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Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk des Amtsgerichts Eibenstock und dessen Umgebung : 16.02.1901
- Erscheinungsdatum
- 1901-02-16
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id426614763-190102166
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id426614763-19010216
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-426614763-19010216
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungAmts- und Anzeigeblatt für den Bezirk des Amtsgerichts ...
- Jahr1901
- Monat1901-02
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i« Grünewald" hieß da» Motiv, weichem die Veranstaltungen de« Abend« angepaßt waren. Zwischen Tannengrün waren die verschiedensten Unterhaltung»- und Erfrischung«-Gelegenheiten ausgebaut. Außer der vielbesuchten Weinstube, der Conditorei und der Restauration zur kalten Mamsell, waren vertreten ein Rariläten-Cabinet, di« Komisch« Op«r und da» Lurgverließ, in welche« alle diejenige» abgesührt wurden, welche da» Mißfallen der behördlichen Organ» erregt hatten. Die Tanzpausen wurden sehr ergiebig durch Gesang«- und andere Vorträge au»gesüllt, auch waren kleinere theatralische Vorführungen mit eingeslreut, ent sprechend dem Wesen der Bolk»belustigungen im Grünewald bei Beilin, auf der Dre»dner Vogelwiese, dem Wiener Prater etc Diejenigen, welche sich gestern Abend dem Vergnügen »oll in die Arme geworfen haben, dürsten dabei ihre Rechnung gesunden haben. — Eibenstock, 15. Februar. Am Mittwoch Mittag wurde von einem hiesigen jungen Mann die polizeiliche Meldung erstattet, daß derselbe am Vormittag desselben Tage« zwischen Eibenstock und Zimmersacher von zwei HandweikSburscden an gefallen und seiner Taschenuhr sowie der miigeführien Maaren beraubt sein wollte. Nach vorgcnommenen Erörterungen hat e« sich aber herauLgestellt, daß ter Ueberfall erlogen war. Der eigentliche Grund für die Handlungsweise de« jungen Manne« ist noch unklar. Wir lheilen diesen Vorfall hierdurch mit, um unnützen Beunruhigungen Seiten» de« Publikum« vorzudeugen, zumal die beiden erwähnten HandwerkSburschen, welchen er un terwegs begegnete, in Johanngeorgenstadt bereit« sestgenommen worden waren. — Eibenstock, 14. Februar. Heute Mittag wurde eine von der StaatSanwaltschast Zwickau im Gendarmerleblatt wegen GittlichkcitSverbrechen« verfolgte Person von der hiesigen Polizei sestgenommen. — Eibenstock. Der III. Vortrag im Kaufmänn. Verein findet nächsten Sonntag (nicht am Montag, wie auf dem Programm bemerkt) statt. E« ist auch diesmal wieder ein sehr aktuelle« Thema gewählt; denn gerade jetzt sind die Augen der ganzen Welt, speziell aber Deutschland«, nach Ostasicn ge richtet, wo unsere »blauen Jungen" Blut und Leben einsetzen, um den »Platz an der Sonne", den sich Deulichlanv durch die Erwerbung von Siautschou schaffen wollte, zu verlheikigen und hoffentlich für olle Zeilen zu sichern. Der Redner de« Ab-nc«, Herr l)r. Curt Boeck au« Dresden, hat Asien und speziell China zu wiederholten Malen bereist und ist erst im vorigen Juhre zurückgekehrt; leider war e« in Folge seiner vielseitigen Inan spruchnahme nicht möglich, ihn, wie beabsichtigt, bereit« im Vor jahre zu gewinnen. Herr Ör. Boeck kennt Asien, spricht also viel au« eigener Anschauung und e« dürfte au« seinem Munde mancher Inter, ssante zu hören sein; auch die zur Vorführung gelangenden Bitcer sind theilweise eigene Aufnahmen. Ein z hl- reicher Beiuch ist zu diesem Abend zu erwarten; man hat daher auch in Ermangelung eine« ausreichend großen Saale« die Turn halle al« Vortrag-lokal gewählt; dieselbe wird vollständig gut auSgeheizt sein. Der Vortrag beginnt Punkt 8 Uhr. Enve SV. Uhr. — Johanngeorgenstadt, 14. Februar. Gestern Nach mittag '/,4 Uhr fand der I I Jahre alte Schulknabe Karl Oekar Schneider von hier durch Ersticken infolge Einstürzen« einer soge nannten Schneestollen« seinen Tod. 5 Knaben, in deren Gesell schaft er sich befunden hatte, konnten sich noch rechtzeitig reiten. — Plauen i. B, 13. Februar. Wegen Körperverletzung im Amte ist gestern auf Veranlassung der hiesigen Kgl. Staats anwaltschaft der Inspektor der Bezirk-armen an ft alt BogtSberg bei Oel«nitz verhaftet worden. Diese That- sache erregt daselbst große» Aussehen. — Reichenbach, 13. Februar. Zum ersten Male dürfte c« in neuerer Zeit wohl zu verzeichnen sein, daß der dem- nächstige Sommersahrplan für die Linie Leipzig-Hof einen Zug bringt, der auf dem oberen Bahnhöfe in Reichenbach nicht hält. E« ist die« der von München Mittag« halb 1 Uhr abgehende Schnellzug, der in Hof zu Anschlußzwecken Abend« 6 Uhr 13 Min. hält und dann direkt bi» Leipzig fährt, wo er 8 Uhr 50 Min. cintrifft. Der Zug legt also die gewaltige Strecke von München nach Leipzig in 8 Stunden 20 Minuten zurück. Da mit ist ein Rekord gegen die preußischen Schnellzüge aus der Sachsen umgehenden Linie über Thüringen nach München ge schaffen, den diese sobald nicht brechen wird. — Aue, 13. Februar. D'e umfangreichen Sparkaffen- geldcr-Unterschlagungen de« einstigen Sparkaffenvcrwalier« und Vorsteher« de« hiesigen Sparverein», Flaschenbierhäm ler« Julius Max Schmidt, kamen heute vor der Strafkammer II ce« Zwickauer Landgericht« zur Aburtheilung. Schmidt war seit 1884 Vorsteher und Kaffenverwalter de« Sparverein» und genoß al« solcher da» unbeschränkte Vertrauen der VereinSverwaUung wie sämmtlicher Mitglieder. Am 8. Dezember vorigen Jahre hat er sich plötzlich der Königl. Staatsanwaltschaft Zwickau ge stellt, da andern Tag» die Au-zahlung der Verein»gelder erfolgen sollte und daher seine großen Unterschlagungen entdeckt worden wären. Schmidt hatte die von den Verein-Mitgliedern, deren Zahl etwa 1500 beträgt, an die Kassirer gezahlten Beträge in Empfang zu nehmen und war verpflichtet, diese Gelder monallich bei der hiesigen Sparkaffe zinsbar anzulegcn. Er hat nun fort gesetzt seit etwa 10 Jahren sich an den ihm anvertraulen Sum men vergriffen, sodaß die Unterschlagungen im Ganzen 17,347,«5 Mark betrugen. Diese Unterschlagungen suchte er dadurch zu verschleiern, daß er geringere Beträge in die Sparkasse einlegte und die von ihm gefertigten Kaffenabschlüffe falsch aufnellte und »orlegte. Bei der Verhaftung de« Angeklagten fand man im Geldschrank noch 33,303,1, Mark baar und ein Sparkassenbuch über l291,i, Mark vor. Der Angeklagte gestand unumwunden »in und begründete seine unredliche Handlungsweise mit schlech tem Geschäftsgang und hohen Erfordernissen der Familie. Da» Urlheil lautete auf 3 Jahre 6 Monate Gesängniß und 3jährigen Ehrenrecht-vcrlust. — Auerbach, 14. Februar. Da die Möglichkeit au»ge- schlossen erscheint, daß Bürgermeister Kretzschmar und der jüngst zum Bizebürgermeisler gewählte Stavtrath Petzoldt, der erbittertste Feind de» Erstgenannten, zum Wohle der Sladt miteinander arbeiten würden, hatte am Dienstag auch der Krei»- aulschuß der Königlichen Krei»hauptmannschast Zwickau Gelegen heit, sich mit der unerquicklichen Angelegenheit zu beschäsligen. E» wurde auf Antrag de» Referenten, Herrn Oberregierung-rath l>r. Ahrer, beschlossen, dem neuen Bizebürgermeisler Sladiralh Petzoldt die Bestätigung zu versagen. — Zu einer großen Winter-Uebung sollen Ende diese» Monat» di» Truppen de« 12. (1. kgl. sächs.) Armeekorp» zusammengezogen »erden. Auf welche Gegend sich die Uebung erstrecken wird, ist noch nicht bekannt, doch dürste Kamenz wieder davon berührt werden, denn bezüglich der Gewährung enger Quartiere feiten» der Bewohner soll bereit» Nachricht dort ein- gegangen sein. — Au» de« Erzgebirge, 13. Februar. Au» der böhmischen Grenzstadt Bärringen wird berichtet, daß daselbst viele Personen am Typhus erkrankt und auch einige an dieser Krankheit schon gestorben sind. Per Sänger des „Gaudeamus". Zum 7ö. Geburtstage Victor v. Scheffel« geb. am I« Februar ISA,.) Von ltr. Peter Orth. Wer kennt ihn nicht, den Dichter de» .Ekkehard", den lebensfrohen Gänger de« „Gaudeamus", den Major«sohn Joseph Victor v. Schrffel I In den höchsten wie in den tiefer» Schich ten kennt man da» schöne Liedlein, dessen R-frain lautet: „Behüt Dich Gott! Es wär so schön gewesen! „Behüt Dich Gott! ES hat nicht sollen sein!" und so erinnern wir uns auch heule gerne seiner, der un« so viel Schöne» au» seiner Feder hinterlassen hall Joseph Victor v. Scheffel wurde in Karlsruhe geboren, wo sein Valer, wie schon erwähnt, die Charge eine« Major» und Oderbaurath» b> kleidete. Er ftudirte von 1843 bi» 1847 in Heidelberg, München und Berlin RechlSwiffenschast, wie auch germanische Philologie und Litte:atur, bestand die juristische StaatSp-üsung und promo- virte zum Doktor der Rechte. Im Jahre 1848 nahm er einen kürzeren Aufenthalt in Frankfurt und begleitete im Sommer desselben Jahre« den Reichekommissar Weicker al» Sekretär aus der Reise nach Skandinavien; aber eine diplomatische Stellung vermochte ihm bei der Lage der Dinge au» dieser Verwendung nicht zu erwachsen, selbst wenn er auch mehr Neigung zum staats männischen Berufe in sich getragen hätte. So hielt er sich denn den Vorkommnissen der Tagesgeschäfte gegenüber in freier Unabhängigkeit. In dieser P-riove entstanden bei ihm alle jene humoristischen Lieder, die jetzt die Gesangswonne der akademischen Jugend abgcben, obgleich sie ursprünglich nur für einen kleinen abgeschloffenen Kreis am Neckar bestimmt waren. Nachdem mit dem Einmärsche der Preußen da» badische SlaalSgesüge sich von Neuem geordnet hatte, arbeitete Scheffel bei mehreren großherzoglichen Armtern 1850 bi» 1851 al» de- soldeler RechtSpraklikant in Säckmgen, 1852 im Sekretariat de» Hosgericht« zu Brucksal. In Säckmgen war allmählich inmitten dir Hauensteinschen Tannenpracht der Keim zum »Trompeter von Säckmgen" entstanden. Ebe indessen da» leben-frische Gedicht an'» Licht kam, machte Scheffll noch eine längere Reise durch Italien. Hcimgekehrt ward er zwar noch zum Referendar er nannt, entsagte jedoch bald gänzlich der juristischen Laufbahn. Jetzt bereitete er sich für da» akademische Lehramt vor und nahm in dieser Ansicht wieder längeren Aufenthalt in Heidelberg; doch wurden seine Studien mehrfach durch Augenleiden unter brochen, auch trieb e« ibn stet» von Neuem in die bcrgwaldige Feine und fast in die Welt hinan». Zunächst schlug er sein Zelt am Bodensee aus: im Kloster von St. Gallen studirte er fl iß>g die alten Chivniken und aus dem Hohentwiel bei dem Dorf« Singen träumte er seinen .Ekkehard" zurecht. Nach Ver öffentlichung diese« köstlichen, geistlichen Roman« bereiste er da» füoliche Frankreich und ging abermals nach Italien. Nach Jahr und Tag von der Tiber und den Lagunen Ve nedig» heimkehrend, ließ er sich in 'München nieder, wo er den Winter von 1856 und 1857 litterarisch tdäiig war und sich der Drchtergesellschast zum „Krokodil" anschloß. Ende 1857 folgte er einem ehrenvollen Rufe nach Donaueschingen, wo ihn der Fürst Egon v. Fürftenbeig mit der Ordnung und Geschäfts führung seiner großen Bibliothek betraute. Besuche bei dem Freiherrn v. Laßderg zu Meersburg, dem treuen Hüter alter, deutscher Dichtung, sowie auf Schloß Banth mit der ehemals berühmten Benediktiner-Abtei schließen sich weiter an Len Aufent- valt im Schwarzwalde. Den Herbst 1863 verlebte Schrfs.l in Oberbohern und machte mit dem Humoristen Ludwig Steub den gemrinschalilirhen Zug durchs bayerische G-birge. Späterhin sand er Gelegenheit al« freundlich geladener Gast auf der Wartburg die Poesie de« Mittelälter« in ihrem innersten Wesen zu erfassen. Der kunstsinnige Großherzog Karl Alrxancer von Sachsen- Weimar-Eisenach ernannte ihn 1865 zum Hvfralh. Seit 1859 batte Srtnffel, da sein GesundbeiiSzustand ihm anhaltende, strenge Arbeit nicht gestattete, keine öffentliche Stellung inne und lebte er, mit litterarischei Arbeiten beschäftigt, in Karlsruhe oder Heidel berg, bi« er 1872 in Radolfzell am untern Botensee sich ein H-rmwesen gründete, in welchem er ganz den Musen zu leben gedachte. 1875 ernannte ihn die Stadt Säckingen zu ihrem Ehrenbürger und gelegentlich seine« 50. Geburtstage«, den 16. Februar 1876, erhob ihn der Großherzog von Baten in den Adelsstand. Gan, Deutschland aber feierte diesen Geburtstag Sch ff ,'« wie ein Nationalfest, namentlich die akademische Jugend, der er so viele köstlich humorvolle und .süffige" Lieder gewid met hatte. Der Dichter zählte jetzt zu den Berühmtheiten de» deutschen Parnaß und seine Welke waren in aller Händen, in aller Munde und in vielen tausend deutschen Herzen heimisch geworden. Sowohl die rein epische Dichtung al» auch der Roman ließen in Schrffel einen durch erfrischende Originalität, die prächtigste Lebendigkeit und einen siltenen Humor ausgezeichneten Dichter erkennen, dem noch dazu au« der Fülle innerer Anschau ung und lebendig gewcrcener Studien die reichsten Farben für Schilderung verschiedener Zeilen und Zustände zu Gebote standen. Durch seinen .Gaudeamu»", .Lieder au» dem Engern und Werteren", die im Jahre >867 in Stuttgart erschienen und in nicht ganz 19 Jahren, 1876 die neunundsünfzigste Auflage er lebten, winde Schrffel der Liebling aller deutschen Studenten. Von dieser Zeit ad verging und vergeht kein studentischer Kneip abend, da nicht zwei oder drei seiner Lieder gesungen wurden und werden. Die Mehrzahl der im „Gaudeamus" gedruckten Gedichte, die um ihrer grlstreichen Frische und ihre« keck studentischen Tone» willen, diesen immensen Beifall fanden, entstand in Heidelberg. Im Jahre 1883 erschienen in Stuttgart „Frau Avcntiure" und „Junipcru«". In diesen Welken überwogen die zum Erwki» gründlicher Studien dienenden Einzelzüge zwar nicht die warme DarstrllungSkraft, aber sie nahmen diesen Dichtungen doch den Zauber der vollen Unmstlelbaikett. Beide waren gleich sam die Splitter eine» geplanten großen historischen Rowan«, cer die Entstehung de« Nibelungenliede« und den Sängerkrieg auf der Wartburg schildern sollte, aber — wir sagen: leider! — unau»gesührt blieb. Unter den übrigen Dichtungen Scheffel« dürsten die.Berg psalmen" vom Jahre 1870, die weilau» bekanntesten und wohl auch populärsten sein. Da« letzte Werk, welche» vor seinem, am 9. April 1886 er folgten Tode erschien, war der .Hugideo". Ein« alte Geschichte, welche zu Stuttgart im Jahre 1884 «schien und im Jahre 1893 ihr, siebente Auflage erlebte. Der große Krieg»maler Anton ». Werner war e«, der zu den meisten, die Illustration gewisser maßen provozirenden Werken Scheffel«, die Bilder lieferte. So fiöhlich Sch.ffel al» Dichter in» Leben trat, so »er bittert zog er sich in den letzten Jahren au« ihm zurück. Aast weltscheu geworden, »erbrachte der Berühmte seine« Lebenlabenb aus seiner Besitzung bei Radolfzell. Peinliche Leben»erfahrunge» batten die Reizbaikeit de» ursprünglich so heiter veranlagt,« Manne» gesteigert un» er sucht, die Einsamkeit. Scheffel'« Todteltag war «in Trauert»- für ganz Deutsch land. Heidelberg, da» er so sehr geliebt und gefeiert hatte, »ar die erste Stadt, di« ihm ein Standbild errichtete im Jahr« 189L Dann folgte 1892 Karlsruhe mit einer Meifterbüste. Scheffel hält« älter al« 60 Jahre werden können, aber — behüt' ihn Goll! S» hat nicht sollen sein! Pie Wahrheit. Eine Episode eeu« Zar Alexander lt. Leden. Bon Han» Wanderseld. E» ist bekannt, daß der auf so tragische Weise um» Leben gekommene Zar Alexander II. ein Freund der Wahrheit war. Niemand, der e» gewagt hätte, seinem Herrn mit einer Lüge aufzuwarten, vorausgesetzt natürlich, daß die al« solche offenbar wurde, konnte auch nur die geringste Gunstbezeugung von ihm erhoffen. Leider wurde gerade sein guter Charakter von so viele» Hohen und Niederen seine« unermeßlichen Reiche» al« Spielball für Lug und Trug au»ersehen, und man erzählt sich, daß der Herrscher oftmal« weinte, wenn er dessen inne geworden. .Gräfin," sagte eine« Tage« der Kaiser zu einer bekannte« von ihm verehrten Hofdame, .warum lügen die Menschen nur immer?" „Majestät," entgegnete die schlagfertige Dame, .weil die Menschen auch immer belogen wurden oder wenigsten« in diese« W-Hne leben." .Hm", räusperte sich der Zar, .da» kann ich so schnell gar nicht fassen! Sie meinen also, Gräfin, wenn ich von meinem Standpunkt au» uriheile, ich belüge die Menschen ober sie wähnen, von mir belogen zu werden, und darum belügen sie auch mich immer und in allen Dingen?" „So ist e», Majestät!" „Hm, dann haben Sie mich jetzt wohl auch belogen, um vitür«?" lächelte der Kaiser. „O nein," replizirle die Gräfin kokett, „Sie fragten mich um meine Meinung und ich sagte sie; ich bin keine Philosophin und verstehe e» nicht, Dinge zu umschreiben. E» könnte also höchsten» sein, daß meine Meinung eine falsche fei; von einer Lüge aber darf man hier wohl gar nicht reden!" »Richtig, sehr richtig, Gräfin," gab der Monarch zu. „Neh men wir also an, Ihre Meinung wäre die richtige Auffassung der Sachlage. Nun aber möchte ich noch wissen, ob Sie immer in Ihrem Leben die Wahrheit sagten und sagen, oder ob auch Sie, meine Liebe, der Lüge ergeben sind!" .Majestät," erwiderte zögernd die Gräfin, „ganz frei kann und will ich mich nicht sprechen. Ich glaube ja, ich habe auch schon gelogen, aber Majestät, nicht, wo e» sich um wichtige Dinge handelte. Ich darf »orau»setzen. Sie werden ungefähr wissen, um weiche oder bester um wa« für Fälle c» sich da gehandelt haben dürste." ,Hm," begann nach kurzem Stillschweigen der Kaiser, der weil er mit seinem funkelnden Auge die Dame vor sich gleichsam durchbohrte, „ich glaube, solche Fälle zu kennen, in denen alle Weiber lügen, Alle! Doch eine Frage de» Gewissen»: Sie haben Interests für meinen Arjutanten Fürsten K.?" „Majestät, hier lüge ich nicht, ja!" gab die Gräfin kurz zurück. „Gut, da» lob ich mir, Gräfin! doch weiter: haben Sie, s» lange Sie den Fürsten kennen, ihn noch nie belogen?" „Noch nie, Majestät!" .Auch gut, Gräfin! Und weiter: würden oder werden Sie ihn nie belügen?" „Nein, Majestät!" Ein laute« Auflachcn de« Zaren gab der Gräfin zu erkennen, daß er wieder einmal in seiner besten Laune war. Er schritt einem offenen Fenster zu, durch da« ein blühen der Rosenstrauch einen Ast steckte, pflückte eine der Blüihen, reichte sie der Dame und flüsterte ihr in« Ohr: „Wir werden sehen, ob Sie nicht auch mich belogen!" Die Gräfin zupfte einige Blüthenblätter au» der Rose, warf sie vor de» Kaiser« Antlitz und rauschte durch eine Scilenlhür ihren Gemächern zu. „O, sie lügen ja Alle, Weiber, wie Männer, im heiligen Rußland", stöhnte der Zar, „und wenn sie nicht lügt, diese be zaubernde Gräfin, dann soll sie die Erste sein in meinem Leben, von der ich die Wahrheit erfahre!" . . . Mit sichtlichem V-rgnügen beobachtete der Kaffer da» zarte Verhättniß zwischen der Hofdame und seinem Arjutanten; sie schien ihm der Edelsten eine, er war ein Kavalier vom Scheitel bi» zur Zehe. Auch Rußland war in die tolle Zeit der Markenbälle ge kommen. Und wenn alle Welt auf dem Kopse steht, ist e« auch den Großen der Erde nicht gegeben, abseil» zu stehen. Der Hof rüstete sich zu seinem ersten Maskenball. Man wußte nicht recht, ob der Zar sich selbst daran bethet- ligen werde; denn daß dieser Umstand von Bedeutung für eia solche» Fest ist, dürfte klar fein. Auf einmal raunte sich die Gesellschaft zu: der Zar wird kommen! . . . Tausende Lichter erstrahlten im Saal, die Musik schmetterte ihre heitersten Weisen durch den festlich geschmückten Raum, al« die Marken ihre prachtvollen Kostüme zur Geltung brachten. E» ist ein tolle» Leben aus einem Markenball am russischen Hose . . . jetzt soll e« ja ander« lein! Aber damals war e» eben so! In einer lauschigen Nische saß auf rosasammtenem Divan eine reizende Nixe, ein Gla» duftende Bowle vor sich aus dem Marmortischchen. Sie schien schrecklich lange Welle zu haben. Mit einem Male flogen die Thürflügel weit auf, die Natio nalhymne wurde intontrt, Hurrah rief die Gesellschaft, und im Kreiie von einigen Dutzend allerliebst gekleideten Elsen erschien der Zar, di« Zarin und einige» Gefolge, Damen und Herren. Alle« maskirt, Niemand war zu erkennen, doch die Gesell schaft glaubte, den Kaiser sofort zu erkennen, war er doch und seine Gemahlin von dem Elfcnreigen umgeben. Ein Zeichen, und der Trubel nahm seinen Laus. Au« dem Gro» der Beglettung de» Majestäten-Paare« stahl sich indessen ein „Ritter" und schritt spornstreich« auf jene lauschige Nische zu. Da» Nixche« schie« Leben und Bewegung bekommen zu habe«. „Wartest Du schon lange?" sprach er. „Ich bin noch garnicht unter den Marken gewesen", sprach sie. .Der Zar konnte sich garnicht entschließen, zu kommen; daher die Verzögerung," sprach er weiter. „Weißt Du, wa« er mir beim Sehen in« Ohr ries?"
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