Dresdner Journal : 07.09.1876
- Erscheinungsdatum
- 1876-09-07
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-187609071
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- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18760907
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungDresdner Journal
- Jahr1876
- Monat1876-09
- Tag1876-09-07
- Monat1876-09
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- Dresdner Journal : 07.09.1876
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W2V8. Donnerstag, den 7. September. » t «Isr,t«ckR> ^^rUck: . . 18 tritt?o»t- uoä ItjLbrliok: 4 >t»rk SOtu»»u. 8i»relo« Amomsrn: 10 ?i. I»»«r»t« »preise: ?ür äen kt»uw «wer 8v,v»it«L«o kstit»«ils 20 ?k. Vater ^kia^asaoclt'' «iis /sil«: LV ?t. Lrsvbelnenr l^lick mit Xmaatim« 6«r 8ooo- n»4 ksiart»zx« >bsa6s tür liea tolxeviien ^»8- Dreslinei Zourml. Derantwortsicher Redacteur: Hofrath I. K. Hartmann in Dresden. 1876. Iaserat«a»aa»dm« »vs^trter L«lp»i^: /<>. Lran-t-tettsr, vommissiooitr kl« vrseäoer ^ouraai»; Sm»i>ar^-»»rIia-Vt«ll I^tp»»^-»»»«l-Lr«,l»a rnm^lvrt». N.: ^/aase^tein L i^vAter,' L«rU»-Vi»»-S<urd»rU- ?r»Llckarr ». H. Uiiacd«»: Ru«t Lkonr,' L«rUa: Z. ^ornic/:, ^nratictentanl:/ vr»m»»: L' üe^tott«, Lr«,I»u^ L. ütanpen'» Uürvan; ekvwait»: /->. Voi-t,' ?r»alrkurl ». Ll: L'. /aeAer^soks u. v. //err»»«inn'»oke vuckk., vorUt»: /nv -D , S»LL«r»r: t>'. §^ü«iter, kart» Lerlia kraaUart a.il.-ItattG»rk: /1a»Lr L tÄ, Samdar,: B HevtiAen, Vl»o: ^i. N erausxederr Kvnixl. Lrpoäitioa cle» Oresäoer Journal», OresUoo, /iviaxeratraass l^o. 2V. Amtlicher Theil. Dretdni, 6. September. Seine Majestät der Deutsche Kaiser, König von Preußen, sind gestern Nachmittag 4 Uhr 35 Minuten in Leipzig ringetrosfen und im Königlichen Palais abgetreten. Se. Majestät der König haben allergnädigst geruht, dem Geheimen Rathe Just im Ministerium des Innern das Comthurkreuz II. blasse des Verdienstordens zu verleihen. Nichtamtlicher Theil. Uebersicht. Telegraphische Nachrichten. Vom türkischen Kriegsschauplätze. Tagesgeschichte. (Leipzig. Berlin. Weimar. Stock holm. St. Petersburg. New-Uork.) Ernennungen, Versetzungen rc. im öffevtl. Dienste. Dresdner Nachrichten. Provinzial - Nachrichten. (Leipzig. Limbach. Pegau. Pirna. Bischofswerda.) Telegraphische Nachrichten. Leipzig, Mittwoch, 8. September, Vormittags. (Privattel. d. Dresdn. Journ.) Se. Majestät der König hat Sich mit Sr. Majestät dem Deutschen Kaiser, dem Morgens auS Bayern hier einge- troffenen Kronprinzen deS deutschen Reichs und den übrigen fürstlichen Gästen heute Vormittag 1V Uhr mittelst ExtrazugS zur Parade deS XII. (königl. sächsischen) ArmeecorpS nach Böhlen be geben. (Vgl. die Berichte aus Leipzig unter „Tages geschichte'.) Leipzig, Mittwoch, 6. September, Nachmit tags. (Privattel. des Dresdn. Journ.) Die Parade zwischen Böhlen und Zwenkau ist prächtig ver laufen. Ihre Majestäten der Kaiser und der König wurden jubelnd begrüßt. Kaiser Wilhelm führte sein Grenadierregimcnt (Nr. 101) selbst vor. Dasselbe geschah feiten deS Kronprinzen Friedrich Wilhelm mit seinem Husarenreaimentc zNr. 19). Die Parade war um 2 Uhr zu Ende. Wie „W. T. B." aus Leipzig telegraphirt wird, lautete die Antwort Sr. Majestät deS Deutschen Kaisers auf die vom Bürgermeister der Stadt Leipzig an Allerhöchstdenselben gerichtete Ansprache wie folgt: „Ich danke Ihnen für den Ausdruck der Gesinnungen, welche Sie Mir im Namen der Stadt entgegentragen und die Sie so treffend geschichtlich begründet. Ich freue Mich, in einer Stadt zu verweilen, die so reich an großen Erinnerungen ist und diese Erinnerungen stets an Ereignisse knüpfen kann, die für Deutschland ent scheidend wurden. Was Sie von Resultaten der letzten Zeit gesagt, spricht auch Meine Ueberzeugung aus, daß sie gnädige Fügung der Vorsehung gewesen; aber Ich muß auch hinzufügen, daß Ihr König als Feldherr durch Heldenmuth und Besonnenheit in Führung Seiner braven sächsischen Truppen sowohl, wie später durch das Commando einer Armee zur Erreichung dieser großen Resultate wesentlich beigetragen hat. Auch in dem Er streben der deutschen Einheit ist Ihr König den Fuß- tapfcn Seines unvergeßlichen Vaters gefolgt und hat das vom deutschen Volke so lange Ersehnte mit erreichen Helsen.' Der Kaiser ist überrascht von der Großartigkeit des Empfanges und hocherfreut von der Herzlich- keit desselben. Wien, Dienstag, 5. September, Abends. (W.T. B.) In einem heute abgehaltenen Minister- rathe ist, wie die „Pr." meldet, beschlossen wor den, daß der Betrag von 48 Millionen Gulden der neuen Goldrentenanleihe an die Gruppe Roth- Feuitleton. Medizin von 42tto Banck. Die Indianer in Eanada. (Fortsetzung und Schluß zu Nr. Lv7.) Wenn wir nun zu der zweiten Gruppt übergehen, nämlich zu den Indianern von Manitoba und des Nord- westens, so finven wir den Zustand derselben jenem, der herrschend war, ehe die Weißen als Ansiedler ins Land kamen, ungleich ähnlicher, obwohl auch an ihnen die Cultur nicht ganz spurlos vorübcrgegangen ist und einige entsprechende Veränderungen zu verzeichnen sind. Ein Theil des wilden Stammes der Siouxindianer, der sich nach dem Massacre von Minnesota, Wiedervergel tung fürchtend, auf britisches Territorium zurückgezogen hatte, befindet sich nun in der partienweise civilisirten Provinz Manitoba und die Männer werden von den Ansiedlern als mäßige Leute und fleißige Ackerbauer be zeichnet. Es wurden mit den Erees und Salteaux Ver träge ausgestellt, ihre internen Fehden wurden beigelegt und es ward ihnen Land zugewlesen im Verhältnisse von 160 Acres an eine Familie von 5 Gliedern auf dem Ufrrterrain an den Seen Winnepeg und Winnepegosts. Viele dieser Stämme hatten bis vor Kurzem Beschäf tigung gefunden, sowohl als Bootsleute auf dem Red- River, wie durch den Transport von Waaren aus der Nork Factory nach den Forts der „Hudson's Bay Com pany' im Innern des Landes. Allein die Einführung der Dampfschifffahrt auf dem See Winnepeg und die Verlegung der Straße durch die Verbindung mit dem Lake-Superior hat sie dieses Broderwerbes beraubt und sie gehen daher auf die ihnen, vom Gouverneur gestell schild-Ereditanstalt zum commissionSweisen Ver kauf übergeben werden soll. Die Regierung er- dielt darauf einen Vorschuß von 20 Millionen Gulden, ohne Inanspruchnahme der Natioval- bank. DaS im Juni abgeschlossene Vorschuß geschäft über 25 Millionen Gulden wird prolon- girt. Ragusa, Dienttag, 5. September, Mittags. (W. T. B.) Nach hier ringegangenen Nachrichten haben die gegen Montenegro im Felde stehenden türkischen Truppen heute auf ihrer ganzen Linie die Offensive ergriffen. (Vgl. die Rubrik „Vom türkischen Kriegsschauplätze".) Zara, Dienstag, 5. September, Abends. (W. T. B.) Nach hier vorliegenden Nachrichten findet seit heute früh ein größerer Kampf bei Kuci Statt. Der AuSgang deS Kampfes ist noch nicht bekannt. Bern, DienStag, 5. September, Nachmittags. (W. T. B.) Der Präsident deS BundeSrathes, Welti, und daS Bundesrathsmitglied Anderwert haben sich heute nach Locarno begeben, um daselbst mit den italienischen Ministern DcpretiS, Zanar- delli und Melegari über die Gotthardbahnfrage zu conferircn. Livorno, DienStag, 5. September, Mittags. (W. T. B.) Heute früh ist in einer Entfernung von 3 Meilen von hier der italienische Dampfer „Lidia" von dem französischen Dampfer „General Paoli" in den Grund gefahren worden. Die Passagiere und die Mannschaft find gerettet London» Mittwoch, 6. September. (W.T. B.) An verschiedenen Orten haben neue Meetings wegen der Grausamkeiten der Türken Statt ge funden. Die Veranstalter eines Meetings in Plymouth schrieben vorher an den Staatssecrrtär deS Aeußern, Earl Derby, und bedauerten den Mangel einer officiellen Erklärung darüber, daß der englische Botschafter bei der Pforte, Sir Henry Elliot, wegen seines Verhaltens zur Untersuchung gezogen werden solle. Der Earl Derby antwor tete darauf, die Regierung werde nichts versäu men, um die volle Wahrheit zu erfahren, und sei bereit, im Einverständnisse mit den andern Mäch ten diejenigen Schritte zu thun, welche die Ge rechtigkeit erheische. Vom türkischen Kriegsschauplätze. Ragusa, 5. September. Ans der Herzegowina gehen der „Polit. Corr.' nachstehende Mittheilungcn zu: Gestern ist Fnad Pascha mit lO Bataillonen in Trc- binjc eingcrückt und unverzüglich nach Grahowo weiter marschirt. Mustapha Pascha mit weiteren 10 Batail lonen wird stündlich in Trebinje erwartet. Mit diesen Verstärkungen wird das ArmeecorpS Mukhtar Paschas, dessen Eindringen nach Grahowo, ohne auf Widerstand zu stoßen, bestätigt wird, 40 Bataillone regulärer Trup- pen stark sein. Mit den Baschi-Bozuks wird die Streit macht Mukhtar Paschas nahebei 30,000 Mann betragen. Wie allgemein erwartet wird, dürfte cs alsbald zu einem großen Kampfe kommen. * Semlin, 4. September. Wie der „Schics. Ztg." telegraphirt wird, drangen die Türken in den letzten Kämpfen über Mrjol und Prtichilowitza am linken Ufer der Morawa vor und nöthigtcn Tschcrnajew, sich mit dem Gros der Armee auf Deligrad zurückzuzichen. In Alexinac blieb Horvatvvic mit 10 Bataillonen stehen. Wenn auch die Tefeusivstellung bei Deligrad local weit günstiger, als die bei Alexinac ist, so würde doch durch die Räumung von Alexinac der südlichste Theil von Serbien, vielleicht ein Viertel des ganzen Landes in die Hände der Türken fallen. — Von einem außerordentlichen Corrcspondcntcn, der soeben vom Kriegsschauplätze zurückgckchrt, erhält die „N. ft. Pr." eine Uebersicht der Operationen vor Alexinac in dem Zeiträume vom 20. bis zum 30. August. Hiernach waren die Verluste während dieser achttägigen Kämpfe auf beiden Seiten sehr bedeutend. Die Division Fasly Pascha verlor allein über 1500 Mann an Todtcn und Verwundeten, und kann der Ge- sammtverlust der türkischen Armee auf 4000 bis 5000 Mann angeschlagen werden. Auf serbischer Seite ge steht man im Hauptquartier selbst für die Gcfechtstage vom 23., 24. und 26. August allein einen Verlust von über 1000 Mann an Todten rin, was, gering gerechnet, auf wenigstens denselben, wenn nicht größeren Gesammtver- lust an Todten und Verwundeten wie bei den Türken schließen läßt. Ein empfindlicher Verlust für die Serben waren die 15,000 Mann, welche, nach Aussage von Augenzeugen, während der Däner dieser Kämpfe die Armee verließen und wahrscheinlich in ihre Hcimath zu rückkehrten. Das traurigste Anzeichen von der Stimmung im serbischen Heere aber würden die täglich vorkommen- dcn zahlreichen Selbstvcrstümmlungen sein, deren sich die serbischen Soldaten schuldig machen sollen, um sich den ferneren Kriegsdiensten zu entziehen. — Der Speeialcorrcspondent des Londoner „Stan dard" im türkischen Hauptquartiere giebt eine Schil- derung des letzten Kampfes um Alexinac und bestätigt, was gerüchtweise schon von serbischer Seite über die von den Türken errungenen Vortheile verlautete. Es scheint, daß die Serben auf dem rechten Flügel um gangen und zum Rückzug genöthigt wurden. Wieder holt machten sic vergebliche Versuche, wieder angriffs weise vorzugchen, und leisteten heftigen Widerstand. Am Freitag (l. September) Abend fiel ihre erste Redoutc. Am Sonnabend (2. September) Mittag drangen die Cirkassicr in drei serbische Redouten nordwestlich von Alexinac ein. Oberst Mehemed Bey entdeckte Minen, die mit Dynamit gefüllt waren, aber die Schanzen waren verlassen. — Die „Times" erhält einen vier Spalten langen Bericht ihres Specialcorrcspondenten in Belgrad vom 3. d. über die Schlacht am 1. September, die nach An sicht des Berichterstatters die eigentliche Schlacht des ganzen Krieges gewesen ist. Am Schlüsse der Depesche heißt cS: lO Meilen weit auf der Straße von Alexinac nach Deligrad fanden wir eine fast compacte Masse von dahir ziehenden Wagen, Karren, Fußgängern, Pferden, Ochsen, die alle in größter Eile die Flucht fortzusetzen suchten und sich dabei gegenseitig beständig hinderten. War die Straße nicht mehr zn passiren, so wurde die Flucht auf den danebenliegenden Aeckcrn fortgesetzt, und da der weiche Boden das schnelle Vorwärtskommen be hinderte, so wurden die Zugthiere der meisten Fuhr werke losgeschnittcn, um wenigstens jene zu retten, diese aber im Stich gelassen. Eine halbe Stunde nach un serer Abfahrt hörte das Gcschützfeuer auf. Abends trafen wir in Deligrad ein, wo wir erfuhren, daß die ganze bürgerliche Bevölkerung von Alexinac die Stadt verlassen habe, und daß auch die russischen Pflegerin nen mmmt den Verwundeten in den Ambulanzen sort- gcschafft sind, letztere nach Razani, auf dem Wege nach Paratschin. Tschernajew befindet sich in Deligrad. — Aus Konstantinopel vom 4. iseptember Nach mittags geht der „N. fr. Pr." nachstehendes Telegramm zu: Das Armeccorps Achmed Ejub Paschas überschritt die Diorama angesichts Alexinac und vollzog seine Ver einigung mit der Division Ali Saib Paschas. Die ver einigten türkischen Truppen erstürmten hierauf sämmt- lichc auf den Höhen vor Alexinac errichteten Befesti gungen und eroberten hierbei 2 serbische Geschütze. Odessa, 2. September. Die neuesten St Peters burger Blätter enthalten nachstehendes Telegramm: Heute ging auf dem Dampfer „Metternich" ein von der Odessaer Verwaltung der Gesellschaft des „Rothen Kreu zes" ausgcstattetcr Sanitätszug nach Belgrad ab. Außerdem begaben sich auf den Kriegsschauplatz lO Offiziere und 120 Unteroffiziere und Gefreite; die meisten dieser Militärs sind Georgsritter. Eine große Volksmenge begleitete die Abreiscndcn mit „Hurrah"- und „Zivio"-Rufen, der Uachtclnb mit Schüssen. Es herrscht eine unbeschreibliche Begeisterung. — Man schreibt der „Polit. Corr." aus Odessa vom 28. August Folgendes: Authentischen Meldungen zufolge tauchen türkische Emissäre im Kaukasus auf und agitiren unter der dortigen muhamcdanischen Bevölke rung. In vielen abchasischen Auls sind junge Leute nach der Türkei heimlich spedirt worden. Die Regierung ist den Agitatoren auf der Spur und wird dieselben exemplarisch bestrafen. Konstantinopel, 31. August. Einer Specialcorre- spondenz der „Pr." entnehmen wir Folgendes: Da Sultan Murad von seiner schrecklichen Krankheit nicht geheilt werden kann, so wurde kraft des heiligen Ge setzes Sultan Abdul Hamid II. aus den Thron der Osmanen erhoben. „Möge der Herr ihm ein langes Leben schenken, seinem Schwerte Sieg verleihen gegen die Feinde und ihn unerschütterlich auf dem kaiserlichen Thron erhalten!" Mit diesen Worten verkündeten die öffentlichen Ausrufer den heute in Scene gesetzten Thronwechsel. Heute Morgen waren die hauptsäch lichsten Verkehrsadern der Stadt mit Soldaten besetzt. Um 'L8 Uhr fuhr Abdul Hamid Efendi, begleitet von seinem Schwager Mahmud Pascha Damad, in geschlos senem Wagen mit großer Suite über die große Pera- straße und die Brücke von Karaköj nach dem alten Serail, wo bereits sämmtlicke Minister versammelt waren. Um 12 Uhr Mittags erfolgte die Thronbesteigung Sultan Abdul Hamid's II. im großen Thronsaale des alten Schlosses in Gegenwart sämmtlicher Minister und der höchsten Staatsbeamten, welche dem neuen Dionarchen sogleich ihre Huldigung (List) darbrachlen. Unterdessen vcr- kündeten 121 Kanonenschüsse dem Heere und dem Volke den Thronwechsel, auf den Thürmcn des SeraskieratS und Galatas wurde die kaiserliche Standarte gehißt nnd sämmtliche Kriegsschiffe festlich beflaggt. Auch die frem den Kriegsschiffe prangten in Flaggengala, namentlich zeichneten sich die beiden österreichischen Stationäre durch geschmackvolle Anordnung der Wimpel und Flaggen aus. Um I Uhr Nachmittags kehrte der neue Sultan in reichverzierter kaiserlicher Barke, gefolgt von zahl reichen, fast ebenso prachtvollen Kähnen, nach dem Pa laste von Dolmabagdsche zurück, den sein unglücklicher Bruder eine Stunde vorher verlassen hatte, um von nun an in dem nur einige Hundert Schritte entfernten Marmorscklossc Tscheragan zu residiren. Die Bevölke rung der Hauptstadt nahm die Nachricht von der Thron besteigung Abdul Hamid's mit großem Gleichmuthe, man könnte fast sagen mit vollständiger Indifferenz, auf. Man ist eben durch die so schnell aufeinander folgenden Thronwechsel schon abgestumpft. Zur Cha- rakterisirung der Stimmung mag folgende hier sehr ver breitete Prophezeiung dienen, welche ihrem Urheber, dem Hofastrologen des Snltans Abdul Aziz die Freiheit gekostet. Derselbe prophezeite nämlich anläßlich der Thronentsctzung seines Herrn, daß dessen Nachfolger Murad nur 3 Monate, dessen Bruder Abdul Hamid aber noch viel kürzer regieren werde; erst dann würde Mehmed Neschid Efendi, der nächstälteste Sohn Abdul Mcdschid's, auf den Thron gelangen und 25 Jahre lang glücklich und segensreich regieren. Nachdem der erste Theil der Prophezeiung eingctroffen, glauben Viele an die Wahrheit des zweiten Theiles. Tngesgeschichte. * Leipzig, 5. September, Abends. Se. Majestät der Deutsche Kaiser ist in Begleitung des Prinzen Karl (Bruder L>r. Majestät) und des Prinzen Friedrich Karl von Preußen heute Nachmittag kurz nach '»5 Uhr mittelst Extrazugs von Berlin kommend (und vom Ber liner Bahnhof aus mittelst der Verbindungsbahn) auf dem Bahnhofe der westlichen Staatsbahnen hier eingctroffen, woselbst Ihre Majestäten der König und die Königin, Ihre königlichen Hoheiten Prinz und Prinzessin Georg, sowie die bereits hier cingetroffencn fürstlichen Gäste ten Ansiedelungsbedingungen bereitwillig und freudig ein. Im Thale des Saskatchewan hat die berittene Polizei gesetzmäßige Ordnung hergcstellt und wird von den Assiniboines und dem kriegerischer» Stamme der Blackfeet als Beschützer betrachtet und geschätzt. Oestlich von den Rocky - Mountains scheinen die Indianer ganz prächtig zu prosperiren, wovon ein Bericht Laird's, des Mini sters des Innern, Zeugniß giebt, der eine Gesetzesvor lage ankündct, deren Grundzug die allmähliche Einbürge- rüng der Indianer bezwecken wird. Jedenfalls dürfte in dieser Richtung nur sehr vorsichtig vorgegangen wer den, wenn dieser Schritt nicht zu den mancherlei ver hängnißvollen Gcsctzeswohlthaten zählen soll. Auch bleibt es sehr die Frage, ob die Stämme selbst nicht das patriarchalische Regiment der ehrenden Neuerung vor ziehen würden. Wcit schwieriger hat sich die Jndianersrage im Westen der Rocky-Mountains gestaltet, ja es scheint den Be richten nach, als sei es nur deshalb nicht zu einem Kriege mit den Indianern gekommen, weil zwischen den Stämmen selbst Spaltungen entstanden sind, die nahezu zu Fehden ausartetcu. Wie schon angcdcutct, liegt der Hauptgrund hiefür in der ungenügenden Landanweisung von Seite der Regierung in Britiscb- Columbia. Werden zu Manitoba einer aus fünf Per sonen bestehenden Familie 160 Acres angewiesen, so erhält dagegen eine eben solche zu Britisch - Columbia nicht mehr als 20 Acres. Die Unzufriedenheit darüber ist eine so tiefgehende, daß zwei der Stämme Heuer sogar die Annahme der jährlichen Geschenke verweigert haben, damit sie nicht dadurch ihre Ansprüche auf Kompensation für die erlittene Ungerechtigkeit aufzu- geben scheinen. Man sieht also, daß auch unter den Rothhäuten ein gewisses diplomatisches Feingefühl herrscht. Drei Ursachen sind cs, welche diesen hohen Grad der Unzufriedenheit bei den westlichen Rocky-Mountains- Jndiancru hcrvorgerufen haben. Seit dem Verkehre über dieses Gebirge sind ihnen die besseren Verhältnisse ihrer Stammesbrüder — im weiteren Sinne — zu Manitoba bekannt geworden und das Gefühl, daß ihnen nur Ungenügendes geboten werde, hat sie dadurch verbittert. Auch macht sich der Druck, den die weißen Ansiedler, welche die fruchtbarsten Landesthcile innc- haben und die sehr häufig ihre Rechte auf Kosten der Indianer geltend machen, um so peinlicher fühlbar, je mehr die Zahl derselben anwächst, nnd drittens werden sich die Indianer trotz alledem ihres numerischen Ucbergewichtcs bewußt, obwohl sie zum Glücke für die Weißen noch nicht darauf gekommen sind, daß die Macht doch in erster Linie auf der Einigkeit beruht. Die Frage ist eine wichtige und verdiente nicht allein in Canada selbst, sondern auch im Mutterlande reiflich erwogen zu werden. Es wäre traurig, würden die Indianer schließlich wirklich zu den Waffen greifen, und noch trauriger, wenn es für eine gerechte Sacht ge schähe. Diese Frage ist weitaus wichtiger als so manche über afrikanische Verhältnisse, die zu äußerster und ver- hängnißvollcr Wichtigkeit aufgebläht worden ist. Es scheint übrigens, daß man zu dieser Einsicht ge langt ist, denn eS wurden von den beiden Regierungen, der englischen nnd der canadischen, drei Commissare aus gestellt, welche die Dsstricte zu bereisen, die verschiedenen Stämme oder „Nationen" zu inspiciren und sowohl die Lage wie die Ausdehnung der verschiedenen „Reserven" und ihr Derhältniß zu der Bevölkerung zum Gegen stände eingehenden Studiums zu machen haben. Die Ver- thcilung dieser Ländereien soll fortan weniger summarisch vorgcnommen und mehr den jeweiligen Verhältnissen angepaßt werden. Die verschiedenartigen Lebcnsgewohn- heitcn der Stämme, ihre Existenzbedingungen, je nach dem sie sich im Innern des Landes oder an Küstcn- strecken befinden, ob sic Hecrden, Pferde oder Rindvieh besitzen oder von der Fischerei leben, sollen bei künftigen Veitheilungen berücksichtigt werden, Statt der bisher herrschenden einförmigen Norm. Es ist dies eben sowohl ein Act der Klugheit als der Gerechtigkeit; Krieg mit den Indianern bedeutet immer Schrecken und Ver heerungen, welche eine Kolonie auf lange wieder in ihrer Entwickelung zurückwerfen. Die Greuel, die sich immer noch gelegentlich an den Grenzen der Vereinigten Staaten zutragen, genügen, reifliches Bedenken der Sach lage bei der englischen Regierung hcrvorzurufen, die ihren amerikanischen Besitzungen weniger Aufmerksam keit zuwendct, als sie wohl, auch vom rein politischen Standpunkte aus, verdienen. Die Sendung des Grafen v. Dufferin nach Britisch- Columbia kleidet sich in das humane Gewand, der Wohlfahrt der Jndianerstämme ausgiebig Rechnung tragen zn wollen, allein wir möchten annehmen, daß die englischen Staatsmänner scharfsinnig genug sind, auch das Interesse der eigenen Nation und speciell der Kolonie dabei im Auge zu haben. Im öffentlichen wie im Privatleben ist das Gute zugleich auch das rückwirkend Nützlichste. Manchmal tst dies nicht klar auf der Hand liegend; in diesem Falle aber muß es selbst Laien im politischen Leben einleuchten, daß Be rücksichtigung der gerechten Anforderungen der Einge- borncn keine Schwächung, sondern im Gegentheil eine Lebensbedingung der Kolonie ist. Hat man dies iu der Nähe ihres Ccntralpunktes, in Manitoba, so wohl erkannt und trefflich durchgeführt, so ist kein Grund vorhanden, es in den Grenzlanden nicht auch zu ver suchen. Doch nicht nur dieser Gedankengang knüpft sich
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