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Der sächsische Erzähler : 16.04.1934
- Erscheinungsdatum
- 1934-04-16
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1735715891-193404168
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1735715891-19340416
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1735715891-19340416
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungDer sächsische Erzähler
- Jahr1934
- Monat1934-04
- Tag1934-04-16
- Monat1934-04
- Jahr1934
- Titel
- Der sächsische Erzähler : 16.04.1934
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Wie aus tiefem Traum erwachend, fand sich Friedrich August zurück in di« Wirklichkeit. Langsam fiel der Vorhang wieder und verhüllte sein Inneres. Und er gewahrte seinen greisen Feldmarschall einsam im Kreis« ragen und sah, wie der Kurprinz scherzend mit dem Dirrkteur des Pläsiers sich unterhielt. Da küßte er stumm Ehriftian« Eberhardine auf die Stirn, schritt rasch nach vorn« in die Mitt« d«s Zeltes und zog den Gra- sen Wackerbarth an sein Herz, das unter dem Hermelin des Krö- nmi«mantels unruhig schlug, wie das eines plötzlich geängste ten Kindes. Während die Bürger Dresdens sonst an allen Festlichkeiten tz» Ehren des kurprknzlichen Paares tätigen Anteil nahmen, mußten sie heute abend sich mit der Rolle der Zuschauer begnügen. Und di« Zugänge zum Schloß wurden bereits früh in weitem Bogen abgesperrt. Dennoch drängten sich vor allem am Jüdenhof die Menschen, denn von hier aus betraten die Kavaliere mit ihren vornehmen Damen das Schloß, in dem für den Spätnachmittag «in Hofkonzert der Königlichen Kapelle sie erwartete. Hell im Glanze der zahllosen Kerzen leuchteten die langen Galerien über den weiten Platz, und wer unter den Gaffern be sonders glücklich war, einen erhöhten Standort sich zu sichern, vermochte sogar jene überlebensgroßen Porträts in den Nischen der Galerie zu erkennen, di« Ahnen des sächsischen Königsgeschlech- tes, welche die Künstler Friedrich Augusts auf seinen Wunsch hin nach vergilbten Stichen bilden mußten. Der unverbesserliche Kyau äußerte sich darüber im vertrauten Freundeskreise zwar, manche der ehrwürdigen Herrschaften verdanken ihr Dasein lediglich der schweifenden Phantasie der Herren Pinfrlkleckser, um die Wände zu füllen. Denn soviele Urahnen besäße selbst der Kaiser von China nicht. Aber das war gewiß nur wieder eine der berühmten Sottissen dieses sattsam bekannten Spötters. Immer noch hasteten Sänftenträger über den Jüdenhof, be gleitet von reich aufgezkerten Heiducken, die sich fast stolzer und vor nehmer trugen, als ihre Herrschaften selbst. Sie quittierten das Staunen der andrängenden Menge mit gelassener Hochmütigkeit, nur bis weilen die weißbehandschuhte Rechte wie zur Abwehr er hebend. Als die größte Zahl der Gaffer sich schon wieder verlaufen, fuhr noch eine Hofkaleschevor, der, begleitet von einem einzigen Die ner, entgegen allem sonstigen Brauch, eine tief verschleierte Dame entstieg. Im teppich belegten Borsaal erst schlug sie den Schleier eiligst zurück, der nun wie ein dunkelgoldenes Gespinst frei und duftig vom tiefen Schulterausschnitt des brokatenen Gewandes herabfloß. Wenn auch nicht mehr jung an Jahren, so erriet doch selbst «in kritisches Auge nur schwerlich das Alter dieser Dame, zu geschickt vertuschten es die kleinen Künste galanter Geheimnisse, die dem edel geschnittenen Antlitz immer noch einen Hauch unvergänglicher Frische gaben. Etwas von jenem leise betäubenden Dust spät sommerlicher Rosen umgab diese Frau, die nun langsam und den noch bewußt Schritt für Schritt die von Schweizer Gardisten wie mit lebenden Puppen flankiert« Treppe zur Galerie hinanstieg. Und fast^schien es, als warte man noch auf sie. Denn aus der Gruppe harrender und beobachtender Kavaliere löste sich bei ihrem Anblick einer der älteren Herren und ging ihr die Treppe hinab ein paar Stufen entgegen. „cko vous salue, Monsieur von Knoch! Wie schön, daß Sie mich empfangen!" „Das versteht sich doch von selbst, Madame Exzellenz! Ueber- haupt erwartet Ihre Majestät Christiane Eberhardine heute abend noch die Pröpstin von Quedlinburg zur Audienz." Erfreut und dankbar neigte Aurora von Königsmarck ihren Kopf: „Als mein guter Genius erscheinen Sie stets, Herr von Knoch. Bitte, wehren Sie nicht ab, ich mutz das ja am besten wissen. Seit Sie mir dazumal jene Botschaft der Frau Kurfürstin nach Goslar überbrachten, bedeutet Ihr Bild mir stets das Zeichen einer guten Stunde." Sie legte ihren Arm in den des Kammerherrn Carl Ernst von Knoch, und dem tiefen Gruße der sich vor ihr verneigenden Kava liere mit der ihr eigenen Grazie aufmerksam dankend, bestimmte sie unauffällig selbst den Weg, einer halb verdeckten Empore zu strebend, von der aus man den vollen Blick auf das glänzende Bild dieses Hosfestes gewann, ohn« selbst gesehen zu werden. „Wie befindet sich meine gnädigste Königin, lieber Kammer herr? Ich bin beglückt, sie Wiedersehen zu dürfen und ihr neidlos allen Segen zu wünschen zur Vermählung ihres Sohnes, des Kur prinzen." Jetzt, da keine Lauscher mehr in unmittelbarer Nähe sich be fanden, durste Aurora sprechen, wi« es ihr ums Herz war. Der Kammerherr von Knoch erwies sich als Freund bei mehr denn einer Gelegenheit. Und es gab immerhin deren manche, seit das Kapitel zu Quedlinburg bei der Aebtissinnenwahl trqtz aller kaiser lichen und sächsischen Unterstützungen gegen sie gestimmt und eine andere, die Prinzessin Maria Elisabeth von Holstein-Gottorp zur rechtmäßigen Aebtissin-Nachfolgerin erwählte. „Maria Josefa von Oesterreich scheint ja eine Tochter nach Christiane Eberhardines Sinn zu sein, wenn sie auch nur schwer verwindet, daß ihr einziger Sohn zum katholischen Glauben über treten mußte, weil Seine Majestät und Polen es forderten. Es will mich bedünken, als mache sie sich große Sorgen um den Kur prinzen, und sie hofft wohl, daß die nun bestehenden engen Band« mit dem strengen Hofe in Wien einigen Einfluß gewännen auf den leider — es läßt sich wohl kaum leugnen — sehr zu äußerlichen Vergnügungen geneigten Charakter des Kurprinzen. Unsere gnä digste Frau schätzen den Grafen Heinrich von Brühl als Vertrau ten ihres Sohnes nicht eben allzu hoch. Und sie würde es gerade an ihm so gern erleben, daß er in seiner Eh« stärkere Rücksichten auf sein« Gemahlin nähme, denn auf diese Freunde." „Ach ja, liebster Knoch, ich verstehe!" Aurora seufzte. Un bewußt streifte der Kammerherr eine schmerzende Wunde in ihrer eigenen Brust. Auch, ihr Sohn, der Graf Moritz von Sachsen, hatte sich vermählt nicht zuletzt darum, weil der König es sü ge wünscht Jedoch Viktoria von Soeben und Moritz von Sachse« hieven nicht, was Würde und Pflicht der Ehe heischt«. Schwer ward das Herz der Mutter bei dem Gedanken an die Unzuläng lichkeiten des Sohnes, den sie abgöttisch liebte, dem ihr Gefühl im mer wieder verzieh, auch wenn ihr Verstand sich auflehnte gegen ihn. „Ich glaube, Knoch, an dem genialen Erbteil ihres königlichen Vaters werden die Söhne einmal schwer tragen." Der Kammerherr erhob ängstlich seine Hand: „Exzellenz, ich beschwöre Sie, werfen Sie solche trüben, un fruchtbaren Gedanken von sich und lassen Sie vor allem unser« Königin nichts merken. Christiane Eberhardine ist zuweilen schwer mütig, wie von langer Krankheit kaum genesen. Sie braucht Zu spruch, gläubige Augen, sie braucht Sonne, auf daß sie selber glau ben kann." Stumm versank Aurora von Königsmarck in sich hinein. Wohl tuend und beruhigend zugleich empfand sie den Zauber der Musik. Mählich verstummte auch die flüsternde Unterhaltung der übrigen Zuhörer. Eine leise Entspannung glättete all« Gesichter. Eine zierliche Sarabande schmeichelte und streichelte durch den Raum, und unbekümmert lächelte die Seele des Barock. In unsichtbarem Reigen bewegten sich nackte Putten durch den Saal, umkleideten die prunkenden Waffen mit Rosen, umgaukelten die Sinne mit lockenden Verheißungen, zauberten ein ewiges Diesseits vor und hielten krampfhaft verschlossen die dunkle Pforte, di« — wie aske tische Prediger hier und da warnend verkündeten — in die Ewig keit und zum verantwortungsvollen Gerichtstag führen soll. Klopfte von draußen nicht eine neue werdende Zeit schon mit gläsernem Finger gegen die erleuchteten Fenster? Ach nein, nur eine Saite sprang auf einer der Violinen. Das Runengesicht der Zukunft erspähte niemand, das verdeckte der seidene Brokat der Vorhänge. Und im sicheren Hinterhalt lauerte Freund Cupido und vertrieb sich die Zeit auf sein« Art, knüpfte und löste die dünnen Fäden seiner Liebesspiele nach dem Takte der Musik und seiner eigenen Caprice. In Auroras Herz senkte sich eine unbegreifliche, süße Trau rigkeit und umfing ihr Denken, wie schwerer, alter Wein. Sie lauschte den Tönen, und auf einmal bemerkte sie, daß sich ihr Ge fühl zu Versen verdichtete, die nun laut in ihrem Innern sprachen. Erstaunt dachte sie über deren Sinn nach und fast erschrocken kam es über ihre Lippen: „Mein Anfang war ein Anfang zum Beklagen. Vom Frühling durst ich nur die Dornen tragen. Das Jahr der Lust — es band mir keinen Kranz, Und Sorge hat verdunkelt meiner Jugend Glanz." — Das Konzert fand sein Ende. Friedrich August und Christian«. Eberhardine, gefolgt von dem Kurprinzenpaar, dem Premiermini ster Flemming und den höchsten Würdenträgern, begaben sich in feierlichem Zuge in den Thronsaal zur Grande Cour. Dreimal klopfte mit seinem goldenen Stab der Zeremonien meister Johann von Besser auf das spiegelnde Parkett und Fan farenbläser sielen ein zum Tusch. Der Cercle nahm seinen Anfang. Die polnische Leibgarde präsentierte. Fast als Letzte nahte auch Aurora sich dem goldenen Thron. Wie manchmal schon begegnete sie dem Könige, ihrem einsti gen Geliebten, und sah ihn an ohne jedes Gefühl der Bitterkeit. Friedrich August, der Mann, alterte — wie sie. Aber in seinen unsteten Augen gewahrte sie noch den gleichen Funken, der ihr einst als Ausdruck höchster Tatkraft gegolten. Ach, es verbarg sich nur die ewig gleiche, nie gestillte Unrast dahinter, die sein Leben, trotz allen Ganzes, beschattete. Als Aurora von Königsmarck, von dem Grafen Vitzthum von Cckstädt geleitet, vor ihm erschien, grüßte der König sie nur leicht hin mit der Hand. Niemals vermochte Aurora es zu erfahren, weshalb Augustus sie damals verlassen, weshalb heute jene ver trauten Tage von Moritzburg in seinem Gedächtnis wie ausgelöscht waren. Er ehrte in ihr nur noch den Abkömmling eines alten edlen Geschlechtes, die Mutter des Grafen Moritz von Sachsen, die einzige seiner ehemaligen Maitressen, die kraft ihrer Liebenswür digkeit, durch klugen Takt und geschickte Zurückhaltung es erreichen konnte, daß sie heute noch bei Hofe ein willkommener Gast blieb. (Fortsetzung folgt.)
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