Dresdner Journal : 13.07.1888
- Erscheinungsdatum
- 1888-07-13
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-188807132
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18880713
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18880713
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungDresdner Journal
- Jahr1888
- Monat1888-07
- Tag1888-07-13
- Monat1888-07
- Jahr1888
-
955
-
956
-
957
-
958
-
-
-
-
-
-
-
-
- Titel
- Dresdner Journal : 13.07.1888
- Autor
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
w 161. 1888. Freitag, den 13. Juli, abends. I» »«>»»«»„ ^U»rU<ck, . . . . U 4 50 ?L lLi»»«to« ltrmuwor»: 10 ?L N«ol»«« tritt ko«t- a»6 L>»N»4I»»«»U»k»Nr»» k^tr ä«, lt«»a «iE Ep»lt«»«i» L«1« ^I«iE SoUrilt Iw kL v»t«r ,,I«,^«»i>iit- cki« Teil« iw kt. v«i Hd«U«»- aoä 2iS«rL»»t» «r>t«pr ^aL«U»G. Nr„N«t»«» IB^liok Mt Xo«n»tuQ« ä«r 80»- m»ä k««rt»^« k^«r»«pr»oli Kr INVt. Dres-mrÄmmml. Für di« Gesamtlettung verantwortlich: Hofrat Dtto Banck, jTrofessor der (Literatur- und Kunstgeschichte. L»»>»»« r», L»l:auaiU»U«, »wnrLrl«, 0ommlM!«»»r 6«, Ur««<1»«r ^ounuU«, W «K»dllr,-N«rU» Vi«» - N»»«i er«»t1»rt «. L.! <F ^o^«r, L«rU» Vt« -L»»d«rU- ?r«G.L«tp^U Vr»»k1«r1 «. Lt«»«,' k»r1» I«L«» I«rU» ^nutlckari «. ». Da«-« -» 0o., I«rU»! lE»^<t«»«iaat, «ritt»: v. ^tiM«r« s«»»ov«r! 0. So-<i«r«r, n«u« ». ».! Saret » Oo. S«r»u>ss»d«r» Loni^i. Lrpsäition äs« Orsiäasr ^ouro»U l>rv«1sL, 2»io^vr»trL«»« 10 koruiprvvk-^Lioll»««; l^r. 1285. Amtlicher Teil. St. Majestät der König haben Allerguädigst ge ruht, dem Ehrenmitgliede der Akademie der bildenden Künste zu Dresden, Bildhauer Henze daselbst den Titel Professor der Bildhauerkunst zu verleihen. Nichtamtlicher Teil. Geographische Wachrichten. Wiesbaden, 13. Juli. (Tel. d. DreSdn. Journ.) Dem „Rheinischen Courier" zufolge begab sich der hiesige Polizeipräsident gestern abend zur Königin von Serbien und eröffnete ihr, da- er heute vor mittag, wenn eS notwendig sein sollte, mit Ge walt den Kronprinzen abholeu werde. Wiesbaden, 18.Juli. (Tel.d DreSdn.Journ.) Der Kronprinz von Serbien wurde heute vor mittag kurz uach 1V Uhr de« PolizeiprLfideuteu übergeben. Paris, 13. Jnlt. (Tel. d. DreSdn. Journ.) Gutem Lernehmen nach wird infolge der gestrigen LorgLnge in der Deputierteakammer noch i« Laufe de» heutige« Taget «in Duell zwischen dem Ministerpräsidenten Aloqnet und dem General Boulanger stattfindev. Paris, 13. Juli, nach«. (Tel. d. Dre dn. Journ.) Heute vormittag fand daS Duell zwi- scheu Aloqnet und Boulanger statt. Bei« erste« Gauge wurde Aloquet au der rechten Haud uud Bovlauger am linken Schenkel leicht verwundet. Beim zweiten Gang wurde Aloquet ganz leicht an der linken Brust, Boulanger aber am Halse schwer verletzt. London, 12. Juli, abeudS. (W.T.B.) Rach einem Telegramm deS Reutersche« BureauS auS Capetow» war gestern abend der Eingang deS Schachtes von de« Bergwerk DebarS bei Ki«. brrley in vollen Brand geraten. Im Bergwerk sollen sich, als daS Aener auSbrach, gegen 500 Per sonen, darunter der Leiter deS Betriebes Lindsay und eine größere Zahl von Europäern, befanden haben. Man befürchtet den Lerlust zahlreicher Menschenleben. St. Petersburg, 13. Juli. (Tel. d. DreSdn. Journ.) DaS „Jourual de Gt. PöterSbourg" er klärt di« auSwärtS »erbreittten Gerücht« übrr neue finanzielle Operattoven Rußlands für vollstän dig unbegründet. Dresden, 13. Juli. Der Tunnel unter dem PaS de Calais. L? „ES giebt ein halbe» Dutzend Wege", sagte Graf v. Moltke, „um ein Heer nach England zu werfen, aber ich wüßte keinen — wenigstens keinen unbedingt sicheren — um eS wieder herauSmziehen." Diesen Ausspruch des großen Strategen werden die Londoner Blätter nicht müde immer und immer wieder als ein Argument gegen den geplanten Bau eines TunnelS zwischen Dover und Calais anzuführen, denn — fo urteilen sie — wenn er möglich ist auf unferer Jufel feindliche Heere zu landen, fo ist eS auch nicht un möglich, daß sich dieselben der englischen Mündung jenes Tunnels bemächtigen, womit dem Feinde ein neuer Zugang, und was mehr sagen will, eine vor treffliche RückzugSstraße gesichert wäre. Erwägungen dieser Art haben denn auch das englische Parlament veranlaßt, das von gewisser Seite mit großer Hart näckigkeit verteidigte Projekt vor wenigen Tagen zum dritten Male mit ansehnlicher Majorität zu verwerfen, wenngleich eS nicht ganz sicher ist, ob daS Volk die Ansicht deS Parlamentes über diesen Punkt teilt. Die eifrigsten Fürsprecher des Tunnelbaues find in England die Herren Gladstone und Edward Watkin; in Frankreich — wo übrigen» die öffent liche Meinung dem Plane ausnahmslos günstig ge stimmt ist — hat sich besonders Hr. Löon Say durch nachhaltige Förderung der Projekts hervorgethan. Mr. Gladstone ist lange Zeit ein ausgesprochener Gegner de» Tunnels gewesen und erst in den letzten Jahren gelang er seinen französischen Freunden, den greisen Staatsmann von der taktischen Harmlosigkeit einerseits und den ungeheuren Vorteilen, welche der neue Verkehrsweg für den Handel im Gefolge haben müsfe, andererseits zu überzeugen, fo daß er bei der letzten Beratung der Tuunelbill eine Lanze für die« felbe brach. — Sir Edward Watkin ist der bedeu tendste Aktionär, in Wirklichkeit der Besitzer eines großen Teiles der Eisenbahnen im Südosten Eng lands. Er hat eS durchgesetzt, daß der englische Mün« dung-punkt deS Tunnels auf ihm gehöriges Gebiet, zwischen Folkestone und Dover, zu liegen kommt und befände sich damit in der Lage, den gefamten Tunnel verkehr für feine Eisenbahnen zu monopolisieren. Man begreift, daß Sir Edward Watkin alle- andere dem Tunnelbau hintansetzt; man kann sogar begreifen, daß er aus einem Freunde Lord Salisburys sein er bittertster Feind geworden ist, bloß weil sich die Re gierung welgerte, die Tuvnelbill zu unterstützen, aber weniger leicht ist eS zu begreifen, daß man in Eng land diese verblüffende Frontschwenkung des einfluß reichen Herrn als ganz selbstverständlich bettachtet, und daß es sein?» Wählern nicht in den Sinn kommt, ihm deshalb ein Mißtrauensvotum zu erteilen. — Was endlich Hrn. Läon Say, den ehe maligen Finanzminister Frankreich» anlangt, so leiten auch ihn zwar ehrenwerte, aber doch persönliche Gründe bei seiner unablässigen Propaganda für den Tunnel bau. Hr. Say ist Borsitzender des Aufsichtsrats der „Nordfranzösischen Eisenbahnen", deren ohnehin schon bedeutender Ertrag sich noch unvergleichlich erhöhen müßte, wenn ihnen der Handel Englands mit dem Kontinent tributpflichtig würde. Die Fürsprecher des Tunnels und feine Unter nehmer sind fo vollkommen sicher, dem Uvterhause die Genehmigung zu dem Bau binnen kurzem doch noch abznringen, daß sie auf der französischen Seite mit den Arbeiten schon begonnen haben. Sie rechnen darauf, daß der praktische Sinn John Bull» die un verkennbaren Vorteile, welche der neue Berkehr-weg darbieten müßte, selbst auf die Gefahr hin, einen feind lichen Einfall zu erleichtern, auf die Dauer wird nicht entbehren wollen. Nur fragt eS sich, ob diese Vor teile wirklich so groß und weittragend sind, als die Freunde des Tunnel» behaupten. Bei dem Waren- tranSport würde ein zweimaliges Umladen erspart, was allerdings sowohl die Schnelligkeit als die Billig keit der Beförderung erhöhen müßte; für den Personenverkehr käme dazu noch der Wegfall jener Krankheitserscheinungen, welche jede Meerfahrt so lästig machen und weiter die erhöhte Sicher heit der Lebens der Reifenden. Ohne Zweitel sind dies nicht ungewlchtige Vorteile, doch leider wird ihr Wert durch Erwägungen anderer Art ein wenig hcrabgemindert. Zunächst würde die Umwälzung in den Handelsbeziehungen, welche der Tunnelbau her beiführen müßte, höchstwahrscheinlich verderbliche Folgen für denjenigen Teil des Handelsstandes haben, welcher auf das gegenwärtige Transportsystem ange wiesen ist. Dies wenigsten- ist die Meinung Mr. GoschenS, wie er ihr dem Unterhause gegenüber Aus druck gab. Viele finden, daß dieser Grund nicht son derlich stichhaltig sei und ein wenig an die ehemalige Argumentation der Fuhrwerksbesitzer gegen den Bau Feuilleton. Geheilter Wah«.*) Erzählung v» F. v. Kapss-Lssenther. Es schlug neun Uhr auf der großen Pendeluhr der Eßzimmers. Wilhelm erhob sich, um zu gehen, wa» er jeden Tag pünktlich um diese Stunde that. Seine Stellung al» Verwandter de» Hause» erlaubte ihm, so lange bei den beiden alleinstehenden Damen zu verweilen; aber seinen Besuch über diese Stunde au»zudehnen, da» glaubt« er nicht statthaft, denn trotz der jahrelangen Beziehung zu seiner schönen Cousine war er noch nicht deren erklärter Bräutigam. Man muß sich da» gut überlegen, pflegte er zu seiner Tanle zu sagen, wenn von dieser Heirat die Rede war, und Julie selbst hat vollkommen Recht, wenn sie sorgsam erwägt. Er selbst konnte Watten, «an sah e» ihm förm lich an. Sein hübsches, regelmäßiges Gesicht mit den hell blauen Augen hatte einen fo ruhig zuversichtlichen Ausdruck, al» wäre er nicht ein Bewerber, sondern ein seit drei Jahren verheirateter Ehemann. Heute aber erhob er sich so automatisch beim ersten Schlage der Uhr, als wäre er durch da» Uhrwerk in Beweg- ung gesetzt worden. In Wahrheit hatte man heute stillschweigend die neunte Stunde herbeigesehnt, denn die beiden, Wilhelm und Julie, litten diese» Abend . *) Nachdruck untersagt. an einem gewissen Unbehagen. Sie hatten sich ganz tüchtig gelangweilt. Da» kann wohl einmal passieren, wenn man seit Jahren verkehrt, täglich zusammcnkommt, alle seine Meinungen und Ideen schon ausgetauscht hat und an dem betreffenden Tage nicht» Besondere- vorgefallen ist. Jode», wenn auch ihm nichts passiert sein mochte, für sie war der Tag nicht bedeutungslos gewesen. Sie hatte heute den letzten Korrekturbogen ihrer No velle „ Sappho" erhalten, welche als chr Erstlings werk binnen kurzem im Drucke erscheinen sollte. Aber gerade davon mochte sie mit ihrem Vetter nicht sprechen, denn er war von Anbeginn gegen die Sache gewesen. Zwar, al» früher einige Zeitungsartikel aus ihrer Feder erfchienen waren, in Blättern, welche sich von den Gratisarbeiten junger dilettierender Schriftsteller bescheiden, aber ehrlich ernähren, da war er ein wenig stolz und eitel gewesen. Er schleppte die betreffenden Nummer« mit sich herum und zeigte sie allen Freunden uud Bekannten: DaS hat meine Cousine, die schöne Julie Römer, geschrieben. Und er that dies, obgleich die Artikel mit dem Pseudonym ,L. RomanuS" gezeichnet waren und Julie die Anonymität zu wahren wünschte. Aber als sie selbständig und ein wenig eigenwillig wie immer daran ging, ihre Novelle im Buchhandel herauszugeben, da hatte sich Wilhelm sehr entschieden dagegen erklärt. ' Natürlich war sie ganz gelassen bei ihrem Plane geblieben. Heute, als er dasaß und «it größter Dir- kretion die >h« gestattete Zigarre rauchte, hatte sie unaufhörlich nur daS Eine gedacht: Mein Buch kommt jetzt heraus in die weite, weite Welt! Und sie beachtete kaum das schleppende Gespräch zwischen Mama und Wilhelm, welches von der heu rigen Sommerfrische, von den Vorgängen in der Stadt und von den Bildern in der letzten „Bazar "-Nummer handelte. AIS Wilhelm jetzt ausstand, fühlte Julie eine Regung dek Bedauerns für ihn, da sie ihn so sehr vernachlässigt hatte, und sie sagte sehr freundlich: Wirklich, Sie gehen fchon? ES geschieht oft, daß eine gelangweilte Gesellschaft im letzten Moment sehr lebendig wird, als hätte sie etwas Versäumtes nachzuholen. Und Julie begleitete ihren Vetter mit liebenswürdigem Eifer bis in daS Vorzimmer, wo er seinen Oberrock anlegte und sich mit der ihm eigenen, nicht anmutlosen Gelassenheit eine frische Zigarre ansteckte. Plötzlich klopfte er auf seine Seitentasche und rief: War mir doch immer, als hätte ich Ihnen etwas zu sagen! Er zog ein kleines Päckchen hervor, welches offenbar ein Buch enthielt. Was sehe ich heute in einem Schaufenster der inneren Stadt? fuhr er fort. Ein Buch mit dem Titel „Die neue Sappho" von Emil KrvncS. Ich ging gleich hinein, da» Buch zu kaufen. Offenbar ein Seitenstück zu dem Ihren. Ich dachte, eS würde Sie interessieren; da ist es, liebe Julie I Ich danke herzlich, gewiß wird eS mich interesfiren, natürlich derselbe — »der ein ähnlicher Stoff. Sie sagte daS in ihrem gewohnten kühlen Tone und sie wunderte sich dabei über ihre anscheinende Ruhe, denn in Wahrheit hatte bei den Worten deS Vetter» ein der Eisenbahnen erinnere. Mehr Beachtung verdient ein zweiter Einwurf Mr. Goschen». Wird der Tun nel wirklich fertig gestellt — so führte der englische Schatzkanzler auS — dann würde die Handelsflotte, welche gegenwärtig den Verkehr zwischen England und dem Kontinent vermittelt, zum großen Teile ver schwinden. Welche ungeheure industrielle Krisis aber müßte entstehen, wenn durch irgend einen Zufall der geplante Hauptverkehrsweg zwischen England und dem Festlande auf einige Zeit unpassierbar würde? Diese Möglichkeit birgt allerdings sowohl für Großbritan nien wie für den Kontinent viel Bedrohliche- in sich, doch wird von anderer Seite auch dieser Einwurs Mr. GoschenS al- gegenstandslos erklärt und zwar ge schieht dies nicht einmal durch die Freunde, sondern durch eine anvere Gruppe von Feinden de- Projektes. Diese letzteren behaupten nämlich, daß der Tunnel auf den Warenverkehr gar keinen nennenswerten Einfluß aus« üben würde. England könne ja doch nicht darauf rechnen, feine ehemalige Oberherrschaft in Handels« politifcher und industrieller Beziehung über Mittel europa aufrecht zu erhalten. Sine ausgedehnte Kund schaft für feine Rohprodukte und Jndustrieerzeugnisse würde eS nach wenigen Jahren nur noch in den tranSoceanifchen Ländern haben, und allenfalls in jenen Gebieten Europa-, für welche der Wasferweg stet» der bequemere und billigere bleiben würde, d. h. in den Ländern des Mittelländischen und Schwarzen Meere-. Schon heute besitze England nicht mehr sein frühere- Monopol für Kohlen, Metalle und Maschinen, und die exotischen Rohstoffe, welche Mitteleuropa ehe mals auf dem Wege über England bezog, werden von den Kaufleuten de- Kontinents fchon seit langem an erster Quelle gekauft. Die englischen Manufaktur waren endlich treffen überall in Europa auf starke Zollschranken, welche sich überdies in dem Maße er höhen dürften, als die Transportkosten jener abneh- men. Somit würde die unterseeische Bahn im wesent lichen auf die Beförderung von Reisenden angewiesen fein, und es frage sich sehr, ob unter diesen Umstän den eine angemessene Verzinsung der Kosten de- Tun nel- zu erzielen sei. Die finanzielle Seite ist eine der schwächsten des Projekte-. Richt daß eS an den nötigen Kapitalien mangeln würde, aber die Ansichten über die wahr scheinlichen Kosten und die wahrscheinlichen Einnahmen «Herr himmelweit auseinander. Während die Für sprecher des Baues dem Tunnel eine ebenso goldene Zukunft wie dem Suezkanal vorausberechnen, behaupten feine Feinde, er würde zu einem zweiten Panama werden. Es ist ganz unnötig an dieser Stelle auf eine Frage einzugehen, über welche unter den Fachmännern nicht die geringste Übereinstimmung herrscht, und eben sowenig wollen wir im Namen der Geologie über die ununterbrochene Kontinuität der Kreideschichten zwischen der französischen und englischen Küste entscheiden, ob schon diese Kontinuität eine nicht hoch genug zu schätzende Erleichterung des Baues bedeuten würde. Ernstliche Zweifel an der finanziellen und technischen Möglichkeit der Baues sind nirgend laut geworden, und auch die Gründe, welche man gegen den wirt schaftlichen Nutzen der Tunnels geltend gemacht hat, sind säst alle ein wenig weit hergeholt, so daß sie die handgreiflichen Vorteile de- geplanten Verkehrsweges kaum herabzumindern vermögen. Warum also sträubt sich England gegen den Bau des Tunnels? Sein Mißtrauen gegen Frankreich ist der letzte und wahre Grund. Wenn irgend ein Volk eine- bequemen Wege- bedarf, um seinem Nachbar Besuche abzustatten, oder, was noch öfter der Fall ist, daS Nachbarland schnell durchreisen zu können, so ist es das englische. Der Franzose reist selten nach England und verweilt dort nicht länger, als unumgänglich nötig ist. Daher käme eS eigentlich den Engländern zu, die Konstruktion deS Lagesgeschichtr. * Berlin, 12. Juli. Se. Majestät der Kaiser nahm im Laufe de- heutigen Vormittag- mehrere Vorträge entgegen und arbeitete mit dem Mlitär- kabinett. Um 7 Uhr abends fand im Marmorsaale de- Potsdamer StadtfchlosseS ein Galadiner von einigen 50 Gedecken statt, an welchem die Herren der Diplomatie, ferner der StaatSminifter Graf Herbert v. Bismarck, sowie Notabilitäten des Hofe« teil- nahmen DaS Kriegsministerium bringt folgende allerhöchste, die Änderung der Armee-Einteilung betreffende Kabinett-ordre zur Kenntni- der Armee: Ich bestimme hierdurch: In der Zusammensetzung der 1. und 2. Armee-Inspektion haben folgende Än derungen einzutreten: Die 1. Armee-Inspektion soll fortan auS dem 1., 2., 9. und 10. Armeekorps, und die 2. Armee-Inspektion aus dem 5. und 6. Ar meekorps bestehen, indem eS bei der Zugehörigkeit des 12. (König!, sächsischen) Armeekorps zur 2. Ar- mee-Jnspektron verbleibt. Das Kriegsministerium hat hiernach das Weitere bekannt zu machen, wobei Ich bemerke, daß Ich die durch vorstehende Bestimmung berührten General kommandos benachrichtigt habe. Potsdam, den 4. Juli 1888. Wilhelm. Bronjart v. Schellendorff. An daS Kriegsministerium. DaS amtliche Programm über dieReiseSr. Maje - stät deS Kaisers nach St Petersburg ist jetzt soweit bekannt, daß danach, wie der ,Föln. Ztg." berichtet wird, folgende- als gewiß betrachtet werden kann: Kaiser Wilhelm verläßt mit großem Gefolge in einem Sonderzuge am Freitag abend Berlin, trifft am Vor mittag in Kiel ein, wird hier am Bahnhof von den Spitzen der Behörden und dem Offiziercorp- begrüßt, fährt im Wagen zur Barbarossabrücke und begiebt sonderbarer Schreck sie durchzuckt. Ihr war, als ent risse man ihr etwas, ohne daß sie hätte sagen können was. Sie fühlte sich beraubt, von rückvärts ange fallen, und mit geistesabwesendem Blick starrte sie auf das Päckchen in ihrer Hand. Wilhelm verabschiedete sich und ging. Julie kehrte in das Wohnzimmer zurück und legte das eingewickelte Buch auf ein Seitentischchen Auch die Mutter sprach nicht davon; offenbar hatte sie die Tragweite des Zwischenfalle» nicht erfaßt. Jetzt begab sie sich in die Wirtschaftsräume, um die gewohnten Anordnungen für den folgenden Tag zu treffen, und Julie blieb allein. Sie schritt im Zimmer auf und nieder, ohne nach dem kleinen weißen Päckchen zu blicken, und den noch backte sie unaufhörlich daran. Emil Krones war ein Schriftsteller von bedeuten dem Ruf. Er gehörte zu den beliebtesten Erzählern — gewiß, seine Stimme würde die ihrige übertönen. Drüben tickte die Pendeluhr leise und bedächtig zu ihren Erwägungen, und Julien war eS, als höre sie dieses Ticken zum ersten Male. DaS Zimmer, da- wohlbekannte Zimmer mit seinen kostbaren, aber alt modischen Möbeln mutete sie ganz plötzlich fremd an. Warum hatte sie e» auch versucht, über dieses eng- begrenzte Dasein hinauszustreben? Aus diesen kleinen Räumen war sie hervorgewachsen, wie eine Blume aus dem engen Geschirr, aus dem sie doch Nahrung und Leben saugt. Ihr Mädchendaj in war still und friedlich, aber auch leer und einförmig verlaufen, bis dieser geheimnisvolle Drang sie an- wandelte. Und bi- heute nachmittag hatte sie sich sehr stolz und glücklich gefühlt in dem Gedanken, daß ihr Buch nun hiaaa-komme in di« Welt. Und jetzt gau^ neuen Berkehrweaes in die Hand zu nehmen, und da ihnen die Franzosen den Tunnel mit aller Gewalt auf drängen wollen, so muß schon dieser Umstand unter ihnen Mißtrauen erregen. Man fragt sich jenseits deS Kanal-, warum wohl eigentlich den Franzosen so außerordent lich viel an dem Zustandekommen deS Tunnels ge legen ist, und da eine allseitig befriedigende Antwort dafür mangelt, so neigt man sich in England der Meinung zu, eS müßten geheime, folglich schlechte Be weggründe mit im Spiele sein. Dazu kommen die Lehren der Geschichte, welche nur zu geeignet sind, das Mißtrauen der Engländer zu verstärken. Man hat gut sagen, eS seien zehnmal mehr britische Heere an der französischen Küste gelandet worden, al- französische in England. An der Absicht, das perfide Albion ein mal heimzusuchen, hat eS aui Seiten der Franzosen zu keiner Zeit gefehlt. Ludwig XIV. und Napoleon I. wußten bloß nicht, wie ein Einfall nach England er folgreich zu veranstalten sei, sonst hätten sie keinen Augenblick gezögert, ihre Heere den Kanal überschreiten »u lassen. Die Transportverhältnisfe haben sich aber seither gewaltig verändert. Ein paar tausend Mann lassen sich zur Not in einer Nacht von Frankreich nach England transportieren, und die Eroberung der eng lischen Tunnelmündung wäre unter diesen Umständen gewiß nichts Unmögliche-. Man darf eS daher dem englifchen Parlamente nicht verdenken, wenn eS dem französischen Nachbar keine Tunnelpforte zu Britannien öffnen mag, fei e- auch nur um den leicht erregbaren Politikern an der Seine die lockende Versuchung fern zu halten, sich dieser Pforte bei irgend einer günstigen Gelegenheit einmal zu bemächtigen.
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Keine Volltexte in der Vorschau-Ansicht.
- Einzelseitenansicht
- Ansicht nach links drehen Ansicht nach rechts drehen Drehung zurücksetzen
- Ansicht vergrößern Ansicht verkleinern Vollansicht