Dresdner Journal : 18.05.1882
- Erscheinungsdatum
- 1882-05-18
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-188205185
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- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
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- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungDresdner Journal
- Jahr1882
- Monat1882-05
- Tag1882-05-18
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- Dresdner Journal : 18.05.1882
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t«rsuchung der in den drei Provinzen herrschenden Ge- sammtzustände bevorsteht. Diese aber brauchen die Ritterschaften so wenig zu scheuen, als die Städte. Ganz unzweifelhast wird sich herausstellen, daß trotz der in mancher Hinsicht veralteten Formen, in denen sich das politische wie dar sociale Leben an der Ostsee bewegt, dieses Leben nach jeder Richtung hin unver- . gleichlich gesünder ist, al- das in irgend einem andern Theile des Reichs, und daß zu einem gewaltsamen Eingreifen der Lentralgewalt um so weniger Veran lassung vorliegt, alS die verantwortlichen Träger der baltischen Selbstverwaltung durchaus bereit sind, die jenigen Aenderungen de- statu« ^uo vorzunehmen, die durch die fortschreitende Entwickelung der Massen bedingt erscheinen. Jedenfalls kommt den Deutschen der Ostseeprovinzen, objectiv genommen, die Thatsache der deutschen Weltcultur mächtig zu Hilfe. Mu ihr muß das moderne Rußland rechnen, es mag wollen oder nicht. Weigert es sich dessen, so verfällt eS den Traditionen der „Goldenen Horde*, wie sie in den „Skobelewjaden* der jüngsten Vergangenheit einen erschreckenden Ausdruck gesunden haben. Daß e- das nicht wollen kann und darf, wenn ihm an seiner europäischen Stellung etwas liegt, ist dem vorgeschrit tenen Theile des Volkes aber durch tue Erfahrungen zum Bewußtsein gekommen, die es seit dem/Januar d. I. hat machen müssen. Auf die Bedeutung der deutschen Wtttcultur also stützen sich die Balten in der schweren Bcdrängniß dieser Lage; aber auch nur daraus allein. Jede concrete Einmischung in ihre Beziehungen zu dem Reiche, dem sie seit 172 Jahren angehören, würden sie als zwecklos und schädlich zu- rückweisen müssen. Namentlich wünschen sie bringend, daß der „deutsche Schulverein* sie mit seiner Pro tection verschonen möge. So stehen tue Dinge bei ihnen noch nicht, daß eine Parallele mit der Lage der Sachsen m Siebenbürgen am Platze wäre. Daß sie von der Böswilligkeit einzelner Personen wie ganzer Parteien in Rußland viel zu leiden haben, ist gewiß; man kann aber nicht sagen, daß diese Böswilligkeit wie in Ungarn mit der Staalsralson identisch ist. Noch immer hält der kaiserliche Wille, dem die Pro vinzen alles Gute verdanken, was ihnen neben vielem Schweren zu Theil geworden ist, das Aergste ab. Das geschichtlich begründete Vertrauen m diesen Willen verpflichtet die baltische Loyalität, nirgends anders Schutz zu suchen, als bei dem Monarchen selbst. Lagcsgeschlchtt. * Berlin, 16. Mai. Trotz der heute herrschenden rauhen Witterung, dem etwas unsanft über das Tem pelhofer Feld wehenden Winde und den mit Hagel körnern vermengten Regenschauern hatte sich Se. Ma jestät der Kaiser nicht abhalten lassen, die Besichtigung über die Gardetruppen der Residenz sortzusetzen, und bald nach H1O Uhr in offenem Wagen mit umge hängtem Mantel, begleitet vom General ä la suite Fürsten Anton Radziwill, das Palais verlassen. — Der Bundesrath, sowie die vereinigten Ausschüsse desselben für das Seewesen und für Rechnungswesen hielten heute Sitzungen. — Nachdem die Tabak- monopolcommission sich gestern nach Schluß der Plenarsitzung constituirt halte, trat sie heute früh 9 Uhr zur ersten ordentlichen Sitzung zusammen. Auf Vor schlag deS Vorsitzenden wurde zunächst in die General- discussion, mit welcher die Discussion über den 8 1 verbunden ist, eingetreten. Zuvor hatte der Abg. v. Lingens (Centrum) zur Geschäftsordnung den Antrag gestellt, baß die Commission die ReichSregieruag um Vorlegung der Geschäftsresultale der Straßburger Ta- bakmanufaclur ersuchen möge. Nachdem die Vertreter der Reichsregierung erklärt hatten, daß diesem Ver langen nur nach zuvorigem Einvernehmen mit der Landesregierung von Elsaß - Lothringen w rde ent sprochen werden können, und nachdem auch vom Abg. Frhrn. v. Hammerstein der Antrag besürwortet war, wurde derselbe mit großer Majorität angenom neu. Zur GeneraldlScussion haben sich eine große Menge Redner gemeldet, so daß, als sich die Commission um 12 Uhr vertagte, noch nicht die Häifte der R dnerliste erschöpft war. Die Commission wird morgen ihre Be- rathungen fortsetzen, und zwar voraussichtlich wieder Vor mittag- 9 Uhr; cb es ihr gelingen wird, wie der Vorsitzende es wünscht, vor Pfingsten fertig zu werden, erscheint zweifelhaft, da durch den HimmelfahrtStag und den Sonntag ohnehin schon zwei Sitzungstage ausfallen müssen. Zum Referenten wurde schon heute der Abg. vr. Barth ernannt. — Die Commission des Reichs tags zur Vorberathung der Gewerbeordnungs- Novelle hielt heute Vormittag ihre dritte Sitzung ab und setzte die Berathung de» Art. 3 fort, welcher hinter den 8 33 der Gewerbeordnung einen neuen 8 33a einfügen w ll. Nach längerer DiScussion be schloß die Commission einstimmig den Absatz 5 d-S 8 33a, welcher lautet: .Wer gewerbsmäßig Musikaussührungen, Sa austrllungrn, thrairalische Vorstellungen oder sonstige Lustdarkeiien, bei denen ein höhere« Jnierefie brr Kann oder Wissenschaft nicht ob waltet, von Hau» zu Hau» oder aus össenilichen Wegen Straße«, Plätzen oder an anderen öffentlichen Orten dar- bieien will, bedars der vorgängigen «trlaudnib der Orts- polijeidehSede' zu einem besonderen 8 33b 2 umzuwandeln, den Ab satz b aber, welcher lautet: .Segen die aus «rund diese? Paragraphen erlassenen Verfügungen findei nur die Beschwerde an dir unmitlrlbar vorgrsetzte Behörd« Stau" zu stretchen vorbehältlich seiner Wiederherstellung in 8 33 b. Wetter wird beschlossen, in 8 40 Abs. 1 der Gewerbeordnung den Rest des 8 33a aufzunehmen und damit für die m 8 40 Abs. 1 der Gcwerbeord- nung bezeichneten Eventualitäten den Recurs nach Maßgabe der 88 20 und 21 der Gewerbeordnung zu c-ewähren. Die ForOetzung der Berathung des 8 33s soll heute Avend erfolgen. — Lie PetitlonScommis st on des Reichstags hielt heule Vormittag wiederum eine Sitzung, erledigte jedoch nur eine Anzahl solcher Petitionen, welche zur Erörterung im Plenum nicht geeignet erachtet wurden. — Die WahlprüfungScom- mission des Reichstags setzte heute Vormittag eben falls ihre Arbeiten fort uno beschäftigte sich mit den Wahlen der Abgg. Stolle (18. sächsischer Wahlkreis Zwickau) und Grillenberger (1. Wahlkreis Mittel- franken — Nürnberg-Altdorf), Beide Socialdemo- kraten. Nach längerer DiScussion wurde beschlossen, beide Wahlaclen nochmals der Abtheilung zu eingehender Prüfung zurückzugeben. — Unter Vorsitz des Slaats- mlmsters a. D. Hobrechl trat heute Mittag >m Bürgersaale des Ralhhauses das Centralcomite der Hyglene- ouSstellung zu einer Sitzung zusammen. Eiwa 180 Comiiemttglieder hatten sich emgefunden, außerdem der Oberdürge, meister v. Forckenbeck, der Generalarzt Or. v. Lauer, General v. Etzel und Vertreter Oesterreich- Ungarns. Staalsmlnlster a. D. Hobrecht begrüßte die Versammlung etwa mit folgenden Worten: .Die« ist gerade die Siunde, in der wir uns heute an anderer Stelle zu einem feierlichen sreudevollcn Acte zu ver sammeln gedachten. Bon Lem Thurme de» Aurstellungshaupt- gebäude« sollten Freudenklänge erschallen beim Herannahen Sr. kaiserl. u. königl. Hoheit deS Kronprinzen, und zur Er öffnung Le» Unternehmens wollte Ihnen der gejchäjt»sührende Ausschuß Rechenschaft darüber abirgen, was seit Jahresfrist von ihm geschaffen worden war. Alles, was wir erstrebten, ist vereitelt. Sie wissen, was uns betroffen hat. Seit jenem Tage der Zerstörung unseres Werkes ist der Ausschuß ununterbrochen versammelt gewesen, wen er ganz gewisse Ausgaben zu ersüllen halte: wir mußten den Umfang des Verlustes scstjustkllen ver suchen und eine Auseinandersetzung mit den Versicherungs gesellschaften bewirken. Allein alle unsere Arbeiten waren ab hängig von der Vorfrage: soll das Unternehmen als beendet ange sehen werden, oder sollen wir unsere Lhäligkeit erneuern/ Hierüber Hal der Ausschuß vonJhncnWeljungen zu erhallen WaS Lie Ver luste anbetrifft, so ist kein Menschenleben verloren gegangen, wo gegen der sachliche Verlust der denkbar größte ist. Wenige Tage später werden zuverlässigere Angaben möglich sein, als heute Der Ausschuß Hal umfänglich versicherl; so viel für heute hierüber. Wie der Ausschuß die Berlune zu fixiren und seine Verpflichtungen abzuwickeln hat, hängt wesentlich von Ihren heutigen Beschlüssen ab Ist Las Unternehmen als ge schlossen anzufehen, so giebt es verschiedene Modalitäten der Abwickelung ohne Schaden, und setzen wir es fort, jo thun wir dies unter ganz neuen Vorauslctzungcn. Wir haben Er fahrungen für Lle ganze Welt gemach«: e« wirs nie wieder für Ausstellungen ern Holzgebäude zu errichten jein. Können wir uns von der Reconstruction eincn guten Ersclg veriprechen? Der seit heute uns vorliegende Kalalog belehrt uns, daß wir überhaupt noch keine größere Ausstellung gehabt haben, als die unjrige gewordcn wäre. Leiber sind Unica verloren, Mo delle und Arbeiten, die Württemberg und Sachsen un« geliesert halten. Es wild lange dauern, bis diese Schätze wieder zu rejchaffen sind. M H.I Als charakteristisch ist hervorzuheben, daß keine einzige Aeußerung dcr Entmuiyigung an uns ge langt ist — die Kaiserin, der Kronprinz, Erzherzog Karl Lud wig, Fürst Bismarck, sie Alle haben uns ermuthigt und ihre Unterstützung uns verheißen. Run, wenn wir daS Werl sort- jetzen lallen, dann werden wir in kurzer Zeit zu einer sichern Basis gelangen. Folgen wir dem «ejetze nationaler Ehre, in dem wir da» Unternehmen nicht fallen lassen. Es wird uns zum Ruhm, allen Landen zum Legen gereichen!' Nach dem Staatsminister Hobrecht bemerkte General arzt Or. Roth, Se. Majestät der König von Sachsen und die Stadt Dresden hätten ihre volle Theilnahme geäußert. Hr. v. Czatary machte Zusagen bezüglich Ungarns, Medi- cmalroth Wasserfuhr solche bezüglich der Retchslande; Geh. Rath Haß verlas ein Schreiben des Hrn. v. d. Kneseb. ck. Hr. v. Forckenveck stellte Lie thatkrättige Mit hilfe Berlins in Aussicht. Hr. Henneberg gab als Mitglied deS Ausschusses M.liheilungen über die Ge- schäfiSlage. Die Ausstellung hatte am Tage des Bran- erwiesene Thatsache, daß sich der Gouverneur von Livland, Baron Uxküll Gyldenband (übrigens ein Halbjude und mit einer Jüdin vcrheirathet) mit dem jung-esthnischen Agitator Jacobson in fortlaufendem, vertraulichem Ber- kchr befunden hat, woraus sich auch die unglaubliche Milde erklärt, welche die Lensurbehörde in Riga den Preßerzeug- niffenJacobson'» gegenüber entwickelte, obschon die „Sa kata* und noch mehr der von einem gewissen Tönmsson herausgrgrbene esthnische „ Bolkskalender * ungescheut zur Vernichtung der Deutschen aufgrfordert hatten. Weit schlimmer noch ist freilich, daß, wie sich au» dem Nachlasse Jacobson'» ergeben haben soll, an unmittel baren Beziehungen desselben zu einer gewissen St. Petersburger Persönlichkeit, die wir nicht näher zu be zeichnen brauchen, kaum gezweifelt werden kann. Der „Sakala* schemt au» den Mitteln de» Ministerium» de» Innern eine direkte Unterstützung von 7000 Ru beln gezahlt worden zu sein, während die deutsch- fresserische, übrigen» deutschzeschrlkbene „Heimath* (m Reval) 2000 Rubel erhalten hat und einem lettischen Hetzblatt« in Riga eine ähnliche Summe zugefloffen ist. Einer nähern Beleuchtung bedars dieses Verfahren de» großen Nchilistentödters nicht, der übrigen» schon gleich nach seinem Eintritt m» Amt eine Probe seine» „Können»* auf diesem Gebiete abgelegt hat. Eine seiner ersten Handlungen war eS bekanntlich, daß er den Empfang jener berüchtigten „Esthendeputation* beim Kaiserpaar in Gatschina vermittelte, der auch Jacobson angehörte und die später deSavouirt werden mußte, well sich herausstellte, daß sie gar kein Man dat besessen. Der eigentliche Zweck, den die Männer der „Nationalpartei* im Verein mit dem Minister dabei verfolgten, war in einer allerdings nicht in die Hände des Kaiser- gelangten Adresse dargelegt, d«e in den sogenannten „9 Punkten* ein vollständiges Pro gramm der tabula rasa für die Ostseeprovinzen auf stellte und dafür den reichen Beifall der russischen Presse erntete. Die osficielle Form für die Durch führung diese- Programms glaubte der Minister dann später in der im September 1881 anbefohlenen Ein führung der russischen Landschaft-Verfassung (semstvo) in den Ostseeprovinzen gefunden zu Haden. Ueber den Erfolg diese- Experiment-, welche- die baltischen Ritterschaften gegenwärtig stark beschäftigt, läßt sich natürlich zur Zeit noch nicht- sagen. Indessen hat eS doch den Anschein, al- hätten die „nationalen* Agitatoren und ihre Hintermänner die Abneigung der Letten und Eschen gegen da- deutsche Element in ihrer praktischen Tragweite überschätzt. So viel wenigsten» »st ausgemacht, daß die Masse der (heute schon sehr zahlreichen) bäuerlichen Grundelgenthümer wie der Pächter keine Neigung zeigt, von Worten zu Thalen überzugehen. Eher kann man sagen, daß sich ein ent gegengesetzter Proceß vorbereitet, d. h. daß die Bauern sich der Solidarität ihrer Interessen mit denen der Herren bewußt zu werden anfangen: ein Stand der Dinge übrigen-, der sich au- der sehr günstigen wilth- schaftlichen Lage dieser Klaffe ohne Mühe erklärt. Während der bäuerliche Wohlstand im Innern de- Reicher seit den letzten 20 Jahren im Großen und Ganzen stark zurückgegangen ist, hat er in den Ostsee- provlnzen erstaunlich zugenommen. Der gesunde Men schenverstand der Bauern erkennt, daß dieser Aufschwung wesentlich dem guten Willen der Herren zu verdanken ist, und hegt deshalb kein Verlangen nach radikaler Umgestaltung der bestehenden Zustände, deren Vorzüge «hm klar sind, während er sich von den Herrlichkeiten der russischen LandschastSversassung kein rechte- Bild zu machen im Stande ist. In den Städten, wo sich ein starke» „nationale-* Proletariat angehäuft hat, steht es allerdings weniger günstig. Doch hat sich in Riga bei den letzten Stadtverordnetenwahlen da- Un erhörte begeben, daß ein nicht geringer Theil der Let ten mit den Russen vereint für die allerdings ausge zeichnete deutsche Verwaltung und gegen die „Natio nalen* Partei genommen und so denselben auch m der dritten Klasse eine Niederlage bereitet hat. In Reval ist die Esthenpartei in der dritten Klasse zwar siegreich gewesen; eine praktische Bedeutung hat dieser „Erfolg* aber nicht, da die Zusammensetzung de» Stadtverordnetencolleglum- im Großen und Ganzen nicht beeinfluß! wird, und ähnlich sieht eS in den übrigen Städten auS; von einem Erlahmen der deut schen Widerstandsfähigkeit ist der Sache nach jedenfalls nicht- zu bemerken. Was die bevorstehende Senato renrevision betrifft, so scheint die Wahl des revidiren- den Senators (Manassein), wie die lange Frist, welche ihm gestellt ist (man spricht von anderthalb Jahr), darauf hinzudeuten, daß es sich nicht um „Ten denz* handelt, sondern daß eine ernst gemeinte Un- chenS und die lindernde Thräne stellte sich ein. Sie vergaß bald die erlittene Unbill, nicht aber ihren armen alten Vater, der seit de- Bergrath- Ankunft still im Hause umherschlich und dem sie den neuen Aerger nicht ersparen konnte. „Sie weinenl* sagte plötzlich eine tiefe aber sanfte und freundliche Stimme hinter ihr. Erschrocken sprang da- Mädchen auf — der Berg rath stand vor ihr. Sie sah ihn da- erste Mal in der Nähe. War er da- wirklich, der strenge, der harte Mann, von dem ihr Vater gesagt, er habe ein Herz wie von Kieselstein? War da- da- eiserne Geftcht, da- durchbohrende Auge, vor dem der Vater gezittert hatte? O, wie ander- hatte sie sich den vorgestellt, der jetzt vor ihr stand und einen sanften Blick, der innige Theilnahme verrieth, auf sie heftete. „Sie sind Meta Klau-*, fuhr der Bergrath fort, indem er ihre Hand ergriff und sie mit leisem Druck neben sich auf die Bank zog, „Sie sind die Tochter meine» braven Siede meister-, der jedem Beamten zum Muster dienen kann, von dem ich erst gelernt habe, wa» Nächstenliebe zu bedeuten hat * „Ja,* hauchte Meta, der da» Herz vor Freude pochte, al» sie de» Vater» Lob au» solchem Munde hörte. „Ich kenne den Grund Ihrer Trauer,* sagte der Bergrath weitrr, „Sie weinen darüber, daß Ihre Güte mit dem schnödesten Undank belohnt worden ist, ich habe Alles gehört, ich stand im Hausflur und war unfreiwilliger Zeuge. Doch seien Sie unbesorgt, e» sollen die letzten Thränen gewesen sein, die Sie ge- weint haben. Der Unwürdige betritt die Grube nie mals wieder!* „Um Gottes Willen, Herr Bergrath, die große Familie!* „Ist schlimm genug, Fräulein Meta, wenn Jemand, der für Andere zu sorgen hat, sein Glück mit Füßen tritt und sein Brod zum Fenster hinaurwttst. Doch seien Sie ohne Sorge, er ist vorläufig nicht ohne Mittel, und da- Uebrige wird sich finden.* „Ach,* sagte Meta, „da- ist ein neuer Schlag für meinen armen Vater, den nicht- so sehr kränki als Undank — — * „Ein neuer Schlag? Ich verstehe Sie, doch —* „Nein, nem,* unterbrach Meta, der da- Blut in die Wangen trieb, „«ch meine nur — mein Vater hat in den letzten Jahren so viel Kummer gehabt * „Ich weiß, Sie haben Ihre Mutter verloren, Sie haben in mir einen Leidensgefährten!' „Auch Sie, Herr Bergrath?* „Ach, noch mehr als DaS! Mir hat der unselige Krieg Alle- geraubt! Ich hatte Vater und Mutter und zwei Brüder. Meine Brüder ruhen auf dem Schlacht felde, ,ch weiß nicht einmal wo, und als ich in die Heimath zurückkam, zwei grüne Hügel waren Alle-, waS ich fand. Aber,* fuhr der Bergrath nach einer Pause fort, „Gott hat e» so gewollt, ich murre nicht gegen wein Geschick!* „So stehen Sie ganz allein?' sagte Meta, „Sie haben Niemand mehr?' „Doch*, sagte der Bergrath, „ich habe einen treuen Genossen, da» ist die Arbeit und die Pflicht, der ich mein ganze» Leden ergeben habe. Ich weiß, ich bin Hari und unbeugsam geworden im Unglück, aber glau ben Sie mir, die Schale ist rauher al» der Kern I Doch brechen wir ab, ich habe Sie noch au» einem ander« Grunde ausgesucht. Ich habe mit Staunen gehört, welche Aufopferung Sie uno Ihre Freundin Anna Frank bewiesen haben, al- die Krankheit herrschte. Sie haben weit mehr als Menschenpflicht gethan, viel leicht ersetzt Ihnen meine Anerkennung die vorige trübe Stunde. Leven Sie wohl, Fräulein Mcta!* Der Bergrath hatte sich erhoben und reichte dem Mädchen die Hand zum Ab chied. Und al» sie Beide so voreinander standen und Meta ihm in unbeschreib licher Verwirrung m das Auge sah, da war eS über sie gekommen wie au- lichten Himmelshöhen, da hatte sie Alles um sich her, Alle- was bisher geschehen, selbst ihren Vater vergessen, da sühlie sie, wie Jubel, Wonne und Schmerz, wie Trauer und Seligkeit in ihrem Herzen Weltftrett hielten. Er war längst hinter den Büschen verschwunden, träumend sah sie in die Ferne, träumend wandte sie sich endlich zum Gehen. Und al- sie nach Hause kam, wie anders sah Alles auS, wie glänzte das kleine Haus, das kleine Zimmer, wre dre Landschaft vor ihr im himmlischen Schimmer, kaum daß sie Anna gewahrte, die ihr mit einem festen fragenden Blick in- Auge sah. Aber Meta konnte den Blick nicht ertragen, und in dem Augenblicke, al» sie sich abwendete, entstand draußen vor dem Hause ein Geräusch. Der Steiger Lorenz und seine weinende Frau, Beide vor einen Hanc wagen gespannt, auf wel chen ihre wenigen Habseligkeiten aufg packt waren, gefolgt von den fünf noch elenden Kindern, die in dem tiefen Sande den Wagen fortschieben halfen, zogen vorüber nach der Stadt. Entsetzt wendete sich Meta ab, aber e» war ihr nicht erspart, zu sehen, daß Lorenz sich nach dem Hause nandte und eia Blitz glühenden Hasse» sie traf. „Um Gotte» willen, Wa de» ein Pluk von 11000M. Zum neuen Garantie fond sind bereit» 114 000 M. gezeichnet. Staal-minister Hobrecht bemerkte noch, ein Termin für die Eröffnung der neuen Ausstellung würde nicht schon heute anzu- geben sein. Da» Lentralcomitä beschloß hierauf ein stimmig die Reconstruction de» Unternehmen». Bretlau, 15. Mai. Au» dem oberschlesischen Jndustriebezirke berichtet man der „Schles. Ztg.* über einen groben Excrß Folgende»: Der bei dem Grafen Guido Henckel v. DonnerSmarck auf Neudeck bedienstete Heger (Waldbeläuser) Foitzik wurde von mehreren Bergarbeitern aus Neurepten und Segeth, die er in dem ihm zur Beaufsichtigung anvertrauten Reviere bei einem Branntweingelage überraschte, in dem Augenblicke angefallen und arg gemißhandelt, al» er an die Arbeiter die Aufforderung ergehen lieh, den Wald zu verlassen. Die auf dem Erdboden lagernden, bereit» geleerten Branntweinflaschen ergreifend, schlugen die Arbeiter auf den genannten Heger lo» und brachten ihm am ganzen Körper, besonders aber am Kopfe, welcher sieben ziemlich bedeutende Löcher zeigt, Ver letzungen bei. Fo.tzik war bei der Kaiastrophe wehrlos, da ihm gleich bei dem ersten, unvermutheten Angriff da- Gewehr von der Schulter heruntergefallen und letzteres alsdann sofort von einem der Excedenten weg genommen, bez. gestohlen Worten ist; denn der Ver bleib des Gewehre» ist bis heute noch unermittelt ge blieben. Die Thäter sind über den Vorfall polizeilich vernommen und sehen nun ihrer wohlverdienten Strafe entgegen. Leider sind Fälle von gröblicher Aufleh nung gegen Beamte in letzter Zeit wiederholt con» statirt worden, und ist in der Regel der übermäßige Branntwelngenuß als die Ursache derartiger Ex- cesse zu betrachten. ES ist tref zu beklagen, daß all täglich, be onderS aber an Sonn-, Fest- und den Löh nungstagen der Bergarbeiter auf den öffentlichen Straßen und Plätzen obersch'.esijcher Ortschaften Trun kenbolde (darunter auch Frauen) zu sehen sind, welche jeder Menschenwürde beraubt, gleich wilden Bestien sich geberden und in diesem Zustande die öffentliche Sicherheit gefährden. Solch« Entartungen und Ausschreitungen müssen nothwendig den zuständi gen Behörden die Pflicht auferlegen, auf «lne möglichst denkbare Verminderung der m Oberschlesien entschieden wett über das Bedürfniß hinausgehenden Branntwein- verkaufSstellen hlnzuwlrken. Dazu aber kommt noch die Thatsache, daß sich in vielen oberschlesischen Ort schaften die Scheukwirthschasten fast ausschließlich m Händen von Perscnen befinden, die, zumeist von un begrenzter, gewissenloser Gewinnsucht geleitet, nicht- unversucht lassen, um dem unverständigen Arbeiter noch den letzten sä,wer verdienten ArbettSgroschen au- der Tasche zu locken. Diese Erscheinung ist die allerbedenk- lichste, und daS Treiben dieser (saft durchweg jüdischen) Schenkwirthe m Ausübung ihre- Gewerbe- muß al» ein wesentliche- Hinderniß aller noch so eifrigen Be strebungen zur sittlichen und moralischen Hebung dcr oberschlesischen, in der That arg verwahrlosten Arbeiter- bevölkerung «etrachtet werden. * Darmstadt, 16. Mai. Der Großherzog und die Prinzessin Victoria sind auS England über Pari» hierher zurückgekehrt. * Buda-Pest, 16. Mai. Ihre Majestäten der Kaiser und die Kaiserin reisten heute Vormittag sammt Gefolge mittelst Exlrahofzuge» nach Wien. — Im Abgeordnetenhaus e begaun gestern die Debatte über den PacificanonScredit, welche von der Un- abhängigkettrpartei zu einem Sturmlauf gegen die OccupationSpolitik und da- Ministerium Ti»za benützt werden soll. Man sprach über Alle», nur nicht über den eigentlichen Gegenstand der Tagesordnung. Na mentlich zog Polit, der dies Mal mit der Opposition gemeinsame Sache macht, Fragen in den Bereich der Discussion, die mit der Vorlage absolut nicht» zu thun haben; er fand, die Occupation sei das Weck österreichischer, Ungarn feindlicher Politik; diese Politik führe zum Kriege mit Rußland; die occupirten Pro vinzen müßten auf jeden Fall geräumt und an Ser bien und Montenegro vertheilt werden. Polit führte ^ann aber auch noch Beschwerde über dre Ernennung de- Karlowitzer Patriarchen und die m der Pießburger Akademie erfolgte Relegirung slowakischer Studenten: zum Schluffe versicherte er die Magyaren, daß sie aus jeden Fall zu Grunde gehen müssen. Diese Rede veranlaßte den Ministerpräsidenten v. TiSza zu einer schneidigen Widerlegung. Ec betonte dabei mit vollem Nachdruck, wie die Occupation gerade im besondern ungarischen Interesse nothwendig gewesen sei. Der Ministerpräsident v. Tisza kann, wie er die» schon 1877 nicht gelhan, auch jetzt nicht den Krieg mit Rutz. ist denn da-,* rief Anna. Meta fiel ihr schluchzend in die Arme und erzählte ihr Alle-, wa» geschehen, nur ein- — verschwieg sie ihr. Vergeben- suchte Anna zu trösten, vergeben» bat sie die Freundin, mit nach dem Factorhause zu kom men, wo Karl Rahn und Wilhelm Arndt zum Be- suche eingetroffen seien. Abwehrend streckte sie die Hand au-, eS war fast, al» ob ein Schauer durch ihren Körper flog. Anna mußte ohne sie nach Hause zurückkehren. Meta war allein, der Vater hatte Nachtdienst i« Siedehause, da- Herz war ihr jo eng, so eng, sie mußte in- Frere. Sce hüllte sich in ein Tuch und setzte sich aus die Bank vor dem Hause. Wie ruhig und still lag die Landschaft da, kein Baum, kein Grashalm bewegte sich, über der Stadt schwebte die Sichel de» Monde», Frieden ringsum! Wo war ihres Herzen- Frieden geblieben? Da hörte sie einen rigenthümlichen Tritt. Sie kannte diesen Ton, eS war Wilhelm Arndt, der vom Hause deS Rendanten auf sie zukam. „Wir wollten Sie bitten, Fräulein Meta, mit zu unS herüber zu kommen, Sie sind so allein * „Heut' nicht, Herr Arndt,* entgegnete Meta, „ich paffe heut' in keine fröhliche Gesellschaft ' „Doch, doch, St« sollen nicht traurig sein, Sie sollen wissen, daß Sie unS überall fehlen, und daß mir besonders Alle» fehlt, wenn Sie nicht da find!' (Fortsetzung folgt.) Astronomie. Am 17. Mai konnte man in Dres den bei Sonnenaufgang au» der bleichen Sonnenscheibe den großen Dunstgehatt dcr atmosphärische» Luft er-
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