V. Erläuterung zu den Hebungen. Vorstehende Uebungen sind die Frucht eines zweimonat lichen praktischen Unterrichts, den ich seinerzeit bei Friedrich Schmitt in Wien genoss. Den Keim, den ich dort, selber praktisch singend und dem Unterrichte anderer Stimmen bei wohnend, empfing, entwickelte ich dann weiter, selber Unter richt ertheilend. Man hat demnach hier zwar einen Schmitt’schen Gedanken vor sich, jedoch in der Form, die ich demselben, den praktischen Bedürfnissen der mir anvertrauten Stimmen folgend, ganz allmählich gegeben habe. Von diesem allmählichen Werdeprozess kann ich hier nur soviel verrathen, dass er haupt sächlich darin bestand, alles irgendwie für den Anfang Ent behrliche auszuscheiden, das Unentbehrliche aber in die aller knappste, gedrängteste Form zu bringen. Der Schüler soll für den Anfang vor Allem durch Nichts verwirrt werden, es muss ihm also ein Uebungsmaterial allereinfachster Art in die Hand gegeben werden, in dem vorderhand nur für das Nöthigste, Unentbehrliche gesorgt ist. Aus diesem Grunde soll der Anfänger auch zunächst nur praktisch studiren und theoretisch kaum wissen, dass er Stimmbänder, Zunge, Athem, Mund etc. hat. Ich würde diese extreme Ansicht nicht vertreten, wenn ich nicht hundertmal beobachtet hätte, dass die besten theoretischen Rathschläge vom Anfänger regel mässig missverstanden werden. Kann man ihn nicht rein praktisch auf die Sache hinführen, so ist überhaupt Hopfen und Malz verloren. Mir erscheint offengestanden Nichts lächerlicher, als vor Beginn des praktischen Singens ein theore tischer Vortrag über die Organe, mit denen gedachtes Singen ausgeführt wird. Dies ist nur eine Concession, dem wissenschaftlichen Wahne unserer Zeit gemacht. Ausserdem wird die Wissenschaft ebensowenig je den Gesang als solchen erklären können, wie das warme Leben selbst. Das sind eben Dinge, in denen alle Theorie grau bleibt und für die unser Verstand nun einmal nicht gemacht.