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01-Frühausgabe Dresdner Nachrichten : 24.05.1932
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1932-05-24
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id501434038-19320524017
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id501434038-1932052401
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-501434038-1932052401
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungDresdner Nachrichten
- Jahr1932
- Monat1932-05
- Tag1932-05-24
- Monat1932-05
- Jahr1932
- Titel
- 01-Frühausgabe Dresdner Nachrichten : 24.05.1932
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viensta-, 24. Aral 1S32 -- „Dresdner Nachrichten" — Nr. 240 Sette S „SeuMn M »en Sann" Von Landtag«lbgeordne<en Syndikus Sari löget, Lohmannsdors Sa» soll werben? Der Zusammenbruch der Wirtschaft seht sich fort und Millionen beutscher Hände sind zum Feiern gezwungen, wo sie doch so inbrünstig nach Arbeit verlangen. ES werben Probleme erörtert und Plane ausgemacht, die Theorie spielt «ine grobe Rolle. Und doch müssen wtr von ganz praktischen Tatsachen ausgehen, wenn wir den ersten, vielleicht recht bescheidenen Schritt zur Hilke gehen wollen. Was ist denn vorgegangen? Die Welt sieht anders als vordem aus. Seitdem sich England vom Goldpfunde löste und zum Schutzzoll überging, ist da» gesamte System der Weltwirtschaft vom Grund aus geiiudert. Der Kapitalzusammenbruch der Wirtschaft hat zur Devisen zwangswirtschaft geführt, eS gibt keine internationale Wirt- schaftSsolidarttät mehr, «» gibt nur noch einzelne Nationalwirtschaften, und, ob wtr wollen ober nicht, wir werben mehr und mehr aus uns selbst angewiesen. Deutscher, hils dir selbst, hetbt die Parole. Zwar müllen wir nach Ausfuhr trachten, wo immer dies nur möglich ist, aber die Welt ist und bleibt für die nächste Zukunft verschlossen, 33 Länder kontrollieren ihre» Devisenverkehr und verbieten die Ausfuhr eigener Währung. Dann kann man für ge lieferte Ware keine Bezahlung mehr erhalten. ES wird ge warnt, nach Griechenland auSzusühren, weil man kein Geld erhalten kann. Oesterreich bietet Waren an für deutsche Erportlteferungcn, und mit Ungarn ist ein müh samer Devisenaustausch zustande gekommen. Bulgarien sucht deutsche Ausfuhrförderungen auszutauschen gegen Tabak- lieserungen usw. 80 Länder der Srbe haben inflationierte Währung und bieten für dentsche Waren einen entwertete« Preis. Woanders geht man zur Kontingentierung der Einfuhr über und fast überall baut man Schutzzollmauern aus, die kaum einer übersteigen kann. So sieht die Welt aus, und es hat keinen Zweck, diesen Zustand wegzuwünschen, wenn er eben doch bleibt. Wir werben dadurch — ob wtr wollen oder nicht — getrieben, eine nationale Wirtschaftspolitik zu be treiben, uns selbst zu helfen. Nun Haven alle Theorien keinen Zweck. Man kann In landsanleihen empfehlen, das Vertrauen ist weg und Geld ist nicht da. Aber eines kann man tun: Der deutsche Mensch kann bei jeder Kleinigkeit fragen, ob das Produkt, das er kauft, auch deutsche Ware sei. Deutsche, kaust deutsche Waren, das muh die Parole sein, denn in jedem Stück steckt Lohn für deutsche Arbeiter, deutsche Steuern und deutscher Ge winn. ES kommt aus die Kleinigkeit an, und wir sollten ganz streng werben mit uns selbst. Hunderttausende könnten Brot finden, wenn wir endlich begreifen wollten, dah überall zuerst der Deutsche kommen muh. In diesen Tagen werden wir aufgeforbert, deutsche Seefische zu verzehren. Unsere Ftschereislotte verfügt über mehr als 860 Dampser, 180 Motorfahrzeuge, 128 HerinaSfangboole und etwa 12 000 Küstensangfahrzeuge. Im Jahre 1031 wurden 680 Millionen Pfund Fische für rund 300 Millionen Mark gefangen. Mehr als 200 000 Deutsche sanden dadurch Brot und Arbeit. Und nun heute? SV Prozent der bentschen Fischdampser liegen tot in den Häsen, und der Seemann, der sich htnanSsehnt in seinen gefahrvollen Berns, steht Schlange an den Arbeitsämtern, aber das deutsche Volk kaust noch immer im Jahre für, mehrere hundert Millionen Fische und Ftschereierzeugnisie vom Aus land. Neuerdings Ha4 sogar die russische Ftschkonserve den Weg nach Dresden gefunden. Hat baS Überhaupt noch Sinn, zumal die deutsche Ftschkonservenindnstrte durchaus auf der Sähe ist? Im Jahre 1027 verzehrte das deutsche Volk durch schnittlich aus den Kops gerechnet nur für 16 Pf. Fische, im Jahre 1030 kommen 10 Pf. aus den Kops. In England da- gegen 63 Pf. In der jetzigen Jahreszeit wird ausländisches Frtthgcmüse in Tausenden von Zentnern aus den bentschen Markt ae- worsen. Warum fragt nicht jede deutsche Hausfrau nach der Herkunft? Weil eS kein deutsches Frühgemüse gibt? Nein, weil man gedankenlos genug ist und sich seiner verdammten Pflicht und Schuldigkeit gegenüber dem eigenen Volke nicht bcwnht wird. Die deutschen Gärtnereien liegen vor den Toren der Grohstabt, «nd feder Nahrung«, mtttelgelchrte beweist uns, bah der Nährwert um so geringer wird, je weiter der Transport ist. Also, deutsches Frühgemüse ist nicht nur eine Hilfe in unserer Not, sondern ist auch noch bester Unsere Gärtnereien sind durchaus leistungsfähig. Also denken wtr daran. Wo noch Feste geseiert werden, sollte jeder daraus achten, dah nur deutsche Weine getrunken werben. Wtr haben wahrlich keinerlei Veranlassung, den Franzosen auch noch mit -em Preise für ihren Wein, Kognak und Schaumwein Lohn und Gewinn und Steuern zu zahlen. Aber, so höre ich schon die Internationalisten rufen, wenn wir das tun, bann wird uns das Ausland auch nichts mehr abkausen. Mit Verlaub: Erstens kausen uns diese schon jetzt nur baS ab, was sie unbedingt von uns haben müllen, also sie bremsen schon seit langem ab, und es wird endlich Zeit, dab der deutsche Michel auswacht, eS sind viele hundert Millionen, die wir unnütz in« Ausland schassen, die wtr gut und gern im Lande behalten könnten. Aber -um zweiten nur ein Beispiel: Neuerdings wird i« England der Berbranch nur englischer lanbwirt» schastlicher Erzengniste zur BernsSpslicht gemacht. Unter dem Vorsitz des englischen Ministers für die Landwirt schaft tagte unlängst eine Konferenz, zu der die Vertreter der englischen Hotels, Gasthäuser, die Vertreter der Speisewagen der Eisenbahnen, der Schiffahrtsgesellschaften usw. geladen waren. Und dort wurden durch Beschluh die Berufskollegen verpflichtet, englische landwirtschaftliche Erzeugnisse zu be vorzugen, soweit das irgend gehe Unter der Parole „Drosteluna der Einfuhr von LuxuSwaren" wird einhoher Zoll auf Frühgemüse und Frühkartoffeln gelegt. Mir müllen vom Engländer lernen. Deutscher, mache es ebenso! „Der Deutsche", baS Organ der christlichen Gewerk schaften, teilte neulich mit, dah Frankreich durch seine Konsuln kontrollieren laste, wieviel Deutsche sich in der Schweiz, an der Riviera «nd sonstwo in groben WeUkurorten aushalten. Offenbar will man unseren Vertretern auf internationalen Konferenzen vorhalten, dah baS deutsche Volk so arm noch gar nicht lei und die Tribute weiter bezahlen könne. Im internationalen Verkehr ist diese Methode eine Unver- frorenhelt sondergleichen. Der Deutsche sollte damit antworten, dah er unter allen Umständen Frankreich und seine Riviera meidet. Aber eS läht sich noch unendlich viel mehr tun. Die sächsische Forst Verwaltung hatte im Jahre 1020 einen Reingewinn von 5,7 Mill. Reichsmark, 1030 nur noch 2,5 Mill. Reichsmark und 1031 nehmen wir in die Staats- käste gar nur noch 818 000 Reichsmark. Ueberaus verdienst voll ist darum eine Veranstaltung, die die ArbeitSgcmein- schakt „Holz" und der Verband für deutsche Wohnkultur neu lich durchgesührt hatten. ES wurde eine Fülle schönster Möbel gezeigt, die von besten Künstlern entworfen und von „Do. X" in Southampton London, SS. Mai. Das deutsche Rtesenslugboot „Do. X" Iras am Montagabend an der englischen Südküste ein «nd ging «m 10,SO Uhr, nachdem es eine Runde über Southampton geflogen hatte, glatt an der Reede der Flug, ftation Ealsh »t bet Southampton nieder. DaS Flugzeug beendete damit die dritte Strecke seines Ozeansluges. Das englische Luftsahrtmlnisterium hatte die Haltemann« schasten zur Verfügung gestellt, die neben einer groben Menschenmenge die Ankunst des Ozeanriesen seit 17 Uhr erwarteten. Auch der nötige Betriebsstoss sür die Weiter« fahrt nach Deutschland wird vom Lustfahrtministerium ge« ltesert. „Do. X" wird morgen vormittag zwischen 8,80 und 0 Uhr nach Berlin starten. Es wird den Weg über Hamburg nehmen und zwischen 4 und 6 Uhr ans dem Müggelsee eintresfen. An Bord bestnden sich unter anderem Dr. Dornier «nd Fra«. leistungSsähigen Fabriken hergestellt waren: Alle Möbel waren aus deutschem Hol,. „Deutsches Holz im dentsche« Heim", so hieb diese Ausstellung. Wieviel könnte hier noch ge holfen werden, wenn jedes deutsche Brautpaar und wer sonst noch Möbel braucht, dieser Forderung Geltung ver schosst. Die deutsche Teer industrte hat bet der Reichsregierung beantragt, eS solle dafür gesorgt werden, dah bei Straßen- arbeiten deutscher Teer verwandt werbe. Untere Fabriken haben ausgezeichnete Methode» entwickelt, um die auS- ländische» Asphalte und andere bitnminösen Stotse aus dem Wettbewerb zu schlage» Und man braucht sich nur einmal die Versuchsstrecken im Moritzburger Wald anzusehen, die von den Rittgerswerken Niederau beliefert worden sind, um zu lernen, wie wertvoll deutscher Teer sür die Straßen- becken ist. Trotzdem ist es aber in Deutschland noch nicht gelungen, dem deutschen Teer denselben Absatz zu sichern, wie in anderen Ländern. In Frankreich sind 1020 340 000 Tonnen Strasienteer verarbeitet worden England ver braucht 40 Prozent seiner Produktion an Teer für Strasten decken, Deutschland, das ärmste Land unter allen, hat 1030 nur 150 000 Tonnen eigenen Teer verbraucht und etwa die gleiche Menge vom Auslande bezogen. Haben wir dazu die Devisen? Man kann diese Reihe sortsetzcn, und eS sind unendliche Werte, die der Deutsche im eigenen Lande kaufen kann nnd doch vom AuSlande bezieht. Wtr kansen viele hundert tausend Paar Schuhe in jedem Jahre von der Tschecho slowakei, Kleider und Anzugstosse werden von England bezogen. Das gebt bis zum kleinsten LuruS: Must der Dentsche ParsümS und Schminke und Lippenstifte von Frankreich bestellen? Menn schon angemalt sein must, nun, dann nehmt wenigstens deutsche Farbe. Andere Nationen halte» sehr viel mehr aus sich. Die Königin von England empfängt keine Eng länderin, die ein im Ausland gefertigtes Kleid trägt, «nd Italien hat den ersten Salon der italienischen KlctdungS- moden im Oktober 1031 erösinet. In Deutschland aber klopkt die Not der Arbeitslosigkeit an icde Tür. Jeder fünfte Mensch ist arbeitslos oder gehör» einer arbeitslosen Familie an. Millionen und aber Millionen geben wir an Unterstützungen aus »nd sür ausländische Maren. Man be denke, wenn es iin Jahre nur 1 Mark ank den Kops der Bevölkerung ist, dann sind dies 60 Millionen, die wir im Lande behalten und als Arbeitslohn an deutsche Menschen ausgcbcn könnten. ES ist aber viel, viel mehr, was wir hinauSschaffen, ohne eS nötig zu haben. Wir sind ia schon deshalb in einer viel schlechteren Situation, als die anderen Völker, weil wtr die Rohstoffe, also Molle. Baumwolle, Erze nnd ähnliches, vom Ausland beziehen müllen. Aber wenn ein Volk so ganz und gar seiner Rohstoffbasis beraubt worden »st, wie wir, ohne Kolonien, dann sollte eS eine Devise haben: Jede Mark, die wtr anSgcben, wird darauf hin geprüft, bast sie im Lande bleibt. Allo denn, eS kommt aus jeden Deutschen an, au» jede Fran und jedes Kind. Deutscher, löse den Bann und Hill an deinem Teile bet deinem Einkauf nnd deinem Bedarf, deutschen Menschen Lohn, Brot und Arbeit z» geben. Einen Teil dcS ArbeitS- > loscnproblemS musst du setbst lösen. Mussen vroM-elte »en ?v» LebleM' Berlin, 23. Mai. lE i g. Draht ml Zu dem TodeS- sturz des Fürsten Lobkowitz aus der Berliner Avus ivird noch solgcnde eigenartige Tatsache bekannt: Der Hellseher Hanussen erschien einige Tage vor dem Rennen bei der Pressestelle dcS ADAC, nnd gab dort Voraussagen über den Verlauf des Nennens zu Pro tokoll. Von diesen Prophezeiungen ist nur eine eingetrolken, seiber die schwärzeste. Hanullcn hat mit aller Bestimmtheit erklärt, dast das Nennen für einen Fahrer einen verhäng nisvollen AuSgang nehmen werde, und zwar tttr den Fürsten Lobkowitz. Er hat wiederholt in ein dringlicher Weise beteuert, dast er die alle,schlimm sten Befürchtungen kür Lobkowitz hege, und er hat gebeten. eS möge vom ADAC, eine Warnung . n Lobkowitz erarbcu. Segunrler Sctilak, ruliiges tterr, starke Nerven . . . rlaru verkttkt Kaktee Nag. Fritz MO dirigiert -eiigenMOe MM Sinfoniekonzerl im Dresdner Opernhaus am 23. Mai Wegen zu hoher Abgabenforderungen der Tonseher war in diesem Winter fast alle zeitgenössische Musik aus den Linfonickonzerten der Staatskapellc verbannt gewesen. Tic Abwesenheit von sogenannter „Neuer Musik" wird das doch vor allem an der guten Neberlicferung hängende Publikum dieser Abende schwerlich vermisst haben. Allein, dast auch der Kreis um Straust und Reger ausgcschaltet war, hat man doch bedauert. Inzwischen ist mit der geschäftlichen Vertretung der Tvnketzer eine Verständigung über den Geldpunkt erzielt worden. Und so wurde nun gestern in einem Sondcrkonzcrt die versäumte Huldigung an den Zeitgeist nachgeholt. Natürlich musste das eine etwas gezwungene Ergänzung werden. Denn ein ganzer Abend nur mit zeitgenössischer Musik, das ist nun auch wieder nicht nach jedermanns Ge schmack. Der Wechsel zwischen Altem und Neuem im Nahmen einer Spielsolge: das bleibt das Erstrebenswerte. Immerhin fand das gestrige Konzert doch sein Publi kum mit viel Jugend beiderlei Geschlechts und ist im grasten und ganzen auch ein künstlerischer Erfolg gewesen, au dem freilich Fritz Busch, die StaatSkapclle und die sonstigen Mitwtrkenden sicherlich nicht weniger Anteil als die Komponisten hatten. „Neue Musik" jüngster Sttlrichtung war nur mit zwei Werken vertreten. Zunächst mit einer Konzert musik für Streichorchester und Blechbläser von Paul Hindemith. DaS ist eine der jüngsten Arbeiten des führenden Neutöners und mithin also über den ärgsten Radikalismus schon wieder hinaus. Ein „Brandenburgisches Konzert" von heute, annähernd in Eis-Moll. Klar und übersichtlich aufgcbaut mit kraftvollem musikalischem Fleiß, ein paar fast altmodisch einprägsame Gedanken, blendend in der Mache, aber kühl bis ans Herz hinan. Also eigen»- sich schon gar nicht mehr zeitgemäß, denn heute trägt man ja schon wieder Herz. Einiges lässt immerhin aushorchen. Zum Beispiel der schöne, stimmungsvolle Schluß des ersten Satzes, der das ciaconnenhafte Hauptthema in gesangvolle, ruhige Bier- vierteltakt-Kantilene umbtlbet. Ober der Kontrast, den der zweite Satz bringt, indem er einer schmissig scherzohaften, im Sechzehntel-Metrum stehenden Fuge einen fast im- pressiontsttsch debussyhasten zarten Adagio-Mittelteil gegen- überstellte, um bann überraschend zur Gechzehntelsreude zurückzulenken. Ganz hübsch da« alles, und lehr gekonnti Aber das Ergebnis ist schließlich doch nur Respekt vor kon struierter, nicht Erhebung durch erfühlte Kunst. Der Bet- fall blieb denn auch etwa» respektvoll kühl. Noch schwerer zugänglich für unser Gefühl ist die ,,Sinsonte der Psalmen" von Strawinsky, da» »weite, ganz moderne Erlebnis des Abend», ebenfalls an der jüngsten Schaffenszeit ihres Meisters stammend. Stra winsky hat 1030 das Werk, wie er ausdrücklich auf der Partitur vermerkt, „zur Ehre Gottes komponiert". Diese Geste von Brucknerscher Frömmigkeit scheint auf ein tiefes Erlebnis religiöser Stimmung hinzudeutcn. Aber für den Hörer bleibt ein solches aus. Man vernimmt, vertont für gemischten Chor und Orchester, drei bekannte Abschnitte aus der alttestamentarischen Psalmodie: eine Bitte um Er- hörung skxausti orationom moamj, ein Gebet der Hoff nung skxpoctans oxpoctari) und einen Dankrus der Er füllung s/VIlviujai. Aber die Gegensätze kommen nicht so heraus, wie man sie erwartet. Sie werden ausgeglichen durch einen uns fremdartigen fanatischen Hang zu moSko- wttischer Eintönigkeit, die in primitiven Ostinatobässen einen ihrer hauptsächlichsten musikalischen Bausteine findet. Außerdem empfinden wir die ganze Auffassung nicht als christlich, sondern als vormessiantsch. Manchmal hat man das Gefühl, als wolle der Komponist schlechtweg eine Folie zum historischen hebräischen Tempelgcsang geben. Da geht eS denn einige Male mit abgehackter Deklamation oder einem wild entfesselten Durcheinander der Tertworte sehr eigentümlich zu. Oder eS kommen rhythmische und klangliche Effekte, die verzweifelte Aehnlichkeit mit dem Jazz aufwetsen. Anderweit herrscht dann allerdings wieder die eigentümliche SttmmungSkrast der heiligen Musik Ruß lands, die wir aus MussorgsktS „Boris" kennen. Aber man wird der Sache nie froh; man findet nichts Erhebendes, Erwärmendes. Befreiende Freudigkeit kennt diese Musik auch im „^lloluja" nicht; auch da vermeint man noch Lust eines Kerkers, der die Seele umfangen hält, zu atmen. Die Wiedergabe war ein besonderes Meisterstück unseres Opernchores, dem in diesem Falle der achtungsvolle Bei fall galt. Ein vor dieser Psalmenstnfonie gespieltes Orchester scherzo Strawinskis, „Scherzo santasttque" be titelt, hatte denn schon den gangbaren Ton der älteren Zeitgenossenschaft angeschlagen. Denn es stammt aus der vorresormatortschen Periode des russischen Meisters und ist eine etwa» lang geratene, aber effektvolle graziöse und duftige Virtuoscnnummer sür großes Orchester, halb im Nicharb-Strauß-, halb im Debussysttl. Fritz Busch hat es seinerzeit auch in seinem Konzert im Augustco zu Nom ge spielt; wtr haben da schon im Rundfunk gehört, was sür «ine schmissig« Angelegenheit «r daraus zu machen weiß. Diesmal mit den prachtvollen Mitteln unserer GtaatS- kavelle kam «S womöglich noch brillanter heraus und ver fehlte fein« starke äußere Wirkung nicht. Der zweit« Teil de» Konzert» bracht« bann eine Wiederholung von Paul Büttner» Präludium, Fuge und Epilog mit dem Untertitel „Eine Vi sion" für große» Orchester. Im Februar 1928 haben wir da» Werk an gleicher Stelle gehört. Damals kam uns sein SttmmungSgehalt sehr zeitgemäß vor. «nd heute ist es bas sogar «och mehr. Laßende Resignation, Sehnsucht, Klage, Bangen, heldenhafter Aufschwung, kriegerische, mili tärische Klänge sind die EmpsindungSpole. um die diese Musik schwingt. Also so recht ein Sang a»S der deutschen Seele des Augenblicks. Prachtvoll wirkte vor allem wieder die meisterliche Architektonik. Trotz kühnem Wechsel der Gc- dankenrcihe mit Tcmpowandlnngen und schematischen Gegensätzen bekundet sich zwingend ein starker Formwtlle. Man versteht den musikalischen Ausbon nicht durch Er innerung an irgend ein Schema, wie es etwa der Begriff Fuge nahe legt, sondern durch die Kraft eigener logischer Gestaltung. Hierin haben wir eine der stärksten Seiten von Bütt ners Schöpfertum bewundert, und in der Beziehung ist auch dieses Merk ein cbenbiirtigeS Seitcnstück zu Büttners großen Sinfonien. Kernig, glanzvoll und kür einen im Grunde doch klassizistisch veranlagten Künstler überraschend farbig erschien auch diesmal das orchestrale Gewand des Stückes. Der anwesende Komponist konnte pcr«önlich kür den warmen Beifall danken. Hoffentlich gibt dieser Erfolg Veranlassung, nun wieder etwas öfter aus das Schaffen des bedeutendsten einheimischen Komponisten zurückzu greifen. Noch brachte das überreiche Programm zwei ältere Orchesterlieder von Richard Strauß, „Verktth- rung" und „Gesang der Apollopriestcrin", in glanzvoll schwülen, sinnlichen Impressionismus getauchte Klang gebilde von echt Strauß'scher Wirkungskraft. Ein bißchen reißerisch, aber eben eindrucksvoll. Die Wiedergabe brachte der Solistin Marta Fuchs, deren kostbarer Mezzosopran sich der von Busch hingebrcttetcn glühenden Orchester farben leuchtend anglich, stürmischen Beifall Ein gan- kurzes, aber recht lustiges abermaliges Orchesterlchcrzo, diesmal von B u s o n t, aus der „B r a u t w a h l - S u i t c", bildete den Schlußakkord. Da diese in Form einer ideali sierten JahrmarktSmusik gehaltene Miniatur nochmals alle Klangpracht des Orchesters und alles Temperament des Dirigenten zur Entfaltung kommen ließ, war sie der rechte effektvolle Kehraus des etwas lang geratenen, aber doch anregenden Abends. L. 8. Kunst un» Wissenschaft «egypttsche VbaravKöpfe kommen nach Leipzig Kairo Mitte Mai Der auS Aegnptern bestehende A"'nv«lv'o^isch<> Ausschuß in Kairo ha» sich unter dem Vorsitz de» General-''«ktor» der Aegnvtischen Antiquitäten, Pierre Laeau, vor einigen Tagen versammelt und mit der Untersuchung der Schädel verschieden«: Pharaonen befaßt, um festzustellen, welche«
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