Dresdner Journal : 10.03.1861
- Erscheinungsdatum
- 1861-03-10
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- Public Domain Mark 1.0
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-186103107
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- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18610310
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- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18610310
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungDresdner Journal
- Jahr1861
- Monat1861-03
- Tag1861-03-10
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- Dresdner Journal : 10.03.1861
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Abouuemrutnprrisr: -LkrUcli: d 1l»Ir. 10 «xr. u> s«ed»»».s Iw Lmltwl» ^jiidrl.. I ,, 10 „ ,, „ (tritt käst- Lack Üou»tUoN io vrick«: 1b tt^r. s bitswpeliv- L»LL«Iu» Uuww«ro; 1 tt^r. 1 biltio. rnsrrate»,reise: ^iir a«ll R«om «iu«r b«l>PEl!t»o«u 2«il«: 1 tt^r. Ilster „Lis^«»»sät" Ni« L«U«: 2 ttxr. Lrschrtueu: ErLbNeN, mit Xvmetiw« cl«r Sons- uvä ?eiert»x«, Xdvllä» fiir ä«n kvlxeoäeu 1»x. DreMerÄurml. Verantwortlicher Redakteur: I. G. Hartmann. Inseratenannahmr auswärts: Lsipalzi: >'». Oommissioaiir 6e, vrssäasr ^»uruals; «denäaselbit: II. UV»»»«; Lite»»: Ilntsaasr»,!, L V»ol.iilr; Lerim: Osorivs'scko Uuebb., Iksr«»lLrsa's ituresu; Lrmo«»: >i. 8v«i.nrri!; kreaiUvrt ». H.: ^xün»:»'»ck« Nuet»N>»n<iIiin^; Löls: >v«l.r ÜtvüXüit; karr,: v. l.uvvnxrrl.8 (26, ru« <!<>« doa, eutsas); kr»^! t«. L»,l,ies's Lueübitiulluuix. Herausgeber: Löuixt. k!xpe<t,tioa <tk>» Or<>-<tner .loriraal», Orssävu, Llarieustrasss llr. 7. > Ämtlicher Theil. Dresden, s. März. Se. Königliche Hoheit der Prinz^ Carl von Bayern ist heute Mittag 1 Uhr nach Berlin abgrreist. Dresden, 8. März. Se. Majestät der König haben die vom Leutnant Starke vom 3. Infanterie-Bataillone, wegen überkommener Untüchtigkeit zum Militairdienste, erbetene Entlassung au» der Armee zu genehmigen geruht. Nichtamtlicher Theil. Uebersicht. Telegraphisch« Nachrichten Zeitungsschan. (Die „ursprünglichen Ideen" des Deut- jchen Bunde-.) Tagesgrschichte. Dresden: Condolenzadresse deS Raths der Stadt Leipzig. — Wien: Berathungen in der Valutafrage. Die Creditanstalt. Veränderungen in der Armee. Gesetzentwürfe im Justizfache erwartet. Die Verhaftung Asboth'S.— Prag: Tschechische Thea- . terfrage. Zu den Landtagswahlen. Einladung an die slavischen Studenten in Wien. Auszeichnung. Präsi dentenwahl des böhmischen Museums. — Berlin: KammerveiHandlungen. Deputation auS dem Posen- schen. Die Zustände in Obcrschlrsirn. Vermischtes. — Erfurt: Zur Gewerbcfrage. Deutsche Ackerbau gesellschaft. — München: Bulletins. Rückkehr der Königin. — Oldenburg: AuSschußbericht über das Gewerbegesctz. — Frankfurt: Vom Bunde. — Itze hoe: Die k. Botschaft an die Stände. — Paris: Senatorenrrnennung. Wahlprüfung im gesetzgebenden Körper. — Marseille: Prinz Napoleon'- Reise nach Italien. MatrosenauShebung. —Turin: Ueberd.Wahl Ltborto Romano'-. Oeffentl. Schulden d. ital. Provinzen. Neapel: Aler. Duma- protestirt. AuS Gaeta. WeigerungSschreiben deS Commandanten der Citadelle von Mesfina. — Korfu: Parlament-eröffnung. — Athen: Die Kammern eröffnet. — China: Fran zösisch- Erpedition nach Cochinchina. — New-Vork: JnaugurationSrrde des SonderbundSpräfidcntei». La«pta-s»erhavdlungeu. Dresdner Nachrichten. Provinzialnachrichtev. (Leipzig. Eibenstock.) Vermischtes. GnssLetn«. Ta-eskalender. Inserate. Lörsev- n achri chten. ' Telegraphische Nachrichten. Pari», Sonnabend, 9. März. In der Ant wort, die der Kaiser der Deputation de» Senat» gab, welche ihm dessen Adresse überbrachte, sagte er: Den Kammern ist da» Recht gegeben, die Acte der Negierung einer freien Prüfung zu unter werfen und das Land über die großen Fragen, welche die Geister bewegen, aufzuklären. Die Adreßdebatte hat ihm beweisen müssen, daß wir keins der entgegengesetzten Interessen preiSgrgeben haben, die e« zu wahren gab. Meine Politik wird immer fest und loyal sein, ohne Hintergedanken. Ich danke dem Senate, daß er für die Vergangen hrit Billigung, für die Zukunft Vertrauen aus- spricht. St. Petersburg, Freitag, 8. März, Abends. Der Kaiser hat dem Könige und der Königin von Neapel den militärischen St. Georgen-Ordrn ver liehen. Kürst PaSkewitsch ist der Uebrrbringer der Insignien. Die „ursprünglichen Ideen" des Bundes. Auch die „Deutsche Allgemeine Zeitung" hat sich zur Vrrtheidigerin des Herrn v. Carlowitz aufgewor fen, indem sie auszuführen sucht, daß derselbe recht wohl ein glühender Anhänger der „ursprünglichen Ideen" des Deutschen Bunde- sein und doch dabei seine jetzige, auf Auflösung deS Bunde- abzirlende Politik verfolgen könne. Da- geehrte Leipziger Blatt entdeckt die Erklärung dieses Widerspruchs darin, daß der Bund etwa» ganz Andere» geworden sei, als was er ursprünglich versprochen habe. ES erzählt, daß der Bund im Anfänge deS Bestehens seine nationale Aufgabe begriffen und zu erfüllen wohl versucht habe, daß' er aber leider von dieser Bahn abge kommen sei. Die Sache verdient eine ernstere und un befangnere Erwägung, als sie die „Deutsche Allgemeine Zeitung" ihr zu Theil werden läßt. I» der That muß Jeder, der mit der Entwickelung der deutschen Bundeszuständc etwas vertraut ist, im All gemeinen die Richtigkeit einer Ansicht zugeben, der zufolge der Bund seine nationale Aufgabe nicht in dem Maße erfüllt hat, wie man cs nach der Anlage, den Bedürf nissen und der ersten Thätigk-it desselben erwarten durfte. Es ist dies eine Meinung, welche auf keiner Seite fester stehen kann, a!S bei Denen, deren Politik von Blättern der politischen Parleirichtung der „Deutschen Allgemeinen Zeitung" unermüdlich angegriffen wird. Es war eben die feste Ueberzeugung davon, daß der Bund zu einer höhern nationalen Aufgabe berufen sei, als sie sich in seiner Thätigkeit seit Decennicn ausgeprägt hatte, welche eine größere Anzahl Regierungen in der Neüzeit veran laßte, am Bunde die Richtung auf Lösung und Befrie digung mannichsachcr großer nationaler Bedürfnisse neu anzurcgen, und je tiefer jene Negierungen von der Ein sicht durchdrungen waren, daß der Bund nur mit Fest haltung seiner ursprünglichen Idee und in der anfangs verfülgten Richtung zu einem nationalen Institute sich gestalten könne, um so mehr hielten sie eS für ihre Pflicht, eine Politik auf Ausbildung des Bundes wieder aufzu nehmen, von welcher man sich leider durch den überwie genden Einfluß der größten BundeSmächte hatte abbringen kaffen. Daß dieser Gedanke der gemeinschaftlichen Bun despolitik einer größer« Anzahl deutscher Staaten zu Grunde liegt, wird jeder Unbefangene, der sich Rechen schaft von der Bedeutung der von ihnen angeregten Auf gaben silr die Thätigkeit deS Bundes geben will, zuge« stehen müssen. Sonderbar ist eS nur, daß Blätter, welche, gleich der „Deutschen Allg. Zeitung", den Mangel an schöpferstcher -Thätigkeit de- Bundes stet» so hart beur- theilt haben und die in der Absicht, die spätere Haltung deS Bundes zu verurteilen, auf die erste schöpferische nationale BundrSperiode gern Hinweisen, daß gerade solche Blätter einer Politik die Unterstützung versagen, welche zu den ursprünglichen Absichten des Bundes zurückkehrt und alle die Keime, welche damals gelegt und anfäng lich auch gepflegt wurden, neu zu entwickeln unter nimmt. Ja, nicht genug, daß auf jener Parteiseite gegen eine Politik geeifert wird, die sich solche Ziele deutlich setzt, so unternimmt man es auch dort, jetzt da- grellste Gegentheil von Dem, was die ursprüng liche und leider später verlassene Idee des Bundes war, als eine „nationale" Politik aufzustellcn, indem man unter Verachtung und Zurückweisung aller der Ele mente zu einer nationalen Rechtsentwickelung, deren Auf nahme in die BundeSgrundgcsehe den deutschen Patrioten, Männern wie Stein, Humboldt, Hardenberg und Ga- gern, sehr am Herzen lag, im Bunde nur einen möglichst losen völkerrechtlichen Verein sehen will, dessen Be ruf nach außen, nicht nach innen gerichtet sei. Diese Anschauung des Bundeswcsenk, welche heute in der „nationalen" Presse der Politik der Mittclstaaten für Erhöhung und Erweiterung der nationalen Thätig keit des Bunde» entgegen gestellt wird, ist aber himmel weit entfernt von der „ursprünglichen Idee" des Bun des. Wer mit der Geschichte deS Wiener Congreffes nur einigermaßen bekannt ist und die anfängliche Thä tigkeit deS Bundes bis zu jenem Zeitpunkte kennt, wo durch den einseitigen Einfluß der beiden deutschen Groß mächte dps^frische schöpferische Leben am Bunde erdrückt und eine Politik installirt wurde, welche, anstatt die po litischen Ueberspanntheiten durch Befriedigung berechtig ter nationaler Wünsche und Forderungen ungefährlich zu machen, den Bund zu einem erbitterten Polizeikriege ge gen die extremen Parteien, aber auch zur Niederhaltung berechtigter Fortschrittsideen gebrauchte, — der wird wissen, was der Bund zu werden versprach und wie er von dem hoffnungsvoll betretenen Wege abkam. ES war auf dem Wiener Kongresse das Bestreben cher angesehensten deutschen Patrioten, in der DundeS- acte so viel Bestimmungen al- irgend möglich zu erhal ten, wodurch die gemeinsame innere politische Ent wickelung Deutschlands gewährleistet würde. Man sorgte damals auf freisinniger Seite wahrlich nicht, daß zu viel in dieser Beziehung geschehen und der Bund Uebrrgriffe in die Einzel-Souveränetät lhun könne, sondern machte e» den Staaten, welche diese Besorgniß geltend machten, zum größten Vorwurf, daß sie eine noch weiter greifende Thätigkeit des Bunde» nach innen verhindert hatten. Die Denkschriften von Stein, Humboldt und Plesscn sprachen deutlich genug, daß man einen Bund wollte, Welcher eine sehr energische Thätigkeit zur Fortbildung und Garantie deS öffentlichen Rechts in allen deutschen Staaten entwickeln sollte. Die Bundesacte entsprach nicht ganz dicseü Bemühungen, und eS wurde deshalb vielfach beklagt, daß darin nicht mehr bezüglich der inncrn nationalen Rechtsentwickelung verbürgt war, als wie ge schehen. Um so mehr hoffte man von der Weilern Selbst entwickelung. Und sie begann denn auch rührig und hoffnungerweckend genug. Die Geschäftsordnung, die Einsetzung der Austrägalinstanz, die Bestimmungen über die Competenz deS Bundestages, die Beschlüsse zu Er füllung des 12. und 16. Artikels der BundeSacte wegen Bildung der obersten Gerichte und wegen Befreiung aller deutschen Untcrthanen von Nachsteuern, die eingehenden Verhandlungen über Befreiungen des Verkehrs zwischen den deutschen Bundesstaaten, die der Auswanderung und der Sicherheit deS SeehandelS gewidmete Aufmerksamkeit, die Beschlüsse über die diplomatischen Verhältnisse de» Bundes und dessen Machtstellung nach außen, die um fassenden Arbeiten der militärischen Organisation, die ErecutionSordnung, die Beschlüsse wegen Veröffentlichung der BundeSprotokolle, wegen der bürgerlichen Stellung der Israeliten, — alle» DaS sind vollgiltige Zeugnisse dafür, daß der Bund in der ersten Zeit seine-Bestehens noch bis in die Mitte der zwanziger Jahre hinein auf bestrn Wege war, di« «uf ihn gesetzt«, Hoffnungen zu verwirklichen. E» leuchtet au» dieser ganzen Thätig keit «in, freiheitlicher Entwickelung zustrebender Geist, eine Erfassung nationaler Bedürfnisse und ein ernstes Sclbstbewußtsein deS neuen nationalen Instituts, durch welches so lange und häufig feindlich von einander Ge trenntes mit einander verbunden wurde. Die Wiener Schlußacte selbst ließ noch nichts von der inner« natio nalen Aufgabe des Bundes fallen und war der konsti tutionellen Entwickung der Einzelstaaten entschieden ge neigt. An den BundeSgrundgesetzcn selbst lag es also wahrlich nicht, wenn später so wenig hierin vom Bunde erreicht wurde. Der Wendepunkt für die veränderte Richtung der Bundekthätigkeit und für die Verkümmerung aller der so hoffnungsvoll gelegten Keime war die innere Politik der deutschen Großmächte. Der Bund wollte auf die kon stitutionelle Organisirung der deutschen Staaten hinstre- bcn, für welche er Institutionen in sich ausbilden mußte, die eine Garantie der konstitutionellen Rechte nach unten wie oben hin boten. In der anfänglich regelmäßig rr- theilten Garantie der konstitutionellen Einzelverfassungen seilen des Bundes, in zahlreichen Aeußerungcn im Schooße der Bundesversammlung und in der Wiener Schlußakte war dies Streben deutlich vorgezeichnet. Es wurde kräf tig von fast allen deutschen Staaten, mit Ausnahme der Großmächte, unterstützt; Stimmen aufgeklärter Staats männer äußerten sich in dieser Beziehung in der Bun desversammlung mit einem Freimuthe, welcher bewies, daß der ernstlichste Wille dafür vorhanden war, den Bund nut dem konstitutionellen Geiste in Einklang zu bringen und zu erhalten. Die Mehrzahl der deutschen Staaten schuf sich in dieser Zeit freiwillig konstitutionelle Verfas sungen und bewies dabei den liberalsten Sinn. Sie wirkten natürlich in homogenem Sinne auf den Bund. Aber es war unmöglich, diesen Geist zur Herrschaft gegen da» Widerstreben der beiden deutschen Großmächte zu bringen. Die- Widerstreben, die Enttäuschung, welche sie, die Großmächte, in ihrer innern Polttik dem Volke bereiteten, nährte große Unzufriedenheit und brachte eben jene Extravaganzen und extremen Parteien in Deutschland hervor, deren Bekämpfung und Niederhaltung von den deutschen Großmächten dem Bunde auferlegt wurde. An statt den Grund der Unzufriedenheit in ihrem Zögern, der konstitutionellen Entwickelung zu huldigen, zu suchen, wollten die Großmächte den Grund der bedenklichen Par tei-Erscheinungen in den von andern Staaten gewährten Rechten und Freiheiten erblicken, und da sie nicht so weit gehen konnten, diese wieder ganz zu unterdrücken, bedienten sie sich wenigstens des Bundes, um die Ent wickelung derselben zu hemmen und zu schmälern, soweit eS irgend ging. Die freisinnigen Vertreter mußten auf Beschwerde der Großmächte hin aus der Bundesversamm lung entfernt werden. Zwar leisteten mehrere Mittel staaten lange Widerstand gegen dieses dem Bunde auf gedrängte Represstvsystem, aber sie mußten endlich dem gemeinschaftlichen Einflüsse der absoluten Großmächte unter liegen. Beirrt in ihrem Streben am Bunde, mit dem Bewußtsein, dem drückenden Einflüsse von Wien und Berlin her gegenüber am Bunde so gut wie mundtodt, auf jeden Fall einflußlos zu sein, bemächtigte sich der Regierungen selbst Unlust an der Bundeswirksamkeit. Daß die öffentliche^ Meinung noch in weit höherm Grade von diesen Gefühlen durchdrungen wurde, war leicht er klärlich,wenn man bedenkt,daß derBund sich nicht nur in einem kleinlichen Kriege mitrevolutionären Parteien erschöpfte, son dern daß er auch der konstitutionellen Rechtsentwickelung der Einzelstaaten gegenüber mehr und mehr eine abgeneigte Haltung annahm. ES erzeugte sich dadurch eine Miß stimmung, welche so tief und allgemein war, daß selbst die ungerechtesten Angriffe der extremen Parteien gegen den Bund, wie gegen die monarchischen Grundlagen über haupt auch von gemäßigterer Sette mit Wohlgefallen ver nommen wurden. Wenn doch die „Deutsche Allgemeine Zeitung" sich heute, wo sie dem „ParticulariSmus" die Schuld an dieser Richtung deS BundrSwesenS giebt, einigermaßen besinnen wollte auf di« Stimmen der Opposition. 1» den 30er und 40er Jahren! Sie würde dann sich selbst die Ueberzeugung geben können, daß der „ParticularismuS" damals noch der einzige Schutz für die konstitutionelle Entwickelung Deutschlands bot und daß ohne ihn wahr scheinlich heute in Deutschland ein scharfer Absolutismus mit revolutionären Umstürzen sich*in der Herrschaft über die deutschen Staaten ablösen würde. Sie würde der Wahrheit die Ehre geben können, indem sie nicht rin etwaiges „particularistisches Streben" verantwortlich für den Verlauf der Dinge in den 30er und 40er Jahren machte, sondern den erdrückenden Einfluß der Großmächte und die Unterwerfung der übrigen Staaten unter ihn. Sobald dieser Einfluß zur Herrschaft gelangte, wurde am Bunde keine der gemeinnützigen nationalen Verhei ßungen, welche in den Bundesgrundgesctzen lagen und zu deren Ausführung in den ersten Jahren deS Bestehens deS Bundes viel Eifer sich gezeigt hatte, mehr berührt. Nur den Polizei- und, was immer dankbar anzuerkennen sein wird, den Militärischen ward noch viel Fleiß zuge wandt. ES ist seltsam, daß die bundcSfcindlichc Presse heute gerade in diesem letzten Punkte, der fast der ein zige ist, dem der Bund in allen Perioden gleich große Sorgfalt zugewantt hat, ein so großes und radikales Re- formbcdürfniß verspüren will. Ist die Voraussetzung der Eintracht der Bundesstaaten richtig, so ist in der That die Wehrkraft de» Bundes, sowie sie heute ist, die mäch tigste der Welt. Und trifft diese Voraussetzung nicht zu, so mag man organisircn, wie man will, man mag einen, Feuilleton. Dresden. Im Atelier des verstorbenen Professor» Rietschel find bi» morgen (Sonntag) die Werke aus gestellt, welche die Thätigkeit der letzten Lebensjahre de» Meister» in Anspruch nahmen. Es sind dies die zum Lutherdenkmal gehörigen Arbeiten und eine Quadriga, welche al» Dachkrönung für da» herzogliche Schloß in Braunschweig bestimmt ist. Di« sogenannte Quadriga, ein Motiv der griechischen Kunst, gehört einer einfach flnnbildnerischen Sphäre an. Wir sehen einen zwriräderigen antiken, von vier Rossen gezogenen Wagen, auf welchem die hohe Gestalt einer Siegesgöttin, dir Zügel führend, steht. Die Göttin, in ein griechische», langherabflicßendeS Gewand gekleidet, da» Haupt mit einer Mauerkrone geschmückt, ist von hoher und lauterer Schönheit; bei aller Festigkeit und kühnen Sicherheit, womit sie die Zügel führt, ist die Gestalt, wie überhaupt das Ganze, in der Bewegung vvll plastischer Ruhe und Einfachheit. Ebenfalls prächtig ist die scharfe, großflächige Behandlung der Pferde, meisterhaft sind sie zur Verstärkung deS symbolischen Gc- sammtgehalte» und de» architektonischen GesammteindruckS brnntzt. Bet aller stylvollen Gebundenheit spricht sich die Natur der edeln Thiere energisch aus. Der Künstler zeigt in der Behandlung der ganzen Aufgabe, obgleich, dem dekorativen Zwecke entsprechend, Alle- in einer mehr generellen Durchbildung gehalten ist, wie ihm die streng idealen Formen de» plastischen Style» nicht minder nahe lagen, a!» die frische Lebendigkeit und ergreifende Wahr- h«ft, welche seine Bildnißstatuen auszeichnen. Wenn «an sich da» Werk auSgeführt mit der zusammrngchvrigrn Architektur denkt (die Pferde vielleicht noch etwa» weiter auSeinandrrstrhrnd, al» in der jetzigen Aufstellung, und sti« Fignr sich höher Über fle hinauShebrnd), so wird man in dem freien, kühnen Schwünge der in der weib lichen Figur zusammenlaufenden und sich sammelnden Linien de» SculpturschmuckeS einen überaus schönen, krönenden Abschluß des 48auwerke» finden, sür welchen er bestimmt ist. Die Rietschel'sche Arbeit wird vom Bildhauer Howaldt in Braunschweig, ungefähr zwei- bis dreimal größer al» da» Modell, in Kupfer getrieben, und soll nach dem Ausspruche des verstorbenen Meister», der noch einen Theil der Howaldt'schen Ausführung voll endet gesehen hat, in ganz vorzüglicher Weise ge lungen sein. Man kennt bereits den großartigen, klar und schön gedachten Entwurf des in Worms zu errichtenden Luthcr- denkmalS. Auf einer durch Stufen über dem Boden herauSgehobenen Grundfläche erhebt sich eine zinnen gekrönte Umfriedigung, an deren Ecken dir Standbilder der auf geistigem und weltlichem Gebiete mächtigsten Stützen und Förderer der Reformation sich erheben, näm lich Melanchthon und Reuchlin, Friedrich der Weise von Sachsen u. Philipp der Großmüthige von Hessen. Zwischen den Gestalten der beiden Fürsten, die gleichsam wachthaltend dastchen, ist die Umfriedigung offen und der Eintritt in da» Innere gestattet. Die Zinnen sind in ihrer Innen seite mit den Wappen von 29 Städten geschmückt, welche sich besonder» al» Hort deS Protestantismus auSzeich- neten, und die mittelsten dieser Zinnen erheben sich auf den drei geschlossenen Seiten der Umfriedigung zu Postamenten, die in drei Gestalten da» trauernde Magde burg, da» protestirende Speyer und Augsburg mit der Friedenspalme tragen. Inmitten dieser architektonisch gegliederten, bildertragenden Umfriedigung steht das Hauptdenkmal. Dasselbe besteht au- einem hohen, mit Relief» und Inschriften geschmückten Postament, an dessen vier Ecken die fitzenden Statuen der vier Dorreformatoren und Bahnbrecher Luther's, Huß, Savonarola, Petrus WalduS und Wiclef, angebracht sind, und auf dem end lich oben als Abschluß deS Ganzen die Kolossalstatue Luther's imporragt. Sämnttliche Einzelndarstcllungen stehen in strengem Wechselbezuge und Alles rundet sich in der EinbidungSkraft de» Beschauers zu einem Ganzen, das, in seiner architektonischen Gliederung an das Lied „Ein' feste Burg rc." anklingend, mächtig wirkt und ein Denkmal deS grsammten Reformationszeitalters ist. Eine Untersuchung, ob die Wahl der durch Statuen vertretenen und verherrlichten Reformationshelden eine der Idee deS Denkmals und der Geschichte durchgängig entsprechende sei, kann nicht in unsrer Absicht liegen. Was aber die cyklische Form der Komposition betrifft, so ist sie trefflich geeignet, große Ideen monumental zu entwickeln, und e» ist ein glücklicher und höchst verdienstvoller Griff Rietschel'S, diese Form, welche an rincn Entwurf Michel Angelo'S und an Compofitionsformen der Griechen erinnert, wie allerdings nur annäherungsweise nn die Aufstellungen achäischcr und troischrr Helden zu Olympia und die turma ^lexanciri, wieder ausgenommen zu haben. Leider war es dem Meister vom Schicksale nicht vergönnt, sei nen Entwurf auch völlig auSzusühren; er hat das Werk als Torso hinterlassen müssen; nur das Modell der Lutherstatue, die Hauptgestalt, in welcher sich die ganze Komposition gipfelt, und eine der Eckgestaltcn am Posta mente der Lutherstatue, der Wiclef, sind vollendet. Be trachten wir diese beiden Statuen. „Hier stehe ich, ich kann nicht ander». Gott helfe mir!" ist das Grundmotiv der Stellung und des Aus drucks Luthers. Diese- glauben-freudige, überzeugungs feste Wort spiegelt sich klar und bestimmt in der markig gedrungenen Gestalt, die fest und kräftig, in bewegter Stellung, den einen Fuß voran, dastcht, und die mit der linken Hand die Btbcl hält, worauf die Rechte be wußt und sicher ruht, während das Antlitz vertrauend zu Dem aufblickt, der ihn als Rüstzeug seiner Kirche aul- erlesen. Der Künstler hat Luther'- Persönlichkeit im Vollgewichte ihres Charakter-CentrumS hingcstellt und die ganze reformatorische Kraft, die im Wesen Luther's lag, über die Gestalt ausgegossen; er hat ihn hingcstellt in seiner weltgeschichtlichen Bedeutung, die im Kampfe zu suchen ist; Luther's wesentliche Entwickelung und Stellung war ein Werk des tiefsten inncrn und deS ge waltigsten äußern Kampfes. Die Kraft des Ausdrucks im Kopfe und in allen übrigen Theilen der Gestalt, wie z. B. in der markigen, sprechenden Hand, welche auf der Bibel ruht, ist bcwundern-werth. Dabei sind die ge schichtlich herben, individuell charaktervollen Formen mit einem hohen Stylgefühl durchdrungen, was sie im Sinne strenger Großheit und maßvoller Schönheit bindet. Die breite, große Behandlung, die warme Durchbildung der Form zeigt die vollste, freieste Beherrschung der plastischen Mittel. In ebenso charakteristischer Auffassung und sol cher Lebenswärme hat Rietschcl den Wiclef gebildet. Die schmächtige, feine Gestalt mit klugem Antlitz sitzt, den Stab im Arme, in ernstem, tiefem Sinnen versunken da; auf den Knien liegt die Bibel, die Wiclef bekannt lich seincm Volke zuerst übersetzte. Ueber die Durch führung der Statue können wir nur Das wiederholen, was wir bei der Lutherstatue bereit- gesagt haben. In beiden Gestalten steht Rietschcl auf der Höhe seine künstlerischen Schaffens; beide Arbeiten zeigen, was wir noch für Werke von dem Meister zu erwarten hatten, und lassen um so mehr seinen zu frühen Heimgang be dauern. Was die weitere Ausführung dc» Rictschel'schen Ent wurfes betrifft, so hören wir, daß von Seiten deS ver storbenen Meister» keine Bestimmung irgend einer Art getroffen worden, ist; ebenso hat der Denkmal-Comit« noch keine Entschließungen gefaßt. Möchte das Werk
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