Dresdner Journal : 30.05.1873
- Erscheinungsdatum
- 1873-05-30
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-187305309
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18730530
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18730530
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungDresdner Journal
- Jahr1873
- Monat1873-05
- Tag1873-05-30
- Monat1873-05
- Jahr1873
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- Dresdner Journal : 30.05.1873
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^?123 ^d«iuieweue»pre1sv r ....«, ^jLbrUek: I Urlr. IS l Iksiede» kost- und Lmrelnv Tuwinern- 1^zr.'LteLipelLUsobts» lusrr tenpretser kür den L»nm siovr <re»p»It«nen 2eils: Hxr. lauter „Lin^esn^ut" dis 2«ils: 3 Lrsekeloeo: * 1't^ücti, mit ^vMsbwv der 8onn- und keiertsxo, ^b«vd» kür den kolbenden Hz- Freitag, den 30. Mai. 1873. Dresdner Zmmml. Verantwortlicher Redacteur: I. G. Hartmann. Ill«er»tev»nvLkme «us^ürtsi Ustp^x: F>. Lrandst-tt«^, (iommissionür des * Dresdner louronls; vksndss.: L«Aen dv-d u. /i Hei/?-, NLmdur^-Nsrllo- Vi,u-U,ip,i^-»»»«I-Nr«»l»a-kr»idreuN» N: <S kvAirr, »,rUn -Vt«ll -S»indllr^-?r»8-I.,ix»ix-kr»nk- Ivrt ». N HSnoken: /?ud. M»«e, LerUo: /teteme^er, /«v«/idenda»z, Id F/d^eckt, Lr«w«n: F/ L'eldotte. Lr«»- I»u: //. 8t»NAew's6ürenu; Ldswnits: Fr. koiot, krsidr- tnrts.N.: L. daeArr^soke u.F I/erminn ssiis liuckk., Daxd« <k 60.; vörUt,: <? Mütter, Lsnnovsr: 6.i8c/i«Wier; ksris- I/auas, Fli^dte, Lu/iirrd^'o.; Stuttxsrt: Dau/-e lt t>o., Aüdd. F»n»,»<!en -Lüreai«, Visu: ^1. O^edL. Uvrsusxedvrr * Kümet. krpedition des Dresdner douronl», Dresden, Slitr^iu-etNen^ltsse Xo. I. Ämtlichcr Theil. Dresden, 27. Mai. Se. Majestät der König haben nachstehende Personal Veränderungen im Sanitäts Corps allergnädigst zu genehmigen geruht: Die Entlassung des Stabsarztes Or. Homilius des I. (Leib) Grenadier-Regiments Nr. 100 aus allerhöchsten Kriegsdiensten mit der gesetzlichen Pension und der Erlaubniß zum Forttragen der unlitairärztlichen Unisorm mit den Abzeichen für Verabschiedete; die Be förderung des Assistenzarztes mit Sccondrlieutenants- rang l)r. Schöne des 3. Infanterie-Regiments Nr. 102 zum Assistenzarzt mit Premierlieutenantsrang; die Ver setzung des Assistenzarztes mit Secondclieutenantsrang Di. Hesse des Pionnier-Bataillons Nr. 12 in die Re serve, unter gleichzeitiger Beförderung zum Assistenzarzt mit Premierlieutenantsrang. In Gemäßheit der Verordnung der Königlichen Ministerien der Finanzen und des Innern, die Staats prüfungen der Techniker betreffend, vom 24. De- cember 1851 — Gesetz- und Verordnungsblatt vom Jahre 185l, Seite 483 flg. — werden Diejenigen, welche sich der gedachten Prüfung für die Periode 1873/74 in einem der nachgenannten Fächer: 1) der Geodäsie; 2) dem Jngenieurfache im engern Sinne (Straßen-, Eisenbahn-, Brücken- und Wasser bau); 3) dem Maschinenwesen für den Strafen-, Eisenbahn-, Brücken- und Wasserbau, ingleichcn für den Betrieb der Staatseisenbahnen; 4) dem Hoch- und Landbauwesen zu unterziehen beabsichtigen, hierdurch aufgefordert, bis spätestens Ende Juni laufenden JahrrS sich mit einem schriftlichen Gesuche um Zulassung zur Staatsprüfung an die unterzeichnete Commission zu wenden. Diesem Gesuche ist beizufügen: 1) ein Zeugniß über die nach 8 6 der erwähnten Ministerial - Verordnung erforderlichen technischen und wissenschaftlichen Vorkennt nisse, 2) ein Ausweis darüber, daß der Gesuchsteller mindestens drei Jahre lang denjenigen Zweig der Tech nik, für welchen er die Prüfung abzulegrn beabsichtigt, mit Erfolg praktisch ausgcübt hat. (Vergleiche 8 7 der angezogcnen Verordnung.) Im Uebrigen wird auf Grund der Bekanntmachung vom 11. Juli 1857 zur öffentlichen Kenntniß gebracht, daß ausnahmsweise auch außerhalb der vorgrschriebcnen Frist Anmeldungen von Prüfungscandidaten zur Ab legung der Staatsprüfung angenommen werden. Dresden, am 27. MÄ. 1873. Königliche Commission für die Staatsprüfungen der Techniker, von Thümmel. Heydenreich. Nichtamtlicher Theil. Nebersicht. ' Telegraphische Nachrichten. ZeitungSschau. (Provinzialcorrespondenz. — Journal de Paris. — Gazette de France. — Presse. — Ordre. — Pays. — Univers. — Röpnblique franyaise. — Corsaire. — Bien Public. — Soir. — Temps. — Siöcle. — Journal des Döbats. — Morning-Post. — Standard. — Pall-Mall-Gazette. — Globe. — Echo.) TageSgeschichte. (Berlin. München. Wien. Paris. Bern. Konstantinopel.) Dresdner Nachrichten. Provinzialuachrichten. (Leipzig.) Ltatistlk und VolkSwitthschaft. Feuilleton. Inserate. -- - - -- Feuilleton. (Redtgtrt von Otto Lauck.) Ludwig Tieck in Dresden. Bon Adolph Stern. IV. Ueber ein Halbjahrhundert ist verflossen, seit das Dichterhaus Ludwig Tteck's in Dresden sich austhat, schon dreißig Jahre seit es nicht mehr besteht, aber wie lebendig die Erinnerung daran ist und wie tief der Eindruck der eigrnthümlichen Geselligkeit dieses Hauses gewesen, bezeugen zahlreiche Memoiren, Aufsätze und Briefe, welche für die Schilderung dieser Episode der deutschen Kulturgeschichte schon jetzt rin fast über reiches Material bieten. Die äußere Weise dieser Ge selligkeit ist von zahlreichen Teilnehmern bald lobpreisend, bald mit scharfer Kritik dargestellt worden. Noch neuer lich haben fast gleichzeitig die schon hrrvorgehobcnrn freundschaftlichen, pietätvollen Erinnerungen des Frei- Herrn Hermann v. Friesen und die Erinnerungen der gefeierten, liebenswürdigen Schauspielerin Karoline Bauer („Aus meinem Bühnrnleben, Berlin 1871") dem Publicum da- Bild de- Tieck'schrn Hause- mit seinen charakteristischen Gestalten wieder vor Augen ge stellt. So gegensätzlich die Ausfassungs- und Dar stellung-weise dieser beiden ist — bei Hrn. v. Friesen ernst, antheilvoll, das Wesentliche vom Unwesentlichen lösend, den Gesammtetndruck langjähriger Erlebnisse schildernd, tri Karoline Bauer lebendig plaudernd, kleine Züge mit weiblicher BrobachtungSkunst scharf und lebhaft auffaffend, nicht frei von ter Medisante d«S Augenblick- —, für die Nachlebende Generation treffen sie im entscheidenden Punkte merkwürdig zusammen. Beilage. Deutscher Reichstag (Sitzung vom 28. Mai.) Leipziger ArühjabrSrenneu 1873. Provinzialnachrichten. (Cbcmnitz. Zwickau.) Statistik und BolkSwirthschaft. Feuilleton. Inserate. TageSkalrnder. Börsrnnachrichteu. TtltllrapMschc Nachrichten. Paris Mittwoch, 28. Mai, AbrndS. (W. T. B.) Die Majorität der Nationalversammlung ist, um der Wiederkehr von Krisen auf Seiten der Negierung vorzubeugrn, dem Vernehmen nach ent schlossen, dem Präsidenten der Republik dir Nicht- Verantwortlichkeit zuzufichcrn und die Dauer seiner Gewalt auf 5 Jahre fcstzusrtzen. Der Tagesbefehl, mit welchem General Ebancy seinem ArmercorpS die Ernennung des Marschalls Mac Mahon zum Präsidenten der Republik an zeigt, spricht aus, daß die Geschicke des Landes in eine loyalere Hand nicht hätten gelegt werden können. Die Wahl sei eine Ehre für die Armee; das V II. Corps werde diese Ehre zu rechtfertigen wissen, indem eS Zeuguiß ablege von seinem Pflicht gefühl, von seiner Disciplin, von seinem Patrio tismus. Morgen soll zwischen dem Finanzminister, dem HandelSminiftrr und dem Vorsitzenden der Tarif commission eine Besprechung über die Mittel statt- sinden, durch welche entweder die Aufhebung der Gesetze über die Besteuerung der Rohstoffe, oder weuigstenS eine Herabsetzung der Tarifbestimmuugen herbeigeführt werden solle. Paris, Donnerstag, 28. Mai. (W. T B.) Das heutige „Journal ofsiciel" veröffentlicht 8 Ver- setzungrn und 2 Ernennungen von Präfecten, so wie die Ernennung von 3 Generalsekretären und 21 Unterpräfecten. Genf, Mittwoch, 28. Mai, AbrudS. (W. B.) DaS „Journal de Geneve" veröffentlicht den Gesetzentwurf, betreffend die Organisation deS katholischen CultuS. Nach diesem Entwürfe wird der Canton in Paro- chien eingetheilt. Jede Parochie ernennt den Pfarrer und eine Commission mit administrativen Befugnissen. Der von den Pfarrern zu leistende Eid ist dem von ihnen bisher geleisteten analog. Der gesammte Cultus wird durch eine besondere Oberbehörde (covssil supe- riour) geleitet. Diese besteht aus 20 Laien und 5 Geist lichen, welche sämmtlich gewählt werden. Die Sus pension der Geistlichen kann durch den Staatsrath wegen Verletzung des Amtseidcs und durch die Diöce- sanbchörde wegen Disciplinarvergehen verhängt werden. Rom, Mittwoch, 28. Mai, Nachmittags. (W. T. B) Die Kaiserin von Rußland begab sich heute mit den Großfürstinnen Marie Älerandrowna und Marie Nikolajewna, dem Prinzen von Hessen und einem zahlreicven Gefolge nach dem Vatikan uud wurde mit den Großfürstinnen von dem Papste in einer Prrvataudienz empfangen, nach welcher sie demselben ihre Begleitung vorstellte. Der Prinz von Hessen nnd der Fürst BariatinSky statteten hierauf dem Cardinal Antonelli einen Besuch ab. Später übersandte der Papst der Kaiserin rin prachtvolles Bouquet. Denn auch Karoline Bauer, die so viel von Tieck's Eitelkeit und menschlichen Schwächen, vom Weihrauch nebel seiner Verehrer, von den komischen Allüren der alten Freundin Tieck's, der Gräfin Ftnkenstein, und den Qualen allzulanger Vorlesungen zu erzählen weiß, sie kommt zu demselben Endurtheil wie der Freund und Bewunderer Tieck's. „Was der alte Dramaturg sür Dresden gewesen war, empfanden wir erst bei seinem Scheiden. Dresden hatte mit Tieck einen anziehenden Mittelpunkt für das geistige Leben verloren. War der Herrscher auch oft launenhaft, eigenwillig und ungerecht — so überwogen doch die belebenden, leuchtenden Strahlen seines Genies und seiner Liebenswürdigkeit," hebt auch sie nachdrücklich hervor. Das aber ist denn schließlich für uns und für das historische Unheil die Hauptsache. Das Persönliche, was bei den Kämpfen für und wider Tieck untergelaufen, braucht un- kaum zu kümmern und erregt im Grunde nur flüchtige- In teresse. Das innerlich Wirkende, Bleibende muß fest- gehalten werden und in diesem Sinne sind für die Nachlebenden auch die berühmten dramatischen Vor lesungen Ludwig Tieck's minder wesentlich, al- der persönliche Einfluß, den der Dichter auf seine geistig strebenden Umgebungen gewann. Die Erinnerung an diese Vorlesungen selbst, die den Mittelpunkt der beinahe allabendlichen Geselligkeit deS Tirü'schen Hauses bildeten, wird freilich nicht er löschen, so lange noch einer Derer am Leben ist, die diesen Vorlesungen öfter oder auch nur einmal hcige- wohnt. Sie werden zuletzt jenen einigermaßen mythi schen Ruf gewinnen, der allen vergangenen großen Leistungen einer reproducirrndrn Kunst allein vergönnt ist. Die Reihe der verschiedenen und compelrnten Hörer, die sich über diese Vorlesungen in Bewunde rung de- großen dramatischen Talent- Tieck's, in London, Mittwoch, 28. Mai, Abends. (W.T. B ) Wie „Reuter» Office" aus Madrid gemeldet wird, bemühen sich dir republikanischen Partei führer auf das Lebhafteste, Espartero zur Ueber- nähme der Präsidentschaft der spanischen Republik zu bestimmen. Dresden, 29. Mai. Der gestern bereits telegraphisch kurz erwähnte Ar tikel der halbamtlichen preußischen „Provinzial- Korrespondenz" über die neue Regierung in Frankreich lautet wörtlich wie folgt: „Die Ein setzung der neuen Regierung in Frankreich, welche sich lediglich auf Grund der inneren Verhältnisse des Lan des vollzogen hat, scheint die Beziehungen zum Aus lande und namentlich die Erledigung der noch schwe benden Verpflichtungen Deutschland gegenüber nicht zu berühren. So sehr es als eine politische Ehrenpflicht erscheint, gerade in dem Augenblicke, wo der bisherige Präsident der französischen Republik unerwartet seine Stellung aufzugcben gcnötdigt ist, nochmals auszu- sprechcn, wie derselbe durch sein ebenso loyales wie staatsmännisch umsichtiges Verhalten vor Allem dazu beigctragcn hat, das Friedenswerk zwischen Frankreich und Deutschland an und für sich und die Ausführung desselben zu beschleunigen — so liegt es doch der deut schen Regierung jetzt, wie in dem ganzen Verlaufe der letztjährigen Ereignisse fern, ihre Erwägungen und Wünsche in Betreff der Beziehungen zu Frankreich ir gendwie auf das Gebiet der inneren Politik des Nach barlandes auszudehnen. Unser Verhältniß zu der neuen Regierung Frankreichs wird sich einzig und allein nach der Haltung bestimmen, welche dieselbe zu Deutschland und namentlich in Bezug auf die Erfüllung der über nommenen vertragsmäßigen Verpflichtungen beobachtet. Nach den ersten Ankündigungen ist zu erwarten, daß die jetzige Regierung in dieser Beziehung lediglich die bisherige Politik fortzusctzcn Willens ist. Wenn von verschiedenen Seiten theils die Hoffnung, theils die Besorgniß geäußert wird, daß Frankreich unter der neuen Regierung confcssionellen Gesichtspunkten einen Einfluß auf seine auswärtige Politik einräumen werde, so mag diese Annahme sich auf die Erwägung innerer französischer Parteiverhältniffe gründen. Es ist jedoch zu bezweifeln, daß dieselben mit irgend welchem Erfolge rn Betreff der Stellung Frankreichs in den Fragen der auswärtigen Politik zur Geltung gelangen sollten. Unter allen Umständen darf Deutschland mit dem Ge fühl völliger Sicherheit und Ruhe auf die neue Ent wickelung der französischen Verhältnisse blicken." Die Ruhe und Mäßigung, mit welcher in ganz Frankreich die Nachricht von dem jähen Sturze der Thiers'schen Regierung ausgenommen worden ist, sie findet auch in den Urtheilen der französischen Presse Wicderhall. In auffallender Uebcreinstimmung suchen die verschiedensten Parteiorgane den Ausdruck ihrer politischen Gesinnungen und Wünsche mit Mäßi gung zu verhüllen und ein entschiedenes Urtheil über die durch die soeben vollzogene Umwälzung geschaffene neue Lage der Dinge in Frankreich thunlichst zu ver meiden. Selbst die hervorragendsten Organe der sieg reichen Koalition leihen ihren Gefühlen nur vorsich tigen Ausdruck. Das Orleanistische „Journal de Paris" scheint geradezu die Tragweite des zunächst seiner Partei vorzugsweise zu Gute kommenden Sieges abschwächen zu wollen, indem es sich folgendermaßen darüber äußert: „Es bat sich nichts in der Form der Regierung gcändert. Es giebt nur einen neuen Präsi denten, ein ncucs Ministerium und folglich auch eine neue Politik. Das Land zögerte, sich der National versammlung anzuvcrtrauen lediglich, weil man ihm die Meinung beigcbracht hatte, derselbe fehle cs an Energie; nun sicht es ein, daß man cs getäuscht hat. In wenigen Stunden hat die parlamentarische Majo rität durch ihre Festigkeit bereits einen großen Theil des verlorenen Terrains wieder errungen, und bleibt sie auf dem betretenen Wege, so wird sie in kurzer Entzücken bald über die Klangfülle seines Organs, bald über die Fülle seines Geistes geäußert haben, ist fast unübersehbar. Wenn man an die Aussprüche und Erzählungen Friesen'S, Carus', Holtei's, Laube's, I. W. Löbcü's, Jmmermann's erinnert, so ist damit nur eine kleine Zahl Derer genannt, welche über ihre Eindrücke berichteten. Tieck las mit vollendeter höchster Kunst, die hier, wie überall mit der vollen Naturwahrheit zu sammentraf, er las vorwiegend die Dramen Shakespcare's, Goethe'-, Klcist's, Calderon's, die Lustspiele Holberg'S, hier und da Sophokles in Solger's Uebersetzung oder Dichtungen jüngerer Freunde. Und zu diesen Lese abenden versammelte sich in der Reihe der Jahre ein bestimmter Freundeskreis und ein wechselndes Publi cum, welches letztere hauptsächlich dazu beitrug, der ernsten und edeln Unterhaltung auch eine komische Seite zu verleihen. Im Gefolge der „Mode" schreitet als ihr Schatten die Lächerlichkeit, cs giebt keine Mode, die nicht lächerlich würde, und Tieck's Vorlesungen wurden vrrhängnißvoller Weise Mode. Köpke jagt ganz rich tig: „Selten mag eine uneigennützigere Gastfreiheit auSgeübt wordcn sein. Ticck empfing seine Gäste, wie der feingrbildete Mann, der zugleich Dichter ist. Wenn in der deutschen Geselligkeit irgend etwa- den vielge- rühmten literarischen Pariser Salon- cntprach, so fand eS sich im Hause Ticck'S. Nur mit den mäßigen Mit teln eine- deutschen Privatmann- und Gelehrten auS- gestattrt, sah er drnncch fast an jedem Abend Gäste, außerdem galt der Sonnabend als vsficieller Empfangs tag. Die Versammlung in seinem Lesezimmer war in der Regel sehr zahlreich. Die verschiedensten Menschen und Gestalten fanden sich zusammen; die nächsten Freunde, Reisend«, Bekannte und Unbekannte, Künstler, Lchriftfiellrr und Gelehrte, neben den Deutschen oft Franzosen, Dänen, Engländer, Russen oder auch Nord Zeit ganz Frankreich hinter sich haben". — Die legi- timisiisch-clericale „Gazette de France" beschränkt sich, darauf aufmerksam zu machen, daß mehr noch, als das linke Centrum durch den Sturz seines Herrn und Meisters, die radikale Partei sich davon betroffen fühle. Hierin erblickt das Blatt ein charakteristisches Zeichen für die im abgetretenen Ministerium personificirte Po litik. — Die „Presse" ist zur Ansicht gelangt, daß eingetroffen sei, was kommen mußte, da Thiers „sich den Forderungen einer Coalition überliefert hatte, mit welcher er weder regieren, noch kämpfen konnte" und weil er ein „Minoritätscabinet" gebildet hatte, „welches seinen Anstrengungen und den Tendenzen der neuen Minister zum Trotz, verurtheilt war, ein Revolutions ministerium zu werden." — Von Bonapartistischcn Blät tern billigt der „Ordre" die Ernennung des Mar schalls Mac Mahon vom Standpunkte der Wiederher stellung des Vertrauens und der Sicherheit aus und bemerkt dazu: „Es giebt unter den konservativen keine Parteien mehr, bis Frankreich vollständig beruhigt und sich selber wieder gegeben ist." — Das „Pays" allein hat es sich nicht versagen können, den abgetre tenen Präsidenten, welchen es nur „dieser Mensch" titu- lirt, mit Hohn und Schimpfreden zu regaliren, die eine weitere Berücksichtigung nicht verdienen. — Die ultra montanen Blätter, „Univers" an der Spitze, wünschen sich am offensten und lebhaftesten Glück zu der neuen Wendung der Dinge; ob sie damit ihren Protögss in der Negierung einen Dienst erweisen, bleibt freilich abzuwarten. — Die Organe der radikalen Partei wis sen sich mit großer Klugheit zu fassen und mahnen nach dem Vorgänge der parlamentarischen Linken zu ruhigem Abwarten. Die „Röpublique fran^aise" weiht sogar einige Krokodilsthränen „jenem traurigen und bektagenswerthen Tage", an welchem die Bour geoisie den Mann verstoßen habe, welcher „der eminen teste Repräsentant der Konservativen, voll von Hilfs mitteln, mit einem Worte ihr Schutzwall" gewesen. Dann fährt Grmbetta's sonst weniger rücksichtsvolles Leiborgan mit gelassener Ergebung fort: „Mac Mahon tritt durchaus an die Stelle des Hrn. Thiers, nicht blos in seinen Functionen, sondern auch in seinem Titel; er rückt in alle seine Befugnisse und Vorrechte ein; an den bestehenden Gesetzen ist nichts geändert, Marschall Mac Mahon ist jetzt Präsident der franzö sischen Republik, und die Republik bleibt nach wie vor die gesetzliche Staatsform. Damit sind uns unsere Pflichten vorgezeichnet. Die französischen Republikaner, d. h., wie auch Hr. Thiers sagte, die große Mehr heit der Nation, haben die gebieterische Pflicht, streng in den Grenzen der Gesetzlichkeit zu bleiben, da die Gesetzlichkeit einer Regierung gehört, welche ihren Namen führt. Jeder, auch der leiseste Eingriff in die Gesetzlichkeit wäre der unverzeihlichste aller Fehler." — Und der „Corsaire" stellt folgende Betrachtungen an. „Die Lage ist gewiß eine ernste; aber die Demokratie braucht nicht zu verzweifeln. Nicht nur die Regieren den, sondern auch sie erhält hier eine harte Lehre, welche sie schweigend und gesammelt, ohne unnützen Lärm, beherzigen soll. Die Republikaner haben lange geglaubt, daß das Amendement Grevy das Ideal einer Verfassung sei. Dieses System ist nunmehr in Wirk samkeit: die Nationalversammlung hat es angenommen. Hr. Thiers hat es gehandhabt, die Doktrinäre der Re publik haben es gutgeheißen. Diesem System ist es zu danken, wenn die Nationalversammlung der einzige Souverän ist; es hat Hrn. Thiers gestürzt, und würde die Republik vernichten, wenn diese nicht durch die Nothwendizkeit gesichert wäre, welche mächtiger ist, als alle Combinationen der Staatsmänner. Möge die Demokratie jetzt dieses System, welches die Geschicke einer Nation von einer Mehrzahl von vierzehn Stim men abhängig macht, an seinen Früchten erkennen. Seit achtzig Jahren verlangen wir in Frankreich bestän dig das parlamentarische Rsgime. Conseroativ-Liberale, Bourgeois, selbst Republikaner haben wir es der Reihe nach durchführen wollen. Alle seine Formen haben amerikaner. Es war eine bunte Menge, wie sie Freund schaft, Verehrung, Neugierde oder fremde Empfehlung zusammengeführt hatte. Denn ein Wort, eine Zeile irgend eines Bekannten, eine anspruchslose Selbstein führung reichte hin, diesen Kreis jedem Gebildeten zu öffnen." Wenn eben nur die letztere Voraussetzung immer zugetroffen wäre, nur „Gebildete" Zutritt ge sucht hätten! Aber, daß Ticck'S Vorlesungen berühmt warrn, daß es guter Ton ward, sie aufzujuchen, bei Leuten warv, dencn Shakespeare und Goethe, das Drama und alle Dichtung, Tieck und die Schauspielkunst eben nicht mehr galten, als ein Rennpferd oder ein Virtuos auf der Strohfiedel, dem irgend eine Lady Patrone» ihre Gunst zugewandt — das wurde von Tieck's Geg nern klatschsüchtig und hämisch ausgebeutet, das ver leidete mancher zurückhaltenden und weltunfertigrn aber ernsten Natur das Haus des Dichters und trug wesent lich dazu bci, daß sich falsche Ansichten über das Hul- digungsdrdürfniß und die unersättliche Eitelkeit Tieck's in Deutschland hcrumsprachen. Nicht als ob der Dich ter gänzlich frei davon gewesen wäre. Aber ihn auch noch für das Ungeschick gewisser Verehrer und Ver ehrerinnen, für die Huldigungen, welche grschmacklosc Naturen ihm darbrachten, verantwortlich zu machen, war in der That kleinlich und ungerecht. Daß Tieck selbst sich durchaus tact- und würdevoll benahm, dass er nie durch plumpe Schmeichelei, sondern höchstens durch eine gewisse äußere Feinheit deS Auftretens, die ihn — momentan, nie dauernd — über den inneren Wrrtb einrS Menschen täuschen konnte, gewonnen ward, wirb dabei vergessen. Niemals ließ er sich dazu herbei, den. neugierigen Fremden gegenüber Das zu verläugnen, wa- er in seinen Räumen zu repräsentiren hatte: „die deutsche Sprach« und Dichtung." Wir dürfen auch hier Karoline Bauer'-Zeugniß anrnfru, die ausdrücklich d<-
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