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Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk des Amtsgerichts Eibenstock und dessen Umgebung : 14.07.1894
- Erscheinungsdatum
- 1894-07-14
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id426614763-189407149
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id426614763-18940714
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-426614763-18940714
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungAmts- und Anzeigeblatt für den Bezirk des Amtsgerichts ...
- Jahr1894
- Monat1894-07
- Tag1894-07-14
- Monat1894-07
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„Willy ist nach Brunnen und bis jetzt noch nicht zurückgekehrt." „Er wird wohl von dort eine weitere Tour unter nommen haben." „Ich glaube es kaum; möglich wäre cs nur dann, wenn Hallstadts eine solche Tour beabsichtigten und seine Begleitung wünschten. Wie gefällt Ihnen Theo dore Hallstädt?" „Ich kann nicht urtheilen," sagte Gustav achsel zuckend. „Hat sie keinen guten Eindruck auf Sie gemacht?" „Das wohl, aber sie interessirt mich nicht." Der Blick Elisabeths ruhte forschend aus dem Advokaten, er schien in die innersten Tiefen seiner Seele eindringen zu wollen. „Ihr Vater soll ein sehr reicher Herr sein," sagte sie. „Ich bezweifle das nicht, aber Reichthum allein könnte mich niemals bewegen, um die Hand einer Dame zu werben. Wie es mir gestern schien, hegt Ihr Bruder Hoffnungen —" „Es kann sein, aber ich weiß nichts Sicheres," unterbrach die junge Frau ihn rasch; „in solche HerzcnS- geheimnisse mag ich nicht gern mich eindrängen. Ich glaube zwar auch die Beobachtung gemacht zu haben; in diesem Falle will ich ihm wünschen, daß er sein Ziel erreicht." „Und Hallstadt? Wird er seine Zustimmung geben?" fragte der Advokat. - „Zerbrechen wir uns darüber den Kopf nicht," scherzte Elisabeth; „mein Bruder wird cs allein aus fechten müssen. Wie gesagt, ich will es ihm wünschen; seine Beziehungen zu meinem Gatten werden ihm drückend, er würde sic längst gelöst haben, wenn er die Mittel besäße, ein Geschäft zu gründen. Meine Eltern waren nicht sehr vermögend und das Geschäft meines ersten Gatten, an dem Willy betheiligt war, hat keinen Gewinn abgeworfen. Hätte mir die Ver sicherungs-Gesellschaft nicht die namhafte Summe ausgezahlt, so wäre ich in große Noch gekommen, Sic werden nun auch begreifen, weshalb ich damals so erbittert war, als mir dieser letzte Anker entrissen werden sollte." „Wir wollten daraus ja nicht mehr zurückkommcn," erwiderte er mit leisem Vorwurf. „Sie haben Recht, die Erinnerung daran kann uns Beiden ja nur unangenehm sein. Meine plötzliche Abreise hat wohl große Ueberraschung hcrvorgernfcn?" „Bei den Gläubigern Ihres Manneö allerdings," nickte er, „im Uebrigen hat's kein Aufsehen gemacht; in einer so großen Stadt wird der Einzelne wenig beachtet." „Man hat gar nicht darüber gesprochen?" „In meinen Kreisen nicht. Einmal tauchte aller dings ein böses Gerücht auf." „Welches?" fragte Elisabeth init auffallender Hast. „Ich erinnere mich seiner nicht mehr so genau; ich glaube, man sprach davon, die Versicherungs-Ge sellschaft sei betrogen worden —" „Dieses Gerücht kann nur ein boshafter Verleum der erfunden haben!" „Man weiß ja, wie die Leute sind! Wird ein unüberlegtes Wort hingeworfen, gleich giebt es Stoff zu Vermuthungen, verleumderische Gerüchte finden immer fruchtbaren Boden." „Und doch konnte dieses Gerücht sich nicht einmal auf Wahrscheinlichkeiten stützen!" sagte Elisabeth erregt. „Ich wüßte nicht, in welcher Weise die Gesellschaft hätte betrogen werden können. Sie hat die Atteste zweier Aerzte gefordert und erhalten." „Beruhigen Sie sich deshalb, die ganze Geschichte ist nicht der Rede Werth. Jenes Gerücht ist ebenso rasch im Sande verlaufen, wie es auftauchte, Niemand hat Werth auf dasselbe gelegt. Ich wurde heute Morgen unwillkürlich daran erinnert, als ich die Auf forderung erhielt, für den Agenten jener Versicherungs- Gesellschaft Bürgschaft zu übernehmen." Die junge Frau schlug vor seinem forschenden Blick die Augen nieder. „Das verstehe ich nicht," sagte sie. „Sic sollten Bürgschaft leisten? AuS welchem Grunde und zu welchem Zweck?" „Er ist gestern auf Grund einer Depesche verhaftet worden, der Absender des Telegramms klagte ihn der Unterschlagung und Wcchselfälschung an." „Ein Verbrecher also?" „'Nicht doch, es hat sich herausgestellt, daß hier eine Verwechselung der Person vorlag, und da der Verhaftete wußte, daß ich mich in Luzern befand, so ließ er mich um Beistand bitten." (Fortsetzung folgt.) Emma. Ein Reiseabenteuer von E. Lantz. In dem großen Wartesaal erster Klasse dcö Bahn hofes B. herrschte reges Leben. Der Zug, welcher 9 Uhr lü Minuten einlaufen sollte, hatte sich bereits zehn Minuten verspätet, und noch immer war nichts über das Schicksal der Reisenden zu erfahren. Die Bahiibeamten liefen geschäftig hin und her und hatten alle so ernste Gesichter aufgesteckt, daß trotz der Neu gierde, welche alle im Wartesaalc Befindlichen gepackt hatte, es doch keiner für angebracht hielt, den Versuch zu machen, Erkundigungen einzuziehen. Man wußte, daß die pflichttreuen Beamten sich doch nicht in Vermuthungen ergehen würden, und so bald sie selbst Bestimmtes über den Verbleib des Zuges erfahren haben würden, mit ihren Mittheilungen aus eigenen, Antriebe nicht sparen würden. Eine große Beklemmung hatte sich Aller bemäch tigt. Besonders ein Herr, welcher in Begleitung einer jungen, hübschen Dame, vermuthlich seiner Tochter, an meinem Tische Platz genommen hatte, schien seiner Besorg« iß nicht Herr werden zn können. „Weißt Du, Emma", wendete er sich an seine Begleiterin, „es ist doch wohl besser. Du giebst die Reise auf." „Aber Papa", antwortete das junge Mädchen, „das ist ja unmöglich. Was soll denn aus der armen Mama, die mntterseelenallein in K. im Hotel krank darniederliegt, werden, wenn ich nicht zu ihr eile? Nicht allein, daß Du durch Deinen Dienst unbarm herzig hier gefesselt bist, soll ich auch hier bleiben, um Mama bezahlten Krankenwärterinnen anzuver trauen? 'Nimmermehr!" „Du bist ein gutes Kind, und ich sehe ja auch ein, daß Du zur Mama mußt. Aber Dich allein, ohne Schutz reisen zu lassen, ängstigt mich sehr. Wenn ich Dich doch nur begleiten könnte!" Die Sorge des Herrn um seine Tochter berührte mich sympathisch, und kurz entschlossen stellte ich mich den Herrschaften vor, dem Vater erklärend, daß ich mit ganz besonderem Vergnügen bereit sein würde, seine Tochter unter meinen Schutz zu nehmen, da mein Reiseziel ebenfalls K. sei. Einen Augenblick sah mich der Angcredcte prüfend an; dann flog ein leises Lächeln über sein schönes männliches Gesicht, und indem er mir treuherzig die Hand reichte, antwortete er mir, daß er für seinen Theil mein liebenswürdiges Anerbieten annehmen würde. „Demnach handelt cs sich jetzt nur noch darum, ob Sie, mein gnädiges Fräulein, sich meinem Schutze anvertrauen wollen", wandte ich mich an das junge Mädchen. Dieses hatte die Augen niedergeschlagen, die sie aber jetzt, während ein leichtes Roth über ihr lieb liches Gesicht zog, voll zu mir aufschlug, und mich voll ansehend, sagte: „Ich vertraue mich Ihrem Schutze gern an, mein Herr; denn, aufrichtig gesagt, hatte ich doch Furcht, die lange Reise allein zu unternehmen. Aber es mußte trotzdem sein. Nun aber, wo ich unter männlichem Schutze reisen darf, ist jede Furcht ver flogen." Das junge Mädchen hatte kaum ausgesprochen, als der Portier schnell in den Wartesaal trat und mit lauter Stimme die Ankunft des längst fälligen Zuges avisirte, an dessen Lokomotive eine kleine Be schädigung ««getreten war, welche die Verspätung veranlaßt hatte. Alles athmete erleichtert auf, und als jetzt der Zug donnernd in die Halle einfuhr, stürzte Jeder auf den Perron, um einen Platz für sich zu belege». Auch ich that desgleichen, und nachdem ich meine und die Sachen meiner Schutzbefohlenen untergebrachl hatte, bestiegen wir das Coupec. Das junge Mädchen nahm herzlichen Abschied von ihrem Vater, dem sie stets versicherte, die ihr an die Mutter aufgetragenen Grüße bestens zu be stellen. Dann dankte mir der Herr noch einmal recht herz lich für meine Liebenswürdigkeit, ein Pfiff der Loko motive ertönte, und schnaubend setzte sich der Zng in Bewegung. Emma hatte sich zum Fenster hinansgelehnt lind winkte mit dem Taschentuche Grüße ihrem zurück bleibenden Vater zn, bis dieser ihren Blicken ent schwunden war. Ich hatte cs mir inzwischen bequem gemacht, und nachdem ich mich durch einen Griff nach der in meiner Weste befindlichen Tasche überzeugt hatte, daß mein Portefeuille, welches eine bedeutende Summe in Bank noten enthielt, an seinem Platze war, lehnte ich mich, in der Erwartung, Emma mir gegenüber Platz nehmen zu sehen, in meine Ecke zurück. Meine Erwartung wurde jedoch getäuscht. Das junge Mädchen setzte sich nicht mir gegenüber, sondern nahm an meiner Seite Platz, nnd wenn es mir auch dadurch nicht vergönnt war, in das hübsche, rosige Gesicht blicken zu können, so wurde ich doch wieder durch die unmittelbare Nähe Emmas entschädigt. Nachdem sie ihre Siebensachen, welche ich init vieler Mühe im Coupee untergebrachl hatte, gemustert hatte, dankte sie mir für meine Mühewaltung, und begann dann ein so lebhaftes, amnuthiges Geplauder, daß mir ungemein wohlig wurde. Dieses Gefühl wich nicht wieder von mir, und das süße Geschöpf übte im Laufe der Zeit eine solche Wirkung auf mich aus, daß ich mir lächelnd selbst gestand, daß ich jeden Men schen, der es je gewagt haben sollte, Emma zu be lästigen, sofort niedergeschlagen hätte. Für sie bestand demnach allerdings durchaus keine Gefahr, dagegen war für mich eine solche desto mehr vorhanden und zwar die, mich bis über beide Ohren in meine herzige Reisegefährtin zu verlieben. Ich gestehe nun aufrichtig, daß ich mich durchaus nicht gegen dieses Fatum wehrte, sondern in einer glücklichen Stimmung das süße Gift, welches von der zierlichen Person neben mir ausging, gierig einsog. Emma plauderte so allerliebst und war in ihrem Benehmen so zutraulich, daß selbst ein weniger heiß- blüthiger Mensch als ich von dem zauberhaften Wesen in Bann gethan worden wäre. Wir waren inzwischen eine nnd eine halbe Stunde gefahren, als wir an einer der wenigen Haltestationen, welche unser Zug anlief, anlangten. Hier stiegen die wenigen Reisenden, die außer uns im Wagen saßen, aus, und wir waren allein. Ein eigcnthllmliches Gefühl beschlich mich. In meiner unmittelbaren Nähe befand sich ein reizendes junges Mädchen, welches ich vor kaum zwei Stunden kennen gelernt hatte und das, meiner Obhut anver traut, so that, als seien wir nicht ganz nene, sondern langjährige Bekannte. Ich mußte lächeln über die Naivetät des Vaters dieses jungen Mädchens, der mir, einem verhältni tz- mäßig jungen Manne, nach kaum minutenlanger Be kanntschaft einen solchen Schatz anvcrtraut hatte. Dann kam es mir jedoch zum Bewußtsein, daß die Reise dieses jungen Mädchens ihrer in der Fremde krank darniedcrliegenden Mutter galt, also durchaus keinen Aufschub erleiden konnte, und ein heiliger Ent schluß, der Hüter dieses jungen Mädchens nach jeder Richtung hin zu bleiben, setzte sich bei mir fest. Inzwischen kamen wir unserem Ziele immer näher. Emma schien müde geworden zu sein; denn sie saß, das Köpfchen leicht hintenüber legend, schweigend da. Sie spielte mit der Schleife ihres Hutes, den sie vor sich auf die Bank gelegt halte. Plötzlich, als ertappe sic sich auf einem Unrecht, welches wieder gut zu machen sie sich beeilen mußte, sprang sic auf, nahm aus dem Netze des Wagens eine Tasche, der sie eine Reiseflasche entnahm, und indem sie, in lieblichster Weise sich entschuldigend, bat, ihre Nachlässigkeit, mir bis dahin keine Erfrischung angeboten zu habe», doch nicht übel zu nehmen, kredenzte sie mir einen Becher Wein, den ich auf ihr Wohl leerte. Wie Feuer ging es durch meine Adern. Ein Ge fühl des Uebermuthes kam über mich, und alle meine guten Vorsätze vergessend, wollte ich die Hand aus strecken, um die schöne Spenderin dieses herrlichen Trankes an mich zu ziehen. Aber der Arm versagte mir den Dienst. Wie Blei sank er mir, nachdem ich ihn kaum erhoben hatte, am Körper nieder, und wie 'Nebel legte cS sich auf meinen Geist. Wie in weiter Ferne hörte ich das Rasseln nnd Donnern der Räder, dann schwanden mir die Sinne und ich schlief ein. Ein kalter Luftzug flog über mein Gesicht. Dann fühlte ich mich von kräftigen Armen geschüttelt. Müh sam schlug ich die Augen auf und sah einen Bahn beamten vor mir, der mich aufforderte, den Wagen zn verlassen, da der Zug bereits seit mehreren Minuten sein Ziel erreicht habe. Verwundert blickte ich mich um. „Wo ist die Dame, die mit mir hier im Conpee saß?" fragte ich. „Eine Dame?" „Ja, eine Dame!" „Davon weiß ich nichts. Sie sind der einzige Reisende, der sich noch im Zuge befindet. Aber was ist das?" fragte der Beamte, auf meine Weste deutend. Ich folgte der Richtung des ausgestreckten Armes nnd sah zu meiner grenzenlosen Verwunderung, daß meine Uhrkette dicht am Haken, welcher Dank einer besonderen Vorrichtung sehr fest saß, abgeknipst war nnd Kette nnd Uhr verschwunden war. Erschrocken sprang ich auf und griff nach meinem Portefeuille. Es war verschwunden. Ich war be raubt worden! Scheu sah ich mich um. Allmächtiger Gott, was war geschehen? Was war aus meiner Reisegefährtin, während ich schlief, geworden? Sollte ihr ein Unglück passirt sein? Sollte man sie ebenfalls beraubt, sie vielleicht gar fortgeführt haben? Rathlos sah ich um mich. Da bemerkte ich dicht neben meinem Sitze eine kleine Damentasche, welcher dasselbe Parfüm entströmte, welches Emma an sich hatte. Ich griff nach dieser Tasche, öffnete sie — und in akkurater Reihenfolge geordnet, glänzte mir eine Sammlung feiner Scheeren und Zangen, wie sic zu Taschendiebstählen benutzt werden, entgegen. Jetzt war mir die Situation plötzlich klar. Das hübsche, berückende Wesen, mit dem zusammen ich die Reise gemacht hatte, war eine Taschendiebin. Schmerzlich bewegt wollte ich diesen häßlichen Verdacht von mir wälzen, al« ich unwillkürlich die kleine Tasche mit dem interessanten Inhalt an meine Nase führte. ES war dasselbe Parfüm, das Emma umgeben hatte, und an diesem Parfüm erkannte ich sie. Ein Schauer überfiel mich. Mein Glaube an harmlose, liebliche junge Mädchen war verschwunden nnd mit ihm mein Portefeuille mit zehntausend Mark. Ich habe Emma und mein Geld nie wiedergesehen. Druck und Bering vor. L. Hanne bohn in Eibenstock.
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