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Der sächsische Erzähler : 22.05.1897
- Erscheinungsdatum
- 1897-05-22
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1735960349-189705221
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1735960349-18970522
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1735960349-18970522
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungDer sächsische Erzähler
- Jahr1897
- Monat1897-05
- Tag1897-05-22
- Monat1897-05
- Jahr1897
- Titel
- Der sächsische Erzähler : 22.05.1897
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Abend bei ihnen zuzubringen, da sie annimmt, daß gute Musik Dir wie mir Vergnügen gewährt." „Diese Einladung kommt etwas spät, Helena," sagte der Graf. „Marie schreibt, daß die Künstler erst heute Morgen zugesagt hätten," entschuldigte Gräfin Helena. „Was diese Art Leute sich heutzutage erlauben!" rief der Graf, „aber die Zeiten werben sich ändern und mit ihnen die Sitten. Ich habe keine Lust aus zufahren, der scharfe Wind dringt selbst durch die Fenster des Wagens." „Wenn Du Dich sorgfältig einhülltest —", wandte sie ein. „Ich pflege, wie Du wissen könntest, mein Wort nie zurückzunehmen," war die kurze Antwort des Grafen. Helena schwieg, der Blinde sagte in milderem Tone: „Ein anderes Mal, Helena. Das junge Mädchen, welches mir bisher vorlas, ist krank, sie hat mir einen Stellvertreter geschickt, der vorzüglich liest; willst Du zuhören? Ich denke, Du wirst Dich dabei unterhalten. Du kennst Quintin Durward nöch nicht". „Wenn Du erlaubst, nehme ich Theil an diesem Vergnügen," erwiderte Helena. Ottomar befand sich in einer Aufregung, die ihn die unartigen Worte des Grafen vergessen machte. Wie er dem schönen Wesen gegenüber saß, ihre Sternenaugen erwartungsvoll auf sich gerichtet sah, war ihm zu Sinn, als umfange ihn ein holder Traum, aus dem er sich kein Erwachen wünschte. „Beginnen Sie doch endlich, Herr Pilger," sprach Graf Peyronnet, und mühsam das Beben seiner Stimme bewältigend, las Ottomar. Vielleicht hätte er das erste Kapital zu einer anderen Zeit besser ge lesen, aber später, wie Jaqueline auftrat, legte er allen Ausdruck, den seine wohllautende, biegsame Stimme besaß, in seinen Vortrag. Gras Peyronnet kam ihm vor, wie der schlaue, tyrannische König Ludwig XI., die schöne Jaqueline die jedenfalls eine verkleidete, vornehme Dame war, wie Helena; er meinte, Quintin Durward zu sein, dessen Herz schon beim ersten An blick Jaquiline's in Flammen steht. Endlich sah sich Ottomar genöthigt, das Buch hinzulegen. Der Diener meldete, daß Frau von Sögur die Herrschaft zur Tafel erwarte. Der Graf nahm den Arm Helena's und sagte, freundlicher als sonst: „Auf morgen, zur selben Stunde." Helena verbeugte sich wieder und flüsterte! „Ich danke Ihnen, mein Herr." Ein Blick , aus dem für ihn eine Welt voll Glück strahlte, begleitete diese wenigen Worte. Wie ein Träumender wandelte Ottomar durch die Straße, er sah und hörte nicht, was um ihn her vor ging; nur einem glücklichen Zufall hatte er es zu verdanken, daß er nicht überfahren wurde. Obgleich das Wetter sehr unfreundlich war, fühlte der Aufge regte doch das Bedürfniß, im Freien umherzuschweifen. Es war schon spät, als er in sein Zimmer trat. Sie, Helena, die so schön und bezaubernd wie jene Helena war, deren Schönheit sie zu den Unsterblichen gesellt hat, sie wiederzusehen, ihre süße Stimme hören, unter der Macht ihres magischen Blickes eine vorher nie ge ahnte Seligkeit empfinden, sich Ruhm erwerben und alle Kränze ihr zu Füßen zu legen, das waren »die Gedanken, die seine Seele durchflutheten. Daß der stolze Graf Peyronnet, der Legitimist, einem Manne von unbekannter Herkunft, wenn auch vielleicht als Poet und Schriftsteller berühmt, seine Tochter oder Nichte nicht zur Gemahlin geben würde, das bedachte Ottomar nicht. Ihm war es jetzt genug, daß er sie wiedergesehen, ihren Taufnamen erfahren, die beseligende Gewißheit hatte, am nächsten Tage wieder in ihrer Nähe zu sein. Daß einmal eine Stunde kommen müsse, wo er von ihr auf immer Abschied nehmen würde, das kam ihm nicht einen Augenblick in den Sinn; er lebte nur in der Gegenwart; und vielleicht macht die Liebe deshalb so glücklich, weil, wer leidenschaftlich liebt, das Leid der Vergangenheit vergißt und, weil er an die Zukunft nicht denkt, sie auch nicht fürchtet. Eduard Stauffen war die Veränderung in dem Wesen seines Freundes nicht entgangen; daß dieser ein Geheimniß vor ihm verberge, glaube er nicht, da er selbst eine offenherzige Natur war, er wußte, daß Ottomar eine Dichtung von größerem Umfange be gonnen hatte, daß ihn diese lebhaft beschäftige und von dem, was um ihn her vorging, abzöge. Zu den Neu gierigen gehörte der Sänger nicht, außerdem hatte er jetzt viel mit sich selbst zu thun, er wurde durch sein Talent bekannt und beliebt und genoß alle diejenigen Annehmlichkeiten, welche die Gesellschaft stets für Ge sangsgrößen und Virtuosen in Bereitschaft hat. Seiner Gewohnheit nach besuchte er jeden Tag Ottomar oder traf mit ihm zusammen, denn obgleich die Damen aus der Gesellschaft anfingen, Eduard zu bevorzugen, so manches eingehende Ürtheil, das Kenner über seine Leistungen aussprachen, ihm wohlthat, Ottomar blieb ihm doch der liebste Mensch, und er würde Abends mit seinem Tage nicht zufrieden gewesen sein, wenn er seinen Freund nicht wenigstens einen Augenblick ge sprochen hätte. So trat er denn den Tag, nach dem Ottomar's neue Zeitrechnung begann, in dessen Zimmer, warf sich nicht, wie gewöhnlich, in einen bequemen Stuhl, sondern sagte heiter: „Ich finde Dich am Schreibtische, ich will Deine Muse nicht verscheuchen, laß uns zusammen diniren, Adieu." „Bleibe nur," erwiderte Ottomar, „ich bin allein, meine Muse läßt sich, wie es scheint, heute nicht herab, mich zu besuchen, was ich geschrieben habe, wird in den Kamin wandern." „Nicht immer spannt Apollo den Bogen", lachte Eduard, ich bin auch nicht immer bei Stimme. Gestern Abend war ich es, ich wollte, Du wärest unter meinen Zuhörern gewesen. Ich komme jetzt in viele angenehme Häuser, aber das reizenste ist das des alten Baron Pourville. Ein Mann mit weißem Haar, aber jung mit frischem Herzen. Er hat in seiner Jugend unter Napoleon I. mehrere Feldzüge mitge macht, doch in seinem Benehmen die Feinheit des Ge lehrten, die Empfänglichkeit des Künstlers. Er liebt leidenschaftlich Musik und seine Enkelin spielt Harfe wie ein Engel." „Wieder einmal verliebt, Eduard?" sagte Ottomar, „und diesmal zur Veränderung in eine Baronesse, hüte Dich, daß Du Dir nicht die Flügel verbrennst." „Beunruhige Dich nicht, mein Theuerster," er-
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