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Der sächsische Erzähler : 05.11.1938
- Erscheinungsdatum
- 1938-11-05
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1735715891-193811056
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1735715891-19381105
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1735715891-19381105
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungDer sächsische Erzähler
- Jahr1938
- Monat1938-11
- Tag1938-11-05
- Monat1938-11
- Jahr1938
- Titel
- Der sächsische Erzähler : 05.11.1938
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Zer M.) der und ders. ver- >urch über der stich- den nzu- k die unter NS.. 80 lpe- ier- bus und !er- wcr !ln- daß hen, ten. ter- nd- tellt ssar Git ters i>em lßte nen äsen SN- ws mng - ist der leich. Werk lnser vier Ich- inks > die »len und 1. ver ¬ lern, l im ilktt- sich ilten Wil. des Der ihren lserer ;ude", ich in ! V0N dieses schie- Zuge rmis. lenen durch und ttz zu n. r, die Geld, Er- ppen, tung ächste , der irup- Ver- zwar noch mehr iume daß den Herbstwind geht . . . Hohl steht in fast entlaubten Bäumen der harte Wind und reißt die Blätter ab; du spürst ihn ruhlos überm weiten Land ... er singt den Herbst nun schon in kaltes Grab. Er reißt an deiner Herzens Träumen uNd bricht so mayche Hoffnung aus- dem Glück, Verweht die Freuden, die der.Sommer wand, und läßt .-ich einsam stehn, mit leerem-Blick. ' -- - . . - '' ' PH „und dasselbe Bild hängt — nur großer — bei unS zu Hause—" . , - . „Es stammt von mir, Slgnorina. Dies war der erste Entwurf, den ich machen mußte — denn der deutsche. Herr wollte sich von meinem Können überzeugen, ehe er mir den Auftrag gab, seine schöne Tochter zu malen. Und sie — sie gab mir später das kleine Medaillon zur Erinnerung und zum Aufbewahren des Bildes —" „Das haben Sie treu getan", sagte Adda herzlich und nahm seine Hand in die ihre. „Aber wie ging es weiter, kam keine Fortsetzung?" . . Er schüttelte den Kopf. „Ein armer, wahrscheinlich zu-' kunftsloser Maler, wie es ja auch geworden ist! — und sie, die verwöhnte Tochter eines reichen Grundherrn — nein/ ich würde das nie gewagt haben. Ein paarmal schrieben wir uns noch — dann war's aus. Und ich heiratete -eine gute Frau aus Capri. Sie ist lange tot." „Auch meine Großmutter", geständ Adda. „Ich habe sie sehr liebgehabt." Der Alte, neigte den Kopf. „Man sollte sich schneller entschließen und nicht zu viele Bedenken haben", meinte sie da heiter und gedachte.eines fer nen Menschen- dem sic nun selbst etwas „offenbaren" könnte. Koffer nehmen. Das Klavierkonzert und ... . Ihr Herz . . .1, und . . . wir verstehen uns doch, nicht wahr?" — I. Grenzstation l Er half Eris aus dem Zuge, und sie gingen I -um Wagen hinüber, ein paar Anweisungen an den Fahrer, etzte Worte zwischen ihnen beiden, ein Händedruck, dann stieg »e em. Als sie zurücksah, stand Michael Jerry immer noch dort neben seinen Koffern, ein Fremder wieder, und winkte mit dem Hut. Vorwärts . . . der Wind vom Rhein kam kühl das herabgelassene Fenster, vor ihr der unbewegliche Schatten des Fahrers, d,e Arme einer Windmühle tauchten auf, darüber flogest die Sterne... Wtzlich überkam sie die Angst, sie möchte nicht rechtzeitig zur Stelle sein, sie holte die Noten aus dem Koffer und ließ sie aukgeschlaaen auf den Knien liegen. „Dort hinten sind schon die Hochofen von den Brendelwerken", sagte der Fah- rer, „in zwanzig Minuten werden wir es schaffen? — „Danke." Sie schluckte an aufsteiaenden Tränen der Freude, diese Eris, dre noch vor wemgen Stunden der Grenze cntgegcngefiebert « « « Sie wußte nicht mebr, wie sie in die Stadt gekommen war, bis sie. die Palmenin der Vorhalle sah. Aus den Gruppen plaudernder Menschen horte sie ihren Namen flüstern, Duft UNd Warme umgaben sie. Sie eilte inS Künstlcrzimmer, ihren Koffer in der Hand, dre Nöten an sich gedruckt, in ihrem ver fochten^ strömenden Haar, fieberheiß und sinnlos glücklich. . Mts sie eintrat, schlug Reimar zum letztenmal die Partitur zu und streckte ihr die ÄrMe entgegen. „Du ... Eris, wie aut, daß du da bist, haft du einen Kamm . . .? Ich habe ihn liegen lassen. > Glaubst du, Haß alles klappen wird?" Sie nickte ihm lächelnd zu und griff nach der Essenz und dem Puder. Ein wenig Sammlung noch, ein paar Griffe aus dem Klavier, sie spürte weder Angst noch Ermüdung, nur den roten Strom zu dem anderen, zu seinem Herzen . .. Letztes Klingelzeichen, Stimmen im Orchester. ,Hast du die Presse gesprochen, Reimar?" — „Alle da ..." — „Auch Dorothy . . .?" — „Dorothy . . .? Ich glaube schon, daß sic da ist." ...... . Bause. „Du, Eris", sagte er stockend, „fast hätte ich heute abend das Gefühl, du würdest aus einmal nicht mehr zu mir kommen, und ich stände da, so mitten durchgerissen wie dieser Forscher oder Professor, den Dorothy Meeteran einfach ver lassen hat ... . wie hieß er doch, ich habe doch einmal seinen Namen gehört . . . richtig: Jerry, er muß so sonderbar ge wesen sein . . . aber du bist ja bei mir.. . ." „Ich werde immer kommen, Reimar, das weißt dir ja." Er gab dem Orchcsterdiener die Partitur. »Komm, Eris!" Stjlle. Beifall. Stille. Der Dirigent hob den Stab. Eris sah Reimar an und legte die Hände auf die Tasten. Das Klavierkonzert begann . V-lblatt zu Nr. 28S de-„Sächsischen Erzähler«- Musik im Heim Erzählung von Marina Thudichum , Herbert Dillingers Ehe war glücklich. Man beneidete ihn allgemein um Renate, seine hübsche fürsorgliche Frau, und um seinen vierjährigen Sohn Michael. Die Familie bewohnte eine Dreizimmerwohnuira mit Ausblick auf eine Anlage und mit einem winzigen Balkon, der eigentlich Michael allein gehörte. Das Unglück begann mit dem Umzug. Herbert hatte seine Arbeitsstelle gewechselt und unweit von seinem neuen Büro eine Wohnung entdeckt, die ebenfalls drei Zimmer und sogar einen Balkon für Michael aufwies. Man könnte dann das Fahrgeld sparen, meinte Herbert, und Renate willigte schweren Herzens ein. Das erste, was Herbert in dem neuen Haus unangenehm auffiel, war ein Namensschild im ersten Stockwerk. Er stand, einen Kleiderrechen u. einen Roller über die Schulter gelegt, sinnend davor und runzelte die Stirn. Merkwürdig, daß ich das nicht gleich bemerkt habe, dachte er. Ausgerechnet die Marga wohnt hier — na, das ist ja weniger schön. Vor seinen Augen erstand plötzlich die Junggesellenzeit und sein Arbeitsplatz neben der auffallend schönen Steno typistin Margarete. Nun ja, vielleicht war es damals nicht so ganz richtig gewesen, sie einfach allein zu lassen. Aber schließlich — er hatte ihr nie etwas versprochen; ein paar Ausflüge, ein paar Kinobesuche — weiter war nichts gewesen. Sie hatte sich Hoffnungen gemacht — was konnte er dafür? Sie war ihm langweilig geworden mit ihrer Oberflächlich keit, ihren Launen und ihrer Eitelkeit. Dann war Renate ge kommen und hatte ihn glücklich gemacht. — Herbert bangte um seinen häuslichen Frieden. Sollte er Renate erzählen? Krach! Er hatte durch eine plötzliche Wen dung, mit dem Roller einen Spiegel zerschlagen, der hinter ihm die Treppe hcraufschwankte. Der Zichmann blieb stehen und stöhnte: „Jottc doch!" Renate kam die Treppen heruntergestürmt. „Es bedeutet ein Unglück!" rief sie und rang die Hände. Michael hüpfte hinterdrein und quietschte: „Warum denn, Mutti?" Da öffnete sich die Tür des ersten Stockwerkes, und heraus.trat Margarete. „Oh!" rief sie. „Welche Ueber- raschungl Wie wird Klaus sich freuen!" Und sie schüttelte Herbert so kräftig die Hand, daß der Kleiderrechen die Trep pen hinünterpoltcrte. Herbert verbeugte sich und stellte vor: „Meine Frau — mein Söhn" — »Herr Dillinger ist ein früherer Kollege meines Bru ders", lächelte Marga, und für einen Augenblick vertieften sich die Fältchen um ihre Mundwinkel. So was Verlogenes, dachte Herbert. „Sag guten Tag", ermahnte Renate ihren kleinen Sohn, und Michael schlug die Hacken zusammen. „Ich führe meinem Bruder den Haushalt", flötete Marga weiter. »Kanu ich etwas helfen? Vielleicht den Kleinen et was unterhalten? Oder eine Tasse Kaffee kochen?" „Nein, danke." Michael ging auf den Balkon. Und Kaf fee hatte man, schon getrunken. Vielen Dank wirklich . . . — ,Aun," denn ein andermal", flötete Marga und zog sich zu rück. Herbert sammelte stöhnend die Scherben des Spiegels van der Treppe. . . Das „andere Mal" ergab sich bald. Michael hatte von seinen! Balkon drei Bausteine hinuntcrgcworfcn. Sie waren auf MargaS Balkon licgcngevlicbcn. „Komm, hol sie dir, mein Jungchen!" rief Marga zärt lich. Und Michael trappte hinab. Nach einer Stunde holte ihn Renate herauf. Bei dieser Gelegenheit wurde sie natürlich hcreinacveten und mußte die Wohnung bewundern. ES waren altmodisch eingerichtete Zimmer. Am Fenster stand ein Klavier mit aufgeschlagenetn Deckel. „Ich habe ein wenig mit dem Kleinen gesungen", lächelte ' Marga und strich Michael übers Haar. „Er scheint sehr musikalisch" zu sein — kein Wunder bei diesem Vater." „So?" fragte Renate verständnislos. „Ja", ereiferte sich, Marga, „wenn Ihr Mann abends bei uns war, mußte ich immer spielen. Er hörte das so gern. Er sagte oft: „Ich heirate nur, eine musikalische Frau — Musik eint die Menschen"." — „Ja",. sagte Renate geistesabwesend. Dann nahm sic Michael an der Hand. „So, nun müssen wir aber gehen." „Das iS eine ulkige Tante", erklärte Michael auf der Treppe. „Sie lacht wie das Weiße Huhn im Kinderzoo." „DaS sagt man. nicht", ermahnte Renate streng. „Aber Klavierspielen kann sie fein", ergänzte Michael trotzig. „Warum haben wir kein Klavier?" „Vielleicht haben wir bald auch eins", antwortete Frau Renate kurz. „Frag nicht so viel, Michael." Aber insgeheim dachte Frau Rennte über manches nach. Warum, so fragte sie sich, hat Herbert mir nie etwas von seiner Vorliebe für HauSmnsik erzählt? Sicher hält er mich für unmusikalisch und wollte mich mit seinem Wunsch nicht beschämen. Richtig, wie war das gestern? - Renate war im Kino gewesen. Beim Nüchhansekommen hatte sie die Wotz- inng dunkel vorgesunden. Schließlich hatte sie Herbert auf win Balkon entdeckt. Ganz still hatte er gestanden und nach !nten gelauscht. Marga spielte das Spinncrlied aus dem Fliegenden Holländer". ' Renate empfand die Art dieses Spiels nicht eben als inen besonderen Genuß. Herbert sagte: „Ein wunderbarer Abend." Renate hatte nur stumm genickt, Esther hatte Her- Die alte Vase Skizze von Eva Gräfin von Baudissin - . Adda Fahlung, wanderte einsäm durch die kleinen steilen Gassen Capris. Bei jedem Durchblick, den die Mündungen schmaler Gartenstege in eine Straße, gewährten, stand sie still und sah auf das leuchtende blaue Meer Hinunter. Nein, man kannte diese Farben nicht und Hielt alle Bilder und Beschrei bungen, für übertrieben, Lis man diesen Wechsel vom tiefsten Dunkelblau mit den zartesten Schaumkronen bis zum nächt lichen Schwärz, auf dem das Mondlicht, kleine sich wiegende Silbcrmuscheln verstreute, mit allen Sinnen genießen konnte. Und jetzt fiel das Schweigen schwer, in Ausrufe des Ent zückens, der Begeisterung hätte-sie ausbrcchcn mögen. Sich lächerlich machen, sich auffallend benehmen, das verabscheut: sie. Aber dem einen, dem sie verwehrt hatte, sie zu begleiten- — denn der Süden sollte von ihr allein .entdeckt werden — dem hätte sie nun doch einen Anteil an ihrem Glück gcgönn c! Ja, man tut nicht irnmer-das Rechte. Sie wandte stch von der Fernsicht dev Nähe zu und streifte mit gleichgültigem Ausdruck die Auslage hinter einem winzigen Schaufenster, das so ungünstig iM letzten Haus hier oben eingebaut war. Aber da — sie reckte den HaS. Keine Täuschung? Ohne sich zu besinnen, betrat Adda Fahlung den Laden, aus dessen Ecke ich ein ehrwürdiger alter Mann mit schneeweißem Haar- chopf und großen schwarzen Augen erhob. Schnell, als müsse re sofort Gewißheit erlangen, wies sie a'uf eine kleine, etwas roh bemalte Vase, deren-oberer Rand zu vier Buchten aus geweitet war. Woher stammte sie, wie kam sie Hierher? Der Ladenbesitzer nahm die kleine Keramik in die Hand, betrachtete sie lächelnd und sagte, das sei eine spezifisch capre- sische Form, jetzt etwas unmodern geworden,. . . Atemlos erwiderte der junge Gast, daheim, oben in Schleswig-Holstein, habe sie dasselbe Stück, und stets ge glaubt- os sei ein Erzeugnis einheimischer Volkskunst, obwohl ne nie ein zweites gesehen habe. Und ihre Großmutter, von der sie die Vase geschenkt erhalten habe, widersprach nicht, sondern lächelte nur und seufzte einmal, auch Vasen hätten ihre Geschichte . . . Sie hielt inne. Wie kam sie nur dazu, diesem wildfremden Manne so viel Vertrauen zu schenken? Nun ja, die/Freude über den Fund hatte ihr die Zunge gelöst, und wenn er lachen würde, was taks? Aber er lachte nicht. Leise sagte er vor sich hin: „Sleswik- Hölstein" — und'dann in emem plötzlichen Ausbruch und ganz reinem Deutsch! „SchleSwig-Holstcin, Schleswig-Hol stein!" „Sie sind Deutscher von Geburt?" fragte sie erstaunt. Bei seinem Aussehen schien cs ihr beinah unfaßbar. Er nickte. „Jawohl, Deutscher." Er atmete tief auf. ,Hier hängengeblieben, wie so mancher, der sich nicht zur rechten Zeit zu trennen vermag." Allmählich fand er . die Worte, die er anfangs suchen mußte. Ein Maler, den die Schönheit der Insel berauscht hatte, der sic in immer neuen Bildern festzuhalten-versuchte, obgleich sein eigentliches Fach wohl das.Porträt gewesen sei. Und endlich — nun hob er die kleine Vase ryit trauriger Gebärde in die Höhe — war es dazu gekommen! zu einfachen, kleinen, bunten Keramiken, die man fast mechanisch hürstellte und grob ausführte, um sie recht als Volkskunst zu stempeln. „Also ein Fälscher bin ich auch noch, Signorma", gestand er offen. Oh, nein, sie fand sie wunderschön, so originell in der Form und — sie stockte doch etwa? und scheute sich, die Notlüge anSzusprcchen, dann fuhr sic eilig fort, daß die ihre, daheim, ähnlich bemalt sei, und unbedingt müsse sie diese dazu Haven. „Mirttcr und Kind", sagte sie lachend, „denn meine ist größer —" „Die in Schleswig-Holstein", sagte er vor sich hin. Dann hob er den Blick und betrachtete sie lange. „Ihr Gesicht war mir bekannt", stieß er anS, „sic war blond wie Sic und hatte dieselben etwas hartblauen Augen, und sic hieß Adda —" „Adda, wie ich?" sagte sie sanft, nicht mal sehr crstannl über den Zusammenhang. Er antwortete nicht. An-seiner altmodischen Uhrkette hing ein kleines Medaillon, da? ver suchte er zu öffnen. ES gelang ihm nicht, sic half ihm. „Ja ja, meine Großmutter", stieß sie nun doch überrascht auS, Klavierkonzert ' iErtzählungvon Gerda Graarud Die, Frau,, die dssm abendlichen Spiel der Wolken Versun- ken züäeschäUt Hütte, wandte Len Köpflzurück. „Oh, bitte. Sie verzeihen, wann werden wir an der Grenze sein?" — ,Lfch denke, in einer kleinen Stunde, wenn .wir keine Verspätung haben?' erwidettöider Fremde ihr gegenüber und verbeugte sich leicht. «Ich danke Ihnen-" - Ms lehnte sich inihre Ecke, zurück und schloß die Augen. Noch flogen die-kleinen, Ziegelhäuser vorüber und die.schmalen Kirchtürme, noch die einsamen Weiden .. . Unbewußt setzte siesthre -Hände tastend nebeneinander und übte lautlos, eine schwierige Pässaae-deS dritten.Satzes. Da schrwk, sie zusammen. Nein,-der Fremde beobachteteKe nicht,. längst hatte er wieder seisteLeitung angenommen. Einen-Augenblick blieb ihr Blick auf ihm haften. Viel und: weit gereist, ein Wissenschaftler ohne Zweifel, dachte sie, scharfe Linien im Gesicht von einer Levens enttäuschung oder einer mißglückten Expedition . . - Sie öff nete ihre Tasche und sah nach ihrem Reisepaß- Als sie ihn aufschlagen wollte, entglitt er ihr, der Fremde bückte sich Höf lich und hob ihn aüf. - Die Geste ließ ihm Zeit, daS kleine Bild zu betrachten, ein noch jugendliches herbes Frauenantlitz mit Hellen, kühlen und wägenden Augen und einem dunkelblonden Haarschopf über der makellosen Stirn- Nur düs Gequälte im Antlitz der Frau ihm gegenüber fand der Beschauer im Bilde nicht- Der Name darunter: Eris Marfontein. Er reichte ihr lächelnd den Paß und sann nach, wo er den Namen schon gelesenchatte . . . rich tig, heute abend sollte Eris Marfontein das neue Klavierkon zert Reimar Marfonteins- ihres Gatten, am Flügel aus der Taufe heben . . . . „Wir werden einige Minuten Verspätung Haven, doch sie sind kaum der Rede wert", sagte der Fremde. „Die Strecke ist stärk befayren. Ich vermute, gnädige Frau, Sie werden er wartet . . . Beleihen Sie, Professor Jerry, Michael Jerry auS Lüderitzbucht . . ." — „Danke, nein, ich werde nicht er wartet, aber . . .", wieder ging ihr Blick auf die Uhr, „ich wollte, wir wären über die Grenze." Dann machte EriS eine hilflose Bewegung und begann fassungslos zu weinen. „Sie müssen Vertrauen haben", sagte der. Professor, „bedenken Sie, um acht Uhr sollen Sie am Flügel sitzen ., ." Aus der einfachen Geste seiner Hand und dem Klang seiner Stimme empfand Eris daS Wesen eines Menschen, der, von Höhen und Tiefen dieses Lebens ange- rüh^t, eben dieses Leben zu erfassen und zu deuten gelernt .Mein", sagte Eris, ,-ich werde nicht zurückkehrcn, ich Werve über Den Haag nach Paris fahren, wo ich meine Stu dien wieder aufnehmen will. Sie wissen nicht, was für. Wochen hinter mir liegen, welch.aussichtsloser Kampf . . ." Wieder seine warme, ruhige Stimme: „Ich errate .... gegen eine andere Frau, vielleicht Künstlerin wie Sic, ein neues, erregendes Erlebnis für den Künstler Marfontein ...?" Sie nickte. „Ich weiß, er ist Dirigent, muß jedem neuen Eindruck, jeder Anregung äufgetan sein, muß jung bleiben und sich ernfühlen können. Ich habe es mir immer wieder vorgesagt, habe die Lebensanschauung, daß auch eine Frau Anrecht auf ein eigenes Leben haben müsse, zerschlagen, und bin fern Kamerad und Interpret geworden, weil er eben ein großes Kind und ein schöpferischer Mensch zugleich ist. Welch ein Irrtum, zu glauben, man könne alles sein!" — „Ms er es gewohnt war. kam jene andere . . .?" „Sie hatte als Berichterstatterin in den Tropen gelebt und kam zurück aus einer anderen Welt als der unseren, einer geheimnisvollen Atmosphäre, in der auch Reimar lebt, wenn cr ein neues Werk beginnt und das andere Ich sucht, düs Ein malige ... so war Dorothy Meeteran." „Ach!" — „Sie kennen sie?" — „Ein wenig." Schweigen. „Und diesem . . . Einmaligen, wie Sie es nennen, räumen Sie das Feld, kampflos, mutlos?" „Sie wird mich ersetzen und ein leichtes Erbe antrcten, glauben Sie." — /Sie irren! Sie wird ein hoffnungslos schweres Erbe antreten, denn sie kömmt in eine Welt, die durch Jahre der gemeinsamen Enttäuschungen und Opfer von Ihnen beiden aufgebaut wurde. Und . . . heute abend wer den Sie fort sein, Fremde werden für Sie einspringen, viel- leuht wird cs auch so ein Erfolg. Nur eines Tages wird Rei mar Marfontein entdecken, daß der warme Blutstrom, daraus er. schaffen konnte; verebbt ist. Die Quellen unseres Glücks erkennen wir ja erst, wenn sie versiegt sind . . . und jener an deren Frau fällt die Last zu, ihm den Glauben wiederzuaeben, die keiner ihm wiedergevett kann . . . Auch von mir ist ein mal eine solch ^stolze Kau fortgegangen, damals las ich noch an der Universität, stand vor bedeutungsvollen Experimenten, an denen diese Frau, nennen wir sie auch ruhig Dorothy, teil hatte . . . und eines Tages verlor sie die Nerven und ging. Seitdem habe ich mich aufgegeben, beide sind wir Ruhelose ge worden, die uv und zu durch Fremde voneinander hören, zwei Irrende dieseS.Lebens, denen das ergraute Haar und die Mü digkeit voN diesem zerspaltenen Dasein geblieben ist. . ." EriS stützte den Köpf in die Hand. Gestern nacht hatte sic noch einmal nach Reimar sehen wollen. MS sie ins Musik zimmer ttat) hatte er vor dem Flügel gesessen, den Kopf auf den Tasten, vor Uevermüdung eingeschlasen, den Stift noch in der Hand. Ringsum lagen die Noten aufgeschlagen von der Quartettpröbe, Konzepte, Partituren . . . Sie hatte sich zu üöM Schlafenden niedergebeugt, und ihr Blick war auf seine grandn Schlafen gefallen. Und nun fühlte'sis es: Wie er an der Grenze stand Und sich wehrte, sie zu überschreiten. War es so, baß sie, EriS, ihm die Jugend, das Unbeschwerte bedeu tete, daS er im Klavierkonzert so wunderbar eingefangen? „Sehen Sie dort drüben die Lichter?" fragte Jerry und stand auf. ,L8ir sind gleich an der Grenze." — „Aber«'/ flü sterte Eris atemlos, „noch sind wir nicht über die Grenze, Professor, noch nicht." Er lächelte «nmerklich. .Haben Sie übrigens die Noten ?um Konzert bei sich?" — „Ja ... er hat es mir gewidmet, ich konnte mich nicht davon trennen . . ." «Dort drüben am Bahnhof wartet ein Auto auf mich, aber ich hab« Zeit und werde warten. Und Sie werden Ihren
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