Dresdner Journal : 19.10.1880
- Erscheinungsdatum
- 1880-10-19
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- Public Domain Mark 1.0
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-188010194
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- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18801019
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18801019
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungDresdner Journal
- Jahr1880
- Monat1880-10
- Tag1880-10-19
- Monat1880-10
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- Dresdner Journal : 19.10.1880
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^-244 Dienstag, den 19. October. 1880. l» r»»,»» ä««t»c>»a »»tek«: ätkrlieU: . . »8 Zt^Nrliek! 4 U«rtc 80?5. Iro»»I»« k1u«n»«n>: lv?s 4»»—rd»Id äe,6ent»ck»o lieicks» tritt?o»t- uuä 8temp«Iru»ctiI»8 üio»«. luserLteoprsi^er ^ür 6«» k»aw Siner ^pittteuvo ?etitr«il« 20 ks. Ooter „Livzs^ocit" äis Lsil» bO ?k. M-eMtrImmml. Verantwottliche Redaction: Oberredacteur Rudolf Günther in Dresden. rr»eli«l»«>: ^LzUoN l»it 4mn»Knie 6er Hoon- vn6 keiert»b* 4v«oä« t'ür 6en kolzenilea ln!<eru<eiianni>I>n>e an»«Ni ti- t />>. ^r«»6«tetter, Uv» OrvsÜQvr äouroitt»; S»mdarx-LsrUn Visu l,»iprix 8»«vl -vr»,Iiu kruntrkuit ». N : Daaseruite»» L , Vertin iVwll-klttmdurx- kr»^-I.»jp»iDk er»nllturr » » Uünck»»: /t,«/ Z.rltn: §. /rornlet', . Lrvmvu: >. Lv/Uvtte, >r»»i»u: D.KtooArn» Itürviiu; Ldsmoilr />. ttoiAt; ^r»nllkurt » H.: ^«rAerHie u. </. <?. //<>rr»in,,»- »vdv ttuokkvnöliin^; üorM»: t- A/Ä/r«8»u»or»r- 6. Lc/i,<»/<"' - ?»ri» L«rUn - rr»ll>,turt ». « Stutt^»rti Daube i.»/ ÜLmdnr^: D AU. Äerner. Ueraiisxvksr: Nöniel. klxpeäitiov 6v» l>re»6ner äourvltt«, Ilrvnävn, iivinssvrntra«»« Xo. 20. Ämtlütkr Theil. Dresden, 18 October. Se. Königlich« Hoheit der Prinz Georg ist gestern früh 4 Uhr 14 Mm. von Sibyllenort wieder hier eingetroffen. Dresden, 2. October. Se. Königliche Majestät hat den Handelsrichter bei den Kammern für Handels sachen beim Landgericht Leipzig, Kaufmann Christian Jay in Leipzig, auf sein Ansuchen dieser Function zu entheben und zum Ersatz für denselben den Fabri canten Emil Gustav Gottfried daselbst zum Handels richter bei jenen Kaminern auf die noch übrige Dauer deS dreijährigen, vom 1. October 1879 ab zu rech nenden Zeitraums zu ernennen allergnädigst geruht. Se. Majestät der König hat allergnädigst zu ge nehmigen geruht, daß der Zahnarzt vr. mell. Hering zu Leipzig daS von Sr. Hoheit dem Herzoge zu Sach,en- Altenburg ihm verliehene Prädicat als Hofrath an nehme und führe. Nichtamtlicher Theil. Telegraphische Nachrichte». Lesche», Sonntag, 17. Oktober, Abends. (Lorr.-Bur.) Der Kaiser traf in Mosty heute Nachmittag 2 Uhr auf schlesischem Boden ein und wurde vom Erzherzog Albrecht dem Landespräfi- deuten Summer und dem LandrShauptmanne Grafen Küenburg begrüßt. Unmittelbar an der LandeSgrenze war eine festlich geschmückte Estrade errichtet. Unter stürmischen „ Hoch "-, „Vivat"- und „^istr 2^«"-Rufen der massenhaft her- beigeströmren Landbevölkerung verließ der Kaiser den Waggon und nahm die Begrüßungsansprache des Landes hauptmanns entgegen, die er huldvoll erwiderte. Unter brausenden Jubelrufen verließ der Hoszug die Station, von Bauernbanderien begleitet. Sämmtliche Ort- schasten, die der Zug passirte, waren ausS Festlichste geschmückt und beflaggt. Der Kaiser traf Nachmittags 3 Uhr in Teschen ein Nach Besichtigung der Ehren- compagnle nahm der Kaiser in einem festlich geschmück ten Empfangspavillon die Ansprachen des Bürgermeisters von Schibltz und des Bürgermeisters von Teschen, ReichsrathSabgeorvneten Or. Demel, welche den Kaiser bewillkommneten, entgegen. Der Kaiser erwiderte in gnädigen Worten und fuhr dann in die festlich ge- fchmückte Stadt. Die erzherzoglichen Bergleute, die Feuerwehr, Bürger und Torpor atronen bildeten Spalier. Paris, Sonntag, 17. October, Vormittags. (W. T. B.) Da» „Journal officiel" veröffentlicht die Ernennung de» General» Zentz zum Comman- bauten de» XI. Armeecorp» an Stelle de» Ge neral» de Cifsey. Infolge der weitern Ausführung der Drcrete vom 2S. März (vgl. unsere Pariser Correspondenz unter „TageSgeschlchte") haben wiederum mehrere richterliche Beamte um ihre Entlassung nachge sucht. London, Montag, 18. October. (Tel. d. DreSdn. Jouin.) Wie dem „Standard" auS Athen von gestern gemeldet wird, beabsichtigt die griechische Negierung, eine Note an die Mächte zu richten und zu erklären, sie werde, fall» die griechische Krage nicht binnen einer bestimmten Krist endgiltig gelöst werde, gezwungen sein, dir ihr zugrsproche- nen Provinzen zu orcupiren. Eetinje, Montag, 18. Oktober. (Tel.d.Dresdn. Journ.) Die Delegirten für die Verhandlungen mit dem türkischen Obersten Bedri Bey wegen Uebergabe Dulcigno» find bereit» ernannt. Fcuillctou. Redigirt von Otto Banck. DaS Coneert von Charles Halls fand am 16. d. im Börsensaale Statt und gewährte den Vollgenuß einer künstlerisch vollendeten Production geschmackvoll auSgewählter inhaltrricher Llavierwerke. Haü« ist ein meisterhafter, klassischer Spieler, ohne jede Spur einer bedenklichen, obschon bisweilen auch glänzenden effec- tuirenden Eigenschaft des VirtuosenthumS. Mit einer musterhaft durchgebildeten, tadellos correcten und sicher beherrschten Technik, verbindet er eine geistvolle Auf. fassung und ein Gestaltungsvermögen, einen musikalisch feinfühligen Vortrag voll intimstem Verständniß und innigster Hingabe für Charakter und Gedanlenent- wickelung und Stimmung der Compositionen verschie denster Meister. Seine getreue und geistesfrische Inter pretation läßt diese ihre eigene beseelte Sprache zu uns reden, unbeirrt von gesuchter Geistreichigkeit und ma- niertrten virtuosen Effecten, frei von kühler Reflexion und didaktischer Analyse. Halls'S Spiet ist wahr, ein fach, warm im Ausdruck, gesund, voll Wohlklang und äußerst maßvoll (mit diScretestem Pedalgebrauch) in der Behandlung, >m höchsten Grade fein und sicher auSgearbeitet in allen Abstufungen der Tonstärke, de» Colorit», der Bewegung, bewunderungiwerch in Klar heit und Deutlichkeit, in präciser und fließender Rhyth mik. Und stet» bleibt das schöne harmonische Ebenmaß und die einheitliche stilvoll« Haltung de» Ganzen ge wahrt. DeS ConcertgeberS Borträge, welche in allen Konstantiuopel, Montag, 18. Oktober. (Tel. d. DreSdn. Journ.) Da» al» halbamtlich geltende Journal „Hakikat" kommentirt die letzte Note der Pforte und sagt, da» Wort „Cession" bedeute, die Pforte werde Dulrigno räumen und sodann auf dir Uebergabe Dulcigno» an Montenegro hin- arbeiten. Der Patriarch Hassun reist demnächst nach Nom ad, um den Carbinal»hut zu empfangen, und wird daselbst verbleiben. New Dork, Sonntag, 17. Oktober. (W. T. B.) Während eine» gestern Abend von den Demo- traten in Wilmington am Delaware abgehaltenen Umzugs wurden von dem Dache eine» Hause» Schüsse auf den Zug abgegeben, durch welche 6 Personen, darunter 2 anscheinend tödtlich, ver wundet wurden. Die Demokraten erwiderten da» Feuer, zerstörten da» Hau», von welchem die Schüsse gefallen waren, und verwundeten mehrere der Angreifer. Athen, Montag, 18. Oktober. <Tel. d. DreSdn Journ.) Mit der für den 21. d. M. in Aussicht genommenen Eröffnung der Kammern wird eine bestimmte Aeußerung der Krone über die Ausfüh rung der durch die Conferrnz Griechenland zu erkannten Grenzberichtigung, respektive der zu die ser Ausführung zu ergreifenden Maßregeln er folgen. Dresden, 18. October. Der jüngst vor der 8. Zuchtpolizeikammer zu Paris verhandelte Proceß der Oberstlieutenants Jung im französischen KriegSmimsterium gegen den Journalisten de Woestyne vom „GauloiS", welcher die Verurthei- lung deS Letztern zu 6 Monaten Gefängniß, 1000 Frcr. Geldbuße und zu 5000 FrcG Schadenersatz herbeiführte, gewährt nicht nur emen bedenklichen Blick in die inneren Zustände der französischen Armee, sondern kennzeichnet auch wiederum so recht die Maitressenwirthschaft als die Pestbeule der französischen Gesellschaft, sowie die Skandalsucht der Pariser Presse. Die Enthüllungen des Processes haben soeben den Rücktritt deS stark compromittirten frühem Krregs- ministers Generals de Cissey vom Commando des XI. Armeecorps und dessen Ersetzung durch den DivisionS- general Zentz, bisher in Nancy, zur Folge gehabt. In Anbetracht der bei dem Verleumdungsproceß Jung- de Woestyne betheiligten Personen werden viele Leute denselben höchst interessant finden; in Anbetracht der verhandelten Sache aber kann man getrost von einem wahren Standalproceß reden. Wie fast bei jedem Proceß in Frankreich, ist auch die Entstehungsgeschichte dieses auf den bekannten, nur allzusehr geläufigen Satz zurückzuführen: „edsrcdvL la. komme!" Eine Frau, die an der Verhandlung übrigens nicht persönlich Theil nahm, bildete den unsichtbaren Mittelpunkt, um den sich der ganze Klatsch nach der Suche eines unausfind baren Spions drehte. Der Sachverhalt ist kurz fol gender. Vor einigen Wochen durchlief die Pariser und die c.uSwärtige Presse die Kunde, aus dem franzö sischen Kriegsministerium seien hochwichtige Papiere abhanden gekommen. Man sprach sogar von dem Mobilisationsplane der französischen Armee, welcher an das Ausland — selbstverständlich an Deutschland — verrathen worden sein sollte. Das konnte natürlich nur ein an Preußen verkaufter Spion gethan haben. Ein hoher Offizier deS Kriegsministeriums mit dem deutschen Namen Jung — derselbe ist ein geborener Elsässer — wurde von der leichtzüngigen Fama erst nur andeutungsweise, dann halblaut, endlich ganz laut und allgemein der Spionage verdächtigt. WaS diesem Gerücht besondere Nahrung gab, war der Umstand, daß dieser Osfizier an eine Deutsche — eine Oester- Feinheiten seiner Tongestaltung von dem klangvollen Flügel (E. Ascherberg'S Fabrik) mit vorzüglicher Wirkung unterstützt wurden, machten einen ungewöhn lichen, nachhaltigen Eindruck, erregte die innerste Sympathie der Hörer. Das etwas zu reich auSge- stattete Programm enthielt Compositionen von Beetho ven, Bach, Stephen Heller, Schubert, Schumann, Chopin. Besonders hervorgehoben sei nur die prächtige Wiedergabe der Beethoven'schen Sonate op. 111, in welcher der Spieler auch in den phantasievoll ver schlungenen Gedankenpfaden deS letzten Satzes unsere gespannte Theilnahme geistig zu fesseln wußte; die in ihrer Schlichtheit charakteristisch vollkommene Production der Bach'schen Stücke, unbelastet mit moderner und empfindsamer Ausdrucksfülle; die reizende Ausführung deS Schubert'schen Impromptu, der unbekannteren, poetisch stimmungsvollen Stephen Heller'schen Piecen rc. AuS solchen Leistungen erklärt sich sehr wohl der un gemein fördernde und verdienstvolle Einfluß, welchen Halls in England auf die Empfänglichkeit und das Verständniß für beste Clavierwerke und namentlich auch für die Beethoven'schen Sonaten auSgeübt hat. Hr. Concertsänger Eugen Hilbrich unterstützte — von Hrn. E Krantz vortrefflich begleitet — daS Con- cert mit Vorträgen von Liedern und einer Arie Hän- del's aus dem „Alexanderfest". Seine gutgeschulte, schöne, metallre'che und — namentlich auch nach der Tiefe zu — kräftige Baritonstimme, und sein so musikalisch intelligenter, als warm empfundener, aus drucksvoller Bortrag, von ModulationSsähigkeit und leichter Ansprache de» Organ» gehoben, gewannen ihm sofort lebhafte und sehr verdiente Anerkennung. Hrn. reicherin au» dem leichtlebigen Wien — verheirathet gewesen ist, welche als leichtfertiges Weib bereit» unter einem frühem französischen Kriegsministerium eine mehr als verdächtige Rolle gespielt hat. Ein skandal süchtiger Reporter glaubte, an Alledem Stoff und An laß genug zu haben, um sich auf den patriotischen Gaul der Entrüstung zu schwingen und auf den ver dächtigen Offizier m,t einem geharnischten Artikel ein- »ustürmen, welcher, Lyahrheit mit Dichtung zum Ver kennen vermischend, nicht wenig Aufsehen erregte und für dessen Verfasser zunächst eine Forderung seiten deS angegriffenen OsfizierS zur Folge hatte. Der lebenskluge Federheld glaubte jedoch, jede waffengefähr liche Zumuthung mit der Begründung ablehnen zu sollen, daß der an seiner Ehre sich für befchmutzt hal tende Offizier sich zuerst vor einem Ehrengerichte als salisfactionSfähig reinzuwaschen habe, bevor in dieser Beziehung weiter mit ihm verhandelt werden könne. Das geforderte Ehrengericht kam zu Stande und sprach den an geschuldigten Offizier von jedem Verdachte frei. Die auS dem Kriegsministerium verschwundenen Papiere, bez. die MobilisationSpläne hatten sich einfach auf einer „Studienreise" in das geheime Arbeitscabinet Gam- betta's verirrt. Nachdem die Sache derart festgestellt und der betreffende Osfizier dadurch reingewaschen war, fand es diefer jedoch für gut, der ganzen Ange legenheit eine andere Wendung zu geben; er ließ ver- ständigerweise bei dem zuständigen Gericht eine Ver leumdungsklage gegen seinen Ehrabschneider anhängig machen. In der Verhandlung stellte eS sich nun her aus, daß der so derb hereingefallene Reporter feine aus „bester Quelle geschöpften Informationen" einem Geschwätz mit dem General Ney, Herzog v. Elchingen, entnommen hatte, welcher bei der Verhandlung sich klugerweise an nichts Bestimmtes mehr erinnern wollte und über die Verdachtsgründe gegen den Oberstlieute nant Jung nur ganz unbestimmte Aeußerungen ge macht haben will, im Allgemeinen aber bei der ganzen Affarre eine sehr klägliche Rolle gespielt hat. Ist eS nicht eine charakteristische Erscheinung, wenn ein Ge neral eS unternimmt, einem Journalisten, den er zum zweiten Male in seinem Leben sieht, auf offenem Felde höchst ehrenrührige Anschuldigungen über einen Kame raden mitzutheilen? Al» diese Anklagen schon im „GauloiS" veröffentlicht waren, der General demnach über deren Ursprung nicht im Zweifel sein konnte, fetzte er feine Mittheilungen fort, erzählte er demselben Journalisten immer mehr, anstatt sich mit Verachtung von ihm abzuwenden. Es ist gar nicht anders denk bar, als daß General Ney die Veröffentlichung seiner Verleumdungen haben wollte. Die Entschuldigung, er habe Alles nur als ein Gerücht, das er selbst nie geglaubt, mitgetheilt, ist einfach nicht stichhaltig. Politische Feindschaften und Parteiungen sind die Gründe dieses uriqualificirbaren Vorganges. Der General ist Bonopartist; der Oberstlieutenant Jung dagegen hat sich schon unter dem Kaiserreich durch sehr fortgeschrittene republikanische Gesinnungen hervorgethan und wurde daher sofort zu einem besondern Schützling Gambetta'S. DaS Kaiserreich suchte die politische Par teistellung der Osfiziere zu verbergen und in den Hw- tergrunv zu drängen. Die jetzigen Machthaber thun gerade das Gegelltheil; sie haben mehr, als jemals die Politik zum maßgebenden Factor in der Armee ge macht. Eine geradezu erbärmliche Rolle aber fiel bei dieser Geschichte dem als Zeugen nicht erschienenen ehemaligen Kriegsminister de Cissey zu, welcher zur Zeit seiner Ministerherrlichkeit zu der von ihrem Manne geschiedenen Frau des Oberstlieutenants Jung, einer ausgemachten Abenteurerin, in einem nichts weniger als rühmlichen Verhältniß gestanden und vor derselben durchaus keine Amtsgeheimnisse gehabt zu haben scheint. Man hat den Proceß, durch welchen der wahre Sach verhalt nicht einmal aufgeklärt worden ist, möglichst Hildrich'S öftere Mitwirkung in ähnlichen Concerten wird den Musikfreunden willkommen sein. C. Banck. Der historische Aestzug in Köln. Als die städtischen Behörden Kölns die Reihe der zur Dombaufeier abzuhaltenden Festlichkeiten bestimmt hatten, da beschloß die Bürgerschaft, den zweiten Tag durch eine Reihe von Darstellungen auS der Bauge schichte deS Domes und von Bildern aus der Geschichte der mit dem GotteShause so innig verwachsenen Rhein stadt zu verherrlichen. Die städtischen Behörden nah men den Festzug in das osficielle Programm auf, rühmlich bekannte Düsfeldorfer Künstler widmeten dem Zustandekommen deS Werkes ihre volle und ganze Thätiglert, und das Kaiserpaar beschloß, auch am zweiten Tage de» Feste» nach Köln zu kommen, um die Leistung der Bewohner der Domstadt in Augen schein zu nehmen. Den Text „Zur Erklärung des Festzuges" hat Prof. Eckertz gespendet, dem ein be deutende» Verdienst um die historische Seite de» Arrangements zuzuschreiben sein dürfte; die poetischen Gaben des Programms hatte vr. Fastrnrath geliefert. Am 16. d. 8 Uhr Morgen» war e», da entwickelte sich auf dem Neumarkte ein Treiben, wie e» lebendiger und fröhlicher nicht gedacht werden kann. Mit klingen dem Spiel zogen Truppen aller Waffen, Truppen au» Preußen, Bayern, Sachsen und Württemberg auf, Waffen und Helmspitzen, Pferde und Kanonen mit frischem Grün und bunten Blumen geschmückt; Schau lustige au» allen deutschen Landen, au» Frankreich, England und Amerika strömten den Tribünen zu und auf die Preßklage beschränkt. Woestyne hatte daher ganz recht, als er betonte, warum man keine Unter suchung der den Offizieren vorgnvorsenen Thatsachen anstelle. Im Uebrigen durchzieht die Spionenriecherei den Proceß von einem Ende zum andern. Wie könnte eS auch anders sein, da sich die austretenden Persönlich keiten eingestandenermaßen gegenseitig ausspioniren. Die Anwälte der beiden Parteien haben massenhaft entsprechendes Material vor sich liegen gehabt. Der als Franzose naturalisirte Belgier Iwan de Woestyne geberdet sich als muthiger Deutschenhasser, der sich daS Aufspüren „der die ganze Welt mit ihren Netzen um spinnenden deutschen Spione" zur Lebensaufgabe ge macht zu haben scheint. Er erinnert sich wahrscheinlich nicht mehr, daß er vor wenigen Jahren noch sich im „Figaro" gerühmt hat, das preußische Heer und den großen Generalstab ausspionirt zu haben. Während die Mehrzahl der Pariser Blätter sich über den General Ney, welcher gewiß nicht wegen seiner geistigen Vorzüge so rasch zu dem von ihm eingenommenen hohen Range habe avanciren können, sich lustig macht und ihn gewissermaßen als ein Wundcr- thier betrachtet, welches zu traurigen Betrachtungen über die im höhern OsfiziercorpS herrschenden Sitten und über den esprit 6s eorp» herausfordere, verlangte die öffentliche Meinung ungestüm die sofortige Enthebung des Generals de Cissey von seinem Commando, da ein solcher Mann die Armee entehre und eine Schande für die Fahnr sei. Andere gehen noch weiter und wollen, daß man ihn als Verräther m den An klagezustand versetze. Rochefort, welcher allerdings durch feine Vergangenheit wenig Beruf zum Moral prediger besitzt, schlägt im „Jntransigeant" einen Heidenlärm; seine Ausfälle sind schärfer, als je. „In diesem trostlosen Procrß", so schreibt er, „gab es einen Menschen, einen Schurken, einen Feigling, welcher eine viel ernstere Strafe verdiente, als die vom Gerichtshof verhängten 6 Monate Gefängniß — einen Elenden, der seine Stelle schamlos mißbrauchte, um den Oberstlüutenant Jung zu Mi gen, seine Kinder, deren Obhut ihm die Justiz anvertraute, in den Händen seiner Frau, der Spionin und Ehebrecherin zu lassen. Dieser Mensch, der die rechtmäßige Gatlin eines seiner Untergebenen öffentlich zu seiner Maitresse machte und der diese nichtswürdige Frau in jenen Verfolgungen unterstützte, mrt welchen sie ihren Gatten überhäufte; dieser „Souteneur", der den ehrenwerthen Jung zwingen wollte, seiner Gattin zu gestatten, em Hotel um 350 000 Francs zu kaufen, welche Summe diese Frau nur mit ihrer Schande bezahlen konnte; dieser französische General, der unsere militärischen Geheimnisse einer Landstreicherin auSlieserte und deshalb über Nacht aus seinem Ministerium verjagt werden muß^e; dieser Verräther, der in diesem Proceß zwischen zwei Gen darmen auf der Anklagebank hätte sitzen müssen und der nicht einmal als Z uge vorgeladen wurde, ist der Sieur Courtot de Cissey, einstiger Kriegeminister unter Thiers und Mac Mahon und gegenwärtig Senator, welcher natürlich aus den Bänken der Rechten sitzt, mit den Ve»the>digern des Eigen thums, der Religion und der Familie." — In der „France" sagt der Deputirte Amsdse Le Faure: „Er trägt den weißen Federbusch. Er brsehligt 30000 Mann, welche alle Einzelheiten des ProcesseS lesen. Er hat das Richt, einen Offizier wegen Schul den vor das Ehrengericht zu stellen und seine ganze Carrisre zu vernichten. Er selbst ist straflos. Wir haben 1870 gefehen, wohin dieses System füh>t. Unsere Armee ist gehorsam, aber nur in den niederen Regionen; in den höheren muß man einen Befehl zehn Mal wiederholen, und er bleibt auch dann oft unaus geführt. ...DaS Land schläft inzwischen ruhig ein, indem es sich sagt, nach so vielen freiwillig gebrachten Opfern, nach Einführung der allgemeinen Wehrpflicht, nachdem unabsehbar drängte sich hinter den spalierbildenden Truppen die Menge Kopf an Kopf. Alle Fenster der umliegenden Häuser, alle Dächer waren dicht besetzt. Vom jubelnden Hurrah der Menge empfangen, rückten nach und nach die einzelnen Gruppen der Festtheil nehmer ein und nahmen auf dem weiten Plane Auf stellung. Endlich gegen 10 Uhr Vormittags schmetterten kräftige Trompetensignale, kurze Commandoworte er tönten von Stelle zu Stelle, und das große Ganze fetzte sich in Bewegung. Die drei wichtigsten Momente der Baugeschichte des Domes waren eS, die der histo rische Festzug zur Anschauung zu bringen den Zweck gehabt hatte: die Periode der Grundsteinlegung im Jahre 1248 (zwei Gruppen, angeordnet von den Malern Fritz und Ernst Röber aus Düsseldorf), die Periode deS Weiterbaues bis zur Fertigstellung de- hohen Chores im Jahre 1322 (zwei Gruppen, ange ordnet von den Malern Professor Baur und W. Beck mann aus Düsseldorf), und die Periode des FortbaueS bi» zur Vollendung (eine Gruppe, angeordnet vom Professor Camphausen aus Düsseldorf), Der nach folgenden Schilderung deS prächtigen Schauspiels legen wir einen Bericht der „Köln. Ztg." zu Grunde. Berittene Trompeter eröffnen den Zug. Lange Röcke, zweifarbig, fahlgrün und weiß, rothe Käppchen. Dann kommt der Stadtherold in reicher Tracht, hoch zu Roß, zu seinen Seiten zwei berittene Reisige; ebenso begleitet der Träger des großen Reichsbanners und der deS kleineren Stadtbanners mit den Kronen und Funken. Ihnen folgen 24 reisige Knechte der Stadt, grün und grau mit rochen Capucen unter den kleinen Blechhauben, bewaffnet mit Schilden und Speeren. Nach dieser höchst alterthümlich au»sehenden Gruppe
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