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Der sächsische Erzähler : 26.10.1928
- Erscheinungsdatum
- 1928-10-26
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1735715891-192810267
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1735715891-19281026
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1735715891-19281026
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungDer sächsische Erzähler
- Jahr1928
- Monat1928-10
- Tag1928-10-26
- Monat1928-10
- Jahr1928
- Titel
- Der sächsische Erzähler : 26.10.1928
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Sa- Tarisproblem der Reichsbahn. Bon FrelherrnvonLersner, norm. Präsident der Versailler Frtedensdelegation. Die Personen-Tariferhöhung der Reich, ahn srrdert naturgemäß wie alle Neuerungen Kritik heraus. Wc. n auch manche Mißstände noch zu rügen sind, kann man nicht umhin, anzuerkennen: die Reichsbahnverwaltung hat die Tariferhöhung möglichst schmerzlos und mit Geschick durch. Zunächst zwei Mängel. Die Neueinrichtung der bis- herigen 4. Klasse-Wagen ist unbequem und unzweckmäßig. E» sind häufig nicht genügend 2. Klasse-Wagen vorhanden. Hierdurch sind die Polsterklasse-Wagen stark überfüllt; dabei ist ft die Holzklasse wesentlich leere.-. Gar bald wird dann die Folge eintreten, daß das Polsterklasse reisende Publikum sich stark vermindern wird. Diese Mißstände dürften jedo.) mit Leichtigkeit zu beheben sein. Gs ist nicht zu leugnen, daß unser Vierklassensystem sich überlebt hatte. Die 1. Klasse war überflüssig geworden, da sie fast ausschließlich von den Parlamentariern benutzt wurde. Die 4. Klasse war fast genau so eingerichtet wie die 3. Klasse, seit man aus der ursprünglichen 4. Stehklasse eine Sitzklasse gemacht hatte. Hierdurch hat sich die Reichsbahn selbst eine scharfe Konkurrenz für die 3. Klasse geschaffen. Untersucht man nun zum Vergleich die Personentarife der einzelnen europäischen Länder, so kommt mau für die Holzklasse — und auf die kommt es in der Hauptsache an — zu folgenden Ergebnissen: Eine Reise von mittlerer Entfernung von 300 Kilo meter (etwa Berlin—Hamburg) kostet bei uns im Personen zuge (Holzklasse) 11,20 Mark. In England kostet die gleiche Reise nach deutschem Geld« 24 Mark, also mehr als das Doppelte. Die 300 Kilometer-Reise kostet in Norwegen 19,30 Mark, in der Schweiz 14,60 Mark, in Holland 12,60 Mark, in Italien 12,20 Mark. Billiger sind die Reisen in Frankreich, wo die gleiche Reise 9,90 Mark, in Oesterreich, wo sie 8 Mark, und in Belgien, wo sie 7,40 Mark kostet. Für Schnellzugsreisen verschiebt sich das Verhältnis zu ungunsten Deutschlands. Die obige Reise kostet dann bei uns 15,20 Mark, in England 24 Mark, in Norwegen 21,40 Mark, in der Schweiz 16,20 Mark, in Holland 14,20 Mark, in Italien 12,90 Mark, in Oesterreich 11 Mark, in Frank reich 9,90 Mark, in Belgien 7,40 Mark. — Man kann daher sagen, daß die deutschen Eisenbahn-Personentarife etwa der mittlere Durchschnitt aller europäischen Eisenbahntarife sind. In Anbetracht dessen, daß die Löhne bei uns den Durch schnitt der in Europa gezahlten Löhne übersteigen — beson ders wenn man die sozialen Lasten hinzurcchnet — darf man sagen, daß die Reichsbahnoerwaltung nicht zu teuer arbeitet und vom allgemeinen europäischen Standpunkt nus gesehen keine zu hohen Tarife im Personenverkehr fordert. Eine wesentlich andere Frage ist jedoch, ob die jetzigen Personen-Tarife nicht f ü r u n s c r V o l k zu hoch sind. Da wird man — auch als unparteiischer Ausländer — zu dem Ergebnis kommen, daß unsere Tarife für die Wirttz',asts- krmt des deutschen Volkes ganz wesentlich zu teuer sind. In dein Augenblick, wo man erkannte, daß unsere Reichsbahn, unsere Reichspost usw. bei den großen Lasten, unter denen sie seit Versailles und nach dem Dawes-Plan seufzen, ihren Haushalt nicht mehr valanzicren konnten, mußte die Reichsre icrung eine neue Lösung dieses Pro blems finden. Bei der Reichspost — und das war der An fang des Uebels, — ist der Weg der glatten Tariferhöhung, der Reichsbahn die Einführung des Zweiklassensystems und der Tariferhöhunq beschritten worden. Diese Lösungen waren für die einzelnen Ressorts das Gegebene. Für unser Neues aus aller Wett. Gin amerikanischer Tankdampfer mtt 48 Mann an Kord gesunken? Boston, 24. Oktober, hier wird befürchtet, daß der amerikanische Tankdmnpfer »David Lreed", der Samara« ans Java am 1. Ort. mit der Bestimmung Philadelphia verlasfen hat, während de» hefti gen Sturmwetter» am IS. d. RI. mit der ganzen Besatzung aus dem atlantischen Ozean gesunken ist. Vie Offiziere de» hier eiugetrosse- nen Dampfer» „Larnifar" erklären, am 14. Oktober seien an Bord d« „Larnifar" drahtlose Notsignale aufgefangeu worden, die vom Dampfer „David Lreed" stammten und besaite«, der Dampfer sei im Sinken begriffen. Der Dampfer „Larnifar" begab sich sofort an die in de« Notsignale« bezeichnele Stelle, konnte aber keine Spur de» Tankdampser» mehr finden. Dagegen war da» Meer in einem llmkrei» von mehreren Meilen mit Petroleum bedeckt. Dee „David Lreed" hatte 45 Personen an Bord. Gin deutsches Schiff bei Reggio di Calabria gestrandet. Rom, 24. Oktober. „Tribuna" meldet au» Reggio di Lalabria, daß gestern Nacht am Kap Sparsivento 150 Meter vom Ufer ein deutsche» Schiff, dessen Name nicht genannt wird, ausgelaufen sei, anscheinend, well e» die Signale de» Leuchtturme» übersehen habe. An Bord befänden sich 15ö Passagiere. Drei Schlepper hätten bereit, die Ilottmachung de» Schiffe» versucht. L» scheine aber nätlg, zunächst die Personen an Bord und auch die Ladung zu ent fernen, ehe die Abschleppversuche gelingen könnten. — Der falsche Polizeiiaspektor. Ein Stückchen, das in seiner Frechheit an den Hauptmann von Köpenick erinnert, hat sich neulich ein Gauner in Metz geleistet. Eine Frau aus Forbach, die mit ihren Kindern auf dem Metzer Bahn hof ausstieg, sah sich dort plötzlich von einem Polizeiinspek tor verhaftet, der ihr befahl, ihm aufs Kommissariat zu fol gen. Als die Frau sich weigerte, hielt der Inspektor ihr den Revolver vor und schleppte sie aufs Polizeirevier, wo er sie In Gegenwart eines Polizeikommissars verhörte. Der Kom missar indes hatte den Inspektor noch nie im Leben gesehen und forderte den Ausweis. Das brachte den „Vorgesetzten" in solche Wut, daß er mit einer Schere auf den Kommissar losging. Der aber fürchtete sich nicht, stürzte sich auf den Angreifer, überwältigte ihn und sperrte ihn ein. Cs stellte sich heraus, daß man es mit einem serbischen Bergarbeiter zu tun hatte, der in Lothringen beschäftigt war. Der falsch« Polizeiinspektor konnte gar nich begreifen, wie er zu seinem Streich gekommen war, und erklärte, er müsse ganz außer ordentlich betrunken gewesen sein. — Amanullah schafft „Europäer". Amanullahs Refor men in Afghanistan werden weiter in konsequenter Art durchgeführt. Als vor kurzem die 700 Abgeordneten des Volk sind sie sedoch eine sehr große Gefahr. Denn ebenso wie die Tariferhöhung bei der Reichspost bei allen Lohn- tarifverhandlungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitneh mern und ebenso bei der Beamtengehaltserhökung eine wesentliche Begründung für die erhöhten Gehalt- bzw. Lohnforderungen bildete, so wird wohl auch dl« Tarifer höhung der Reichsbahn bald Anlaß und Grund neuer Lohnforderungen werden. Die naturgemäße Folge erhöh ter Löhne ist bisher noch immer ein beträchtliches Steigen aller Durchschnittspreise gewesen. Hierdurch kann es zu .iner wesentlichen Entwertung unseres Geldes mit allen ihren unabsehbaren Folgen kommen. Auf diese, nichtnurfü.uns, sondern auch für in ; ganze Wirtschaftsleben Europas katastrophalen Folgen hätte die Reichsregierung in eindringlichster Weise unsere vor maligen Kriegsgegner und vor allem Herrn Parker Gilbert Hinweisen müssen. Wenn vertrauliche und diplomatisch« Vorstellungen nichts geholfen hätten oder haben, so wäre die „Flucht in die Oeffentlichkeit" durchaus am Platze und zwangsläufig gewesen. Dies würde wohl nach einigem starken und gewiß nicht zu unterschätzenden Sträuben dse Entente auf den Weg gezwungen haben, der für alle beter- ugten Länder ter richtige und notwendig: gewesen wär«: Herabsetzung der Summen, die Post und Reichsbahn nach dem Dawes-Plan zu tragen haben. Was bleibt nun für das deutsche Volk zu tun übrig? — Ständiger Hinweis, daß die Dawes-Lasten für unser Volk nicht tragbar sind. Vergessen wir nicht, daß das deutsche Volk nach dem Dawes-Plan auf viele Jahrzchnte hinaus in der Sekunde 80 Mark, in der Minute 4800 Mark, in der Stunde 288 000 Mark, im Tage 6,9 Millionen Mark an Kriegsentschndigunge zu mhlen hat. Wenn Deutschland sich hierüber klar ist, dann wird c-: auch spüren: in der Frage der gründlichen Herabsetzung der Dawes-Lasten gibt es keine Parteipolitik. Jede Partei, jedermann muß an seinem Platze auf diese Herabsetzung zielbewußt hinarbeiten. Unsere gesamte deutsche Presse muß Woche für Woche immer wieder mit Zähigkeit die Revision des Dawes-Gutachtens fordern, damit die Welt uns hört. Wenn das deutsche Volk nicht völlig versklavt werden will, so müssen alle seine Teile in voller Einigkeit in dieser wirt schaftlichen Lebensfrage zusammen stehen. lau de, Reichs«,tschädigungsamtes für KrieasschSden »man. gemeldet ein Mann, der, ohne ein Wort zu sagen, eine «lyr. Irische Tischlampe ergriff und Ne gegen den stellvertretenden Leiter des Amte, warf. Rur dem Eingreifen «in«, anher«, Beamten war e, zu verdanten, daß di« schwere Lampe ihr Ziel verfehlte. Der Aufforderung, dlw Zimmer zu verlas, fen, kam der Angreifer nicht nach, sondern er ergriff das schwere Marmortintenfatz und schleuderte e, zu Boden. Erst den herbeigerufenen Polizetbeamten gelang es, den Toben- den zu überwältigen und zu fesseln. Nach den bisherigen Feststellungen ist der Täter ein Geschädigter au» Earlsruhe in Oberschlesien namens -ofreiter. Er machte einen geistig gestörten Eindruck. Für heute hat sich ein zweiter Geschä- blgter angemeldet, der da» Amt in die Luft sprengen wollt«. Das Amt ist von heute ab unter Polizetschutz gestellt worden. Schwere Sludenlermusschreiturtgerr in Debreczin. Budapest, 24. Oktober. Aus Debreczin werden neue schwere Ausschreitungen der dortigen Studenten und Führer der land wirtschaftlichen Akademie gemeldet. Die Polizei muhte von einer benachbarten kleinen Stadt Verstärkung erbitten. Rachmittag» 6 Uhr zog eine große Menge Studenten auf den Korso und nahm vor dem Gebäude der liberalen unabhängigen Zeitung Aufstellung. Mit Ziegelsteinen wurden die Transparente an der yausfronk zer trümmert. Als ein Detektiv zwei Studenten verhaften wollte, wurde er mit Stockhieben und Revolvern bedroht. Die Polizei zog vom Leder und teilte Flachhiebe aus. Vis ^8 Uhr gelang e» einem verstärkten Polizeiaufgebot, die Studenten in den Hof de« refor mierten Kollegiums zurückzudrängen, wo sie noch in später Nacht stunde eingeschlossen sind, da sie der Aufforderung der Polizei, sich zu legitimieren, und sich einzeln zu entfernen, nicht nachkommen wollten. Verhandlungen mit dem Rektor und dem Leiter der land wirtschaftlichen Akademie sind bisher erfolglos geblieben. L» scheint, dah die Studenten, über 800 an der Zahl, die ganze Rächt Im Freien im Hofe verbleiben werden. Die Erregung der KriegsgefchSdigten. Vreslau, 24. Okt. (Wolff-Telegramm.) Gestern vor mittag erschien im Zimmer des Leiters der Zweigstelle Bres- Wie Amundsen starb. Die Meinung des krasfinfliegers Tschuchnowfki. Die starb Amundsen? Die maßgebendste Meinung darüber ist ohne jeden Zweifel die Ansicht des Krassinfli - gers Tschuchnowfki. Dieser Mann, der in heldem-aster Meise jämtliche Hinterbliebenen der Jtaliakatastrophe ret tete, hat folgende Theorie über den Tod Amundsens aufge stellt: Er sagt wörtlich: „Jetzt, nachdem der Benzinbehälter der Latham gefunden wurde, bin ich der Ansicht, daß die Lathambesatzung keinesfalls mehr am Leben ist. Mehr noch: man kann jetzt sogar mit Bestimmtheit sagen, wie die Kata strophe vor sich ging. Das Flugzeug Amundsens ist nicht durch Betriebsstoffmangel am Weiterflug verhindert wor den, denn der Benzinbehälter war nicht leer. Anscheinend wurde es an einem seiner wichtigsten Teile betriebsunsähig und mußte notlanden. Diese Notlandung hat Amundsen im Nebel vornehmen müssen. Auch das wissen wir mit völliger Bestimmtheit, denn an derselben Stelle, wo Amundsen un tergegangen ist» nämlich in der Nähe der Bäreninseln, hat der italienische Flieger Maddalena, der zwei Stunden vor Amundsen abflog, dichten Nebel bemerkt. Die letzte Meldung Amundsens enthält die Anfrage über die Beschaffenheit des Eises in der Nähe der Bäreninseln und über die Mög lichkeit der Landung in ihrer Nähe. Aus dieser Anfrag: folgt, daß Amundsen das eisfreie Wasser, über dem er flog, nicht sah. Es ist daher durchaus wahrscheinlich, daß das Flugzeug bei seiner Landung mit furchtbarer Wucht auf die Wasseroberfläche prallte. In solchen Fällen zerbricht das Flugzeug. Seine Reste können nur kurze Zeit auf dem Was ser schwimmen (ein bis zwei Stunden). Bei Katastro phen solcher A ! geschieht es selten, daß di- Besatzung einen sofortigen Tod findet. Gewöhnlich gelingt es den Fliegern, »och einige Zeit auf den Resten des Flugzeuges auszuharren, bi» dann der unvermeidliche Tod kommt. Im eisigen Was ser kann der Mensch bekanntlich nur fünf bis sechs Stunden ausbalten. Nach Ablauf dieser Zeit muß die Herzfunktion Missetzen." Die Meinung Tschuchnowskis, daß Amundsen nicht so fort tot war, sondern noch eine Anzahl von Stunden um sein Leben rang, wird in Rußland durch technische Fachleute erhärtet. Man weist darauf hin, daß der Benzinbehälter nicht abgerissen, sondern vom Flugzeug abgemacht wurde. Und dos nimmt gewöhnlich recht viel Zeit in Anspruch. E, ist noch nicht klar zu ersehen, warum Amundsen den Benzinbehälter abmachen ließ. Möglich ist, daß er auf diese Weise Kund« von sich geben wollte. Darauf deutet auch die Inschrift Amundsens auf dem Behälter. Diese Inschrift wurde mit Bleistift gemacht und ist fast völlig verwischt. Es gelang, nstr folgende Zeichen zu entziffern: Acci ... 20. 10. . . . 1. Ts ist anzunchinen, daß di» ersten vier Buchstaben den ? lfanp de» ftünzösischen Worte» Accident (Ungliick-s:ll) bedeuten. Die Zahlen bedeuten den Standort der Kata strophe, die angegebenen Koordinaten liegen östlich von den Bäreninsel. Auch der Schwimmer der Latham, der vor einiger Zeit gefunden wurde, weist keine zerstörten Stellen auf. Auch daraus zieht man den Schluß, daß Amundsen sein Flugzeug auseinandergenommen hat, um Notsignale zu geben. Und nun kommt der Oberinspektor der zivilen Luft flotte Rußlands, Sarsar, zu dem sensationellen Ergebnis, daß Amundsen nicht ins Wasser stürzte, sondern auf dem Eis oder gar auf einem Felsen in der Nähe von den Bären inseln notlandete. Sonst hätte Amundsen im Augenblick des Absturzes seine Lage für völlig hoffnungslos gehalten (und das muhte er tun, wenn er ins offene Meer gestürzt wäre), und er hätte seine Zeit nicht mit dem Auseinandernehmen des Flugzeuges verbracht. Diese russische Theorie vom Tod Amundsens ist ergrei fend. Sie zeigt, wie der große Forscher bis zum letzten Augenblick um sein Leben kämpfte und mit welcher Zähig keit die unglückliche Besatzung der Latham die Rettungsmaß nahmen vornahm. Sollten nunmehr neue Funde die rus sische Ansicht bestätigen, so wird der Tod Amundsens uns noch grauenhafter erscheinen, als er schon jetzt ist. Das ge naue Wissen darüber, daß Amundsen nicht sofort tot war. sondern noch weiterlebte, ist erschütternd rind muß die ganze Welt mit innigem Schmerz über die Ungerechtigkeit und Grausamkeit seines Schicksals erfüllen. Dr. T. Aerztliche Rundschau. VanMevergiftungen. Von Dr. med. Peker Pater. Ist die vanille allein an den Vergiftungen schuld? — Lin tapferer Arzt. — Vorsichtsmaßregeln. Hin und wieder liest man von Unfällen nach dem Genuß von Vanille, sei es, daß sie dem Speiseeis, sei es, daß sie als Tunke Puddings und anderen Speisen beigemengt wurde. Man hat sei nerzeit von förmlichen Massenoergiftungen durch Danillegcnuß be richtet. So z. B. erkrankten 26 Personen, die in einem Gasthof Vanilleeis und Rcispudding mit Danilletunke gegeßen hatten, an Erbrechen, Durchfall, Leibschmerzen, und einer von ihnen, ein alter Mann, starb vier Tage später. Kurze Zeit hierauf gab es in einem Damenpensionat derselben Stadt rote Grütze mit Vanilletunke. Von zwölf Personen, die von dieser Speise aßen, erkrankten sieben an ähnlichen Krankhcitserscheinungen wie die vorher erwähnten 26 Personen. Bei manchen Kranken kam es zu Schwäche, Ohnmacht, Kopsschmerzen, Ziehen im Rücken und in den Gliedern, Mattigkeit, Schlafsucht, Benommenheit und Empsindlichkeit gegen Sonnenstrah len. Die Füße wurden kalt, Wadenkrämpfe traten auf, die Lippen färbten sich bläulich und im Rachen bildeten sich rote Flecke. heimliche Erkrankungen mit starken Unterleibskrämpfen zeig ten sich bei mehreren hundert (!) Menschen, die in einem Pariser Lasö edensall» Vanilleeis genossen hatten: dasselbe war der Fall in einem Ausflugsort (einige Jahre später) und auf zwei Bällen. In einer anderen Stadt wurde eine Konditorei deshalb sogar ge- schloßen. Die Danillevorräte schickte man in ein« benachbarte Stadt, und auch hier traten bald solche Vergiftungen auf. Bei einer an deren Serie von solchen Vergiftungen in Paris waren die Stühle blutig. Selbst ein Teelöffel Danillecreme war schon imstande, be- sonders bei großer Hitze und Schwül«, derartige Erscheinungen aus zulösen. Auch ein Hund, der einen Teller mit der fraglichen Vanille creme auslcckte, wurde krank. In Boston haben sich dreißig solche Fälle ereignet. Daß nicht das Speiseeis als solches an diesen Erkrankungen schuld war, beweist die Tatsache, daß Zitroneneis, welches mtt der- selben Creme, aber ohne Vanille hergestellt wurde, diese Vergiftung nicht heroorrief. Man hat Vanillevergiftungen übrigen» auch bei Leuten festgeftellt, die beim Sortieren, Herrichten und Verpacken von Vanilleschoten zu tun hatten, ohne daß sie Vanille genossen hätten. Man sand bei ihnen Jucken und Brennen der Haut, es bildete sich ein Ausschlag, die Haut rötete sich und schwoll an, dazu traten noch Schnupfen und Augenentzündung. Ein tapferer Arzf, Dr. Gieseler, dessen Arbeit den Her angeführten Tatsachen zugrunde liegt, hat seinerzeit, um diese Fälle aufzuklären, Stücke von den- selben Vanilleschoten verzehrt, die Ursache einiger der oben ge schilderten Erkrankungen waren. Er wurde aber weder durch den Genuß dieser Vanillestücke, noch durch eine Danilletunke, die er sich daraus zubereitet hatte, krank. Auch zwei Kaninchen und ein Hund, denen man davon zu freßen gab, blieben gesund. Die Va nille selbst konnte also nicht die alleinige Ursache der Vergiftun gen sein. Dr. Gieseler zog infolgedessen oen durchaus berechtigten Schluß, daß auch der Zustand der Milch bzw. der Eier, die zu diesen Speisen verwendet worden waren, «ine Rolle gespielt haben muß. Derartige Milch-, vor allem Schlagsahnevergtstungen find beobach- tet worden, und zwar handelte es sich um länger aufbewahrte Portionen, die während der heißen Jahreszeit sich zersetzt hatten. Es ist charakteristisch, daß Dr. Gieseler sofort erkrankt«, al» er die selbe Danilletunke, deren Genuß ihm, wie erwähnt, nicht geschehet hatte, solange sie frisch war, längere Zeit stehen ließ, bi» sie geron nen und sauer war. Es stellt« sich dann «in Tril der oben geschil- derten Krankheitserscheinungrn ein. Auch «in „Dersuchshuno^ er krankte sofort nach dem Genuß der länger aufbeeoahüen und in Zersetzung geratenen Danillespeisen. Dr. Gieseler nahm daher an, daß es weniger auf die Vanille selbst, al» daraus ankommt, ob sie und di« anderen Speisezutaten frisch sind, und erwähnt einen Fall, der sehr für seine Behauptung spricht: DieseLen Vergiftung»««, schelnungcn, wie sie oben geschildert wurden, konnte man auch be- obachten, wenn Puddingtunke genossen wurde, die keine Spur von Vanille enthielt, wohl aber Elweißschaum, der nicht mehr frisch war. Cs kommt also nach seiner Meinung bei Vanilleoergistungen nicht so sehr auf die Vanille selbst an, wie auf den Umstand, daß die betreffende Speise, sei sie mit oder ohne Vanille zubereitet, frisch oder nicht frisch ist. Auch die Jahreszeit spielt insofern eine Rolle, als eben im Sommer durch di« Hitze die beigemengten Nah rungsstosse (Milch, Eiweiß usw.) früher verderben. Jedenfalls ist es ratsam, während der heißen Jahreszeit Cremes, Speiseeis und Tunken, für deren Zubereitung leicht verderbliche Ingredienzen, wie Milch, Schlagsahne, Eier usw. verwendet werden, nur dann zu genießen, wenn man sicher ist, daß sie nicht durch längeres Ausbewahren zersetzt sind, gleichgültig, ob sie vanille enthalten oder nicht.
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