aires hier ein getroffen waren, besichtigten die beiden deutsche» Linienschiffe. Abends gav der M a r i n e m i n ist e r den deutschen Offizieren ein Bankett, woran die Mitglieder des diplomatischen Korps, die Minister und zahlreiche Beamte teilnahmen. ol/5p»ic/>e/ick) /V. l.59. Wer Odol konsequent tag- lich anwei ^det, übt nach unseren heutigen Kenntnissen die denkbar beste Zahn- und Mundpflege aus. 1050 parsifal. Von Eugen Segnitz. In dem romantischen Zeitalter der Kreuzzüge waren cs zwei Sagenkreise, die sich hinsichtlich der in ihnen nicdcrgclegten Ideen und Vorstellungen sehr wesentlich von einander unterschieden, sic wurzelten zum Teil in den Anschauungen des ur ältesten Heidentums, den Mythen Hindustans, und wurden die hauptsächlichsten Träger einer neuen, tiefgcistigen und religiösen Strömung, die von Süd spanien und Frankreich nusging und in die Literatur eindrang. Während die Sagen von Karl dem Großen und seinen Paladinen, sowie von König Artus und seiner Tafelrunde das gesamte Lebensinlercsse sich um eine einzige Leidenschaft bewegen ließen, wah rend diesen Sagenkreisen gegenüber die Dichter, auf mitunter derbe Krastäusterung, naturwüchsige Sprache oder auf den Sinnenrausch der Minncdich luiig den Akzent legend, ost Gefahr licken, den Ernst des Lebens und die höheren sittlichen Interessen aus dem Auge zu verlieren, traten andere, neue Poeten aus, die allerdings ebenfalls von den Artusroinanen ausgingen, sic aber mehr nur als Rahmen benutzten. Ihre Darstellungen haben den Menschen zum Gegen stände dichterischer Betrachtung, den Menschen, der, zwischen Welt und Geist gestellt, irrt und strebt, jucht und findet, von Gott sich abwendct, sich dann aber demütig zu ihm bekehrt und zu innerem Frieden gelangt. Es war das Mysterium des Grals, darin der Inbegriff des christlichen, geistlichen und geistigen Lebens zur Darstellung gelangte. Und zwar zu einer Darstellung, die weit entfernt von spiritualistischer Weltverschmühung und asketischer Verachtung des Daseins, vielmehr sich in ihren Schilderungen der herrlichsten, ja glühendsten Farben bediente. Eines teils kehrte die Dichtung wieder zurück zu der Ucber- nahmc der Vorherrschaft der Empfindung und zu jenem Ecmütsleben, dem sich alle nordischen Natio nen zuneigten, anderntcils aber verliest sie das bis her innegehabte Feld der höfische» Welt und des ritterlichen Lebens, um sich, allmählich wieder ein lenkend in die Bahn der geistlichen Lehrdichtung, ihre Stoffe in der christlick>-religiöjen Sagenwelt und der Geschichte zu suchen. Der Repräsentant aber dieser neuen Epoche ist Wolsram von Eichenbach, dessen Epos „P a r z i v a l" einen von der christlichen Weihe berührten Helden schildert, der nach vielen Irrfahrten durch Ueberwindung des Selbst und damit der Welt, Erlösung findet. Richard Wagners tragische Werke feiern mit den ergreifendsten Hymnen die Befreiung fluch beladener, leidender Welten. Der Meister oeainnt bei dem Erlösung heischenden Dämon der Meere, dem rastlos umherirrcnden Holländer und besingt, angelangt am Ende seiner Schaffensbahn, in „Par- sisal" noch einmal das Wunder der Erlösung. Wohl in keinem Werke des Meisters von Bayreuth stehen sich die Gegensätze so schroff unp unerbittlich gegenüber, wie in diesem Bühnenweih- festfpiel, das sein Schwancngesang und Requiem werden sollte. Keines aber spricht das Verlangen nach Entsühnung, nach Loslösung vom Irdischen hehrer und nachdrücklicher zugleich aus, wie gerade dieses. Wie Goethes „Faust" ist Magners ,LZar- sisal" die Entwickelungsgeschichte des inneren Men schen. Beide stellen den Heloenkamps einer Seele dar, der seinen Abschluß findet in der endlichen Er langung der ewigen und zwar spezifisch christlichen Wahrheit. Ihr Symbol aber ist der Gral. Die heidnischem Boden entstammende Sage vom Gral ging über in die tiefsinnige, die Erkenntnis- und Glaubenslehre umrankende christliche 'Mytho logie. Das heute noch in südfranzösischen Mund arten fortlebendc Wort Gral bedeutet eine weite Schüssel. Mehrere Legenden geben Aufschluß, wie der Gral zum Mittelpunkt der gesamten, innerlich ungemein vertiejten Sage geworden ist, voll von niystischen Beziehungen im Sinne mittelalterlicher Symbolik. Der Gral ist die Schüssel, deren sich der Erlöser bei der letzten Feier des Abendmahls be diente im Hause des Simon, und in die er den Bissen einiauchte, den er dem Ischariothcn Judas darreichte mit den Worten: .,'UZas du tun willst, tue bald." Von dem Augenblicke an, da Judas mit sich überein gekommen war, den Herrn zu verraten, haftete nach der Legende an der Schüssel die Macht, mittelst Be rührung die Bösen von den Guten zu scheiden. Wie die fromme Erzählung meldet, »vard der Gral nach Ehristi Gefangennahme zu Pilatus gebracht, der ihn dem Joseph von Arimathia schenkte, als Belohnung für manchen geleisteten Dienst. Nach der Kreuzigung aber sing jener die vom Kreuzesstamm herabrinnen den kostbaren Blutstropfen in eben dieser Schüssel auf („sanLi-eal"). Auch eine alte byzantinische Schrift nimmt das hier Erzählte in ihrer Weise an, so dast in Didots ,'Percevat" unmittelbar gesagt werden konnte: „Der Gral, das heißt „der Kelch". So ward auch im Meß- gebrauche der Kelch zum Symbol des heiligen Gro bes, die darüber gedeckte Patene, ein flacher Teller, zu seinem Schlußsteine, und das Corporale das Linnen zum Leichentuch. Wie der Geistliche als „Sepultor Domini" zum Erabhüter bestellt ist, so be tonen auch die Gralsdichtungen, dast der, dem das geheiligte Gefäß zur Aufbewahrung übergeben ward, von Gott erwählt sein müsse. Wie einst die Büchs« der Pandora, der allschcnkcnden, alles nur Wünschens- werte in sich barg, so ergießen sich auch aus dem Gral die mannigfaltigsten himmlischen Gaben, so finden alle an ihn gerichtete Bitten um Leibliches wie Geistiges Gewährung. (Ein Analogon hierzu bilden in menschlich lieblicher Weife die Märchen von der Wünschelrute und dem Tischlein deck dich.) Derlei Wunderdinge kehren wieder in den Sagen aller Völ ker. So hat auch Wolfram von Eschenbach und mit ihm Richard Wagner dem Kral übernatürliche Eigen schaften beigelcgt. Wer z. B. den Gral gesehen hat, vermag an diesem Tag kein Verbrechen zu begehen, ist vor Wunden gefeit oder empfängt deren sofortig« Heilung. In Wolframs Epos bildet sich aus der Gemein schaft der Reinen die ritterliche Gralsbrüderfchast der Templer, die. verpflichtet zu Keuschheit und Demut und zu zeitlicher wie ewiger Seligkeit erkoren, durch die Wunderkraft des Grals gestärkt worden »n allem Tun und Handeln. In der wildeinsam im Gebirge des gotischen Spanien gelegenen Burg Mvnsaivat hütet dieser geistliche Ritterorden das christliche Kleinod. Lvagner erweckte die vier Eralskönige Titurel, Amfortas, Parsifal und Lohengrin zu neuem Leben. Parsifals Geschichte enthält einen Teil der Sage von jenem, durch besondere leibliche Schön heit ausgezeichneten Dümmling, der fern allem menschlichem Umgang von seiner Mutter Herzeleide aufgezogen wird, ihr aber entläuft und hinaus zieht in eine sclsijne, gleißende, ihm und seinem Wesen gänzlich sremde Welt. Mit Ktndeseinsalt im Her zen und in Torenkleider gehüllt, fährt Iungparsifal daher, überwindet die ihm widerstehende Ritterschar, wird „durch Mitleid wissend der reine Tor", erlöst den König Amfortas von seinem Leiden und findet den Weg zum Gral und diesen selbst. Im Verlauf dieser Darstellung folgt Wagner seinem Vorgänger Wolfram. Nebenher darf darauf hingewiesen wer- den, dast in der Sage der vermeinliche Tor oder die unverdientermaßen mißachtete Jungfrau oft im Aufangc ihrer Laufbahn ein kümmerlich niederes Dasein fristen muffen, bis sic dann endlich im vollen Glanz wahren inneren Wertes ans Licht des Tages treten, wie z. B. Helgi, Beowulf, Orendel und Dietleib, nicht zu vergessen der aus tiefer Erniedri gung wieder cmporstcigendcn Gndrun, des lieblichen Aschenbrödels und anlerer weiblicher Sagengestallen. Gedacht sei auch des verhängnisvollen Umstands, daß Parsifal angesichts der Entscheidung, da er den an seinem Siechtum schwer tragenden Gralskönig Amfortas im Kreise der Ritter erbnctl und die ernste Feier des Liebesmahls mit anschaut, in staunender Versunkenheit in sich selbst befangen, die Frage an Amfortas nach der eigentlichen Bedeutung aller der geheimnisvollen Vorgänge zu stellen unterläßt. Dem letzteren aber ward „im heiligen Traumgesicht durch hell erschauter Wortezeichen Male" die Verheißung zu teil, daß er durch einen reinen Toren allein die Er lösung von aller Qual zu finden hoffen dürfe. Solches ist der, vielen Dichtungen damaliger Zeit eigentüm- lick)« Zug, daß mit einer laut ausgesprochenen Frage alle Verzauberungen schwinden, verstechte Brunnen aufs neue strömen, Wälder und Wiesen wieder grünen, ein ehemals verwüsteter Landstrich plötzlich neu bebaut und bevölkert erscheint oder lang umher- wandelade Gespenster gebannt werden und endlich zum Frieden eingehen. Die Geheimnisse des Grals und seine Segensspenden offenbaren und teilen sich nur dem mit, der ohne Nebenabsichten nach ihnen forscht und mit jener Frage zugleich kundtut, daß er wirklich au» reinstem Herzensbedürfnis danach ver- langt und sich als einen würdig Suchenden zu er kennen gibt. Bei Wolfram wie bei Wagner ckt die Frage nach Amfortas' grausem Schicksal lediglicy der Ausfluß rein menschlichen Mitleids. Des Königs Qualen befallen nun Parsifal selbst in Gestalt des bitteren Vorwurfs, er habe mit nur einer einzigen ausgesprochenen Aeusterung seines Mitgefühls einen Mitmenschen er lösen können. Ausgeschlossen aus der Gralsburg, sucht er ruhelos den Pfad zu gewinnen, der ihn wiederum zum Heiltum und in Amfortas Nähe bringen soll. Nach Nöten aller Art trifft Parsifal endlich den alten, in einer verfallenen Hütte ein siedlerisch hausenden Ritter Gurnemairz, der sich von der sichrer- und mutlos gewordenen Templergemein schaft abgesondert und „des Todes still gewärtig sich in der Woldeck' geborgen" hat. Wagner machte sinnigerweijc die einst von dem Zauberer Klingsor geraubte Lanze zum Erkennungszeichen für Len fahrenden und den harrenden Ritter — jene Laitze, mit der der römische Hauptmann Longinus die Seite des am Kreuze hängenden Erlösers öffnete und mittelst deren Berührung sich der Verheißung gemäß die Wunde des Amfortas schließen soll. Eine eigentümliche Erscheinung ist K undry, „das furchtbar schöne Weib". In Wagners Mysterium mit doppelter Natur begabt, tritt sie in Wolframs Gedicht auf als Herzogin Orgeluse, deren verführe rischen Künsten die Betörung Les Gralsritters Eawein gelingt. In Wagners Fassung ist Kundry wider eignen Witten in Klingsors Macht gegeben, dessen einziges Bestreben gerichtet ist auf die Zer störung der Burg Monfalvat, die Vernichtung der Ritterschaft und die Aneignung der daselbst ge borgenen Hcilsgüter, des Grals und der heiligen Lanz.'. Mit seinen teuflischen Künsten sucht er die Templer in seinen Wonnegarten (der anderen Orts häufig als „Rosengarten" erscheint) zu den hi«: lebenden holden Frauen zu locken und sie durch Bruch ihres Gelübdes zu Fälle zu bringen. So erlag ihm auch An'fortas. Aber auch aus der Legend« entnahm Wagner manchen Zug. Bei ihm ist Kundry identisch mit Herodias, jener schönen Frau, die den kreuztragenden Heiland verlachte, da er auf seinem bitteren Leidens gange an ihrem Hause vorüberschritt. Nicht Les Leidenden Fluch, sondern nur ein stiller Blick stummen Vorwurfs traf damals die Spötterin, die nun als weiblicher Ahasver „in stets erneuter Wahn sinns Nacht" von Ort zu Ort eilt, in nagender Reue und höchster seelischer Not den Heiland suchend und seine Berzeihung. Immer aufs neu« fühlt die Unselig« jenen Blick auf sich ruhen und stets kommt ihr wieder das „verfluchte Lachen", das sie schreien, toben, wüten, rasen läßt. So ist Kundry auf ihren nimmer enbenwollenden Wanderungen in Klingsors Hände gefallen, der sie seinen schlimmen Plänen nutz bar macht, dem zu entrinnen sie immer wieder ohne Erfolg unternimmt. Sie selbst aber schwankt unaus- hörlich zwischen Gut uitd Böse und also behält Klingsor zeitweise Macht über ihre Seele. Dccher auch kann sie dem Zauberer gegenüber ihre tiefe Sehnsucht nach dem, ihr Erlösung bringenden Tode nicht verhehlen und ist doch anLernteils so fest in sinnliche Bande verstrickt, daß sie stets wieder iyrem Zwinghcrrn Gehorsam und Gefolgschaft leistet beim Nahen eines jugendlichen Toren und ihre höllisch« Kunst an ihm versucht. Klingsors höhnisch auf munternder Ruf bei Parsifal» Nahen: „Er ist schön,
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