Dresdner Journal : 06.03.1888
- Erscheinungsdatum
- 1888-03-06
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- Public Domain Mark 1.0
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-188803068
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- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18880306
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
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- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungDresdner Journal
- Jahr1888
- Monat1888-03
- Tag1888-03-06
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- Dresdner Journal : 06.03.1888
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Majestät der König haben Allergnädigst geruht, dem Rittmeister a. D. vonZezschwitz die Erlaubaiß zur Anlegung der demselben verliehenen 2. Klasse des Fürstlich Lippe- schen HauSordenS zu ertheilen. Se. Majestät der König haben dem Postdirector Heinrich Woldemar Rüßler in Schandau das Ritter kreuz II. Klasse vom Verdienstorden Allergnädigst zu verleihen geruht. Nichtamtlicher Teil. Telegraphische Wachrichten. Berlin, S. März. (Tel. d. Dresdn. Journ.) Te. Majestät der Kaiser ast gestern mit gutem Appetit. Die Aerzte wünschen, daß Allerhöchst- derselbe noch daS Bett hüte. Der Schlaf «ar in brr letzten Nacht zwar mehrmals unterbrochen, je- doch ist der Zustand durchaus unbedenklich. Aür heute find Vorträge angesetzt. Sau Nemo, 0. März, vormittags 10 Uhr. (Tel. d. DreSdn. Journ.) Se. Kaisrrl. u. König!. Hoheit der Kronprinz »erbrachte eine recht gute Nacht und fühlte sich heute Morgen sehr erfrischt. Husten und AuSwurs find geringer. DaS Wetter ist prächtig. Wien, S. März. (Tel. d. Dresdn. Journ.) Wie daS „Kremdenblatt" meldet, dürfte die nächste ordentliche Session der Delegationen in der zwei ten Hälfte deS Mai eröffnet werden. Konstantinopel, S. März. (Tel d Dresdn. Journ) Einer HavaSmeldung zufolge nahm der gestrige Ministerrat den russischen Antrag, betref fend die Notifikation der Illegalität der Negierung deS Prinzen von Eoburg an und beschloß die Notifikation an die Bulgarische Negierung zu richten. Der Sultan genehmigte den Beschluß, worauf Großwefir die telegraphische Erklärung au die bulgarische Negierung richtete, daß die Anwesenheit deS Prinzen Ferdinand an der Spitze der Negierung deS türkischen Vasallenstaates ille- gial sei. . Dresden, 6 März. Ein Kandidat der Home-Ruler und seine Nichtwahl. — Seitdem in England das Home-Rule aus der Tagesordnung steht, ist mit jeder Nachwahl eine Aus regung verknüpft, wie sie die Tragweite des Ergeb nisses auch nicht im Entferntesten rechtfertigt. Die Blätter beider Parteien aeberdrn sich dann jedeSmal, als ob die Wähler irgend eines abgelegenen englischen Fleckens über das Wohl und Wehe von Europa zu entscheiden hätten, und am Wahltage selbst hört für ganz Britannien die übrige Weltgeschichte so ziemlich auf. DaS einzige Tagesgespräch bilden die Aussichten deS einen oder anderen Kandidaten, die Zeitungen bringen statt der Leitartikel Stimmungsbilder vom Kampfplatze, telegraphische Berichte über die einzelnen Phasen der Schlacht folgen sich von Stunde zu Stunde, endlich steht das Resultat fest und uun vollzieht sich erst daS Wunder xn' ^0^- — mit staunenswerter Geschwindigkeit ist der besiegten Partei jede Erinner- ung an daS große Ereignis entschwunden, zwei Zeilen unterrichten den Leser, daß irgendwo „dahinten" eine Wahl stattgefunden habe, über deren für die Partei ungünstigen Ausfall von vornherein kein Zweifel ob ¬ walten konnte. DaS sei weiter nicht schlimm, denn so einer einzelnen Wahl wohne ja absolut keine Be deutung inne. Am vorigen Dienstag hatten die Bürger von Deptford, einer Vorstadt Londons, ihren erledigten Abgeordnetensitz zu vergeben. Diese wackere Stadt hat von jeher sür eine Hochburg der Tone- gegolten. Bei den letzten allgemeinen Wahlen hatte der Kandi dat dieser Partei, Mr. Evelyn, ohne ernstlichen Wider stand und schon mit einer verhältnismäßig geringen Stimmenzahl gesiegt. Seither hat sich Mr. Evelyn zu Gladstones Ansichten bekehrt, und da er als Unio nist gewählt war, so mußte er natürlich sein Mandat in die Hände der Wähler zurücklegen. Er war aber klug genug, um eine neue Kandidatur, diesmal als Liberaler, auSzuschlagen, und die Anhänaer Glad stones hatten somit freie Hand, einen der irischen Mär tyrer auf den Schild zu heben. Sie wählten zu die- fem Zwecke Sir Wilfrid Blunt und damit wurde die Deptforder Wahl für jeden Engländer zu einer Art Herzenssache, denn Sir Wilfrid gehört zu den bekann testen und originellsten Persönlichkeiten in dem an Originalen wahrlich nicht armen Lande jenseits de» KanaleS. Die Berühmtheit des Hrn. Blunt knüpft sich vor nehmlich daran, daß er einen neuen Sport entdeckt hat, welch letzterer darin besteht, jeden Aufstandsversuch in den britischen Kolonien mit Wort und That zu unterstützen. Man könnte die» für einen schlechten Scherz halten, aber eS ist buchstäblich war. Wenn sich in Afrika die Kaffern erhoben, oder in Kanada die Indianer, wenn im fernen Birma der König Thibaud über die Engländer herfiel, oder die Sudan völker gegen die britischen Truppen kämpften, so er mangelte Sir Blunt niemals, im offenen Parlamente die Partei jener Feinde England» zu ergreifen und durch Interpellationen oder Amendements unermüdlich zu ihren Gunsten thätig zu fein. Die Engländer, welche alles Originelle lieben, verfolgte!, sein Gebühren nicht ohne Interesse, und seine Wähler blieben ihm treu. Endlich aber wurde ihnen die Sache doch ein wenig zu bunt. Als sich nämlich Arabi Pascha gegen die Engländer erhoben hatte, litt es Sir Blunt nicht mehr m der Heimat, er wußte die schöne Gelegenheit wahrnehmeu, einmal von Worten zu Thaten über zugehen, und begab sich nach Ägypten, wo er bald ArabiS vertrautester Freund und Ratgeber ward. In dem kurzen Kampfe, welchen Arabi gegen die Eng länder führte, stand ihm Sir Blunt getreulich zur Seite, worauf ihn allerdings seine Wähler einluden, sein Mandat gefälligst niederzulegen, was er auch that. Seit dieser Zeit reiste Sir Blunt in der Welt umher, immer auf der Suche nach irgend einem kleinen Aufstande, bei dem er sich nützlich machen könnte. Aber eS wollte sich lange Zeit nickt» Paffendes finden, bis ihm endlich aus der Heimat die frohe Kunde kam, daß er nicht weiter in die Ferne zu schweifen brauche, in Irland gebe e» eine herrliche Revolution oder könne doch wenigstens jeden Tag zum Ausbruch konimen. DaS hören und in da» Dampsboot nach England springen, war sür Sir Blunt Sache eine» Augenblicks. Er langte in der Heimat an, al» eben der Kampf der irischen Nationalliga gegen das Zwangsgefetz am heißesten entbrannt war. In Begleitung seiner Ge mahlin, Lady Anna, unternahm er sofort eine AgitaticnS- reife nach der grünen Insel und v-ranstaltete dem be hördlichen Verbote zum Trotz in den proklamierten Provinzen Versammlungen, in denen er das Volk zum Widerstand gegen die Regierung aufmunterte. Natürlich geriet er sehr bald mit den Konstablern in Konflikt. Eine sciner Versammlungen wurde aufge löst, er felbst, wie Lady Anna leisteten der Polizei thätlichen Widei stand, und so kam es, daß der edle Sir zu einigen Monaten Gefängnis verurteilt wurde. Noch gegenwärtig siht er hinter Schloß und Riegel, um seinen aller Vorsicht spottenden FreiheitSdurst ab zubüßen. Aber selbst im Gefängnis mußte Sir Wilfrid vor feinen Mitmärtyrern etwas voraus- habe», nämlich feinen Überzieher. Diesen Über zieher, so behauptet man, hat Hr. Blunt von seinem Freunde Arabi Pascha zum Geschenk erhallen und Thatsache ist, daß er sich niemals von ihm trennte. Er trug ihn Winter und Sommer, in Sturm und Sonnenschein, bei Hitze und Kälte, am Tage und — so versichert wenigstens der „Punch" — auch deS Nachts Diesen seinen geliebten Überzieher wollten ihm die herzlosen Gefängniswärter entreißen. Sie konnten es nicht begreifen, wozu er dieses Kleidungs stück in seiner wohlgeheizten Zelle gebrauchen wolle Aber da kamen sie an den RechtenI Mr. Blunt ver- tcitigte seinen Überzieher wie eine Löwin ihre Jungen, und die Presse aller Parteien kam ihm zu Hilfe. „Wie?" hieß eS, „Mr. Blunt ohne Überzieher? Dat geht unmöglich an! Da könnte man ihm ja ebenso gut die beiden Beine amputieren I" — und kurz und gut, der Freund Arabi Paschas trug den Sieg davon; er durste seinen Überzieher behalten und marschiert jetzt, mit demselben angethan, stolz in seiner Zelle auf und ab. Diesen sonderbaren Heiligen erwählten also die Home-Ruler zu ihrem Kandidaten für Deptford. Sie entfalteten zu feinen Gunsten eine Agitation, die alles bisher Dagewefene in den Schatten stellte An der Spitze des Wahlkomitees stand Lady Anna, die Gemahlin de» Kandidaten. Jeder Wähler wurde mit einem von ihr cigenhändig unterzeichneten Briefe bedacht, in welchem sie ihn auffordeite, die Kandidatur ihres Manne» zu unterstützen, dessen schwierige Lage sie nicht vergaß, ge hörig herauSzustreichen. „Nicht einmal eine Unter redung zu Wahlzwecken", hieß eS in dem Briefe, „hat mir die Regierung mit meinem Gemahl verstattet, und so haben seine Gegner leichtes Spiel, ihm alle mög lichen ungereimten Meinungen unterzuschieben, ,die ich Euer Wohlgeboren eindringlich bitte, nicht glanben zu wollen." Und nicht bloß brieflich war Lady Anna für ihren Mann thätig, sie ging auch perfönlich von Hau» zu Haus, fragte nach dem Befinden de» Groß- vateis, unterhielt sich mit den Frauen über ihren Haushalt, sand ihre Kinder allerliebst und vergaß natürlich nicht, den Hausherrn aufzufordern, für Sir Mlsrid zu stimmen. * Mr. Gladstone war du^ch einen offnen Brief an Lady Blunt für den Mann mit dem Überzieher ein getreten. Sir Wilfrid möge einen technischen Verstoß begangen haben — schrieb der große alte Mann — aber ganz gewiß sei er in der Absicht nach Irland gegangen, da» Gesetz ausrecht zu erhalten, Volksrechte zu schützen und die Iren in dem rechtmäßigen Kampfe gegen ein Zwangssystem zu unterstützen, das zum ersten Male nicht gegen Verbrechen gerichtet sei, son dern vielmehr Unternehmungen verbiete, die Engländern vollkommen gestattet seien. Er hoffe, daß sich Dept ford denjenigen Wählerschaften anreihen werde, welche während der letzten l2 Monate das Zwangssystem, welches die Regierung in Inland befolge, verdammt haben. Endlich brach der Morgen de» Wahltaae», der 28. Februar, an. Die Aufregung in Deptford war eine ungeheme. Der Pöbel hielt da» Wahllokal be lagert und empfing jeden uniouistischen Wähler mit lau tem Geheul und Schimpsreden. Durch die Straßen der Stadt wurde in feierlicher Prozefsion eine Wachs figur getragen, welche den Märtyrer Blunt in Lebens größe und lprechend ähnlich darstellte, wie er mit fei nem Überzieher angethan auf einer Diele de» Gefäng- nisfes ruht. Da die politische Meinung fast jedes Wählers bekannt war, so wußte man immer, wie sich da» Stimmenverhältnis stellte. Lange Zeit blieb der Feuilleton. Eine hollLudische Erbschaft.*) Humoreske von Oskar Klaußmaau. I. Wenn man in den Thalkessel hinabsteigt, der sich zwischen den sanft ansteigenden Höhen der Vorberge befindet, so findet man auf dem Grunde diese- Thal» kessel» den Ort Germersheim. E» ist die» ein eigen tümlicher Ort. Er ist nicht Dorf und nicht Stadt; er ist eine Art Kurort und ist doch wieder keiner. Aber im Sommer finden sich in ihm au« allen Gauen untre» Baterlande» Fremde ein, die eine Art Luftkur gebrauchen, und in der That ist die Lage de» Ört chen» inmitten der Berge, die gegen die bösen Winde Schutz bieten, und in der Nähe großer Buchenwal- düngen eine äußerst gesunde und der Aufenthalt in demselben für den Sommer ein angenehmer. Die meisten Häuser sind deshalb auch für die Aufnahme Fremder während de» Sommer» eingerichtet, und des halb hat daS Dörfchen einen fast städtifchen Anstrich. Da» ist aber rein äußerlich, und wenn man erst eine Zeitlang da gelebt hat, so sieht man ein, daß man sich in der That keinen besseren Erholung»ort wünschen kann, al» Germersheim, nicht nur wegen seiner abge schiedenen Lage, sondern auch, weil hier nicht» ge schieht, was denjenigen, der sich auiruhrn will, auf regen und beunruhigen könnte. Da« Geräusch der Großstadt dringt nicht bi« hierher, und wenn nicht * llabefugt« Nachdruck «UerfaA täglich einmal der PostumnibuS käme, der von der nächsten Stadt her den Verkehr vermittelt, so würde Germer-Heim ganz außerhalb der Welt liegen. Da» Örtchen besteht eigentlich nur au» zwei sich kreuzenden Straßen. Aber auch seine Einwohnerschaft ist eine sehr eigentümliche. Nicht nur im Sommer die Badegäste, sondern da» ganze Jahr über halten sich da al- ständige Einwohner allerlei Leute aus den besseren Ständen auf, die sich hierher zurückgezogen haben, um in Ruhe ihre Tage zu beschließen, ins besondere Pensionäre und kle ne Rentner mit ihren Familien, welche hier ebenso angenehm als billig leben können und, wenigsten- zur Sommerszeit, auf dem Dorfe auch die Annehmlichkeiten wie in der Stadt haben. Auch Frau Schmidt hat sich hierher mit ihrer Tochter zurückgezogen, seitdem ihr Gatte, welcher Be amter war, gestorben ist, um hier ihre, wenn auch nicht kleine, so doch auch nicht allzu große Pension in Behaglichkeit und Muße zu verzehren. Sie wohnt in dem Häuschen dicht an der Hauptstraße, und wenn wir die Pai terrezimmer betreten, au- denen die Woh nung besteht, so sind wir angenehm berührt von der Behaglichkeit, ja, man möchte sagen von der Behäbig keit, die sich in den Zimmern und ihrer Einrichtung au-drückt. Die alten Mghtl mit ihren Messingbeschlägen, mit ihrem ledernen Überzug sind noch alle rn vortrefflichem Zustande und machen schon allem durch ihre barocken Formen einen traulichen, anheimelnden Eindruck. Die Bilder an den Wänden, die Nippessachen, die Uhr und auch die Spiegelrahmen kommen uns etwas ver altet und verzopft vor, aber zusammen mit den nicht allzu hohen Zimmern, mit den weißen, säubern Gar dinen machen sie doch wiederum einen Eindruck, der den Beschauer geradezu befangen machen kann, wenn er nur Interesse für solche Behaglichkeit hat. Auf einem hochlehnigen Soia sitzt Frau Schmidt an einem langen Tisch, der davorsteht und doch kaum genügend scheint, um die Aktenstücke zu tragen, die auf demselben aufgrstapelt sind. ES sind Konvolute von Schriftstücken, geordnet und geheftet, zumeist, wie eS scheint, Briese, dann aber auch amtliche Schriftstücke, und Frau Schmidt, welche trotz ihres Alter-, ohne eine Brille zu gebrauchen, in diesen Schriftstücke» herumgefucht, sieht ganz rot vor Eifer au-, und daS immer noch schöne Gesicht der hohen Fünfzigerin er scheint gerötet, während die Haube aus dem Kopf der alten Dame sich in dem Elfer oder au- Ärger darüber, daß der Kopf hin und her gedreht wird, ganz schief gesetzt hat „Ich finde da- Schriftstück nicht", sagte Frau Schmidt und wandte sich mit dieser Anrede an ein jungc» Mädchen von vielleicht zwanzig Jahren, das am Fenster sitzt und mit einer der unvermeidlichen Handarbeiten beschäftigt ist, welche die Frauen so sehr lieben. „Welches Schriftstück meinst Du?* fragte eine wohltönende Stimme. „Ich bitte Dich", entgegnete Frau Schmidt; .ich sagte eS Dir schon einmal: da» finnische Aktenstück. — Du bist heute merkwürdig zerstreut!' DaS junge Mädchen errötet und dann erhebt - sich rasch, wobei wir bemerken können, daß eS eine prächtige Figur hat, und daß wir in Fräulein Bertha geradezu eure Schönheit vor un» haben. DaS junge Sieg zweifelhaft. Endlich, gegen 3 Uhr deS Nach mittags, war der uniomststche Kandidat Darling seinem Nebenbuhler um gerade 100 Stimmen voraus. Als die- bekannt wurde, gerieten die Homeruler außer sich. Ein bekannter Unionist, der Oberst Graham, wurde von dem Pöbel thätlich insultiert als er sich zur Wahl begeben wollte, sein Wagen umgeworfen und er selbst am Kopfe schwer verletzt. Im Nu «urde diese- beklagenswerte Vorkommnis von dem konservativen Wahlkomitee durch Ausrufer und durch Anschläge der ganzen Stadt kundgemacht. Es trug begreiflicherweise nicht wenig dazu bei, die kon servative Majorität zu verstärken Sie belief sich schließlich auf 275 Stimmen, nach der übermenschlichen Agitation der Home-Ruler immerhin ein erfreuliche- Resultat. Mr. Blunt hat viertausend und einige Stimmen auf sich vereinigt, fast 500 mehr al- bei der letzten Wahl der konservative Sieger, woraus man einen deutlichen Schluß auf die Lebhaftigkeit der Wahl beteiligung ziehen kann. Alt daS Resultat verkündet wurde und Mr. Darling die üblichen Danketworte an seine Wähler richten wollte, wurde er von dem erregten Volke ebenfalls angegriffen. ES entspann sich zwischen Siegern und Besiegten im Wahlkampfe noch ein regelrechter Faustkampf, in welchem, wie eS scheint, die Home-Ruler ihrem Rachedurst Genüge thaten und Mr. Darling ganz gehörig durchprügelteu. Ob ihn diese böse Erfahrung Ar Irland freundlicher stimmen wird, möchte zu bezweifeln fein. Wir haben der Deptforder Wahl, welche an sich gewiß kein große» Ereigni» ist, eine vielleicht zu aus- führliche Betrachtung gewidmet, ober am Ende kann man sich au» der bloßen Aufzählung weniger be deutender Thatsachen ein ebenso gute» Bild von der Stimmung in England machen al» au» einer ab strakten psychologischen Studie. Lagesgeschichte. Berlin, 5. März. Se Majestät der Kaiser leidet an einem leichten Erkältuvg»zustand, wodurch der Monarch vorau»sichtlich genötigt sein wird, auf einige Tage da» Zimmer zu hüten. Heute vormittag nahm der Kaiser einige Vorträge entgegen und arbeitete nachmittag» einige Zeit mit dem Lhef de» Zivil- kabinettS. über das Befinden Sr. Laiserl. und König!. Hoheit d«S Kronprinzen liege« hente keine Nachrichten von Bedeutung vor. Da» äußere Wohlbefinden de» hohen Kranken dauert fort. Prinz Wilhelm ist heute früh au» San Remo wieder abgereist. Der Bunde» rat hat in feiner heutigen Sitzung dem Ausschußberichte über den Gesetzentwurf wegen Feststellung eines Nachtrages zum ReichShau»- haltsetat (Eifenbahnbau) für das EtatSjahr 1888/89 zugestimmt. Die Zeitungsnachricht, daß zu vortragenden Räten bei dem Prinzen Wilhelm Prof. Gneist und RegierungSrat v. Brandenstein ousersehen feien, ist der „Köln. Ztg." zufolge ungenau. Dem Prinzen Wilhelm sind zur Seite gestellt der Geh. Rat Prof. I)r. Gneist zum Vortrag über da» gefamte Gebiet der Staat-recht-, über die allgemeinen und grundsätzlichen Fragen der inner« Politik, der vortragende Rat v Brandenstein, der seit mehreren Jahren dem Ober präsidenten v. Wolff in Magdeburg zur Bearbeitung der Präsidialgeschäfte beigegeben war, gewissermaßen als Korrespondenzsekretär für die lausenden Dienst- geschäfte in der mnern Verwaltung und der Oderst- lieutenant v. Wittich zum Vortrag für Militär angelegenheiten. Prof. Gneist ist, wie e» heißt, auf unmittelbaren Vorschlag de» Fürsten BiSmarck zu dem Dienst bei dem Prinzen Wilhelm berufen worden. Mädchen geht eilfertig an einen Schrank hin, dessen Messinggriffe eS herumdreht, bi» sich die Thür öffnet, um Fächer zu zeigen, welche lediglich mit Aktenstücken und Briefen vollgestopft sind. „Hier ist da» finnische Aktenstück!* erklärte Bertha und reicht ihrer Mutter ein große», dicke» Akten- volumen Dann nimmt da« Mädchen wieder am Fenster Platz und wirst hin und wieder einen verstohlenen Blick auf die Mutter. Die alte Dame blätterte unterde» immer aufgereg ter in den Aktenstücken herum, bi- sie plötzlich ziem- lich unwillig sagte: „Ich begreife Dich nicht, Beilha, wie Du so ruhig bleiben und e- über Dich gewinnen kannst, mich hier allein mit meinen schwachen Augen suchen zu lassen!* „Mama!* entgegnete da- Mädchen, wie eS schien, vorwurfsvoll, „ich wollt« Dich nicht stören. Aber ich bitte Dich, Dich doch nicht unnützerweise mit diesen Aktenstücken aufzuregeu; e- hat ja doch keinen Zweck!* Die alte Dame schien über diese Bemerkung ihrer Tochter ganz außer sich zu geraten „Keinen Zweck!" sagte sie entrüstet. „Keinen Zweck! — Lind, ich glaub«, Du hast den Verstand verloren. Keinen Zweck, wenn e- sich um Millionen handelt! — Um Millionen, sage ich Dir! nicht etwa um eine Million. Ich habe e- mir gestern nach mittag ausgerechnet, während Du den Spaziergang machtest. Die Erbschaft beträgt zwar nur eine Million holländische Gulden, aber wenn wir die Zinsen seit vierzig Jahren hinzurrchnrn, wenn in Betracht ge- zogen wird, welche Verbesserung der Wert der Güter in Ostindien erfahren hat, so glaub« ich nicht zu ge»
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