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Dresdner Journal : 09.11.1882
- Erscheinungsdatum
- 1882-11-09
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-188211091
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18821109
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18821109
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungDresdner Journal
- Jahr1882
- Monat1882-11
- Tag1882-11-09
- Monat1882-11
- Jahr1882
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- Dresdner Journal : 09.11.1882
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1.M bury bri der Nachricht von der Einigung der deutschen Mächte m Bezug auf den Orient auebrach, gtwinnt j:tzt eme etwa» zweischneidige Bedeutung. Der öster reichisch. ungarischen Schildwache am Ba lan hat sich eine russische Sch.ldwache gegenübergestellt, und wäh rend beide sich drohend anblicken, führt ein Dritter die Braut heim. Großbritannien begrüßte in dem Auf ziehen der österreichischen Wache am Balkan nicht so wohl einen Verbündeten, an dessen Seite eS treulich ausharren und streiten würde, als vielmehr einen Er satzmann, nach dessen Erscheinen die englische Wach mannschaft Sehrt macht und zu einem reichlichen Schmaus« an anderer Stelle abmarschirt. Die Balkan- Halbinsel ist jetzt in dem Zustande, wie ihn England wünscht und braucht; sie ist keine Straße nach dem Orient, sondern eine mächtige Barricade, hinter welcher Groß britannien ruhig und sicher seine weiten orientalischen Ziele verfolgt. In Konstantinopel ist gut vorgesorgt, jetzt liegt der Schwerpunkt in Kairo. DaS könnte die Bedeutung de- Uederzuge» de- Lord- Dufferin von den Türken zu den Arabern sein.* Die Absichten England- mögen vielleicht dem In halte de- Artikel- der Hauptsache nach entfprechen; allein e» wird bekanntlich nicht- so heiß gegessen, wie e» gekocht wird. England stehen, wenn eS derartige Pläne verfolgen sollte, doch noch erhebliche Hindernisse entgegen. Vor Allem bedürfte eS der Herstellung con» solidirter Zustände in Aegypten selbst, ohne welche alle derartigen Projecte doch nur Hirngespinnste blei ben. England hat zwar Arabi Bey besiegt, aber eS hat auch die Autorität de- Khedive und damit jegliche Autorität zu Grunde gerichtet. In dieser Beziehung bemerkt der Eorrespondent der „Time-* in Kairo: .Unsere bewaffnete Intervention in Aegypten hat kaum mehr dazu beigetragen, Arabi'- Macht zu zer stören, al- unsere diplomatische Intervention dazu ver half, die Autorität de- Khedive zu vernichten. DicS erkennt man hier in folchem Maße, daß eS wahr scheinlich keinen Nichtengländer in Aegypten giebt, der un- zutraut, daß wir auf irgend envaS Besseres hin arbeiten. Man ist freundlich genug, unserer Diplo matie das Lob macchiavelllstischer Pfiffigkeit zu machen. Wir hätten die Selbstregierung in Aegypien dadurch unmöglich gemacht, daß wer die beiden existirenden Autoritäten vernichtet haben. ES braucht einen Eng länder, um zu glauben, daß dies wirklich nur das Resultat eines „bluucksr" und nicht einer bestimmten Absicht sei. Noch vor 14 Tagen glaubte ich, daß nur eine zeitweilige Occupation erforderlich sei, aber Arabi'S Proceß wird mindestens 2 Monate währen, und wenn wir nicht vorzubeugen vermögen, werden wir nach demselben nur die einzige Autorität im Lande sein, die Ordnung zu halten im Stande wäre.* In einem spätern Telegramm heißt es weiter: „Leider verläßt un» der größere Theil der Armee, noch ehe die Hauptaufgabe derEampagne in Angriff genommen ist. Im ganzen Innern de» Lande-, mit Ausnahme der Hauptbahnliuien, ist die Unsicherheit ebenso groß, al- vor dem Kriege.* England hat, wie man aus diesen Ausführungen sieht, noch außerordentliche un mittelbare Schwierigkeiten in Aegypien zu überwinden, ehe eS an ernstere, weiterblickende Unternehmungen denken kann, wobei wir etwaige feiten europäischer Mächte sich ihm entgegenstellende Hindernisse noch gar nicht in Betracht ziehen. Möglich aber, daß England auf seinem Wege nicht bloS den Einspruch Frankreichs, sondern auch den Rußlands erfahren wird. Von russischer Seite soll man sich angeblich neuerdings wieder lebhaft in Paris bemühen, um Frankreich zu gemeinsamer Action gegen England zu veranlassen. Lagesgeschichtb. * Berlin, 7. November. Se. Majestät der Kaiser ist heute Abend 7 Uhr 53 Minuten auf dem Potsdamer Bahnhöfe von den Jagden in Wernigerode hier wieder eingetroffen. Ohne jede Unterstützung trat der Kaiser au» dem Salonwagen auf den Perron. Mit raschen Schritten begab sich der Kaiser, der wohl auS- sah, zu seiner geschloffenen Stadtrquipage und fuhr mittelst derselben dann inS PalaiS. — Die „Germa- nm* bringt folgende M.ttheilung: Es wird uns von glaubwürdiger Seite bestätigt, daß auch da- deutsche auswärtige Amt der italienischen Regierung Vorstellungen über die Einmischung italienischer Ge richte in die Angelegenheit der durch da» Garantiegesetz für exterritorial erklärten Residenz deS Papstes gemacht hat. Bekanntlich hatte der LardinalstaatS- secrelär in dieser Sache eine diplomatische Note an die Mächte gerichtet. — Anläßlich der ZeitungS führenden Schluchtwege, auf dessen Fels Umgebung Tell seiner wartet, zu Fuß, man nahm eben an, daß er vom Pferde gestiegen und damit war man zufrieden. Jetzt erscheint Geßler daher sprengend auf einem edeln, an den Hufen mit Gummi beschuhten Hengst, das Geschoß Tell'S trifft den Reiter, vor die Füße de» Pferde- stürzt sich Armgard und Geßler sinkt wirklich vom Pferde. Die Aufmerksamkeit deS Zuhörer» und Zu- schauer- ist nun natürlich ausschließlich daraus ge richtet, ob Alle- gut gelingt, da» Pferd nicht scheu wird, der vom Pferde fallende Geßler keinen Schaden nimmt rc. Diese falsche Richtung, die äußere Bühnen- täufchung der innern gleichstellen zu wollen, werde noch eine Zeit lang fortdauern, aber ein Umschlag wird über kurz oder lang kommen, wir werden wieder zu dem Princip zurückkehren müssen, daß die äußere Bühnentäuschung nur andeuten, daß sie sich untcr- ordnen soll, damit Dichter und Schauspieler sich frei und glänzend entfalten können. Wir müssen auch in dieser Kunst trachten, zu dem Einfachern in der äußern Form zurückzukehren, um dem geistigen Inhalt durch Vertrefung derselben mehr gerecht zu werden. Eine solche Umgestaltung unsere- BühnenwesenS würde, wie Redner näher au-sührte, praktisch und materiell große Folgen haben, immerhin manche Interessen benachthei- ligen, aber der echten Dicht- und Schauspielkunst zum Bortheil gereichen, insofern sie die Schaffung eine- guten Theater» auch mittleren und Keiren Städten erleichterte, würde un» mit der Zeit ein VolkStheater geben. Man sage vielleicht, leicht läßt sich bauen in Worten und Gedanken, aber wenn diese Worte und Gedanken bei Anderen Ankang finden, neue und bessere Vorschläge Hervorrufe«, werde vielleicht dereinst D< -, Nachrichten über eine Reise de» Staat-minister» v. Putt- kamer nach Varzin, um den Inhalt der Thronrede mit dem Fürsten Bi-marck zu besprechen, vernimmt die „N. Pr. Ztg.*, daß bi» jetzt eia Termin dazu gar nicht in Aussicht genommen war. Ob die Reffe zu solchem Zwecke überhaupt noch nöthig ist, entzieht sich unserer Beurtheilung ebenso, wie der der anderen Preßorgane. — Wie die „Köln. Ztg.* hört, wäre die Regierung vor den Wahlen über Inhalt und Umfang der dem Landtage zu unterbreitenden Vorlagen nicht schlüssig gewesen, und hätte e- damals in der Absicht gelegen, den Arbeitsstoff für den Landtag thunlichst auf das Nothwendigste zu beschränken. Wie es scheint, ist man jetzt davon zarückgekommen nnd eS stehen namentlich au» dem Ministerium de» Innern und dem der öffentlichen Arbeiten umfangreichere Vor lagen zu erwarten. — In der gestern stattgehabten Versammlung deS ReichSverelnS in Bremerr sprach sich der Reich-tag-abgeordnete H. H. Meier über die Frage de» Zollanschlusses Bremens aus. Der Anschluß Bremens an den Zollverein scheint ihm außer Frage zu stehen, und kann auch, nach seiner Ansicht, kein Bremer gegen den Anschluß sein, da Bremen nach wie vor die Möglichkeit gelaffen werde, seinen Handel fortzuführen und weiter auszudehnen. In Beziehung auf die Wahrscheinlichkeit des Zollan schlusse» berief sich der Redner insbesondere auf die im Beisein de» Fürsten Reichskanzler» erfolgten Au»- laffungen deS FinanzministerS Bitter im Reichstage. Flnanzminister Bitter bemerkte u. A.: „Die Verhand lungen mit Bremen sind übrigens eingeleitet, die Eommissare sind ernannt, und ich glaube, daß in nicht zu langer Zeit die Verhältnisse mit Bremen ihre Regelung finden werden, und zwar in derselben ent gegenkommenden und wohlwollenden Weise, in der sie, wie ich glaube aussprechen zu können, Hamburg gegen über geführt worden sind.* — Wie bereits erwähnt, hat der Unterrichtsminister am 27. v. M. eine allgemeine Verfügung an die Provinzialschulcollegien und Regierungen gerichtet, in weicher er diesen Be hörden die Sorge für die leibliche Entwickelung der Jugend und die Erhaltung der Geistes- und Ge- müthsfnsche aufs Wärmste an» Herz legt. E» wird namentlich die Pflege der Turnspiele empfohlen und ihre Bedeutung unter stetem Hinweise auf die vor handene Literatur in ausführlicher Weise dargethan, ferner die Wichtigkeit der gemeinschaftlichen Spazier gänge, Ausflüge und Turnsahrten, des Schwimmens und Schlittschuhlaufens betont. Die Schlußworte des ministeriellen Schreibens lauten: „Leider ist die Ein sicht noch nicht allgemein geworden, daß mit der leib lichen Ertüchtigung und Erfrischung auch die Kraft und Freudigkeit zu geistiger Arbeit wächst. Manche Klage wegen Uebelbürdung und Ueberanstrengung der Jugend würde nicht laut werden, wenn diese Wahr heit mehr erlebt und erfahren würde. Darum müsfen Schule und Hau» und wer immer an der Jugend bildung mitzuarbeiten Beruf und Pflicht hat, Raum schaffen und Raum lassen für jene Uebungcn, in welchen Körper und Geist Kräftigung und Erholung finden. Der Gewinn davon kommt nicht der Jugend allein zu Gute, sondern unserm ganzen Volk und Vaterland.* — Wie die „Metz.-Ztg.* vernimmt, ist der General- staböoffizier der 30. Division, Hauptmann v. Hage- now, nunmehr von seinem Eommando nach Aegypten entbunden und steht seine Rückkehr nach Metz in aller nächster Zeit zu erwarten. * Karlsruhe, 7. November. Gestern Nachmittag ist der greise Erzbischof Orbin von Freiburg hier eingetroffen und wurde heute von dem Großherzog in Audienz empfangen. Die Wlederbesetzung deS erz bischöflichen Stuhls in Freiburg fand bekanntlich während der Stellvertretung deS Großherzog- durch den Erbgroßherzog Statt. Zu Ehren deS Erzbischofs wird heute Abend im großherzog!. Schlosse Galatafel abgehalten. * Wien, 7. November. Se. kaiserl. Hoheit der Großfürst Wladimir von Rußland ist heute Vor mittag aus Grein in Wien eingetroffen. — Die kürz lich erfolgte und nunmehr auch durch die Statlhalterei bestätigte Auflösung de» Vereins der Schuhmacher gewerkschaft hat in den letzten Tagen zu Arbeiter- demonstrationen Veranlassung gegeben. Während der gestrigen Arbeiterdemonstrationen am Neubau wurden im Ganzen 17 Individuen, die meisten wegen Renitenz gegen die behördlichen Organe, arretirt. Bei der Vornahme einer Arntnung in der Burggasse, kurz vor 10 Uhr Abends, kam eS zu einem ziemlich ernsten Zusammenstöße zwischen der Wache und dem Publicum. Ein Theil der Volksmenge, welche der waS der richtige Kern sei, durch Andere zur That werden. Wandlungen. Novelle von F. L. Reimar. (Fortsetzung.) Anna war bebend in die dunkelste Ecke deS Zim mers zurückgewichen; sie hielt den Athem an, damit das Geräusch desselben nicht beitrüge, ihn zu wecken; sie zürnte ihrer Angst, weil diese eS ihr unmöglich machte, auch das Klopsen ihres Herzen- zu bändigen. — Die Gefahr ging indessen vorüber — Philipp'- Haupt sank aufs Neue schwer nieder; er schlief so fest wie vorher. Mit unhörbarem Schritten trat sie wie der an seine Seite. „Wo ist das Testament, Philipp? Ich muß es wissen I* „Mußt Du?* lallte er. „Nun ja, Du bist mein Freund, Karl, Du wirst e» nicht verrathen, daß eS in meinem Pulte liegt — dort im Ecksach — vorhin noch * er verstummte. Anna'S Augen flogen nach dem Pulte ihre» Bru ders und ein „gottlob!* stahl sich leise über ihre Lip pen. Philipp'- „vorhin noch* hatte vielleicht bedeutet, daß er vor einer Weile selbst unter seinen Papieren gekramt habe, wenigsten- steckte der Schlüssel! ES wandelte sie kein Zweifel, nicht einmal eine Ueberlegung an — sie dachte auch nickt an Da-, waS sie wa^te, al» sie jetzt an da» Pult trat, al» sie mit hastiger Hand Etwa» berührte, Etwa» sortschob, wo» sie al» de» Bruder- EigeuLhum zu betrachten hatte, wert mehrfach wiederholten Aufforderung, sich zu entfernen, keine Folge leistete, wurden in die Burggasfe gedrängt. Al» nun 2 Wachmänner rrnen Hauptfchrerer arretlren wollten, wurden sie von dem Pöbel atlakirt und mit Steinen beworfen. Die Wachmänner, die sofort Assi- stenz erhielten, sahen sich gezwungen, vom Leder zu ziehen, woraus die Menge au-einanderstod. — Erne gestern Nacht von etwa 400 Personen besuchte Ver sammlung deS Gewerbeverein« der Schneider Wiens wurde tumultuarffcher Vorgänge wegen von dem an wesenden Regierungsvertreter aufgelöst. Prag, 7. November. (N. fr. Pr.) Die Era- walle gegen deutsche Louleurstudenten nehmen mit jedem Tage zu. Gestern wurde ein deutscher Student in der StesanSgaffe von emem nach Hun derten zählenden Pöbel ohne jeglichen Grund verfolgt und erhielt von einem fanatischen Tschechen einen Schlag auf den Kopf, wobei dem Studenten die Mütze zur Erde fiel. Heute NachtS wurde der deutsche Hörer der Philosophie Wolf von Tschechen angegriffen und hierbei am Kopse durch einen H':b mit dem Stocke so verletzt, daß er betäubt wurde. Ein Tscheche wurde verhaftet. — Die Mitglieder deS GeheimdundeS, welche am Sonntag in dem Gasthause gegenüber dem Statthalterkigebäude verhaftet worden sind, wurden heute dem Strafgerichte eingeliefert, da die vorgenom menen Hausdurchsuchungen auf socialdemokratffche Um triebe der Verhafteten schließen lassen. — Im schwarzrothgotd drapirten Sofiensaale fand heute Abcnd» der EröffnungScommer» der deut- schen Lefe- und Redehalle Statt, welchem nebst den Rectoren der deutschen Universität und der deut schen polytechnischen Hochschule, den Professoren Hering und Gintl, die meisten Professoren beider Hochschulen beiwohnten. Die deutsche Studentenschaft war nahezu vollzählig vertreten, die Galerien von eleganten Da men dicht besitzt. Stürmischen Beifall fand, wie man der „Reichend. Ztg.* meldet, die von echtem deutschen Geiste getragene Rede deS keotvr magniLen« Pro fessor Hering, welcher alle Angehörigen der deutschen Universität m kräftigen Worten ermahnte, nicht bto» Deutsche zu sein, sondern auch Deutsche zu bleiben. Die Sprache allein mache e» nicht au»; waS unS vor Allem zu Deutschen macht, da» ist der deutsche Eha- , ratter. WaS deutscher Geist gegründet, da» bleibe auch unser. Sehr lebhast acctamirt wurde auch der Appell deS ObmauneS der deutschen Studentenliedertafel, mög lichst zahlreich dem deutschen Schulvereine belzutreten. Paris, 6. November. Heute Nachmittag trat der Budgetausschuß der Deputirtenkammer zum ersten Male wieder seit den Ferieu im PalaiS- Bourbon zusammen, um vom Flnanzminister Tirard die nöthigen Eiläuterungen zu seiner Budgetvorlage entgegenzunehmen. Außer den Ausschußmitgliedern waren noch zahlreiche andere Abgeordnete m den Gängen deS Hause» erschienen und tauschten die im Verkehr mit den Wählern gewonnenen Eindrücke au». Nach vielen übereinstimmenden Mittheilungen scheint e», als ob man im Lande nur ungern eine neue, viel leicht wieder lange und schwierige Ministerkrisi» sähe, und daß man mit Rücksicht auf die Geschäfte, die unter einer solchen Krisis sehr zu leiden pflegen, vorziehen würde, dar Ministerium Duclerc am Ruder zu lassen, wenn dasselbe die nothwendigsten Reformen verbürgte. Was die Budgetfrage betrifft, fo zeigt man sich in den Deputirtenkreisen der Idee, da» Deficit durch die Aus gabe von SchatzbonS auSzugleichen, entschieden abhold, da man in diesem Auskunftsmittel nur eine verkappte An leihe erblickt. Die Freunoe de»Minister»Tirardvelsichern aber, derselbe habe niemals diese» ihm allgemein zu geschriebene Projekt gehegt, und die gleiche Erklärung giebt auch der Minister selbst ab, sobald er vor der Budgetcommission erscheint. Seine Vorschläge zur Deckung der 250 Millionen Frc»., welche die OrleanSbahn dem Staat zahlen sollte und aus welche nach dem Verzichte auf den Vertrag mit dieser Gesellschaft nicht mehr zu rechnen ist, sind ganz andere. Zunächst hat Tirard bei der Prüfung de» Budget» seine» Vorgänger» gefunden, daß im laufenden Jahre ca. 150 Millionen Credite im Krieg»- und im Bautenministerium der schlechten Witterung und anderer Umstände halber nichts zur Verwendung gelangt und daher disponibel geblieben sind. Es mußten also nur noch 100 Millionen ge funden werden. Em großer Theil dieses Betrages wird im Laufe dieses und des nächsten JahreS an Rückzahlungen empfangener ZinSgarantien von den Bahnen eingehen, und die etwa alsdann zum Aus gleich de» Budget- noch fehlende geringfügige Summe wird das Finanzministerium leicht aus den Fonds der !» — sie nur danach trachtete, Da- in ihre Hand zu bekom men, waS nicht sein war. Und sitzt, jetzt hatte sie da» bezeichnete Fach ge öffnet! — em einziger Griff nur, und sie hielt das selbe Convolut mit den großen Siegeln m der Hand, welches sie vor kurzer Zeit in einem anderen Raume gesehen hatte. Selbst die Aufschrift, die Worte: „Letztwillige Verfügung von Adelgunde, Josefa, Hilde garde, Erbin und Freiin v. Dorfen* vermochte sie in dem Scheine des Mondes deutlich zu lesen. Philipp schlief noch immer, da» reizte ihr ein Blick, den sie auf den Bruder zurückwaif — sie aber — sie hatte hier jetzt nicht» mehr zu thun! Geräusch los huschte sie aus dem Zimmer. Zwei Minuten später trat sie aus ihrem eigenen Kämmerchen hervor; ein große- Tuch hatte sie sich um den Kops gezogen und so verließ sie daS HauS. Die eigentliche Ueberlegung, wohin sie ihre Schritte lenken wollte, kam ihr erst, als sie draußen war. — Wäre drüben in dem Dorsen'jchen Hause noch Licht gewcsin, hätte sie sich sagen können, daß Hermann sein Suchen fortsetzte, würde sie vielleicht den Muth ge funden haben, unmittelbar vor ihn hinzutreten und ihren Fund in feine Hände zu legen; nun aber sah sie die Fenster dunkel, da» Nachsorschen war für den Moment offenbar aufgegeben worden — wo war Her mann jetzt? Seine Wohnung kannte sie nicht einmal — wo würde sie ihn treffen? Und wie überhaupt sollte sie zu ihm von der Schuld ihre- Bruder sprechen, wie den Zorn und die Verachtung tragen, die auch auf sie fallen mußte, und wie vor Allem diesen Zorn aushalten, daß ihre Mittheilungen nicht da- volle Verderben Philipp'» zur Folge hatte? — schwebenden Schuld und seinen Betriebsmitteln schöpfen können. Der Budgetautschuß war über die Mitthei lungen de» FinanzministerS sichtlich angenehm über rascht und wird morgen seinen Finanzplan im Einzel nen prüfen. — Der neue Seinepräfect Oustry erschien heute im Pariser Gemeinderath, um seine Antrittsrede zu halten. Er stellte sich al» einen „re Publikanischen Beamten* vor, der die Schwierigkeit der von ihm übernommenen Aufgabe wohl einsehe und zu ihrer Lösung der Mitwirkung de» Gemeinderath» und de» Vertrauens der Pariser Bevölkerung bedürfe. Er hoffe dieselbe durch eine wachsame, loyale, offen re publikani^che Verwaltung, eine absolute Hingebung an die Interessen de» Staate» und der Stadt zu erwerben und werde mit dem Gefühle der Pflicht den Geist der Versöhnung verbinden. Daß er immer mit dem Gemeinderathe einig sein werde, wolle er nicht vorhersehen; zwischen Männern, die an freie DiScussion gewöhnt seien und sich ihre Un abhängigkeit bewahrt hätten, könnten manchmal Mei nungsverschiedenheiten auftauchen, aber dieselben wür den hoffentlich nur vorübergehende sein. Zum Schluß berief sich der Pläfect auf seine republikanische Ver gangenheit und insbesondere auf seine versöhnliche Wirksamkeit m Lyon, die ihm die Sympathien der dortigen Demokratie verschafft hätte. Die Rede winde vom Eentrum deS Gememderath» mit Beisall, von der Rechten und Linken kalt, von einigen Mitgliedern der äußersten Linken, wie dem „Arbeitervertreter* Joffrm, mit höhnischen Unterbrechungen ausgenommen. Der Präsident der Versammlung, de Bouteiller, dankte dem Beamten für seme herzlichen und höflichen Worte und bemerke, die Regierung habe, indem sie den Maire- präfecten von ParrS außerhalb de» Kreises der srüheren Gewählten der Stadt nahm, mit einer Tradition brüsk gebrochen, die seit einigen Jahren ein Band de» Ver trauens zwischen der Stadt und der Regierung ge schlossen und den Ausnahmezustand, in welchem sich die Stadt befinde, gemildert habe. Der frühere Mmre- präfect Floquet fei beseitigt worden, weil er für Pari wolle, waS Lyon habe und waS auch Parr» verlange, nicht au» Eitelkeit, sondern aus Patriotismus und Gerechtigkeitssinn. — In den Flnanzkrelsen hat man noch keineswegs alle Besorgnisse vor Dynamit attentaten verloren, da infolge von Drohbriefen, welche der Syndikus der Wechsetagenten erhalten h>t, sowohl die unterirdischen Zugang-canäle zum Börsen gebäude stark vergittert, al» auch auf den BureauS der einzelnen Wechselagenten Vorsichtsmaßregeln er griffen werden. Paris, 7. November (Tel.) Die Budgetcom- mifsion der Deputirtenkammer nahm die rn der gestrigen Sitzung von dem Finanzmimster Tirard ge machten Vorschläge zur Herstellung de» Gleichgewicht» de- Budget» pro 1883 an. Rom, 1. November. (Hamb. Lorr.) Don Agostino Depretl» persönlich hat bri dem PlebiScit gewonnen, aber da» Land hat dabei moralisch viel emgebüßt. Die» Factum ist unbestreitbar. Italien steht an der Schwelle einer überaus sterilen Parlamentscam pagne. An eine gesunde und rationelle DiScussion der großen politischen Zeit- und Streitfragen ist unter den obwaltenden Umständen gar nicht zu denken. Jede Vorlage, welche daS bsovplLcito deS Cabinct» besitzt, wird en bloe von der Majorität acceptirt werden. Wo bleibt da das Wohl der Nation? Man kann der Bevölkerung die m dem PlebiScit bewiesene Apathie wahrlich nicht übel nehmen. Da» Volk hat den gan zen Wahlhumbug von vornherein gewittert. ES hat die bittere Ironie, die in dem italienischen Verfassang»- wesen liegt, so tief empfunden, daß eS nur zu "/z vo- tirte. Schweigen ist aber auch eme Antwwt. „Fan- iulla* bemerkt nicht umsonst, „daß die anständigen Leute nicht zur Wahlurne gingen.* Nur die Um- sturzpartei hat ihren ganzen Einfluß in die politische Wage geworfen, um die große Liquidation möglichst zu beschleunigen. In Mailand, Mantua, Forlr, Ra venna, Bologna rc. stimmten ganze Districte ausschließ lich für die Socialrften. Um Unruhen zu verhüten, mußten die Truppen Mit dem Gewehr im Arm in den Easernen zurückgehalten werden. Kurz, die innere Situation ist durchaus nicht so rosig, wie sie sich dem Anschein nach au-nimmt.— In Livorno sind infolge der Wahlrevolte zahlreiche Verhaftungen vorgenom men worden. Bi» jetzt befinden sich 40 Tumultuan ten hinter Schloß und Riegel. Der Tumult ist denn doch viel ernster gewesen, als e» die hiesigen Officiöien auf Kosten der Wahrheit glauben machen möchten. ES war eine wohlorganistrte Emeute, an der sich fast der ganze Livornesische Pöbel betheiligte. Fast Nein, nein, durch sie selbst durste der Doctor da- ge raubte Papier nicht zurück erhalten; eine dritte Hand mußte hier Helsen! Sie dachte an K«rl Müller, ihren Freund; ab»r derselbe halte ihr ja gesagt, vor wenigen Stunden erst, als er sie verließ, daß er den Abend in seinem Elud zubringen würde, und sie wußte, daß er von solchen Zusammenkünften erst in der Nacht heimkehrte — bei ihm konnte sie keine Hilfe suchen, denn aus der Stelle mußte sie diese Hilfe haben — das Testament mußte geborgen fein, ehe Philipp erwachte! E» blieb nur ein- über, ein einzige», was ihr Rettung verhieß! Sie wollte sich der jungen Dame vertrauen, die sie nicht ander», al« dem Manne, wel cher ihre Sinne beschäftigte, innerlich verbunden, als zu ihm gehörend, zu denken vermochte: Virginie Man- stedt sollte ihm da» Papier, an welch?m seine Ehre hing, zurückgeben! Ihre Mission erfüllte sie so, daß ihr, während sie durch die bereit» menschenleeren Gaffen eilte, kaum noch . eine Erinnerung an die späte Stunde kam, daß sie nicht ein einzige» Mal von der Befürchtung ergriffen ward, Virginie möchte, wenn dieselbe überhaupt daheim war, doch nicht mehr für sie zu sprechen sein: e» war wie eine Gewißheit über sie gekommen, daß ihr Gang kein vergebener bleiben würde! Und in der That, der Zufall oder die Gewohnheit, welche Virginie in der letzten Zeit angenommen hatte und die sie oft bi» in die Nacht hinein auf ihrem einsamen Zimmer wach sein ließ, war ihr günstig. Al» sie an der Manstedt'schen Wohnung schellte, er hielt sie sofort Einlaß und von dem öffnenden Diener fogar den Bescheid, daß da- Fräulein noch auf jrj
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