Suche löschen...
Auer Tageblatt und Anzeiger für das Erzgebirge : 21.07.1910
- Erscheinungsdatum
- 1910-07-21
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1735684481-191007211
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1735684481-19100721
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1735684481-19100721
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungAuer Tageblatt und Anzeiger für das Erzgebirge
- Jahr1910
- Monat1910-07
- Tag1910-07-21
- Monat1910-07
- Jahr1910
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
«r. 16s. Beilage zum Auer Tageblatt. ZI. IM IN16. El« Dameukaffee auf der Hohenzollern wird von einer Teilnehmerin tm Berl. Lok.-Anz. hübsch geschil dert. Mr entnehmen dem Artikel da» Nachstehende: In der Nähe von Odde, abseits von der großen Touristenstraße, liegt an dem fr lichtereichen Hardangerfiord da» idyllische, kleine Rest Los- Ihn» im Bezirk Ullensrang. Dort hat seit Jahren Frau Dr. Betz AK Mens«ndieck, di« die Mrperkultur de» Weibes in ein wissenschaftliches System gebracht hat, ihren Sommersitz auf geschlagen, wo sie von ihrer anstrengenden Wintertätigkeit in Berlin Erholung sucht. Zuweilen folgen ihr dorthin zahlreiche Schülerinnen, deren Absicht es ist, Lehrerinnen zu werden in dem System einer hygienisch-ästhetischen Gymnastik für Frauen. Al» am 6. Juli während einer Unterrichtsstunde in frischer Luft an gesichts der schneebedeckten Berge des Folgefonden Lei schönstem Wetter die weiße Hohenzollern wie ein Märchenschiff auf dem blauen Wasserspiegel des Sörfjord» erschien, da wurde vorge- schlagen, sich in Booten in die Nähe der Hohenzollern zu begeben und, versehen mit Blumen und den Früchten diese» Ortes, den Kaiser zu begrüßen. Um nicht zudringlich zu erscheinen, wurde ein Telegramm an den Kaiser abgosandt mit der Anfrage um die Erlaubnis zu diesem Gruße. Umgehend traf die liebenswürdigste Einladung des Kaisers ein, durch die Frau Mensendieck samt Ihren zwanzig Schülerinnen zum Tee und zur Besichtigung der Hohenzollern eingeladen wurden. Nach Verlesung der Einladungsdepesche brach ein Jubel los, ver da» kleine Hotel in sein«n Grundvesten erzittern ließ. Dann aber kamen die Sorgen der Toilettefrage: O Gott, welche» Kleid »muß ich anziehen? Mein Himmel, wo bekomm« ich «in Plätt eisen? — Ich habe keine weißen Handschuhe — Und ich nur «einen Tirolertzut. — Und ich nur Bergschuhe . . . Der Not ge horchend, ward beschlossen: die spontane Kundgebung darf ihren Improvisierten Charakter behalten. Es wird in weißen Klei dern, Hut- und handschuhlos zum Kaiser gefahren, und es werden sowohl Rosen als Feld- und Wiesenblumen, Erdbeeren und Kir- schen mitgenommen. Di« TÄ>^sangst um d«n großen Hofknix im Keime erstickte ein Hinweis auf die Möglichkeit eine» Händedruck» mit der einen Hand und der gleichzeitigen Gabenüberreichung mit der andern. Nur vier Stunden Zeit blieben zu den wichtigen Vorbereitungen und nie sah der vornehme stille Hardangerort ein derartig lebhaftes Getriebe. Um Uhr wurde ein flüchtiger Imbiß eingenommen. Mehr als ein paar Bissen gestatteten Auf regung und Zeit nicht. Dann ertönte das Signal zum Ausbruch und man zog zur Landungsstelle der Leiden von auswärts requi rierten Motorboote. Zweieinhalbstündige Gefangenschaft in glühender Sonnen- und Motorhitze erhöhten die Körpertempera« kur auf einen Punkt, wo Locken, Puder und Stehkragen völlig vergessen waren. Als dann aber in dem entzückenden FjordaL- fchluß die Umrisse der Hohenzollern und ihrer Begleitschiffe er kennbar wurden, da waren alle Qualen vergessen, und jubelnd wurde der blauen Uniformreihe auf Deck — in deren Mitte auch der Kaiser sichtbar wurde — zugewinkt. Auf der Treppe, die sonst nur der kaiserlichen Familie zum Gebrauch reserviert war, durften ausnahmsweise die jugendlichen Zaungäste — vom Hausmarschall geführt — an Bord steigen. Aus dem Jubel war plötzlich herzbeklemmende Scheu geworden, in der jede sich an ihren Blumenstrauß, ihren Fruchtkorb oder ihren großen Kirschenzweig anklammerte. Dann kam der große Mo ment, wo derKaiser, umgeben von seinem Stab, auf die Gruppe seiner Besucherinnen zuschritt, Frau Miensendieck in liebenswür diger Weise mit Händedruck empfing und sich dann von ihr die einzelnen Damen vorstellen ließ. Das berühmte Gedächtnis des «Kaisers half auch hier die bangen Augenblicke in Erlösung um zuwandeln. Mährend er jeder der Damen einzeln die Hand reichte und dann eigenhändig die Garten- und Feldblumensträuße, die Kirschzweige und Erdbeerkörbe in Empfang nahm und weiter gab, fragte er bei jeder Namensnennung die junge Dame selbst aus, und wenn die Vaterstadt genannt wurde, spannte sich sofort die Erinnerungsbrücke, und üLer die hinweg entwich die Verlegen heit der Befragten und verlor sich in der erlösenden Liebenswür digkeit des hohen Gastgebers. Dann wurde der Tee eingenom men jedoch hatte der Kaiser in liebenswürdiger Fürsorge nicht vergessen, daß junge Damen auch gern Schokolade, und beson ders mit Schlagsahne, genössen. Der Kaiser, zu dessen Rechten Frau Mensendieck saß, unterhielt sich mit dieser aufs angelegent lichste über ihre Bestrebungen. Nach dem Tee wurde ein Rund ¬ gang auf der Hohenzollern unternommen. Nach Aufnahme meh rerer Photographien durch einen Photographen rüstete man sich zum Aufbruch. Während die Fahrzeug« von der Hohenzollern ab« stießen, sangen ihr« Insassinnen stehend dem Kaiser ihren Ab- schtedsgruß: Deutschland, Deutschland über alle», und unter freu digem Tücherschwenken zog man nach Lofthu» zurück. Noch am folgenden Tag« vibrierte da» freudige Ereignis der maßen in den Gemütern nach, daß es sich nur durch ein Dankge- dicht der Jugend an den Kaiser auslösen ließ. Daß es sich aber Lei der Einladung nicht nur um eine flüchtige Eingebung, son. der» um ein« wahre Herzensliebenswürdigkeit de» Kaiser gehan delt hatte, geht aus der gereimten Antwort hervor, die telegra phisch an die jungen Mädchen eintraf: y Ihr, die Ihr Schokolade trankt, Ihr schönen Mädchen, seid bedankt. So süß sei Euer Lebenslauf, Wie dieser Trank mit Sahne drauf. Wilhelm II. und seine Fahrtgesellen. Als am Rücksahrtstag die Hohenzollern Lofthu» passierte, nahm sie zum Zeichen des Erinnerns den Kurs so nahe auf da» Lofthufer Ufer zu, als di« Wassertiefe es gestattete, während am Ufer die dankbaren Gäste de» Kaisers ihm a oapella einen Ab schiedsgruß zusangen, Lis die Hohenzollern durch eine vorsprin gende Nis den Blicken entzogen war. Die Handwerkerfrau als Bnchhatterin ihres Mannes. Von einer Neuerung, die in England eingeführt wurde und die dort großes Aufsehen erregte, wird au» London berichtet. Es sind in den größeren und kleineren Städten Englands Kurse eingeführt worden, die den Frauen der Handwerker die Möglich keit geben sollen, sich als Buchhalterinnen auszubilden und diese erworbenen Fähigkeiten in den Dienst des Betriebes ihres Man nes stellen. Durch diese Neuerung soll den Handwerkern Gelegen heit gegeben werden, den Betrieb ihres Geschäftes auf eine «bes sere Höhe zu bringen, und gleichzeitig soll die Lage der Handwer ker dadurch auf ein höheres Niveau gebracht werden. Zumeist füh ren die Arbeitgeber der Handwerker Klage darüber, daß der Ge schäftsbetrieb nicht geregelt sei und daß die Arbeiten, die zu ver geben sind, weder ordnungsgemäß abgeholt noch abgeliefert wer den. Schuld daran trägt die unzureichende Geschäftsführung der Arbeiter dieser Kreise. Nun sind aber die Betriebe der Hand werker gewöhnlich nicht auf das Maß zugeschnitten, daß die An stellung eines größeren Personals, die Beschäftigung kaufmänni scher Kräfte möglich wäre. Die Erträge sind nicht lohnend ge nug, um ein entsprechendes Personal anstellen zu können. Die sem Uebelstand soll dadurch abgeholfen werden, daß die Frau an den Geschäften ihres Mannes einen regeren Anteil bekommt. Die Frauen des Handwerkerstandes rekrutieren sich aber zumeist aus früheren Lohnarbeiterinnen und Dienstmädchen, die von dem Kaufmännischen nicht die geringste Ahnung haben. Da der Haus halt eines Handwerkers die Arbeitskräfte der Frau nicht durchaus in Anspruch nimmt, namentlich dann nicht, wenn ein geringer Kindersegen da ist, so ist man in England auf den Gedanken ge kommen, die Handwerkersfrau zur Gehilfin des Ehemannes her anzubilden. Die Einführung dieser unentgeltlichen Abend kurse findet überall da statt, wo genügend Handwerker am Ort sind und wo man eine entsprechende Beteiligung von feiten der. Frauen vermuten kann. Die Kurse sind in den Abendstunden und dauern drei Monate. In dieser Zeit hofft man die Frauen, die eine Durchschnittsbildung und eine Durchschnittsintelligenz be sitzen, zur Buchhalterin ihres Mannes heranbilden zu können. Mit einer geordneten Führung der Bücher, mit einer Buch ung der Einnahmen und Ausgaben, der Ein- und Ablieferungen wird dem Handwerkerstand die Möglichkeit gegeben, sich zu der Höhe emporzuarbeiten, die ihn in die Klass« der Besitzenden stellen soll. Der Frau ist also die Möglichkeit gegeben, zu der sozialen Besserstellung des Mannes und des ganzen Standes die Hand zu bieten. Auch wird die Frau, die eine klare Einsicht in den Ge schäftsgang ihres Mannes erhält, die mit seinen Einnahmen und den Kosten des Berufes genau Bescheid weiß, genau darüber orientiert sein, aus welcher Basis sie die Kosten des Haushal - tes zu gründen Hot. Sie wird wissen, welche Summe der Haus halt verschlingen darf, sie wird über dre Gelder, die sie zur Kindcrerziehung bestimmt. Klarheit haben, und sich nicht von dem Schein täuschen lassen, den ein« größer« Anzahl von B«st«l- lungen zu erwecken so leicht imstande ist. Denn viel« Bestellung«« sind im Handwerkerstände noch nicht identisch mit großen Ein nahmen. Auch zu einem besseren Familienleben hofft man auf die Weise den Handwerkerstand zu erziehen. Gerade di» Unwissenheit der Frauen über die pekuniär« Lag« dq» Mann« führt nicht selten zu drückenden Na-rungssovgen und den damit verbundenen Uneinigkeiten, di« die Zahl der Selbstmorde in die sen Kreisen erschreckend vermehren. Di« Frau, di« al» Ge hilfin ihres Manne» arbeitet, wird sich der Aufgabe bewußt werden und wird zu ihrem Gatten in ein ganz ander« persön liches Verhältnis treten. Man hofft noch ein übrig«« von dem Scharfsinn und dem ungetrübten Blick der Frauen und es ist an zunehmen, daß der Mann mit der Hilfe seiner Frau den Stand sehr bald auf ein höheres und sozial besser« Niveau bringen wird. Das ist «in Beispiel, da» der Nachahmung gewiß wert ist. Auch Lei uns möchte manche Handwerkersfrau mit Stolz sagen: Ich bin die Buchhalterin meine» Manne». Neues aus aller Welt. * Zur Reise Kaiser Wilhelm» nach Wien. Wie die Korre spondenz Wilhelm zuverlässig erfährt, wird Kaiser Wilhelm am 2V. September in Wien eintreffen. Für den Aufenthalt find zwei Tage in Aussicht genommen. Vorher wird der Deutsche Kaiser am 17., 18. und 19. September auf Einladung desErzherzogs Friedrich in Bellye an den Jagden teilnehmen. In die Zeit des Wiener Aufenthaltes des Deutschen Kaiser» fällt bei läufig das 26jährige Jnhaiberjubiläum des Husarenregiment» Nr. 7, dgs im September 1885 dem damaligen Prinzen Wilhelm von Preußen verliehen wurde. Mährend seines Wiener Aufent haltes wird Kaistr Wilhelm eine Deputation des Regiment» unter Führung des Kommandeurs, Obeifft Freiherrn von Schön berger, in Schönbrunn empfangen. Die Deputation wird dem Monarchen einen Ehrensäbel mit entsprechender Inschrift als Widmung des Regiments überreichen. Das Offizierkorps hatte die Absicht, eine Deputation zur Uebergabe des EhrensSbels nach Berlin zu entsenden, erhielt jedoch auf eine diesbezügliche An frage die Antwort, Laß der Deutsche Kaiser ohnehin zur Zeit des Jubiläums in Wien sein und die Deputation in Schönbrunn empfangen werde. * Lebt Johann Orth? Eine belgische Zeitschrift veröffent licht ein Interview mit dem ehemaligen Kommandanten der Südpolarexpedition Belgica, George Lecointe, der im Jahre 1885 einige Monate auf den Kordilleren verbrachte. Er will dort einen Einsiedler getroffen haben, der mehrere Sprachen redete und von sehr vornehmer Herkunft schien. Der Einsiedler, der sich nur von seiner Jagdbeute ernährte, lebte 40V bis 5VV Kilometer von 'der menschlichen Niederlassung entfernt. Lecointe machte auch eine photographische Aufnahme von dem Einsiedler, will aber das Bild verloren haben. Als er dieser Tage das Bild Johann Orths in den Zeitungen sah, will er in ihm jenen Einsiedler wiedererkannt halben. > Betrügereien ein« sranzöfischen Armrelieseranten. Neue schwere Unterschleife bei französischen Armeelieferungen sind in Versailles aufgedeckt worden. Der dortige Staatsanwalt erhielt eine vom Kommandeur des 11. Artillerieregiments aus gehende Klage gegen einen Furagelieferanten, der seit längerer Zeit Betrügereien bei Armeelieferungen verübt haben soll, indem er einesteils eine fehlerhafte Wage, andernteils einen Letrü gerischen Handgriff bei der BÄüenung der Wage anwandte. Auf diese Weise schien der mit Furage beladem Wagen das richtige Gewicht zu Haben, während er in Wirklichkeit etwa 40 Lis 50 Kiko zu leicht war, und auf die gleiche Weise wurden durchschnittlich in jeder Woche 5000 Kilo zu wenig ge liefert, was im Laufe der Zeit ein gewaltiges Defizit ausmachte. Der kontrollierende Offizier des genannten Regiments über zeug t e sich mehrfach durch Nachwiegen von den betrügerischen Manipulationen, ehe er die Klage weitergab. Der Unterstaats sekretär des Krieges, Sarraut, hat als Nebenkläger Schaden ersatzansprüche gegen den betrügerischen Lieferanten geltend ge macht. * Scheidung von seiner achtjährigen Fra«. Aus Adis Abeba kommt die interessante Nachricht, daß der fünfzehnjährige abes sinische Thronfolger Lidi Jeassu sich von seiner acht jährigen Frau, der Prinzessin Romana Work, der Enkelin des Vie Starken «na Oie Schwachen. Roman von Herbert Rioulet. (Freifrau G. v. Schlippenbach.) (4. Fortsetzung.) lN-chdru« »«rbotkN.) „Ihr Wohl," sagte er leise, als er das dargebotene Glas nahm, und seine starke Hand bebte. „Ihr Wohl," klang es ebenso von Vronis Lippen. Spät kehrt« man nach Rechlinghausen zurück; alle waren müde, und man verzog sich zeitig in die Zimmer. Alvar war so erregt, daß er noch nicht an Schlafen denken konnte; lange saß er an seinem Fenster und rauchte. Er sagte sich, daß das süße, törichte Spiel bald aufhörte, und wappnete sich mit Ruhe, um sich nicht durch sein junges, heißes Blut fortreißen zu lassen. Vroni kam ihm so sehr entgegen, besonders, wenn sie allein waren; es »«durfte der ganzen Mannheit Alvars, um nicht etwas sinnlos Törichtes zu tun. Etwas, das er später bereuen mußte, denn er war erst zwesundzwanzig und brauchte Jahre ernster Pflicht und Arbeit, ehe er an eine Verlobung denken konnte. Nein, nein, das Mort mußte ungesprochen bleiben, er wollte jedes Alleinsein vermeiden. Sehr erwünscht war ihm daher Onkel Kunzes Vorschlag, mit ihm auf die Entenjagd zu gehen. Der alte Herr war ein großer Jäger; er schoß das Wild seiner Wirte, rauchte ihre Zigarren und gab beim Skat den fehlenden Mann ab. Man schickte ihn auch zur Stadt, um Besorgungen zu machen, ließ ihn Briefe schrei- Len und nahm bei jeder Gelegenheit seine Dienste in Anspruch. Oft war es ihm lästig, aber er unterzog sich allem, er mußte es ja, um das Wohlleben weiterführen zu können, an da» er ge wöhnt war. Sein rotes, glänzendes Gesicht sprach von vielen auserlesenen Mahlzeiten, die er im Laufe des Jahres an frem den Tafeln verzehrte. Als Vroni gegen zehn aufstand, waren die Jäger schon über alle Berge. Sehr verdrießlich war das kleine Fräulein, als Wilma es ihr etwas schadenfroh erzählte. „Die ewige Jagd!" rief das junge Mädchen ärgerlich. „Alvar hätte dich wohl um Erlaubnis fragen sollen?" höhnte Frau von Stössel, der die Koketterien der Schwester nicht ent gangen waren. „Sprich nicht so dumm!" schrie Vroni heftig, „du sollst mich in Ruhe lassen!" „Du bist glücklich, wenn du allen die Köpfe verdrehst," sagte Wilma spitz. „Und du List deshalb neidisch," lautete Vronis Antwort. „Wie du nur wieder bist," klagte Wilma, „du bist gegen mich immer ungezogen, die Eltern verwöhnen dich und setzen mich zurück." Vroni rannte davon und lag den halben Tag in der Hänge matte. Sie war sehr verstimmt und nahm sich vor, Alvar Lei seiner Rückkehr „zu schneiden". . Sie tat es und ignorierte ihn, als er mit ernstem, aber doch glücklichem Gesicht auf sie zutrat. Ihre Huld wandte sich dem Leutnant Alsen zu, und sie kokettierte mit ihm um den Vetter zu ärgern, der sich ihr noch einige Male nähern wollte, aber immer wieder abgeblitzt wurde. Unterdessen hatte Karl-Detleff mit seinem Vater eine Unter- redung. Gr beichtete ihm wieder einmal seine Schulden, die eine ziemliche Höhe erreichten. Dabei war der junge Offizier kein Verschwender, aber die Zulage wollte niemals reichen, und al» «in Freiherr von Rechlinghausen mußte man doch standesgemäß auftreten und durfte sich nicht lumpen lassen. „Lieber Sohn," sagte Karl-Detleff senior nach «in«r Paus«, „ich will einmal offen mit dir sprechen. Du überschätzest unser Vermögen, es — hm," er räusperte sich, „es ist sehr «ingeschmol zen, ich muß dich bitten, in Zukunft recht vernünftig zu sein." „Das will ich, aber, lieber Vater, sprichst du im Ernst? Woran liegt es, daß du Sorgen haft? Rechlinghausen ist mit der schönste Grundbesitz weit und breit." „Er war es, ich habe alber in den letzten zehn Jahren manche Mißernte gehabt, Viehstuchen, Feuer und so weiter. Ich mußte das Gut mit Hypotheken belasten —" „Und den Wald zum größten Teil abhauen," warf Karl- Detleff ein; und der Freiherr glaubte einen Vorwurf herauszu hören. „Es mutzte sein," gab er düster zurück. „Sieh einmal, ich muß dir doch die Zulage geben, Wilma bekommt ihr Jahrgeld, Ernst muß erzogen werden, die Mutter liebt es, zu reisen und sich gut zu kleiden, und jetzt tritt Vroni mit ihren Ansprüchen an das Leben auf. Und ich selbst bin von Jugend an verwöhnt, ich weiß wirklich nicht, wo ich Einschränkungen einführen soll. Ich dachte, wenn Lu vielleicht zur Infanterie übergingest —" Karl-Detleff war aufgesprungen. * „Nein, Vater, das kann ich nicht!" rief er außer sich, „ich verspreche dir, keine Schulden mehr zu machen, ich will alle», nur nicht meine geliebte Uniform ausziehen, da» ertrüge ich nie." Seine Stimme zitterte vor Erregung. Der Freiherr zog die Hundertmarkscheine aus seiner Brief, tasche hervor und legte sie stillschweigend vor dem Sohne hin. „Der arme Kerl tut mir leid," dachte er dabei, denn Karl- Detleff war sein Liebling, er war nicht wenig stolz auf ihn in der schmucken Kavallerieuniform. Und die sollte er mit dem schlichten Rock des Infanteristen vertauschen? „Na, ich sehe zu schwarz, Junge, es wird sich all« machen. Die Ernte verspricht Liest» Jahr besser zu werden; laß mich nur die Geschichte in Ordnung bringen, laß mir den Kopf nicht hängen." „Mein guter Alter," sagte Karl-Detleff bewegt, „ich danke dir für das Geld, hoffentlich lerne ich mich besser etnrichten. Darin kann ich von Alvar etwas lernen, der macht au» dem Pfen nig eine Mark." „Ja, er scheint «in famoser Mensch zu sein; er hat aber auch ein« Mutter, die eLenso klug, al, gut ist. Ich freu« mich sch«, Cousine Christel in Berlin wiederzuschen; im Herbst wollen wir hin." „O! Dann komme ich auch hinüLer!" rief Karl-Detleff, d«r schon die soeben gefaßten guten Vorsätze zur Sparsamkeit ver- gessen hatte.
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder