Dresdner Journal : 21.03.1884
- Erscheinungsdatum
- 1884-03-21
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-188403212
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- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18840321
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18840321
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungDresdner Journal
- Jahr1884
- Monat1884-03
- Tag1884-03-21
- Monat1884-03
- Jahr1884
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- Titel
- Dresdner Journal : 21.03.1884
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Freitag, den 2i. März. 1884. 4k»i>o««vLt»prel» r l» ss»,«» )Li»rUol>: .... 18 MrUel»; 4 K»rk »0 kl. LulLvI«» 10 kl. ^«,—rluUd T«, äenttckso Nvict»»» tritt ko»t- u»6 8t«wp«!ttu»t:ttUt^ iÜQ»a I»»vr»teopi-«l>,vr ra- ä«v li»tiw «io«r ^eip»It«il«u kstitteiis ro kl v»t«r „Lm^s»»Qät" äia 2«il» KO kl. ö«i 1'»dsUeu- illili 2jFsrv^Ltr LV Aut»cU1»b Lrsekslven i lallet» mit AuioLtims Tor 8ooo- und Feiorto^o XdonT» kür tlso loljsvuden 1^»^. DrcMerItmrnal. Verantwortliche Redaction: Oberredacteur Rudolf Günther in Dresden. Io»or»l«uitnuuUm« »l»>^Lr1»r Fr. Frar^tetter, 6omwu»ioLLr <to» OrosToor gouin»1»; L»o»dllrz I«rlt»-Vt»o - 8»»»l 8r»»I»o-kr»Lll«rr ». U.: Afaa««-rtern el kvAtrr, >«rIm-Vt»u-U»»»dur^- kr»U-l.«jp»1x ?r»o1turl ». H. - Nüncd.oe Afo««,' »«ritt: /n«>ei/r<ie«<ia»»1:, Nr«»«»: F. 8c^to<t«, 8r««l»o: l. LtanA^n » Liaretii« <Lm»t LadtUk),- rr«oilttrt ». » : F. ^aeAe»^»ot>« Nuokkittäluo^; 04rM>: </. 2/Äter; L»ruio,«r: <7. ü<AU»«t«r, k«rl, L«rltt -rr«i»^ttrr «- » - St>ttlx«rr: el 6o., L«wdarx: ^<i. üt«»«r U«r»ll»8vd«rr Lvoisl. LipoTitioo äs» vrovloor louritttt, I)rs«äeu, 2«iu8«r»tr»»>»o LV. -Abonnements - Kintadung. Auf das mit dem 1. April beginnende neue vierteljährliche Abonnement des „Dresdner Jour nals" werden Bestellungen zum Preise von 4 M. 50 Pf. angenommen für DreSde» bei der unter zeichneten Expedition (Zwingerstr. Nr. 20), für ttSvärtS bei den betreffenden Postanstalten, trömgl. Expedition des Dresdner Journals. (Zwingerstraße Nr. 20, in der Nähe des neuen Postgebäudes.) Amtlicher Theil. Autte 1 in. Dresden, 20. März, früh ^8 Uhr. Se. Königliche Hoheit Prinz Georg haben die vergangene Nacht unruhig verbracht. Das Fieber ist ziemlich hoch und die nervösen Krankheitserscheinungen dauern fort. Seit einigen Stunden ist jedoch ein Ausschlag im Gesicht und am Halse angedeutet und dadurch die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, daß die nervösen Krankheitserscheinungen und das Fieber als Vorläufer einer Hautkrankheit zu betrachten sind. vr. Fiedler. Aultetin. DreSde«, 20. März, H2 Uhr Nachm. Der Haut ausschlag hat sich weiter entwickelt und trägt voll kommen den Charakter eines Masernexanthems. T. 40,0, P. 100. Der hohe Kranke klagt viel über Kopfschmerz, bedrohliche Erscheinungen sind aber nicht vorhanden, vr. Fiedler. Nichtamtlicher Theil. Telegraphische Nachrichte«. Tetschru, Mittwoch, 1V. März, AdendS. (Tel. d. Reichend. Ztg.) Auf dem StaatSbahahofe iu Bodenbach wurde ein socialistischer Emissär auS Wien (ein Ausländer) verhaftet und unter GendarmerirrScorte zur Bezirkvhauptmannschaft i» Tetscheu gebracht. Nach der vorherrschende» Disposition der Aabrikauten dürfte die morgige Konferenz zwischen den Arbeitgebern und Arbeit nehmern zur Beilegung deS StrikeS führen. Die Fabrikanten gestehen durchschnittlich eine Arbeits zeit von 6 Uhr Morgens biS 6 Uhr AdendS mit eiurr 1 stündigen Unterbrechung Mittags und einer kstündigen um S Uhr Vormittags zu, außerdem je nach den örtlichen Verhältnissen eine 10- bis ISprocentige Lohnerhöhung. Die Arbeiterschaft verhält sich auSuahmloS ruhig. Infolge deS StrikeS wird hier und in der Umgebung die Urber- wachung von Fremden bedeutend strenger durch- aeführt. (Vgl Wien und unsere Prager (Korre spondenz unter „Tagesgeschichte".) Bern, Mittwoch, 19. März, AbendS. (W. T. B.) Der BundeSrath hat sich dahin schlüssig ge macht, die Handlungen, wegen welcher die Anar chisten zur Untersuchung gezogen find, alS gemeine Verbrechen anzusehen, deren Erledigung in daS Gebiet der kantonalen Strafrechtspflege falle. Dieser BundesrathSbeschluß ist dadurch hervor- gerufen worden, daß in jüngster Zeit feiten der öster ¬ reichischen Polizei an verschiedene Cantonbehörden in vertragsmäßiger Weise da- Begehren um Vornahme von Untersuchungen gestellt worden war, welche sich auf Verbrechen bezogen, die in Wien und anderen Orten von Anhängern der anarchistischen Partei be gangen worden waren. Der BundeSrath hat von den Requisitionen und der Erledigung derselben Kenntniß genommen und theilt den betreffenden Cantonregie- runaen mit, daß die Handlungen, welche den Gegen stand der Untersuchungen bilden, gemeine Delicte seien und den Charakter politischer Verbrechen in keiner Weise an sich trügen. Die Erledigung derselben ge höre demnach nicht in daS Gebiet seiner Strafrechts pflege, sondern falle der cantonalen Justiz anheim. Abgesehen von der strafrechtlichen Seite liege auch ein großes Interesse für den Bund vor, und der BundeSrath könne in die Lage kommen, zu prüfen, ob nicht von Bundeswegen Maßnahmen zum Schutze der innern und äußern Sicherheit der Eidgenossenschaft zu treffen seien. Die Cantone werden daher aufgesor- dert, dem BundcSrathe von allen an die cantonalen Polizeibehörden gerichteten Gesuchen und von den Er gebnissen der in der Schweiz geführten Untersuchungen auf das Genaueste zu unterrichten. Nom, Mittwoch, IS. März, AbeudS. (W. T. B.) Bei der Präsidentenwahl in der heutigen Sitzung der Deputirtenkammer erhielten bei 434 Votanten der NegieruvgScandidat Coppins 228, Cairoli 145 Stimmen. ES wurden 54 unbe schriebene Wahlzettel abgegeben; 7 Stimmen zer- splitterten sich. Coppino ist gewählt. Die Er- richtuvg eines MonumentS für Sella wurde iu ge heimer Abstimmung mit 267 gegen 13V Stimmen genehmigt. Die Journale constatiren den lebhaften Ein- druck, welchen daS heutige Votum der Kammer bezüglich der Präsidentenwahl hervorgerufru. Die „Opiuione" bezeichnet die Lage als eine ernste, und der „Diritto" erwähnt unter Reserve der Gerüchte, daß Coppins die Wahl ablehuen und daS Cabivet seine Entlassung geben werde. London, Donnerstag, 2V. März, Mittags. (Tel. d. DreSdn. Journ.*) Ein Telegramm der „Daily NewS" bestätigt die auS Kairo gemeldete Nachricht, daß die Bemühungen OSmau Digma'S, den heiligen Krieg zu predigen, gescheitert find und daß die meisten seiner Anhänger ihn »erlassen haben. OSman Digma hat sich mit nur Wenigen ivS Innere deS Landes zurückgezogen. Christiana, Donnerstag, 20. März. (Tel. d. DreSdn. Journ.*) Der König ist gestern AdendS nach Stockholm abgereist, wird aber in der nächsten Woche hier zurückerwartet. Während der Ab wesenheit deS Königs wurde der Kronprinz zum Bicekönig von Norwegen ernannt. Der GenrralkriegScommissar Bull und der ehe malige StaatSrath Haffner find zu StaalSräthen ernannt worden. Kairo, Mittwoch, 19. März, AbendS. (W. T. B.) Wie aus Suakiu gemeldet wird, machte der General Graham heute mit seinem Stabe und einer Schwadron Cavallerie eine RecognoScirung nach Handub, wobei Alles ruhig gefunden wurde. Spione versichern, Osman Digma befinde sich gegenwärtig 8 Meilen von Handub entfernt; seine Armee sei demoralifirt, und er habe nur noch wenige Anhänger. Es sei nicht wahrscheinlich, daß er den Kampf wieder aufnehmev werde. Kairo, Mittwoch, 19. März, AdendS. (Agence HavaS.) Die Ernennung Addel Kader'S zum Ge- *) Nachdruck verboten. D. Red. ueralgonverueur deS Sudau gilt für nicht uo- wahrscheinlich. Washington, Donnerstag, 20. März. (Tel. d. DreSdn. Journ.*) DaS Repräsentantenhaus ge- vehmigte die von dem Ausschüsse für die auSwär- tigen Angelegenheiten eivgrdrachtr Resolution, iu welcher erklärt wird, die von dem Repräsentanten haus» angenommene BeilridSadresse auS Anlaß deS TodeS LaSker'S habe bezweckt, den Tribut der Achtung deS HauseS darzudringrn. Da daS Re- präseutautrnhanS deu Beziehungen zwischen der deutschen Executive und dem deutschen Reichstag fern stehe, nehme eS von jeder weitern Kritik der bezüglichen Vorgänge Abstand. DaS HauS nahm ferner eine Resolution an, in welcher die im deutschen Reichstage geäußerten Wünsche für Auf- rechtrrhaltung der freundschaftlichen Beziehungen zwischen Deutschland und den UnionSstaaten be stens erwidert werden. *) Nachdruck verboten. D. Red. Dresden, 20. März. Die französische Deputirtenkammer hat in ihrer vorgestrigen Sitzung das Gesetz über den Elementarunterricht im Ganzen mit 396 gegen 109 Stimmen angenommen. Damit sicht sich die Regierung vor eine schwierige Aufgabe gestellt. Man führt eine Reform des Unterrichts in Frankreich ein, ohne daß der Regierung die zu ihrer Verwirklichung erforderlichen Mittel verwilligt worden sind. Bekannt lich bildete die Erhöhung der Lehrergehalte neben der Zurückdrängung des geistlichen Lehrerelements die Grundlage des ganzen Paul Bert'fchen Erziehungs gebäudes; aber in ihrer Sitzung vom 11. d. nahm die Kammer die von dem Unterrichtsminister Fallieres, dem Finanzminister Tirard und dem Premierminister Ferry verlangte, von Bert bekämpfte Vertagung der Frage der Lehrergehaltserhöhuugen aus unbestimmte Zeit mit 315 gegen 217 Stimmen an. Die Lehrergehalte sind bis jetzt so gering bemessen, daß Volksschullehrer in unserm Sinne in Frankreich zu den Ausnahmen ge hören. Man begegnet diesen fast nur in protestan tischen Gemeinden, wo die Gemeindeangehörigen er hebliche Zuschüsse leisten. In dem überwiegenden katholischen Theile des Landes kam der gesummte Volksschulunterricht, infolge der unverhältnißmäßig niederen Lehrergehalte, in die Hände von Schulbrüdern und Schulschwestern (kisres et soeur» äv l'Instruetiou ebretienno). Dieser geistliche Einfluß soll nun aber durch das Unterrichtsgesetz, welches, im Gegensätze hierzu, eine völlige Verweltlichung des Unterrichts will, gänzlich beseitigt werden. Dazu ist aber in erster Linie eine Erhöhung der Gehalte der Volksschullehrer erforderlich. Erhöht man die geringeren nur auf 10OO Frcs., fo ist die Summe bereits eine fehr be trächtliche. Nach Roche wären 20, nach Paul Bert 12 Millionen erforderlich. Wie dagegen der Unter richtsminister Fallieres versicherte, würde die vom Ausschüsse vorgeschlagene Eintheilung in 5 statt der bisherigen 4 GehaltSclassen (1000, 1300, 1900 und 2200 FrcS.) schon in I Jahre eine Mehr ausgabe von 22 Millionen erheischen. Wahr scheinlich wird man, um die allerdringendsten Noth stände zu beseitigen, die Besoldungen auf 600 und 800 FrcS. jährlich erhöhen und die erforderliche Summe durch eine Anleihe von 6 Millionen decken. Dieses dürfte aber den Erwartungen Paul Bert's und der Radikalen wenig entsprechen. Paul Bert bean spruchte anfänglich 22 Millionen und beabsichtigte, im nächsten Jahre eine Steigerung dieser Summe auf 54 Millionen. Das reiche Frankreich hat kein Geld, die Ausgaben sind allerwärts gestiegen, und die Einnahmen sind zurückgegangen. Wenn trotzdem Bert und andere der ministeriellen Majorität angehörige Volksvertreter an der Erhöhung der Gehalte der Lehrer festhalten, so geschieht dies nicht etwa aus wirklicher Sorge für die Volksschule, sondern um im Hinblicke auf die nächsten Erneuerungswahlen zur Deputirtenkammer Propaganda bei der von den Lehrern beeinflußten Landbevölkerung zu machen. Gegenüber der Gefahr, daß die unzufriedenen Volksschullehrer bei dieser Gelegenheit gegen die Republik agitiren könnten, ist übrigens einige Sicherheit geschaffen wor den. Die Ernennung dieser wichtigen Beamten soll nicht durch die Schulverwaltung, sondern durch die Präfecten, d. h. durch die Oberwahlageuten des Mi nisters des Innern und der Regierung, geschehen Es bleibt dabei, daß die Akademierectoren, welche sonst als locale Chefs der in 17 Hauptbezirke eingetheilten Schulverwaltung Frankreichs fungiren, nicht die un mittelbaren Vorgesetzten der Volksschule sind, sondern daß diese zunächst einem politischen Beamten, dem Präfecten, untergeordnet ist, der die Lehrer anstellt, beaufsichtigt und disciplinirt. In Bezug auf die can tonalen Schulausschüsse hat die Regierung sichebenfalls vorgefehen. Diefes „Comite des Volksunterrichts" foll aus l 1 Mitgliedern bestehen, nämlich aus dem General- rathsmitgliede des Cantons, aus 4 vom Präfecten er nannten, aus 4 Vertretern der Gemeinderäthe und aus 1 Lehrer und 1 Lehrerin, die von den Collegen, refp. Colleginnen des Cantons gewählt werden. Der Schulinspector des Cantons wohnt allen Sitzungen des Conutes bei, hat aber kein Stimmrecht. Auch in anderer Hinsicht wird in den Wein, welchen Paul Bert in der Deputirtenkammer einfchenkte, noch viel Wasser gegossen werden müssen Zu welchen Un geheuerlichkeiten der ausschließlich gegen das Christen thum gerichtete „ Blldungseiser " der Republikaner führt, zeigt ter jetzt veröffentlichte Bericht der Schul- casse. Zu Bauten und zur Einrichtung von Schulen «Ly- ceen und Collegien) hat dieselbe bis jetzt 163H Millionen vor- oder einfach zugeschossen. Sämmtliche staatliche Schulen dieser Gattung haben 100 000 Schülerplätze, deren Zahl aber verdoppelt werden soll. Uebcrdies sollen die Mädchenlyceen, die eigens nur behufs Entchristlichung des weiblichen Geschlechts gegründet werden, ebenfalls 200 OOO Schülerinnen Aufnahme gewähren. Da ein Schüler- oder Schülerinnen platz durchschnittlich auf 5000 Frcs. Bau- und Ein richtungskosten zu stehen komms^-fv wären also noch 1500 Millionen erforderlich, um das Ziel zu erreichen, welches die Republikaner als durchaus geboten er achten. Für Bau, Einrichtung und Wiederherstellung von Volksschulen hat die Casse 354 Millionen Heleistet, wovon 150 Millionen als Zuschuß oder in Vorjchüssen, von denen die meisten nie zurückgezahlt werden können; denn die Gemeinden seufzen alle unter der Last der Steuern und Steuerzuschläge. Der Bericht aber er klärt, daß mit den 354 Millionen kaum der 8. Theil des als nothwendig Erkannten geleistet werden konnte. Die Sache ist um so ungeheuerlicher, als in Frank reich kaum 42 Kinder auf eine Lehrkraft kommen; denn die Volksschulen — freie Anstalten natürlich eingeschlossen — zählen jetzt nahezu l40000 Lehrer für höchstens 5 Millionen schulfähige Kinder. Das kleinste Dorf hat seine Schule, selbst wenn nur 20 bis 25 Schüler vorhanden sind. In den Dörfern zählt eine Classe selten mehr, als 50 Schüler. Für solche kleine Schulen ist natürlich kein Schulpalast nothwendig. Wer in Frankreich auf dem Lande reist, wird die Beobachtung machen, daß das Schulhaus fast überall »u den besten Gebäuden des Dorfes gehört und nur selten ungenügend ist. Aber Paul Bert hat ja auch gesagt: „Wir wollen, daß das Schulhaus die Kirche aussticht und ein ordentlicher Palast, eine besondere Zierde der Ortes wird, damit die Leute an ihm mehr Feuilleton. Redigirt von Otto Banck. Literaturgeschichte. „Geschichte der neuern Literatur" von Adolf Stern. Leipzig, bibliographisches Institut. Die vielfach und nach ernsten Richtungen hin thä- tige Meyer'sche Firma unternahm mit diesem fünf bändigen Werke ein Waaniß, dessen Kühnheit durch das nicht minder große Gelingen der Arbeit alles Be denkliche verloren hat. Ja dem überzeugendsten An scheine nach läßt sich eine Gunst des Erfolges voraus- fctzen, die durch den Werth und den praktischen Nutzen des Gegenstandes geboten wird, in keiner Weise vom vergänglichen Reiz der Reiz der Neuheit abbängt und somit nichts Launisches, Vorübergehendes an sich tragen kann. Zum Besten dieses Erfolges hat ganz allein die Art und Weise eine maßgebende Stimme, in welcher der Verfasser durch da- vorstehende Werk ein Bedürf- niß des gebildeten PublicumS, und zwar des großen gebildeten PublicumS, weiter und keineswegs aus schließlicher literarischer Kreise überaus glücklich be friedigt hat. Dieses Bedürfniß war, ohne Phrase ge sagt, ein sehr dringende-; denn Laien wie Fachmänner verlangten nach der erfreulichen Lösung deS zwar un endlich schwierigen, aber im siegreichen Falle für alle Theile reiche Frucht verheißenden Versuch-: die Welt literatur der letzten fünf Jahrhunderte (also im wesent lichen Sinue der neuern Zeit im Gegensätze zum Alterthum und zu den dunkeln Perioden der mittel alterlichen Anfänge) in einem übersichtlichen Bilde den Wißbegierigen als ein Ganzes klar und möglichst ob- jectiv vor Augen zu stellen. Die Begriffe übersichtlich, klar und objektiv sind leicht ausgesprochen und ebenso leicht zu guten Vor sätzen gemacht; doch ihnen gerecht zu werden, heißt eine Riesenarbeit übernehmen, deren stofflich gewaltiges Andrängen den scheinbar weitesten Raum überfluthet. Und hier waren nur fünf Bände gegeben und mit dieser nothwendigen Beschränkung das Gebot einer Oekonomie, welche allein durch Auswählen und Aus scheiden noch lange nicht zum Ziele kommt. Ihr bleibt nur das Zaubermittel einer Methode übrig, die durch fesselnde Schilderung der literarischen Hauptströmungen den Leser zum Mitdenker macht, es ihm ermöglicht, die Gruppirungen nach den Winken des Autork selbst zu vervollständigen und ihn an der Hand der Chrono logie jedes Mal dort hinführt und lauschen läßt, wo gerade in Europa die Werke des Schriftenthums als Völkerstimme oder als zum Wort erlöster Culturgeist am vernehmlichsten redeten. Diese Methode, schon von Lessing in seinen Lite raturbriefen angedeutet und am meisten bei Beurthei- lung französischer und englischer Produktionen ver wandt, in ihrer vollen Ausführung aber erst durch die neue Zeit lebendig gemacht und durch die noch junge Wissenschaft der Culturgeschichte zu ihrem eigent lichen Naturrecht gelangt, — diese Methode hat Adolf Stern wie kaum einer seiner Vorgänger erfaßt und durchgeführt. Und zu besonderer Ehre gereicht e- ihm, daß er sich bei derselben nicht dem erprobten System kritiklos hingab. Sein gesunder Blick bewahrte diefe- System vor einer Einseitigkeit, der es jetzt mehr und mehr verfällt. Es schwebte ihm offenbar die entscheidende Frage vor: Schaffen wir den Geist der Zeiten? oder ist es lediglich umgekehrt und schafft der Geist der Zeiten uns? Er hat diese Doppelfrage, deren Be jahungen sich scheinbar aufheben, sehr richtig durch seine wohlthuende Anerkennung des Individualismus, oder sagen wir der subjeciven Kraft und Eigenart des Einzelnen mitten im generellen Drange des Zeitgeistes und der jeweiligen LandeSzustände beantwortet. Mit der feinsten Fühlung für die Wahrheit, daß es zwar keine unbedingte Freiheit des geistigen Schaffens und Wirkens, noch weniger aber eine unlenksame Freiheit für den materiellen Verlauf der Dinge giebt, hat der Autor die Farben erkannt oder zu erkennen versucht, die in vergangenen Jahrhunderten eine stark auS- geprägte seelische Macht eines Dichters oder Denker- im Titanentrotz gegen Brauch und Gewalt der Vor urtheile seinem Geiste und seiner Umgebung verlieh. Es ist nicht wörtlich, aber dem Sinne nach rich tig, wenn ich behaupte, daß Stern schon seit 20 Jahren an diesem Werke gearbeitet hat, indem er durch seinen centtalffirenden Blick auf- Ganze und durch den eif rigen Wissensdurst feiner Studien, die Möglichkeit eines Unternehmens vorbereitete, dem in vorliegender Gestalt feit 4 Jahren feine Hauptthätigkeit voll und ganz gewidmet war. Diefer immer auf dasselbe Ziel gerichteten Vor bereitung verdankt die Erreichung desselben auch ihren wurzelechten lebensfähigen Charakter. Je mehr man sich darin verlieft, je mehr überraschen die Früchte der Arbeit, je fester wird die Ueberzrugung, daß die Lücke, die sie ausfüllt, praktisch viel größer war, als man es theoretisch empfand. Es wird immer klarer, und ist doppelt für den Laien maßgebend, daß man das bisher fehlende Werk über die letzten fünfhun dert Jahre der Gefammtliteratur nicht durch eine Mofaik einzelner Abschnittswerke organisch ausfüllen kann. Um so weniger ist dies durchführbar, da von einigen ziemlich umfassenden Versuchen Anderer die meisten fo tendenziös oder oberflächlich sind, daß sie sich weder zu Lehrzwecken, noch zum Selbstunterricht eignen. Blicken wir zuerst auf den Inhalt de- Ganzen, ehe wir bei hervorragenden Einzelheiten verweilen. Das Hauptgewicht der ganzen Arbeit legt Stern auf die Hervorhebung des innern Zusammenhangs der verschiedenen Literaturen. Die großen historischen Hauptabschnitte: „Frührenaissance", „Vorreformation', „Hochrenaissance", „Reformation', „Gegenreformation", „Zeit deS Akademismus" «Uebergangszeit vom dreißig jährigen Kriege bis zur Zeit Ludwig'S XIV.), „Zelt des Classicismus" (Periode Ludwigs's XIV.), „Zeit der Aufklärung" (erste Hälfte deS l8. Jahrhunderts), „Zeit der Rückkehr zur Natur" (zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts), „Die goldene Zeit der neuern Dichtung" «letztes Viertel des 18. und erste- Viertel des 19. Jahrhunderts) sind in ihren Gesammtzügen und in ihren eigenthümlichen Rückwirkungen auf die Cultur der einzelnen Nationen als der Hintergrund zur literarifchen Bewegung kurz und kräftig dargestellt, eine umfassende historische Anschauung befähigte den Literarhistoriker zur Darstellung der Wechselwirkungen historischer und literarischer Entwickelung.
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