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Der sächsische Erzähler : 15.08.1938
- Erscheinungsdatum
- 1938-08-15
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1735715891-193808151
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1735715891-19380815
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1735715891-19380815
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungDer sächsische Erzähler
- Jahr1938
- Monat1938-08
- Tag1938-08-15
- Monat1938-08
- Jahr1938
- Titel
- Der sächsische Erzähler : 15.08.1938
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legte sich Zügel an, um das verzehrende Heimweh nicht zu verraten. Las zu überwinden ihm nie gelungen war. Es hatte eisernen Fleißes und eines genügsamen Magens be durft, um, da er nun einmal dem Zuge in die Stadt gefolgt war, als Neuling nicht unterzugehen, nicht hinabzUsinken in das Elend so vieler Existenzen, deren Kräfte sich als zu schwach erwiesen im grausamem unerbittlichen Kampf ums Dasein des schmachvollen Lohnsklaventums. Doch da er nur geringe Ansprüche an das Leven gestellt hatte es ihn auch nicht betrogen. Das Leben wird am meisten an denen wortbrüchig, denen es viel versprochen hat. 5. Kapitel Es war bald nach Mittag, als ein zweiter Besuch sich dem Birkhof vom Dorf her näherte. Felix Schirmer, der Schulmeister. Er ging merkwürdig langsam, als er am Teiche hinschritt, denn in dem Rauschgold am Wasser raschelten Tritte, und eine Stimme lockte die Hühner: „Gluck, gluck, gluck." Zwischen Len weißen Stämmchen wurden braune Haarflechten mit einer mattblauen Schleife sichtbar. Am liebsten stünde er ja mit dort drüben neben dem Braunköpflein, aber er fühlt auf seinem Gesichte flammende Röte brennen. Die heißt ihn gradaus gehen. Die Bäuerin stand vor dem steinernen Brunnentroge im Hofe, als sie verwundert dem gutgekleideten Herrn entgegen sah, der auf sie zuschritt, vor ihr stehenblieb, und, den Hut ziehend, sprach: „Guten Lay, Frau Neumann, verzeihen Sie, daß ich Sie m ihrer Arbeit störe, ich bin der neue Lehrer, Felix Schirmer, und mache seit einigen Tagen meinen Rund gang im Dorfe, um die neue Gemeinde, in der ich tätig bin, auch möglichst gut kennenzulernen." Agnes bot ihm gleichgültigdie Hand und erwiderte sei nen Gruß mit einem kurzen „Willkommen!" Eine kurze Pause entstand. Der Besucher fand nicht gleich Worte, die dazu angetan gewesen wären, ein längeres Gespräch einzuleiten, eine leichte Verlegenheit stieg in ihm auf ob der kurzangebunde nen Art der Frau. Aber er hatte schon Nebung, wie man deS Landvolkes wortkarge Art anzupacken hat. Nur nicht auf drängen; ginge es ihm nicht um das Glück seines Herzens, er hatte sich Wohl nach einigen belanglosen Worten zum Gehen gewandt. Die Bäuerin machte eine einladende, flüchtige Handbe wegung nach der Haustür hin und sprach gelassen: „Wollen Sie bitte eintreten?" „Danke, danke, aber ich weiß, wie es beim Bauer unter« Tage ist, da guckt die Arbeit aus allen Winkeln, und ihr darf ich Sie nicht abspenstig machen." Agnes aber hörte nur das Abweisende aus seinen Wor ten. Was kam er zu ihr, wenn er, unter dem Banne der öffentlichen Meinung stehend, einer ehrlich gemeinten Ein ladung, die selten genug hier war, sich nicht getraute Folge zu leisten? Gut, dann sollte er aber auch den Birkhof für im mer links liegen lassen, genau wie die übrigen Dörfler. „Ja, Herr Lehrer, der Birkhof gehört schon lange nicht mehrzu Äutal. Und es ist auch ganz gut, wenn es so bleibt." Aber da sah sie, daß sie an den Anrechten gekommen war. Der junge Mann schüttelte den Kopf. „So nicht, Frau Neumann. Offenheit gegen Offenheit! Für die öffentliche Meinung mit ihren Einflüsterungen bin ich taub. Ich gehöre mir selber. Und eine Kritik an meinen Mitmenschen maße ich mir nicht an. Damit Sie sehen, daß Sie meine Worte falsch gedeutet haben, gehe ich voran." Damit tat er einige Schritte gegen die Haustür, wandte sich um und fragte lächelnd: „Dan ich?" Die Frau folgte ihm unwillkürlich. ,Mtte, Herr Lehrer." Das klang schon etwas weniger kühl. Agnes fühlte, daß sie im Begriff stand, nach langer Zeit wieoer einmal an einem Menschen gute Seiten zu entdecken. Wer Freude empfand sie darüber nicht im geringsten, dazu stand ihr der Mann zu fremd gegenüber, nur verblüfft war sie, über seine Offenheit sowohl, als auch über seine sichtliche Bemühung, ihr nicht zu mißfallen. In der Hausflur schritt sie voran und ließ ihn in daS kleine Stübchen eintreten. Als sie einander gegenüber saßen, sprach er mit freundlich bittendem Tone: „So haben Sie also mit mir Frieden ge macht?" „Ich habe keine Ursache, mit Ihnen in Unfrieden zu leben? antwortete die Birkhoferin. Der junge Mann entgegnete warmen Tones: „So stelle« Sie sich doch auch über die Feindschaft der Menge, die doch so wandelbar ist, die heute .Hosianna" und morgeu Kreuzige" ruft." Doch sofort mußte er hören, daß er zu weit gegangen sek. Der Bäuerin Gefichtszüge schienen wie gemeißelt, so hart, ÄS sie Set ihren Worten nach den Dächern von Autal hlnuver- wies. (Fortsetzung folgi-s eilender Hast, denn diesmal war er es. Sie wollte ihm ent gegensetzen, aber plötzlich kam eine Furcht vor -em Alleinsein mir ihm über sie, die ihren Füßen den Dienst versagte. Näher und näher kam er. Jetzt konnte sie bereits sein bärtiges Antlitz erkennen. Mrd die Anast fiel von ihr mit aufatmender Erlösung, wie mit einem Zauöerschlag gebannt, als seine Augen die ihren trafen. „Schwester!" Sein Arm legte, sich leise um ihre Schultern und zog die noch schwach Zitterndem» seine Brust. .Heinrich, Bruder!" Sie legte den Kopf an seine Brust, und ihren Augen ent strömten befreiende Tränen. Ihr Herz fühlte, daß es endlich wieder einmal geborgen sei in dem sicheren Arm stärker Man nestreue. Jetzt erst merkte sie, daß sie nur ein schwaches Weib gewesen war, all die Jahre hindurch nur von ihrem Stotz aufrecht gehalten der Härte der Welt gegenüber. Die steiner ne Maske war von ihr gefallen. Wortlos standen sie da. Als Heinrich den Schritt langsam -em Hofe zulenkte, ohne die Umschlinguim zu lösen, flackerte noch einmal eine jähe Angst in ihren Augen auf, die des Bruders Herz sogleich er- kannke. Fester zog er sie an sich. „Geschehenes ist begraben," sagte er leise und strich ihr begütigend über die Hand. Geschehenes! Agnes flrhr das Wort wie schneidender Stahl durch die Seele, und über ihr Gesicht legte sich wieder der harte Schein des Stolzes. Wie chatte sie nur einen Augenblick lang denken können, der Bürde ledig zu werden, die ihr das Leven auf den Rücken geladen hatte. Aufrecht, mit entschlossenen Zügen, schritt sie an der Seite des Bruders durch das Hoftor, ganz die Birk- hofbäuerin. Heinrich ging in Sinnen verloren neben ihr hin. Fürff- undzwanzig Jahre, seit er die Luft der Heimat nicht mehr geatmet hatte. Und was lag alles hinter ihm, in diesen Jah ren des Mühens und Schaffens unter frenwen, gleichgültigen Menschen. Gedankenschwer hob er den Kopf. Was war das? Konnte die Zeit ihren Lauf rückwärts fließen machen? Da stand seine Schwester vor ihm im blühenden Lenzesalter, wie er ihr Bild noch im Herzen trug. Nur seiner war es, wie von einem reinen Aether durchdrungen, der ihm den Stempel von Zartheit und Milde ausgedruckt hatte. Ja, das war sie, das Auge voll heiterer Jugendschuld, wie er sie jahrelang an seiner Seite zu sehen gewohnt gewesen war. Dor seinem Auge hatte später lange, ach so lange ein anderes Bild gestanden, getrübt durch häßliche Schatten. Die zog eine sanfte Hand hinweg, die sich jetzt schüchtern in die seine legte. „Onkel." .Kind." Er zog sie leise an sich und küßte sie aufdie Stirn. Agnes seufzte auf. Eine eifersüchtige Flutwelle griff ihr heiß ans Herz. Dem Kinde würde s«ne Liebe gelten, die für sie verloren war. Sie aber würde dazwischen stehen, an der Stirn das Brandmal. Heinrich stand traumverloren neben dem Mädchen, bis ihn der Schwester Seutzer weckte. Da ergriff er ihre Hand, und selbdritt stiegen sie di« Treppe hinauf, den eigentlichen Wohnräumen zu. Warm umschloß die Hand Les He,«gekehr ten der Schwester Rechte, aber sie fühlte nur die Wärme des Mitleid-, das zu Häschen ihr Stotz nicht zugab. DaS große Zimmer hätte wenig von bäuerlichem Charak ter autzuweisen. Es glich mehr einem gediegenen, bürger lichen Raume voll einfacher Vornehmheit. Ein großer, ovaler Lisch, darüber eine große, bronzene Hängelampe, stand in der Mitte. An der einen Wand ein Sofa mit dunkelgrünem PlLWbtzUg, Hochlehnige, schwere Stühle mit Schnitzwerk, ein dünner, großer Schrank mit matten Metallbeschlägen zeug ten von einem gewissen Schönheitssinn der Bewohner. Den Fußboden bedeckte in seiner ganzen Fläche ein blaugrüner Sniyrnatevpich. Auf einem offenen Förster-Piano lagen Notenblätter zerstreut, Chopin, Schubert. Wie sie behaglich am Tische saßen und das Wohlgefallen aus Heinrichs Augen auf Lenas Gesicht strahlte, weckte es in ihrem HerzM bas Zutrauen zu dem weltmüden Manne. Das wurde die Brücke, auf der bald die Worte hinüber- und her- Lverliefen. Auch Agnes ward mitteilsam, und die Worte sprangen leichtfüßig zwischen Len dreien einher. As^m^ten nur die Geschwister, aber nicht die, um Leretwillen sie so anders sprach«!, als ihr H«A- Die Schatten der Erinnerung waren noch nicht gewichen. Heinrichsprach nur wenig über sein vergangenes Leben. Daß eS zu Anfang schwere Lehrjahre gewesen waren, blickte Wohl manchmal zwischen seinen Worten hrndürch, aber er
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