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Weißeritz-Zeitung : 23.10.1894
- Erscheinungsdatum
- 1894-10-23
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1761426109-189410235
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1761426109-18941023
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1761426109-18941023
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungWeißeritz-Zeitung
- Jahr1894
- Monat1894-10
- Tag1894-10-23
- Monat1894-10
- Jahr1894
- Titel
- Weißeritz-Zeitung : 23.10.1894
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— 776 — Tagesgeschichte. Berlin. Die sowohl hier wie im Auslande ver breiteten Nachrichten über den Zustand deS Zaren lassen nur sehr wenig Hoffnung auf eine Genesung. ES heißt vielmehr, das Ableben sei stündlich zu er warten. Sowohl der russische Generalkonsul in Wien wie die russischen Botschafter in Rom und London er hielten Meldungen, daß der Zustand ein verzweifelter sei. Ebenso hat der deutsche Botschafter in Petersburg, v. Werder, der bekanntlich einige Tage in Berlin weilte, eilige Nachrichten erhalten, worauf er, nachdem er zu vor eine Audienz beim Kaiser gehabt, von hier nach Petersburg abgereist ist. Die Leibärzte des Zaren sollen jetzt Blutvergiftung konstatirt haben, eine Version, die bekanntlich schon vor 14 Tagen auftauchte. Der Papst hat ein Telegramm an den Zaren nach Livadia ge- sandt, worin er die Gnade des Himmels für diesen erfleht. Die Hochzeit des Zarewitsch soll in aller Eile und Stille erfolgen. Die Prinzessin Alix, welche auf der Reise nach Livadia Berlin passirte, erhielt am hie sigen Bahnhof im Salonwagen den kurzen Besuch deS russischen Botschafters, Grafen Schuwalow. Eine Re gentschaft soll, nach neuesten Nachrichten, nicht einge setzt werden. — Unheimlich schwillt allmählich der Arbeitsstoff für die bevorstehende Reichstagssession an. Zunächst wird der Etat wieder die weitläufigsten Verhandlungen Hervorrufen, dazu kommen mit hoher Wahrscheinlichkeit Vorschläge zur Abwehr der Umsturzbestrebungen und sicher eine Tabaksteuervorlage. Fest angekündigt sind ferner einige Novellen zu den Justizgesetzen und zu dem Unfallverstcherungsgesetz, ein Gesetzentwurf zur Bekämpfung deS unlauter» Wettbewerbs, eine Börsen reform, da» bereit» zweimal liegen gebliebene Reichs seuchengesetz u. v. A., dessen Fertigstellung noch nicht feststeht. Die „Freis. Ztg." prophezeit schon einen völligen geschäftlichen Bankrott des Reichstags, und sie mag darin wohl recht haben. Daß in neuerer Zeit die Reichstagssessionen einen übermäßigen Um fang bei äußerst beschränkten Leistungen angenommen haben und die zur Regel gewordene Beschlußunsähtg- keit die Schwierigkeiten noch vermehrt, ist nicht zu be leben lassen. Der Gerichtshof nahm dies auch an und verurthetlte den „Anarchisten au» Dummheit" unter Zubilligung mildernder Umstände wegen groben Unfugs zu 10 Mk. event. 2 Lagen Gefängniß. — In ein hochinteressantes Stadium find gegen wärtig die Trundgrabungen zur neuen Johannis kirche Hierselbst getreten; allenthalben stößt man auf Grabstätten und menschliche Gebeine. An der östlichen Seite wurde ein großes Massengrab, wahrscheinlich aus dem Schmalkaldischen oder dem siebenjährigen Kriege stammend, entdeckt, von einer anderen Stätte wurden über 800 Schädel weggefahren. Um nun diese günstige, sich vielleicht nie wieder bietende Ge legenheit zu benutzen, hat man jetzt praktische Nach forschungen nach dem unbekannten Grabe des berühmten ThomaSkantorS Joh. Sebastian Bach veranstaltet. Am IS. Oktober versammelten sich zahlreiche hoch angesehene Herren, darunter Geheimer Medizinalrath Prof. vr. His, Stadtbaudirektor Licht, die Geistlichkeit von Et. Johannis, ferner der Erbauer der neuen Kirche, Architekt Roch, auf der Ausgrabungsstelle zur Kirche, um den Nachgrabungen nach Bachs Grabe bei zuwohnen. Bestimmt weiß man, daß Bach in einem flachen Trabe in einem Sarge aus Eichenholz beerdigt wurde. Einen solchen Sarg fand man am genannten Drge nicht, sodaß man bis jetzt auch die Grabstätte deS berühmten Komponisten nicht gefunden hat. Die Nachforschungen werden fortgesetzt Kirchberg. Vor Kurzem kehrte ein Bürger spät in der Nacht von Wildenfels heim. Als er in die Nähe der sogenannten Scharfrichterei bei Wiesen kam, bemerkte er mehrere Personen, die sich in einem Kar toffelfelde zu schaffen machten. Um die Dieberei zu verhindern, rief er sie an. Kaum hatte er seinen Mund geöffnet, krachten schnell hintereinander 2 Schüsse und eine Kugel sauste an seiner linken Seite vorüber. Glaucha«. Infolge fortgesetzter Duldung unlau terer Elemente als Mitglieder und nach erfolglosen Verwarnungen ist der Sächs. Militärverein „König Albert" in Thurm unter Verlust der Führung deS Namens, der Gewehrabtheilung, sowie der Königlichen Insignien rc. aus Sachsens Militärvereinsbund ausge schlossen worden. Löbau. Auf Requisition der Polizeibehörde des Dresdner Vorortes Trachau wurde hier der flüchtige Gemeindevorstand Hauffs aus Trachau und in Görlitz eine Frau Beck, eine nähere Bekannte HauffeS, ver haftet. Bei der in der Hotelwohnung der Letzteren vorgenommenen Untersuchung der Reiseeffekten fand man einen sechsläufigen Revolver und 1300 Mk. baareS Geld. Ueber die Veranlassung zur Verhaftung der beiden Flüchtigen, welche wieder nach Trachau zu rückgebracht worden find, ist nichts Näheres bekannt. (Fortsetzung deS Sächsischen in der Beilage.) kreiiem Die Schuld diese» unerquickliche« Zustände liegt aber vorzugsweise in der ziel- und nutzlosen Hereinziehung aller möglichen fernliegenden Gegen stände in die Verhandlungen, in der Durchbrechung der sachlichen verathungen durch Partetstreitigketten, in dem Mißbrauch der Rednerbühne zu agitatorischen Zwecken, in der Zeitvergeudung durch breitspurige selbstgefällige Redner, in der lleberlastung des Hauses durch zahlreiche gänzlich nutzlose, dutzendmal schon zu parlamentarischem Brei zertretene Initiativanträge. Unsere parlamentarische Geschäftsbehandlung ist in vollster Zerrüttung begriffen. Schuld ist aber nicht ein Uebermaß des Arbeitsstoffs, sondern die wachsende Unfähigkeit, die Gegenstände sachlich und mit Verzicht auf Parteiagitation zu behandeln. — Nach Mittheilungen eines süddeutschen Fach blattes soll der Entwurf des neuen Tabaksteuer gesetzes bereits in vierzehn Tagen dem Bundesrath vorgelegt und dann sofort den Ausschüssen für Handel und Gewerbe zur kommissarischen Durchberathung überwiesen werden. Die Regierung suche rund 30 Millionen Mark Mehrerträge durch die neue Vorlage zu erzielen, statt der 4S Millionen, welche der vorige Gesetzentwurf verlangte. Die Fabrtksteuersätze des letzten Entwurfs seien jetzt um ca. ein Drittel gekürzt. — ES ist bereits anderweit darauf hingewiesen worden, daß infolge der bevorstehenden Fertigstellung des neuen Reichstagsgebäudes in dem nächstjährigen Etat des Reichsamtes des Innern zum ersten Male nach einer langen Reihe von Jahren die betreffende Position des Extraordinariums fehlen wird. Auch eine andere Position, die erhebliche Summen aufzuweisen hatte, ist auf den Aussterbeetat gesetzt und wird nur noch im nächsten Jahre mit einer verhältnißmäßig ge ringfügigen Summe zum letzten Male im NeichshauS- haltsetat erscheinen, die Position zur Herstellung des Nord-OstseekanalS. Nach dem bezüglichen Gesetze waren die Gesammtkosten auf 156 Millionen Mark veranschlagt, wovon Preußen 50 Millionen vorweg zu übernehmen halte. Der gegenwärtige Etat enthält als achte Rate die Summe von 18600000 M., wo von 6000000 M. auf Preußen fallen. Es sind damit von der veranschlagten Gesammtsumme nahezu 154'/» Millionen M. zur Verwendung gelangt, so daß nur noch ungefähr 1'/» Millionen für das nächste Etats jahr übrig bleiben; beinahe die Hälfte hiervon ist von Preußen zu tragen. Es bedeutet dies in der Thal eine nicht unwesentliche Erleichterung des Jahresetats, wenn man erwägt, daß die betreffende Position, die zuerst mit der zu den vorbereitenden Arbeiten erfor derlichen geringfügigen Summe von 234861 M. im Etat für 1886/87 erschienen war, seitdem nach einander die Summen von 19000000 M., 16000000 M., 14000000 M., 23600000 M., 29000000 M., 2000000 M., 32000000 M. und 18600000 M. in Anspruch genommen hat. — Das Urtheil im Prozesse Leist hat in weiten Kreisen der Nation einen höchst peinlichen Ein druck gemacht, wie sich immer mehr herausstellt. Fast allgemein hatte man die Dienstentlassung eines Be amten erwartet, der das Ansehen und die Würde des deutschen Reiches so bloßgestellt, wie dies von Leist auf Grund der wider ihn geführten Prozeßverhand- lungen selbst ja unbestritten gelten darf. Von der Potsdamer DiSziplinarkammer ist indessen für gut be funden worden, dem bisherigen Kanzler von Kamerun nur eine verhältnißmäßig leichte Strafe zuzudiktiren, er bleibt zudem Beamter, wenn auch auS dem Spruche deS Potsdamer Gerichts noch nicht erhellt, in welcher dienstlichen Sphäre des Reiches oder des preußischen Staates Leist weiter wirken soll. Ueberall giebt sich darum Staunen und Entrüstung über das beinahe einer Freisprechung gleichkommende Urtheil deS Pots damer Gerichts kund, und begreiflich erscheint es darum, wenn man eine entsprechende Korrektur des gericht lichen Spruches von der Revisionsinstanz erwartet. Vorläufig soll indessen noch keine Entscheidung Seitens deS Reichskanzlers darüber getroffen worden sein, ob gegen den Spruch der Potsdamer DiSziplinarkammer Berufung beim Disziplinargerichtshofe in Leipzig ein zulegen sei. — Von der seit einiger Zeit befolgten Schul politik gegenüber den preußischen Polen hebt sich ganz auffallend und vortheilhaft die Haltung ab, die von der preußischen Unterrichteverwaltung gegenüber der dänischen Bevölkerung Schleswig-Holsteins mit grober Festigkeit eingenommen wird. Die dortige Re gierung geht von dem sehr richtigen Standpunkte aus, daß sie den preußischen Unterthanen dänischer Natio nalität keine gröbere Wohlthat erweisen kann, als in dem sie ihnen die Möglichkeit verschafft, sich schon in der Schule, und soweit dies bereits versäumt sein sollte, in den Fortbildungsschulen im Gebrauch der deutschen Sprache auszubilden. Die Regierung zu Schleswig veranstaltet soeben bei oen Leitern der dortigen Fort bildungsschulen eingehende Erhebungen über den Stand und etwa zu ergreifende Maßregeln in Bezug auf den Unterricht im Deutschen. Insbesondere die erste Frage könnte den entsprechenden Behörden in Posen und Westpreußen zur Nachahmung empfohlen werden. Sie lautet: „Sind die Fortbildungsschüler beim Eintritt in die Fortbildungsschule de- Deutschen, mündlich und schriftlich, so weit mächtig, daß zwei Unterrichtsstunden wöchentlich genügen, um ihnen die für einen tüchtigen Handwerker erforderliche Gewandtheit — im Verkehr mit Lieferanten, Kunden, Gewerbegenoffen und Be hörden — beizubrtngen?" Der Standpunkt, auf den sich die Regierung von Schleswig hier stellt, ist, den verschwindend geringen fremdsprachigen Elementen in einem kraft- und lebensvollen Staatswesen gegenüber, der einzig richtige, der vorübergehender parlamentarisch taktischer Rücksichten wegen nie und nimmer aufgegeben werden sollte. — Die Stadtverordneten-Sitzung am 18. Oktober war der Schauplatz von Skandalszenen, wie sie im Berliner Rathhause kaum zuvor jemals dagewesen. Die Sozialdemokraten hatten wiederum die Einführung der achtstündigen Arbeitszeit für alle im städtischen Dienst beschäftigten Arbeiter beantragt. Dem gegen über beantragten die bürgerlichen Parteien Uebergang zur Tagesordnung. Als der Rechtsanwalt Sachs diesen Antrag begründete und den Sozialdemokraten vorhielt, daß sie nur wieder eine Demonstration nach Außen inszeniren und die bei dem Bierboykott erlittene Scharte auSwetzen wollten, fingen die sozialdemokrati schen Stadtverordneten zu toben an. Singer springt auf, schlägt mit geballter Faust auf den Tisch und schreit mit dröhnender Stimme: „Zur Geschäftsord nung!" Singer erhält das Wort und nennt es eine Feigheit, daß ein Stadtverordneter bei Begründung eines Antrages, nach welchem Ker Referent geschäfts mäßig nicht mehr das Schlußwort erhält, in solcher Weise den Gegner angreift. Der Sozialdemokrat Stadthagen ruft dazwischen: „Unverschämte Feigheit!" und verwahrt sich, ohne das Wort erhalten zu haben, gegen den unverschämten Mißbrauch der Tagesordnung durch Sachs. Stadthagen erhält einen Ordnungsruf, worauf ein tosender Lärm entsteht. Die Liberalen rufen: „Raus! Raus!" Die Sozialdemokraten springen von den Sitzen auf. Zubeil ruft mit geballter Faust: „Versucht's doch einmal!" Der Vorsteher konstatirt, daß Stadthagen die ganze Versammlung beleidigte. Der Uebergang zur Tagesordnung wird dann mit 94 gegen 18 Stimmen angenommen. Oesterreich-Ungarn. In Wien hat die Frage des allgemeinen Wahlrechtes zu lärmenden Kund gebungen seitens der Arbeitermaffen geführt. Am Donnerstag Abend wollten die Theilnehmer einer Ar beiterversammlung, welche auf der Sophien - Insel zu Gunsten des allgemeinen Stimmrechts getagt hatte, über die Ringstraße nach dem Parlamentsgebäude ziehen. Berittene Polizeimannschaften zerstreuten jedoch die Menge, wobei es freilich nicht ganz glatt abging. Einige Arbeiter erhielten durch Säbelhiebe Verletzungen, ein Polizist wurde durch einen Messerstich verwundet; auch mußte eine Anzahl Tumultuanten verhaftet wer den, bis endlich gegen 11 Uhr die Ruhe wieder her gestellt war. Der demokratische ReichSrathSabgeordnete Pernerstorfer, welcher den Zug ansührte, wurde eben falls verhaftet, doch entließ ihn die Polizei alsbald nach Feststellung seiner Persönlichkeit wieder. Schweiz. Der „Diamanten-Herzog von Braunschweig" (Karl), der die letzte Zeit seines Lebens in Genf zubrachte, hatte bekanntlich diese Stadt zu seiner Erbin eingesetzt. Es handelte sich um 20 Millionen Mark. Wie ebenfalls bekannt, hatte die Familie eines angeblichen Nachkommen des Herzogs von Braunschweig, eines Grafen de Civry, — in den französischen Blättern ging die Erbschaft in die hundert Millionen —, Ansprüche erhoben, worauf Genf einen gegen die Stadt ergangenen Spruch eines französischen Gerichts einfach unbeachtet ließ. Genf hatte übrigens doch auch den Nachweis erbracht, daß die angebliche Tochter des Herzogs, von welcher die Civry abzu stammen behaupten, eine recht hübsch erfundene Per sönlichkeit gewesen. Nun wurde es wieder still um Braunschweig. Man hörte nicht einmal, ob die Civry fortgefahren, auf ihre 100-Millionen-Erbschaft Geld aufzunehmen. Nur hier und da krachte es im ülonu- wont äu Duo äs Lrunsvio ä Osnövs, und mitunter las man in den dortigen Zeitungen einen neuen Vor schlag, wie das Denkmal auSzubeffern und ob es nicht besser sei, dem Herzog, der offenbar ein schlechter Reiter, sein Pferd wegzunehmen. Abec auf einmal kam wieder Leben in die Geschichte, denn der Pariser Appellhof hatte endlich herausgefunden, daß der Braunschweiger eigentlich in Frankreich seinen Wohnsitz gehabt habe, und der arme französische FiSkuS, vielleicht um sich ein Wenig für den Ausfall zu rächen, den der Zollkrieg mit der Schweiz verursacht, verlangt nun auf Grund dieses Urtheils die Bezahlung einer Erbschaftssteuer von 3, sage drei Millionen; Genf ist entschlossen, den Spruch des Appellhofes nicht anzuerkennen, immerhin dürfte mit Rücksicht auf den kaatSamtlichen Charakter
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