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Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk des Amtsgerichts Eibenstock und dessen Umgebung : 31.05.1906
- Erscheinungsdatum
- 1906-05-31
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id426614763-190605319
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id426614763-19060531
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-426614763-19060531
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungAmts- und Anzeigeblatt für den Bezirk des Amtsgerichts ...
- Jahr1906
- Monat1906-05
- Tag1906-05-31
- Monat1906-05
- Jahr1906
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— Dresden. Der Lederarbeiter Mar Dittrich ge stand ein, am 12. August IE in der Jungsernhaide die 8jährige Elisabeth Baake und iin Sommer 1004 im Grüne wald die Krankenpflegerin Helene Schweigel ermordet zu haben. In beiden Fällen liegt Lustmord vor. — Das Oberlandesgericht zu Dresden verhandelte am Montag in dem Prozeß der angeblichen Unterschlagung des großen Loses gegen die Mitspielerin an demselben, die entmündigte ledige Elisabeth Müller, als Berufungsinstanz und bestätigte das vom Landgericht Dresden erstinstanzlich gefällte Urteil, nach welchem die Müller die alleinige Gewinnerin des Anteils an dem großen Lose ist und die Kläger mit ihrem Anspruch an den Teil des Gewinnes abgewiesen werden, weil sie nicht regelmäßig ihre Ouoten für die Lose bezahlt haben. Einer der Mitspielerinnen ist von deni Vormund der entmündigten Gewinnerin aus Billigkcitsgründen die Summe von 5600 Mark bereits ausgezahlt worden. Die gleiche Summe sollte vor Beginn des Prozesses auch an die übrigen Teilnehmer ausgezahll werden. Sie gaben sich aber damit nicht zufrieden. Nach dem letztinstanzlichen Urteil gehen sie nunmehr ganz leer aus. - Dresden. Am 25. dieses Monats und folgende Tage hat eine abermalige Auslosung Königlich Sächsischer Staatspapiere stattgefunden, von welcher die auf 3'I'o herabgesetzten, vormals 4", Stautsschulden- Kassenscheine von den Jahren 1852 55 585'4 62 66 und 68, 3*2°» dergleichen vom Jahre 1867 und die durch Abstempelung in 3und 4 " „ Staalspapiere umgewandelten Löbau-Zittauer Eisenbahnaktien Int. 4t. und 8. ingleichen die den 1. Dezember 1'306 zurückzuzahlenden, auf den Staat übernommenen ll',",, Partialobligationen von den Jahren 18334l her Leipzig-Dresdner Eisenbahn-Companie betroffen worden sind. Die Inhaber ter genannten Staatspapiere werden hier auf noch besonders mit dem Hinzufügen aufmerksam gemacht, daß die Listen der gezogenen Nummern in der „Leipziger Zeitung", dem „Dresdner Journal" und dem „Dresdner An zeiger" veröffentlicht, auch bei sämtlichen Bezirkssteuereinnahmen, sowie bei allen Stadträten, Bürgermeistern und Gemeinde vorständen des Landes zu jedermanns Einsicht ausgelegt werden. — Falken stein, 28. Mai. Heute früh wurden, wie dem „Vogtl. Anz." mitgeteilt wird, aus Ellefelder Flur die Leichen der etwa 28jährigen Ehefrau des Handarbeiters Dressel aus Beerheide und ihres dreijährigen Kindes aufge funden. Die Leichen wurden auf Veranlassung der Polizei nach der Leichenhalle gebracht. Wie aus einem am Tat orte aufgefundenen Briefe hervorgeht, hat die Frau wegen ehelicher Zwistigkeiten das Kind getötet und an sich Selbst mord begangen. — Falken st ein. Nachdem die Regierung durch eine Deputation eine Besichtigung des Talsverrengebietes und den Fortgang der Arbeiten besichtigt hat, wird der Haupt trupp der Arbeitskräfte zum Bau der gewaltigen Sperrmauer verwendet. Die Fundamentierungsarbeiten hierzu sind beendet und geht man an die Hochführung der Mauer, die in diesem Jahre bis zur Hälfte sertiggestellt werden soll. Leider klagt die Bauleitung über Arbeitermangel, sie hat dieses Jahr nur etwa 200 Arbeitskräfte zur Verfügung, während voriges Jahr gegen 800 Personen am Bau beschäftigt waren. — Johanngeorgenstadt, 26. Mai. Eine sehr nachahmungswerte Einrichtung hat die Stadtvertretung von Neudeck zum Schutze der heimischen Vogelwelt getroffen, nämlich eine Steuer für jeden im Käsig gefangen gehaltenen Singvogel von jährlich 50 Hellern. Damit wird den Vogelstellern ihr Handwerk so gut wie gelegt. Auch hier nimmt die Zahl der Singvögel von Jahr zu Jahr ab. — I o h a n n g e o r g e n st ad t, 28. Mai. Am Sonnabend erfolgte hier die Verhaftung des im Rufe eines Wucherers stehenden Kaufmanns August Elsner von hier, der neuer dings wieder im Verdacht steht, verschiedene Wechsel gefälscht und mehrere hiesige und auswärtige Personen betrogen zu haben. Elsner ist wegen Wuchers vor längerer Zeit schon mit einer größeren Freiheitsstrafe belegt worden. — Bockau i. E., 28. Mai. Die Volkskunde zu pflegen, betrachtet auch der Erzgebirgsverein als wichtige Ausgabe. Bei der Jubiläumsfeier des hiesigen Erzgebirgs- ZweigvereinS wurden daher auch prächtige volkskundliche Szenen vorgeführt. In einer Laborationsstube aus alter Zeit sah mau, wie der Schneeberger Schnupftabak und ver schiedene Eliriere bereitet wurden: Frauen zeigten das Flechten der Angelicawurzel; eine Familie führte die Herstellung der Spankörbe vor; Mädchen spannen und klöppelten in der Rockenstube und sangen dabei die erzgebirgischen Lieder von Anton Günther; Waldarbeiter ließen einen Blick in ihr Leben und Treiben tun. Die Vorführungen erregten das lebhafteste Interesse, besonders der auswärtigen Teilnehmer an dem Feste und fanden daher den lebhaftesten Beifall. — Der mächtige Feuerball der Sonne steigt höher und höher an unserem Himmel empor und spendet uns seine be lebende Wärme von Tag zu Tag in reichlicherem Blaße. Am l. Juni steht unser Tagesgestnn 22 Grad nördlich vom Aeguator, am 22. Juni erreicht es seinen sommerlichen Wende punkt und befindet sich dann 23' Grad nördlich vom Aegua tor. Dann tritt die Sonne in das Zeichen des Krebses, wo durch sinnbildlich der Beginn ihrer Rückwärtsbewegung an gezeigt wird. Damit fängt für die nördliche Hälfte unserer Erdkugel der astronomische Sommer an, währenddessen unser Zemralgestirn die Tierkreiszeichen Krebs, Löwe und Jungfrau durchläuft. Am 1. Juni steigt die Sonne bis zu 60 Grad am Himmel empor: sie geht um 4 Uhr auf und um 8'/, Uhr unter. Am längsten Tage erreicht das Tagesgestirn am Mittage eine Höhe von 61 Grad, sein Aufgang erfolgt be reits vor 4 Uhr, sein Untergang erst gegen 8'/, Uhr. 'Nur 7'2 Stunden dauert dann die Nacht, und da der Sonnen ball nur 14 Grad unter unseren Horizont hinabsinkt, so er leuchten seine Strahlen die ganze Nacht hindurch die obersten Schichten unserer Atmosphäre, die trotz ihrer geringen Dichte noch genügend Sonnenlicht reflektieren, um eine wirkliche Dunkelheit nicht eintreren zu lassen. Nur 200 Meilen brau chen wir nach Norden zu reisen, um an diesem Tage die Sonne einen vollen Kreis beschreiben zu sehen, um selbst um Mitternacht das Tagesgestirn, wenn auch tief am Horizonte, zu erblicken. Bis zum Ende des Monats ändert sich dann die Zeit des Sonnenuntergangs nur ganz unbedeutend. Der Aufgang des Gestirns aber verzögert sich allmählich: an ihm kann man erkennen, daß unsere Licht- und Lebcnspenderin sich von unseren Breiten zurückzuziehen beginnt, langsam zu nächst, sehr langsam, etwa eine halbe Minute täglich, aber sicher. Theater i« Eibenstock. Mittwoch den ZO. Mai absolviert der besten- bekannte Herzog!, sächs. Hofschauspieler Rudolf Portal ein einmalige- Gastspiel. Es ist vielleicht nicht uninteressant zu hören, wie sich der bekannte Kunstschriflüeller vr. Rößner über Herrn Portal äußert: „Für die gestrige Aufführung d«S „Erb- förster" hatte die Direktion einen Gast berufen, einen Gast, der wie wenige dazu berufen ist, die Idee komplizierter Charaktere zu verkörpern: den Herzog!, sächs. Hofschauspieler Rudolf Portal. Die Technik de- Spiel- beherrscht Portal virtuos, wie sich die- für den Künstler eben schickt. WaS er aber vor vielen der letzteren Vorau- hat, ist das Genie, sich völlig in den Dienst der Dichtung zu stellen. Viele Berühmte (und noch mehr berüchtigte) legen sich die Figuren des Dichters für ihre eigene Persönlichkeit zurecht und fügen hinzu und nehmen weg, bis ihnen die Rolle paßt; Rudolf Portal indes schlüpft in das Dichterbild hinein und ist wirklich das, WaS er spielt. Und das gestrige Publikum war für die Leistung wirklich dankbar und zitierte den Künstler durch lebhaften Beifall immer und immer wieder vor die Rampen etc. etc." — ES steht uns also ein hochinteressantes Gastspiel bevor. Der rührigen Direktion wünschen wir ein volles Haus. Zwei Baare. Roman von C. Köhler. (9. Fortsetzung.) In den letztverflossenen Monaten hatte sie sich inniger an Alice geschlossen, nicht zu ihrem Schaden — und dabei entdeckt, welch' unversiegbaren Born von Milde und Herzens güte das alternde Fräulein in sich barg. Allee hatte ibr die Geschichte ihrer Liebe erzählen müssen. Sie war so einfach und doch so rührend. Der arme Student, das arme adlige Fräulein, sie beide hatten nichts als ihre Liebe. Alice hatte frühzeitig ihre Eltern verloren, sie aß das bittere Gnadenbrot bei Verwandten, und obwohl sie sich nach Möglichkeit nützlich zu machen suchte, so war sie doch immer nur eine Geduldete. Als ihre Liebe zu Hochfcld entdeckt wurde, gab es einen furchtbaren Sturm; die ganze Ver wandtschaft empörte sich gegen das arme Mädchen. Nun hatte man endlich einen Vorwand gefunden, sich ihrer zu entledigen. Alice mußte die Stadt, die Gegend verlassen, man schickte sie unter fremde Leute, sich dort ihr Brot zu ver dienen. Sie ging als Gesellschafterin ins Ausland, doch be vor sie schied, gab sie Hochfeld sein Wort zurück. So halten sie sich getrennt — -hoffnungslos, mutlos, ohne 'Aussicht auf ein Wiedersehen. „Nun habt ihr euch aber doch wiedergeschen!" rief Dora, als Alice ihre Erzählung geendet hatte. — „Ja, Kind, das wohl — aber mit ergrautem Haar, mit erkaltetem Herzen," meinte das Fräulein wehmütig: „er hat es weit gebracht, er ist ein angesehener Mann geworden, aber ich bin dieselbe geblieben -- überall nur eine Geduldete." „Sprich nicht so, Tante Alice!" rief Dora eifrig. „Was täten wir denn, wenn wir dich nicht hätten!" „Kein Mensch ist unersetzlich," bemerkte Alice sanft, „auch hier wäre ich zu entbehren." „Du am allerwenigsten! Was würde Mama ohne dich beginnen?" Das nagte Dora sich auch jetzt, als sie in die knospende, werdende Frühlingsschönheit hinausblickte. In ihrem Köpfchen hatte sich längst der Gedanke festgesetzt, Professor Hochfeld müsse 'Alice doch noch zur Frau nehmen. Dora hatte sich auf das Beobachten verlegt und heraus gefunden, daß Alice ebenso wie der Prozessor einander jetzt viel weniger unbefangen begegneten, als bei dem ersten Wiedersehen. Wenn es möglich wäre, wenn die beiden sich noch fanden — wie hübsch wäre das! In diesem Augenblick wurde die Tür heftig aufgerissen und Frau von Rosen stürzte in das Zimmer. Sie sah sehr rot, sehr erregt aus. ,,D"nk' dir nur, Tora," rief sie, erschöpft in den nächsten Stuhl fallend, „Alice geht fort von uns, sie will heiraten!" „Den Professor, Mama — den Professor Hochfeld?" „Ja, woher weißt du das? Uebrigens ist er Kolonial rat geworden." „Wie mich das freut um Tante Alices willen," sagte das junge Mädchen. „So — du bist vielleicht mit im Bunde," bemerkte Frau von Rosen scharf; „denkst du dabei gar nicht an mich? Was soll ich ohne Alice anfangen?" „Es wird schon gehen. Wir sollten froh sein, daß der Armen endlich ein Blümchen der Freude blüht. — Um Himmelswillen, Mama, du wirst ihr doch nicht etwa Vor würfe gemacht haben?" „Gewiß! Ich habe auch das Recht dazu. Eine so alte Person wie Alice braucht nicht mehr zu heiraten. O, meine Nerven, diese 'Aufregung tötet mich!" Dora trat ihr init brennenden Wangen näher. „Du bist sehr ungerecht, Mama," sagte sie init zitternder Stimme; „wie hast du Alice so verletzen können?" Frau von Rosen öffnete müde ihre Augen. „Verletzen?" fragte sie, „ich habe ihr nur die Wahrheit gesagt. — Wenn jemand verletzt sein könnte, dann bin ich es — mein Himmel, wenn ich bedenke, was mir bevorsteht diese Unruhe, dieses Hasten und Treiben, ehe man wieder jemand gefunden hat. Das macht mich noch kränker, das bringt mich ins Grab!" „Aber Mama, wozu diese Sorgen?, Ich verstehe jetzt doch auch etwas vom Haushalt und . ." „Das selilte noch," unterbrach sie Frau von Rosen, „willst du etwa die Wirtschafterin spielen? Das werde ich nun und nimmer zugeben!" „Mein Gott, wer spricht denn davon," suchte Dora sie zu beruhigen; „ich meinte nur, ich verstehe doch jetzt genug, i um nicht alles fremden Leuten zu überlassen. Sieh' nur nicht ! alles gleich von der schlimmsten Seite an, Mama." Die Dame seufzte. „Wer wird mir nun meine kleinen Putzgegenstände anfertigen?" fragte sie kläglich; „du verstehst nichts davon und eine Gesellschafterin wird Fritz nicht in das Haus nehmen wollen." Sie erhob sich langsam. „Ich glaube, ich bin ein wenig heftig gegen Alice gewesen," sagte sie etwas unsicher, „ich möchte ihr doch sagen, daß ich es nicht so übel gemeint habe." „Komm, Mama, wir gehen beide zu ihr." Sie fanden Alice in ihrem Zimmer, sie hatte verweinte Augen und sah gedrückt aus. Dora eilte auf sie zu und schloß sie in ihre Arme, ihr einen leisen, innigen Glückwunsch ins Ohr flüsternd. „Mama will dir auch Glück wünschen," sagte sie dann laut, „ich glaube, sie hat es vor Ueberraschung vergessen." Frau von Rosen zauderte eine Weile, dann kam sie näher und drückte Alice die Hand. „Ich bin kränklich," meinte sie entschuldigend, „und dein Entschluß hat mich wirklich ein wenig außer Fassung gebracht. Ich wünsche dir alles Gute! Welch ein großes Glück hast du noch zuletzt gemacht!" Fritz an vair empfiehlt und aber sterbe', n sehen las Lor R-e welcher > 8tielrei' gut beka epochaler unter „d Wertin Die Kufekes Ki> versetzte M ausgesetzt Muttermil, soll sich Ein Prc hält, füt den Hül Hennen ihren Si bewundc wundere wenn sie Professor zeitig ein latsächlic Der Dirc Helm" a erscheint schüchtert auf das blatt" werden ii Austräge ämtern r nommen Die ^LL NI gibt, nur gerührt Dasselbe Gefahre» Erfahrui schreibt l gilt: bill I Berlin wegen F ungültig Bestimm lieh ist Testamei gesetzlich« werden Außer i ment ger die Abfa der gerii über der gültigkei Mahnutt bracht. Vermischte Nachrichten. — Ballenstädt. Der Direktor der Deutschen Bank, Kommerzienrat Koch, hat 10000 Mark für den Bau eines Rathauses gestiftet. W verschied« verkauft, den nied eines vcdinc trübe Schm Waffe üng,ii zeu. i Arm Chem Ehern »«», einer' Fürst« liehen sicher Als sich die Wogen der Erregung beruhigt batten, sprach Frau von Rosen davon, ein kleines Verlobungsfest zu geben, Alice lehnte jedoch ab. Fritz lud indes Onkel und Neffen zu einem Abendschmause im engsten Kreise ein und zuletzt ließ er sogar Sekt bringen. Auf das Wohl des Brautpaares wurde getrunken und Frau von Rosen war sehr fröhlich dabei. Hatte Fritz ihr doch ver sprochen, sich sofort nach einem Ersatz für Alice umzusehen. Am Ende der Mahlzeit überraschte Hochfeld seine Braut durch die Mitteilung, daß er den Edelhof käuflich an sich gebracht habe. Der Kolonialrat war jetzt ein täglicher Gast auf dem Rosenhof; da er stets voll zarter Aufmerksamkeiten gegen die Dame des Hauses war, setzte er sich immer mehr in ihrer Gunst fest. Auch auf den Neffen fiel ein Abglanz ihrer Huld; noch ließ sie nichts verlauten, aber im stillen erwog sie die Frage bei sich, ob es denn gar so schrecklich wäre, wenn ein Fräulein von Rosen eine Frau Bering werde. Dora war seit der Breslauer Reise weniger schroff ablehnend gegen den bürgerlichen Nachbar, er selbst zeigte durchaus kein Verlangen, ihr näher zu treten. Etwa vierzehn Tage nach Alices Verlobung reiste von Rosen nach Berlin. Ein alter Freund seines Vaters war gestorben und hatte Fritz zu seinem Erben eingesetzt. Es waren nur einige tausend Taler, aber das Geld kam sehr aelegen für Fritz. Als er am letzten Abend semes Aufenthalts durch die Straßen schlenderte, fiel ihm eine hochgewachsene Frauenge stalt auf, die in einem bescheidenen, dunkelen Anzuge vor ihm herschritt. Diese stolze und doch so anmutige Haltung hatte etwas bekanntes für ihn. Unwillkürlich beschleunigte er seine Schritte; noch ehe er sie erreichen konnte, wendete sie das Haupt. „Frau Marchesa!" rief Fritz überrascht. „Herr von Rosen, Sie hier in Berlin?" Sie bot ihm die Hand, die er ungeachtet ihres Wider strebens achtungsvoll an seine Lippen führte. Erst jetzt be merkte er, daß sie ungemein bleich und leidend aussah. „Seit wir uns zuletzt gesehen, habe ich viel gelitten," sprach sie gedrückt, „ich habe meinen Mann verlassen, und ..." Tränen erstickten ihre Stimme. Fritz schob ihren Arm rasch entschlossen unter den seinen. „Sie müssen mir alles sagen," bat er teilnahmsvoll; „ich bin Ihnen zu viel Dank schuldig, als daß ich dies vergessen könnte. Darf ich Sie nach Ihrer Wohnung geleiten?" Die Marchesa zögerte. Fritz rief eine Droschke an. „Sie müssen mir alles sagen," wendete er sich wieder die Marchesa, „so leicht bringen Sie mich nicht los." Sie stiegen ein und der Kutscher erhielt die Adresse eines Gasthofes in einem entlegenen Stadtteil. Hier angekommen, folgte Herr von Rosen der Marchesa nach einem sehr bescheidenen Zimmer im dritten Stockwerk. Sie bot ihm einen Sitz an. „Prunkvoll ist es hier nicht, doch bin ich nur auf der Durchreise hier." „Wohin wollen Sie?" Sie sah ihn einige Sekunden lang starr an, dann brach sie plötzlich in ein heftiges Weinen aus. „Weiß ich's denn selbst?" schluchzte sie, „ich bin eine Heimatlose, Verbannte." „Vertrauen Sie sich mir an," entgegnete Fritz herzlich, „ich will Ihnen raten und helfen, so viel in meinen Kräften steht." Die schöne Frau beugte tief das Haupt. „O, wenn Sie alles wüßten!" stöhnte sie. „Schmach, Schande, alles Ungemach habe ich erduldet. Wir verließen Breslau, um nach Wiesbaden zu gehen. Mein Mann hoffte dort gute Geschäfte zu machen. In der Tat gelang es ihin auch, heimlich einige Herren zum Spielklub zu vereinigen. Es wurde natürlich wie immer sehr hoch Hazard gespielt. Die Polizei war aber aufmerksam geworden, mit knapper Not gelang cs uns damals zu flüchten. Wir gingen nach Paris; Kolasinski wurde täglich roher gegen mich. Vergebens beschwor ich ihn, dieses elende Leben auszu geben, sich einer ehrlichen Beschäftigung zuzuwenden. Hohn, Spott, Mißhandlungen waren seine Antwort, und da floh ich!" Sie hielt inne und bedeckte ihr Gesicht mit beiden Händen. „Arme Frau!" flüsterte Fritz. Die Marchesa erhob den Kopf und sah ihn dankbar an. „Ich war nach Deutschland zurückgekehrt," erzählte sie weiter, „in der Hoffnung, daß ich dort vor seinen Verfolgungen am sichersten sei. Zwei Monate nach meiner Flucht las ich, daß Kolasinski in Straßburg als Falschspieler entlarvt und ge fänglich eingezogen wurde. Seitdem weiß ich nichts von ihni. Bisher hatte ich von dem Erlös meiner Schmuckstücke gelebt. Ich spreche geläufig mehrere Sprachen und bin auch in weiblichen Handarbeiten nicht ungewandt. Dennoch hält es schwer für mich, eine Stelle zu bekommen, ich besitze keine Empfehlungen. Ich habe mich nun nach Berlin gewendet, in der Hoffnung, hier etwas Passendes zu finden. Man hat mir eine Stelle als Gesellschafterin in Aussicht gestellt, die entscheidende Antwort soll ich mir morgen holen." Sie schwieg und blickte traurig vor sich nieder. Fritz hatte ihr teilnahmsvoll zugehört. „Warum schrieben Sie nicht an mich?" fragte er: „Sie wissen doch, daß ich Ihr Schuldner bin, das Geld liegt schon lange für Sie bereit!" „Dieses Geld ist nicht für mich bestimmt," versetzte Maria. „Ich besitze eine Tochter, Ada, ein süßes Geschöpf, das mein Glück, mein Alles ist. Mein Gatte hat diese Tochter nie geliebt, sie lebt in Thüringen bei einer Rektorsfamilie; sie steht jetzt in ihrem sechzehnten Lebensjahre und hat eine sorgfältige Ausbildung erhalten. Ich habe immer darauf gerechnet, daß Ada dereinst auf eigenen Füßen stehen muß. Ihre Pflegeeltern haben sie lieb und halten sie, als ob sie ihr eigen wäre. Aber beide sind schon alt und wenn sie eines Tages sterben, steht mein Kind heimatlos da. Für Ada sind auch die zweitausend Taler bestimmt, die ich Ihnen gab. Als Kolasinski die Erbschaft in Breslau erhob, bat ich ihn kniefällig, etwas davon unserem Kinde zukommen zu lassen. Ich werde diesen Notpfennig nie anrühren, lieber betteln gehen. — Nun wissen Sie alles, ich habe mein ganzes Herz vor Ihnen ausgeschüttet." (Fortsetzung folgt.)
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