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Dresdner Journal : 09.09.1884
- Erscheinungsdatum
- 1884-09-09
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-188409099
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18840909
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18840909
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungDresdner Journal
- Jahr1884
- Monat1884-09
- Tag1884-09-09
- Monat1884-09
- Jahr1884
- Titel
- Dresdner Journal : 09.09.1884
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" T1I Dienstag, den 9. September. 1884. Fdo»«»«»tspret, r I» x»L»«0 4»at»«u»» L»t»L»: ILürUvl» IS L1»rk. 4 >l»rk dv ?k. Lü»«tL»Hullui»«rll! 10 ?L 4»—rd»Id äe, ävot-eksa ksioüo» tritt koit- noä 6t«mp«l»ii»clä»^ tuL»». kür 0«o tt»um siovr ?»tit»«il« SV kl. Ollt«r „Llu^«iuu»ät" <iiv 2«ils LV kk. Loi ^»dollo»- uoä 2iNorv»»t« SO db DreMerIourml. 1»»«ri»<«u»uu»dwo »u»»»ir1»r Lotpot»! />> Lrant^trtc-r, Oowiol—iovLr cts» vrooäoor ^ouraot»; S»»dorU >«rU» Vt« 1»tp«tU N»»»l >-«»>»» ^r<u»^earr ». N. i <t VoAier, >«rU»-Vl»L »»»darx kroG-I^lpotx kriLttart ». N. Nüoedoo: itl iE, S«rU»: /nvat«ü«nüa»»t, >r»m,L L'Lc^/otte, M»»l»u F ÄanArn'» L^ea« Labat^t, rrooktorr ». N - Z ^aeA^»ct>« Uucltkooäluoz; SvrUt». t/. ä/Ätrr; Soooo vr: Ö. Se^ü«ier, kort» Sorlt» ?r»»Ilkiu< ». » - »tott^rt: Da«d«<S 60 , L»»diuA: ^Ici. Lte»n«r. LiHeNolvsi» r IRxUol» mit Fais^kwa äsr Kons- unä koiort»^» Adsrut» kür 6«u kol^osäso Beraatwortüche Redactioa: Oberredakteur Rudolf Günther in Dresden. Sor»u«s«dorr Nvuist Lipoäitiov äs» l>r««äoer äoarv»!», Orvxiss, L»riv8«r»tr»»»« Ho. SV. Amtlicher Theil. Dreidev, 3. September. Se. Majestät der König haben dem Referendar bei dem Amtsgericht Leipzig, Karl Theodor Wirthgen, den Charakter eines Eom- missionSraths in der V. Llasse der Hofrangordnung beizulegen Allergnädigst geruht. Se. Majestät der König haben dem Ingenieur und Fabrikant für Lentralheizungs-, Ventilation-- und rauchfreie FeuerungS-Anlagen, Wilhelm Heiser in Dresden das Prädicat Königlicher Hoflieferant Aller gnädigst zu verleihen geruht. Nichtamtlicher Theil. U-b,rs>»t: Telegraphische Nachrichten. Zeitungsschau. TageSgeschichte. Dresdner Nachrichten. Provinzialnachrichten. UnglückSfLlle iu der Provinz. Vermischtes. Beilage. Börsennachrichten. Telegraphische Nachrichten. Potsdam, Montag, 8. September, Mittags. (Tel. d. DreSdn. Journ.^ Ein gestern Abends um "t Uhr 51 Miu. nach Wannsee abgelaffeuer leerer Personenzug gerieth bei Neuendorf infolge falscher Weichenstellung auf einen tobten Strang und die dort befindliche Centralapparatbude, sowie einen Packwagen, auf welchen die Locomotive auflief. Sie wurde zertrümmert, der Maschinist grtödtet, der Zugführer schwer und der Heizer leicht ver letzt; eine Verkehrsstörung ist nicht ringetreten. Paris, Sonntag, 7. September, AbendS. (W. T. B.) ES gilt nunmehr für ziemlich sicher, daß der General Bridre de l'JSle den militärischen Oberbefehl im Tonkin behalten werde. Neben ihm soll rin Resident sprciell für den politischen Theil ernannt werden. Paris, Montag, 8. September. (Tel. d. Dresdn. Journ.) Aus Hanoi wird gemeldet, daß der General Millot heute früh abgereist, der General Bridre de l'JSle aber gestern angekom- meu ist und das Commanbo übernommen hat. Brüssel, Montag, 8. September. (Tel. d. DreSdn. Journ.) Die Zahl der bei den gestrigen Unruhen Verwundeten beträgt gegen 100, von denen einige schwer verletzt find. DaS Gerücht, daß 3 Personen todt find, wird nicht bestätigt. In mehreren anderen Städten fanden bei der Rück kehr der Theilnehmer an den klerikalen Kund gebungen zu Brüssel auf den Bahnhöfen Ruhe störungen Statt. (Vgl. die „Tagesgeschichte".) Antwerpen, Montag, 8. September. (Tel. d. Dresdn. Journ.) Der Bahnhof war bis heute früh von dichten Mrnschenmaffru umlagert; bei der Ankunft eines jeden neuen Zuges, welcher Theilnehmer an der Brüsseler Kundgebung zurück brachte, entstanden neue Unordnungen. Die Gen darmerie war wiederholt zum Einschreiten ge- uöthigt; mehrere Personen wurden verwundet. Row, Montag, 8. September,Mittags. (Tel. d. DreSdn. Journ.) Der König und der Prinz Amadeus trafen auf der Reise nach Neapel heute früh auf dem hiefigen Bahnhofe ein und setzten, vom Mi- uisterpräfideuten DeprrtiS begleitet, unter lebhaften Ovationen feiten der Bevölkerung die Reise fort. Der GesundheitSrath ist gestern zn einer Sitzung zusammengetreten; wie versichert wird, beschloß derselbe die Aufhebung der Quarantäne an der österreichischen und der schweizer Grenze. London, Montag, 8. September, Mittags. (Tel. d. Dresdn. Journ.) Ein Telegramm der „Times" auS Kutschen vom 0. d. MtS. mel det, die chinesischen Behörden hätten eine Be kanntmachung erlassen, daß, nachdem der Krieg erklärt, Shanghai für neutral, Woosung mit Ausnahme eines als ventral bezeichneten CaualS aber für blokirt erklärt worden sei. „Rruter'S Office" theilt au« Kutschen unterm 7. d. M. mit, daß die Häuser der Fremden ohne Unterschied brr Nationalität von chinesischen Soldaten geplündert wnrdev. St. Petersburg, Sonntag, 7. Srptrmbrr, Nachmittags. (Tel. d. „Deutschen Tageblattes".) Wie in sonst gut unterrichteten Kreisen verlautet, findet das eigentliche Zusammensein der 3 Kaiser nicht auf russischem Boden Statt. (Vgl. die „TageSgeschichte".) Wilna, Sonntag, 7. September, AbendS. (W. T. B.) Der Kaiser und dir Kaisrrin find nebst dem Großfürsten-Thronfolger» den Groß fürsten Georg, Wladimir und Nikolai dem Ael» trrn, sowie den in der Begleitung deS Kaiser- befindlichen Ministern und dem sonstigen Gefolge heute Vormittags 10 Uhr 45 Min. hier ein- getroffen und von der zahlreich herbeigeströmtru Bevölkerung enthusiastisch begrüßt wordrn. Nach dem der Kaiser und die Kaiserin dem Kloster zum heiligen Geiste eineu Besuch abgrstattrt hatten, begaben sich d>rseldrn nach dem MarSseldr, wo selbst der Kaiser eine Revue über die Truppen abnahm. Wilna, Montag, 8. September. (Tel. d. Dresdn. Journ.) Der Kaiser und die Kaisrrin empfingen gestern nach der Truppenrevne die Mi litär- und Livildrhörden, sowie die Vertreter der Geistlichkeit, welche auch au dem darauf folgenden Dejeuner Theil nahmen, und besichtigten sodann einige Lehranstalten, woraus sie Nachmittags 4 Uhr 15 Miv. nach Warschau abreisteu. Die massen haft herbrigrströmte Bevölkerung, in ihrer Be wegung in keiner Weise beschränkt, brachte der kaiserlichen Kamilie überall stürmische Ovationen bar. Dresden, 8. September. Die Cholera breitet sich in Italien in so er schreckendem Maße aus, daß die Bevölkerung die Auto rität der Behörden nicht mehr respectirt. Namentlich hat die Furcht vor der Cholera in Calabrien uno die Energielosigkeit der dortigen Behörden eine Anarchie herbeigeführt, über welche immer traurigere Nachrich ten einlausen. Banden bewaffneter Bauern haben auf die ihre Provinz durchlaufenden Eisenbahnzüge und aus die Kriegsschiffe, die m den Hafen von Reggio einliefen, ihre Gewehre abgeschossen und sich allerlei andere Gewaltthätigkeiten erlaubt, ohne daß die Be hörden es verhindern konnten. Die in Turin er scheinende „Gazzetta del Popolo" schildert in ihrer Nummer 244 vom 2. d. Mts. die bezüglichen Vorgänge in Reggio in einem keines weitern CommentarS be dürftigen Briefe unter dem Titel: „Irrfahrten eines Italieners in seinem Vaterlande im August 1884, sage 1884", in welchem es heißt: Der von Neapel her am 2V. August, Vormittags 10 Uhr, in Reggio an langende Schnellzug führte wenige oder keine Reisende aus Neapel, dagegen eine größere Anzahl von Per sonen aus den neapolitanischen Provinzen und aus nicht mficirten Gegenden. Kaum war er in die Station Reggio eingelaufen, so wurden die Reisenden durch das Geschrei einer wilden Horde von ungefähr 1000 Individuen überrascht und in Schrecken versetzt. „Zurück mit dem Zuge, zurück! Wir wollen keine Cholera!" riefen die Schreier nnd fügten mit angstbleichen Ge sichtern und drohend geballten Fäusten hinzu: „Keiner soll aussteigen, sonst hauen wir Luch in Stücke; wir wollen keine Cholera, wir wollen keine Cholera!" Mit diesem Ausrufe schickten sie sich an, auf den Zug lo»»u- stürzen und die armen Reisenden zu erschlagen. Dieser waren über 60, aber Alle wehrlos, und die öffentliche Gewalt, welche ihr Leben hätte schützen sollen, bestand a»S 3 Polizisten und 2 Municipalgardisten. Lin Gendarm war nicht da. Der Lokomotivführer fuhr, vielleicht auf Befehl des Stationsvorstandes und um ein Unglück zu verhüten, etwa k luv mit dem Zuge zurück. Als aber letzterer wenige Minuten darauf m den Bahnhof zurückkehrte, war die Zahl der Demon stranten angewachsen, und die Polizei fand sich nur durch 5 Wächter mit 1 Brigadier, 3 Gendarmen und ß Municipalgardisten vertreten. Der Kniff der Loco» twtivführers, mit dem Zuge H Km zurückzuweichen, hatte den Zweck gehabt, einerseits die Zusammenrottung «»fzulüsen, andererseits für daS Zuhilfekommen der Polizei Zeit zu gewinnen. Aber er schlug fehl. Die Menge belagerte die Station und schrie fortwährend: „Zurück! Es steige Keiner auS!" Die öffentliche Ge walt ihrerseits war durchaus nicht im Stande, dem Gesetze Nachachtung zu verschaffen. Der Präfect kann » seiner Entschuldigung nicht vorbringen, eS habe eine Ueberrumpelung stattgefunden. Schon am Abende vorher und am Morgen des 26. August hatte der gleiche Pöbel gegen den ebenfalls von Neavel kommen den Dampfer eine Demonstration aufgeführt und nach Vertreibung des DampfbooteS geschrien: „Zur Eisen- hah», zur Eisenbahn!" Die Behörden waren also gewarnt, und eS erscheint ihre Unthätigkeit im höchsten Maße strafbar. Die Reisenden waren inzwischen in dem stillstehenden Zuge gefangen. Einem derselben, dem Gememderathe 0r. Ferro, gelang e», durch Par- lamentiren zu erwirken, daß er den Zug verlassen dürfe, indem er ein wahrscheinlich sofort ack usam äolpdini gefertigtes Zeugniß zu freier Ausübung der Praxis vor- wieS. Zitternd ging er nach Hause, aber H Stunde darauf erfährt man auf der Station, daß ein Theil der Demonstranten, mit der dem Doctor gewährten AustrittSerlaubniß nicht einverstanden, abgegangen sei, um ihm die Fenster einzuwerfen und daS Haus zu stürmen drohe, falls der Doctor nicht in den Zug turückkehre. Zum Glück war daS HauS widerstands fähig. Nach dem vr. Ferro hatte ein Offizier der Territorialmiliz ebenfalls die Bewilligung zum AuS- steigen erwirken können. Kaum aber hatte er sein Gepäck einem Träger übergeben, und kaum hatte dieser einige Schritte gethan, so wurde er angegriffen. DaS Gepäck wurde in Stücke zerrissen, der Trä ger geprügelt. Der Offizier konnte mit Mühe und Noth wieder auf die Station und in den Zug ge langen. Erst nach 4stündiger Belagerung zerstreute sich der tolle Volkshaufe, und war es den meisten Reisenden möglich, die Station zu verlassen. 2 der selben, ein Sicilianer und ein Neapolitaner bürger lichen Standes, durch ihre Geschäfte nach Villa San Giovanni, einem etwa 15 lcm von Reggio entfernten Orte, gerufen, ersuchten den Stationsvorstand (einen sehr ehrenwerthen Turiner, den einzigen, der in dem allgemeinen Wirrwar den Kopf nicht verloren hatte und den Reisenden in jeder Art behilflich zu sein suchte), er möge ihnen gestatten, den um H4 Uhr ab gehenden Zug nach Villa San Giovanni zu benutzen. Nach erhaltener Einwilligung steigen sie in einen Wagen; aber wenige Minuten vor Abgang des Zuges nähert sich ihnen in unhöflicher und befehlShaberischer Weise" eine andere Gruppe von Reisenden, die eben falls nach Villa San Giovanni wollten, mit der Zu- muthung, auSzusteigen, und mit der Drohung, sie ver haften zu lassen, falls sie der Aufforderung nicht nach- kämen. Der Sicilianer antwortet: „Geht zum Teufel!" und bedeutet den Drohenden, daß Niemand in Italien einen freien Bürger bindern könne, seinen Geschäften nachzugehen. Daraus giebt sich, ganz entfärbt vor Angst vor der Cholera, mit welcher er die beiden un bekannten Mitreisenden behaftet glaubt, Einer aus der Gruppe für den Syndikus von Villa San Giovanni auS, noch stärker, als vorher schreiend und drohend. Der Sicilianer erwidert, auch als Syndikus hätte er nicht daS Recht, einen rechtschaffenen Mann grundlos zu verhaften, um so weniger, als die Gemeinde Villa San Giovanni hinsichtlich der Cholera noch keine Maßnahmen in Bezug auf die an der dortigen Station anlangenden Reisenden getroffen habe. Der Syndikus giebt zur Antwort, 3 seiner Freunde, aus denen die Gruppe bestehe, seien Gemeinderäthe, und sie hätten dem nach die Befugniß, sofort einen da hinzielenden Beschluß zu sassen. Die- thaten sie -denn auch und befahlen dem Stationsvorstande von Reggio, die beiden wider strebenden Reisenden zum Aussteigen zu veranlassen. Der Vorstand schlug dies rundweg ab, da die beiden Reisenden in ihrem vollen Rechte seien und er, der SvndikuS einer andern Ortschaft, in Reggio nichts zu befehlen habe. Der Zug geht mit dei^ beiden Freun den ab. In einer Waaenabtheilung allein gelassen, werden sie von den Mitfahrenden unt drohenden und geängstigten Blicken zugleich angestarrt. In der Vor aussicht, wessen sie sich bei einer Weiterreise zu ver sehen hätten, stiegen die beiden Reisenden, von zwei Uebeln da- kleinere wählend, bei der nächsten Station Santa Tatterina, einem Dörfchen etwa 6 Kilometer von Reggio, aus. Aber die Feigheit und die Furcht des Syndikus von Villa San Giovanni und seiner Anhänger legten sich noch nicht. Zur Angeberei grei fend, schrien sie im Chorus wild dem Stationsvor stande zu: „Haltet sie an, haltet sie an, sie Haden kein Gesundheitszeugnih, sie Haden die Cholera! Nehmt sie fest, nehmt sie fest!" Der Sicilianer schilt den aushetzenden Syndikus eine Memme und sucht den Stationsvorstand, der aus Furcht vor der Cholera bereits erblaßte, zu überzeugen, daß jene Individuen, die er nicht ein Mal dem Namen nach kenne, die in fame Geschichte aus toller Rachsucht erfunden hätten. Der Stationsvorstand, lächerlicherweise schreckensbleich, mahnt ihn an die Pflicht, der Autorität gegenüber die gebührende Distanz zu beachten, und bedeutet ihm wie seinem Begleiter, sich sofort davon zu machen und die Station zu verlassen. Die Beiden begreifen, daß es hier gelte, der Gewalt zu weichen, und machen sich fort, in der Befürchtung, daß nach den sträflichen Aufreizungen des Syndikus von Villa San Giovanni (eines Regierungsbeamtenl) die Hefe des Volkes nicht zögern würde, sie zu ermorden, falls die Gegend weiter alarmirt werde. In der That werden sie bereits durch einen Zollwächter und andere Kerle verfolgt, die rufen: „Packt sie! packt sie!" Der Sicilianer, ein alter Freiwilliger, welcher 3 Feldzüge mitgemacht hat, sieht sich gezwungen, Hand an den Revolver zu legen, um Jenen klar zu machen, daß er sein Leben theuer verkaufen und ihnen eine bittere Viertelstunde be reiten würde. Die Drohung that ihre Wirkung. Es verging 1 Stunde mit häßlichen Scenen, wie man sie nur in den „?rom68si opom" von Manzoni finden kann. Endlich kam der von Villa San Giovanni zu rückkehrende Zug. Der Zugführer, die Gefahr der Beiden erkennend, hält an, nimmt sie auf und bringt sie nach Reggio zurück. Hier kommt es zu neuen De monstrationen, welche gewiß ein blutige- Ende genom men hätten ohne die unvergleichliche Energie des dor tigen Stationsvorstandes, dem es endlich gelang, die Feuilleton. Redlgirl von Ltto Bauet. Ein Problem der Gesellschaft. Novell« von A. Marby. (Fortfe-uag.) VII. Unter Käthchen's Hilfe nahmen Fritz Schäfer'» englische Sprachstudien einen erfreulichen Fortgang. Nach dem Feierabend, hauptsächlich jedoch an den Men Sonntagsuachmittagen waltete sie ihres Lehrer- amte- voll Eiser und sichtlicher Freude, ahnungslos, in welch' sehnsüchtiger Erwartung Fritz dieser Stunden harrte, die als leuchtende, unvergeßliche Sonnenfunken in sein ödes Dasein fielen. Dabei hob und veredelte ihn vor sich selbst die reine Theilnahme und Herzens gute des holden Mädchens. Aber zuweilen, wenn fast Schulter an Schulter Käthchen neben ihm lehnte, zu gleich mit ihm über ein Buch oder Schreibheft gebückt, daß ihk Athem sich mit seinem vermischte, auch wohl bei raschem Aufschauen ihr blondes Haar seine Stirn streifte, erfaßte ihn da» innen glimmende Feuer mit so leidenschaftlicher Gewalt, daß er nur mühsam der Versuchung widerstand, die geliebte Gestalt an sein wild schlagendes Herz zu pressen. Dann war'S um seine Aufmerksamkeit geschehen, sem flimmernder Blick sah nicht das Wort, auf welches eben Käthchen's rosiger Finger deutete, sondern diesen allein — er antwortete verkehrt, mit unsicherer Stimme und erst, wenn Käth- cheu befremdet ihre letzte Frage wiederholte, errang er unter dem Aufgebote seiner ganzen Seelenkrast die verlorene Selbstbeherrschung zurück, oder sprang auch wohl jäh empor — und unter einem halb unverständ lich gestammelten Vorwande, KäthchenS verwundert fragende Veilchenaugen vermeidend, verließ er hastig daS Wohnzimmer oder die JaSminlaube, wo nun ge rade, je nach Frau Klein'- Wunsch, die stets gegen wärtig blieb, die Sprachstunde abgehalten wurde. Eine Weile pflegte die junge Lehrmeisterin auf seine Rückkehr zu warten, bis meist eine spöttische Bemerkung der Tante sie bewog, die Bücher schweigend zusammenzupacken, oder ihn entschuldigend zu antwor ten: „Der arme Mensch leidet wieder an seinem bösen Kopfschmerz, der ihn rein unfähig macht, zu denken." Da» nächste Mal ruhten ihre unschuldsvollen Kinderaugen aufmerksam forschend auf seinem ern sten Gesicht — seines letzten stürmischen Aufbruch» geschah mit keiner SUbe Erwähnung, seit sie wußte, wie empfindlich solche Frage ihn berührte. Als sie ein einziges Mal solche gethan, mit einem Gemisch von Mitleid und Schelmerei den Aus reißer neckend — hatte seiner eine so seltsame Verwirrung sich bemächtigt, und seine dunklen Augen hatten sie so eigen angedlickt — heiß ausleuchtend und dann so schmerzlich bittend, daß sie nicht ohne wun derlich beklemmende Empfindung daran zurückdenken konnte. Frau Klein merkte von dem Allen nichts, so schars sie auch die jungen Leute beobachtete. Zwar verwies sie Käthchen häufig den unziemlich vertraulichen Ton gegen den Knecht, dagegen dessen Benehmen ließ keinen Tadel zu. Er vergaß niemals, wa» er der Nichte seines Herrn schuldete. Trotzdem fühlte sie stets, wenn sie ihn mit seinen Büchern kommen sah, einen heftigen Aerger in sich aufsteigen, Käthchen's Lehreifer erschien ihr als die albernste Mädchengrille; daß sie deren nicht überdrüssig wurde, begriff sie nicht! Was konnte denn wohl dem dummen Dinge daran gelegen sein, ob — und wie Fritz Schäfer englisch sprach? „Heute war's zum letzten Male! Ich muß ihre Nähe fliehen!" sagte Fritz sich wiederholt. Aber — trotzdem, daß er sich der Gefahr für seine Seelenruhe vollständig bewußt war, wenn die bestimmte Stunde kam, trieb ihn eine unwiderstehliche Gewalt, sein stilles Gelübde zu brechen. „Warum soll ich mich selbst der einzigen GlückS- momeute meines Lebens berauben?" beruhigte er die innere Warnerstimme. „Wie lange noch — dann ist so wie so Alles vorbei und ihr schadet's ja nicht-. Ja, wenn ich fürchten müßte, daß auch sie —" Er wagte nicht, den Gedanken weiter zu verfolgen — und doch kehrte er wieder und wieder und ermeß- lichc Wonne durchschauerte dabei seine Brust. Gott! Gott! welche Seligkeit müßte e- sein, wenn seine Liebe einen Wiederhall fände? Wenn da- theure Mädchen um seinetwillen Verwandte und Heimath verlassen und mit ihm gehen würde über» Weltmeer? Ach! dem berauschenden Traume folgte jede» Mal da» bittere Erwachen. Er war rin Thor — ein wahn- sinniger Thor, Wünsche und Hoffnungen zu nähren, die nie, nie sich erfüllen konnten! Nicht seine Armuth, seine niedere Lebensstellung hinderten ihn, um da» höchste Kleinod seine» Herzen» zu ringen — jene ein zige dunkle Stunde, welche ihn willenlo» zur Blut- that reizte und zum Mörder stempelte, machte ihm den Besitz der Heißgeliebten ewig unerreichbar. — VIII. „ES ist also wirklich Ihr fester Entschluß, Deutsch land den Rücken zu kehren?" „Ja, Herr Lommissar. Im November reise ich ab." „Schon? Sie sollten wenigstens den Winter hin durch noch hier bleiben. Herr Klein wird Sie sehr ungern missen." „Herr Klein bekommt gewiß rasch bessern Er satz. Gerade im Winter ist ja kein Mangel an Ar beitern. " „DaS wohl nicht, aber mit dem bessern Ersatz ist's immer eine heikle Sache. Uebrigens, lieber Schäfer, habe ich bisher auch geglaubt, sie fühlen sich hier ganz zufrieden?" „Man hat e» mir an nichts fehlen lassen. Halten Sie mich" — der Ton de» jungen Mannes klang zögernder, bewegter — „darum nicht für undankbar, Herr Lommissar, wenn ich trotzdem —" „Nun ja" — schaltete Lommissar Liebert, al- Fritz stockte, freundlich ein —, „ich verstehe und ehre auch Ihre Gründe, obwohl Sie eben deshalb unbesorgt hier bleiben könnten und versichert sein dürsen, daß außer Herrn und Frau Klein weit und breit in der Runde keine Menschenseele Ihr Unglück kennt." „Wenn'» ander» wäre, Herr Lommissar" — mur melte Fritz, den Kopf senkend, mit dumpfer Stimme — „ich ertrüg'» nicht — e» wär' mein Tod!" „Nun, nun! nur nicht gleich so verzagt, mein Bester. Sie haben Ihre, wie ich ja weiß, unabsicht-
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