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Der sächsische Erzähler : 25.12.1897
- Erscheinungsdatum
- 1897-12-25
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1735960349-189712257
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1735960349-18971225
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1735960349-18971225
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungDer sächsische Erzähler
- Jahr1897
- Monat1897-12
- Tag1897-12-25
- Monat1897-12
- Jahr1897
- Titel
- Der sächsische Erzähler : 25.12.1897
- Autor
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den Schloßpark zurückführte. Sie ritt einige Schritte Unter den überhängenden Aesten der Tannen und Fichten am Bache entlang, bis sie zu einer kleinen, nach dem Bache zu offenen Lichtung gelangte, in deren Mitte sich eine wahre Riesentanne erhob. Die Baro nesse war beim Paß, und vor sich hatte sie die KönigStanne. Unter der Königstanne hatte gestern Strehlen den Direktor Rolf Siegfried getroffen, hier! Das blosse, schöne Gesicht Deilas flammte in zornigem Unmuth auf; war es doch gerade, als ob es schon in ganz Rotheim keine Stelle mehr gäbe, wo sie nicht an den Mann erinnert wurde, durch den so plötzlich ihr Helles, sonniges Leben dunkel und farblos geworden »ar, durch den sie erfahren hatte, was Schmerz und Sorge sei, der die Harmonie ihres glücklichen Familienlebens mit einer schneidenden Dissonanz verstummen gemacht hatte. Della schloß einen Moment die Augen, da schreckte sie jäh zusammen. Ein lautes Krächzen klang un heimlich über ihrem Haupte, und als Della den Blick erhob, sah sie einen großen Kohlraben, mit auSge- breiteten Flügeln über der Tanne kreisend und sich aus seinen Horst niederlassen. „Ein Rabe auf der Königstanne!" sprach das junge Mädchen. „Ich glaube wohl, daß es sich da auch sicher horsten mag.* „Sie ritt näher an den Baum und entdeckte zwei Buchstaben in der Rinde eingeschnitten, wohl stark von Flechten überwuchert, aber in ihren Umrissen noch deutlich erkennbar! „k. 8." las das junge Mädchen und dabei zogen sich die Brauen finster zusammen. Eine Erinnerung aus ihren Kindertagen stieg plötzlich vor ihr auf. War es möglich, was wie eine bange Ahnung jetzt ihre Seele erfüllte? Hier war die Stelle, hier! Wie einsam war es hier, wie murmelte der Rotheimbach, und wenn es im Sommer war, wie lockten dann seine kühlen, klaren Wasser, durch die man auf dem Grunde die weißen Kiesel zählen konnte! Wie um den Gedanken zu entfliehen, die plötzlich wie die lebendig gewordenen Märchen ihrer Kindheit auf sie einstürmten, klopfte Della auf den Hals ihres Pferdes. „Vorwärts, Willis!" rief sie. „Wir müssen eilen, sonst ängstigt sich Tante Lona um uns beide!" Und einen raschen Trab aus dem jetzt sanft' welligen bequemen Weg annehmend, befand sich die Baronesse bald in deni Hinteren Theile des Schloßparkes. Hier, wo der Weg um einen riesigen Felsblock bog, der sich wie eine Wand vorschob, hielt Della wiever an und sah auf ihre Uhr. Das Ergebniß schien sie nicht zu befriedigen, sie hätte heute gern die Stunde des Diners versäumt, um dem Manne nicht mehr zu begegnen, der noch gestern ihr Verlobter gewesen war. Doch sie hatte ihn ja nicht zu scheuen! Nun vorwärts also. Da klang lautes, zorniges Schelten zu ihr herüber, sie erkannte Salbergs Stimme. Wem diese Ausdrücke ungezügelter Wuth galten, war ihr unbegreiflich. Häßliche Schimpsworte drangen an Delias Ohr, dann hörte sie etwas mit lautem Krachen zerbrechen, und hierauf trat tiefe Stille ein. Noch eine Weile zögerte die Baronesse, dann ritt sie um den Felsenvorsprung 1! M. _ und sah sich in dem hier Kmlich frWegenden Wrtin um, aber sie erblickte nicht« uich Niemand. Doch jetzt, hinter dem Gebüsche lag ein unförmlicher Gegenstand. Della näherte sich beinahe ängstlich der StEe. Wahr haftig, auf dem kalten, nassen Boden lag hier ein Mann — todt — bewußtlos! ES war der alte Bettler Valentin, und neben ihm lag die zerbrochene Krücke. Mit eigenthümlichem Blick, in welchem Hochmuth, Entsetzen und Mitleid stritten, betrachtete Della den Leblosen. Sie sah sich um, ob keiner der Diener in der Nähe sei. Da klangen Schritte in dem Lauben gange, der in einiger Entfernung vorüberführte. „Hierher!" rief Della mit lauter, schallender Stimme, und im nächsten Augenblick näherte sich ihr — Rolf Siegfried. Bestürzt schonte Della auf den Direktor, ihn halte sie nicht im Parke vermuthet. „Ich rief einen Diener", sagte sie stockend, finster auf den im Gebüsch liegenden Mann deutend. Rolf grüßte, er widerte aber kein Wort, während er der von der Baronesse angegebenen Richtung folgte. Er erkannte sofort den Bettler, dem er morgens eine Gabe ge reicht hatte, und beugte sich über den Unglücklichen. „Der Mann ist wohl trunken?" fragte Della. „Nein," sagte Siegfried, „er ist ohnmächtig. Er ist gestürzt und schlug höchst wahrscheinlich fallend mit dem Kopf auf einen Stein auf. Doch wie? Hier liegt ja auch noch seine Krücke — und zerbrochen!" Delias Lippen zuckten, als sich Siegfrieds Blick so fest aus sie richtete, als müsse sie über das Geschehene Auskunft geben können. Als sie aber trotzig schwieg, beugte sich Siegfried wieder zu dem Bettler, hob ihn mit beiden Armen wie ein Kind auf und trug ihn zu der nächsten Bank, wo er ihn sanft niederließ. „Ich möchte den Mann nicht allein lassen," sagte Rolf jetzt mit kühler Gelassenheit zu dem schönen Mädchen, das von ihrem Pferde so hochmüthig auf ihn niedersah. „Sie haben deshalb wohl die Güte, mir Hilfe für den Mann vom Schlosse zu senden." Eine dunkle Röthe flammte über das Gesicht der Baronesse. Sie nickte stumm und in der nächsten Sekunde jagte sie in den Hof, wo sie mit harter Stimme den herbeikommenden Dienern befahl, zum Akazienrondel zu eilen, wo der Herr Direktor Ihrer zur Hilfeleistung benöthige. 4. Aus dem Dorfe Ober-Rotheim marschirte ein Trupp von ungefähr fünfzehn kräftigen Männern in schlichter Arbeitertracht den Fahrweg zu Schloß Rot heim hinauf. Es war eben erst Tag geworden, ein herrlicher Wintertag, dessen Pracht nur der sich vorzustellen ver mag, der einen Hochwald im silbernen, von weichem flockigen Schnee gewebten Krünungsmantel gesehen hat. Wie das alles funkelt und blitzt, wie sich die Zweige tief beugen unter der blendend weißen Last, wie endlos weit ausgebreitet rings die Schneedecke er scheint und keine Spur sich mehr von Unebenheit und Ecken findet. (Fortsetzung folgt.) Druck und Verlag von Friedrich May, redigirt unter Verantwortlichkeit von Emil May in Bischofswerda.
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