Dresdner Journal : 30.09.1890
- Erscheinungsdatum
- 1890-09-30
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- Public Domain Mark 1.0
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-189009306
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- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18900930
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- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18900930
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungDresdner Journal
- Jahr1890
- Monat1890-09
- Tag1890-09-30
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- Dresdner Journal : 30.09.1890
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O227 Dienstag, den 30. September, abends. 1880 l-^r Or««a«v vi«rt«^LtirU<!N r IN. bv kL, L»i»«rt. ä«at«Lk«u vi«rt<1- jRdrliok > kl, »u»«rd»Id 6«, äsotsol»«» ttsiot»«« tritt ko»t- uo«t 8t»wp«tro»elll»sk tlivio Liorvlns lkuwwero: 10 kk. L»KN»atr»,x,ss«dNdre»» kSr äe» eülvr »o«p»Iteo«ll 2«ils kleiner koNrikt SV Vutvr ,,Liü^v»»Lät" Ni» 2sil« KO kk. L« ^bottso- ullä ÄNvr»»»tr «vt»pr. Xuk»ot>I»8 L»ellelovil r mit Xusv»dm8 äer 800» - v. keiertLz« »d«v6,. kvrn»pr«od-^L»ot>Iu»i: 8r. 12VK. Nres-MrÄumal. Für die Gesamtleitung verantwortlich: Hofrat Dtto Banck, Professor der Litteratur- und Kunstgeschichte. ^oo»km« ro» kakv»6>rv»xei> «ui^krtil l^lxitss: Lran-iitrttrr, LvmmiiriovLr 6«, Orextnsr ^ourrml«; >«»dmU L»rU» Vt«» >»»«l rnmklmt ». ».: Äaarrnrt«»« <k koA/er, I«rU>» Vt«-L»«daiA- ^r»U L«tp«>ss -rr»»^e!tr1 «. //«»«/ k«rt» Louilo» r«U» - kr»»^1»rt ». ». »l«U-»rt: Da-d« F 0'o.,- L«rU»! Ummovr: 0. §ckü«ier,' L»U« ». ».: Larct -t Oo. Ner»u»xeder« LSoi^l. krpeäitiOQ öe» Vresävsr ^ouriml». 1)rs»äev, 2vill^«r»tr. SV. k«rv»pr«cU - : Ar. 1LVK. Bestellungen auf da- „Dresdner Journal" für das nächste Vierteljahr werden zum Preise von 2 M. SO Pf. angenommen fir Dresden: bei der unterzeich neten Expedition (Zwingerstraße Nr. 20), siir anSwärtS: bei den betreffenden Postanstalten zum Preise von 3 M. In Dresden - Nenstadt können Bestellungen abgegeben werden in der Hofmufikalienhandlung der Herrn Adolf Brauer (F. Plötner), Haupt straße 2, woselbst auch Ankündigungen zur Be förderung an unser Blatt angenommen werden, und bei welchen ebenso wie bei Herrn Kaufmann Emil Bäge, Pillnitzer Straße, Ecke Ziegelstr., dem Bahnhofsbuchhändler Herrn Weigand (böhm. Bahnhof), Herrn Kaufmann Simon, Circusstr. 24, Ecke Pillnitzerstr., Herrn Kaufmann August Bensch, Schmiedegäßchen 2, Ecke der Hauptstraße, und Herrn Kaufmann Lebr.Weffer, Prager Straße SO, einzelne Nummern des „Dresdner Journals" zu haben sind. Lömgl. Expedition -es Dresdner Journals. Amtlicher Teil. Dresden, 29. September. Mit Genehmigung Sr. Majestät des Königs ist vom 1. Oktober 1890 ab dem Bezirksschulinspektor Karl Friedrich Lötzsch in Marienberg die Stelle des Bezirksschulinspektors in dem Bezirke der Amtshauptmannschaft Glauchau übertragen worden. Dresden, 30. September. Mit Allerhöchster Ge nehmigung ist dem Bezirksschulinspektor Schulrath Gruhl in Glauchau die nachgesuchte Versetzung in den Ruhe stand unter Gewährung der gesetzlichen Pension bewilligt worden. Dresden, 29. September. Se. Majestät der König haben den zeitherigen Schuldirektor in Kamenz Gustav Oswald Hörig zum BezirkSschulirsspektor im Bezirke der Amtshauptmannschaft Marienberg vom 1. Oktober 1890 an Allergnädigst zu ernennen geruht. Se. Majestät der König haben Allergnädigst ge ruht, den Bezirksärzten Medizinalrath vr. Klinger in Leisnig und Medizinalrath Or. Körner in Meißen den Titel Obermedizinalrath zu verleihen. Se. Majestät der König haben dem Kammer musikus Karl Hermann Kötzschke das Ritterkreuz 2. Klasse des AlbrechtSordens Allergnädigst zu ver leihen geruht. Bekanntmachung. Tie Errichiunq eines Nebenzollamts II. Cl. in Untersachsenberg betr. Am 1. Oktober 1890 tritt in Untersachsenberg im Hauptzollamtsbezirke Eibenstock ein Nebenzollamt II. Cl. in Wirksamkeit, welches zur Abfertigung des Waaren- verkehrs auf dem die Landesgrenze entlang von Stein döbra nach Brunndöbra führenden, als Zollstraße geltenden Wege nach Maßgabe der Bestimmungen des Vereinszollgesetzes vom 1. Juli 1869 befugt ist. Bei demselben können Waaren, welche nicht höher als mit 30 M. für 100 kg belegt sind, oder welche nach der Stückzahl oder nach dem Werthe zu verzollen sind, in Mengen zur Eingangsverzollung gebracht werden, von welchen die Gefälle für die ganze Waarenladung den Betrag von 75 M. nicht über steigen. Der Eingang von höher belegten Gegenständen ist nur in Mengen von höchstens 25 dz zulässig. Vieh kann — soweit dessen Einfuhr nach Maß gabe der dieserhalb erlassenen Bestimmungen über haupt gestattet ist — über dasselbe in unbeschränkter Menge zur Verzollung eingehen. Dresden, am 29. September 1890. Königliche Zoll- und Steuer-Direktion. Golz. Kranz. Nichtamtlicher Leit. Telegraphische Wachrichken. Stettin, 30. September. (Tel.d.DreSdn Journ.) In Gegenwart deS Fürstbischofs von BreSlau, Ur. Kopp, und anderer hoher katholischer Geist lichen erfolgte heute die feierliche Einweihung der ersten katholischen Kirche in unserer Stadt. Haag, 2V. September. (W T B) Über daS Befinden Sr. Majestät de» Königs, Allerhöchst- welcher seit zwei Tagen daS Bett hüten muß, ver lautet, rS habe sich neuerdings eine gewisse Ab schwächung der Kräfte gezeigt, der König habe sich den RegierungSgeschäften nicht mehr widmen können und habe während der letzten Tage da» Bett nicht mehr verlassen. Auch der Appetit sei fast gänzlich geschwunden. Eine amtliche Mit teilung über das Resultat der heutigen ärztlichen Konsultation liegt noch nicht vor. Belgrad, 2S. September. (W. T. B.) Lem Präsidenten des StaatSratS Dokic wurde die er- betene Entlassung als Gouverneur des Königs Alexander gewährt. Zu seinem Nachfolger wurde der Oberst Mischkovic ernannt. Laß die bei der gestrigen Spazierfahrt deS Königs Alexander und deS Königs Milan erfolgte Explosion einer Patrone nicht unter dem Wagen deS Königs, sondern unter demjenigen des ihm folg nden Adjutanten stattfand, ist amtlich festge stellt worden. Dresden, 30. September. Tie Kultivierung Zentralasiens. Während die meisten »der festländischen Staaten Europas einen großen Teil ihrer Kraft auf das Tra gen ihrer Rüstung verwenden müssen, ist Rußland, gestützt auf seine sichere geographische Lage, in der beneidenswerten Möglichkeit, seinen Kraftüberschuß in Landerwerbungen anlegen zu können. Das geeignete Feld hierzu bieten ihm die ungeheuren Gebiete Zen tralasiens, deren größten Teil dec russische Aar bereits fest in seinen Klauen hält Das ganze Jnnerasien bis zum „Reich der Mitte" und dem Gebirgslande der Afghanen liegt als Beutestück vor ihm und immer noch dringen die russischen Heere weiter vor. Es kommt Rußland vor allem darauf an, festen Fuß an den das asiatische Festland umspülenden Meeren zu fassen, und wenn im gegenwärtigen Augenblicke in der stetig fortschreitenden Ausdehnung der russischen Besitzungen ein Stillstand eingctreten ist, so bedeutet dies zunächst nur, daß das große Reich des Ostens mit der Einrichtung und Nutzbarmachung der eroberten Länder beschäftigt ist, wodurch dann wieder eine neue Basis zu weiterem Vordringen geschaffen wird. Die „National-Ztg." bringt über diese „Kulturarbeit" Ruß lands in Jnnerasien eine bemerkenswerte Auslassung, die wir in nachstehendem wiedergeben: Wie sehr die Kultur, so schreibt das Blatt, nicht nur daS äußere Ansehen eines Landes, sondern auch sein Klima und seinen ganzen Charakter zu verändern vermag, davon gicbt Mitteleuropa und dessen Kern, Deutschland, ein augenfälliges Beispiel; man braucht nur die Schilderungen römischer Schriftsteller der alten Kaiserzeit und die gegenwärtigen Zustände zu ver gleichen. Andererseits hinwiederum hinterläßt eine hoch-, zugleich aber einseitig entwickelte Kultur, wie B. die römische mit ihrem Latifundienwesen, ganze Länder in einem halbtoten Zustande, aus welchem sie nur sehr schwer sich wieder emporringen; die römische Campagna und daS von den Römerzeiten her auch heute noch fast nur Weideland aufweisende Unteritalien sind ein Beispiel dafür. Andere Länder wieder haben im Laufe von Jahrtausenden ihr Klima und ihre Produktionsfähigkeit allen äußeren Einwirkungen zum Trotz so gut wie gar nicht geändert. Die Schilde rungen, welche die Geschicktschreiber Alexanders des Großen von den innerasiatischen Ländern gegeben haben, passen fast durchgängig auf die heutigen Verhältnisse: eine ansässige, von wilden Nomaden stets geängstigte Bevölkerung auf fruchtbaren Oasen, rasende Winterstürme mit tödlichem Eishauche auf den Steppen, versengende Sommerhitze über glühenden Sandwüsten brütend, alles das ist heute noch wie damals. Aber freilich, dazwischen liegt eine nach Jahrhunderten bemessene Periode, wäh rend deren jene ungeheuren Landstriche eine, wenigstens was die Bevölkerungsdichtigkeit und den Umfang des angebauten Bodens betrifft, sehr wesentlich verschiedene Gestalt hatten. Es war dies während der Zeit der Nachfolger Alexanders des Großen, in gewissem Grade auch während der parthischen und der neupersischen Herrschaft und damals, als die arabische Bewegung auch Jnnerasien in ihre Kreise gezogen hatte. Die Sand- und Salzsteppe, welche Zentralasien eigentümlich, ist nämlich zu großen Teilen für eine, allerdings sehr sorgfältige, gartenbauähnlich getriebene Bodenkultur wohl empfänglich und lohnt die ihrer Umwandlung gewidmete Mühe in reichem Maße. Eine Schranke wird dieser Kultivierung fast nur durch die Menge der verfügbaren Süßwassers gesetzt, denn die ganze Urbarmachung ist durch ein Netz zahlreicher kleiner Kanäle bedingt, welche aus den vorhandenen Flüssen gespeist werden. Wo solche Kanäle bestehen, erweist sich der Boden als zum Teil sehr ergiebig, die Wüste weicht zurück; wo sie verfallen und ver siegen, deckt alsbald die Wüste wieder ihre dürre Hand über Acker- und Baumgärten, verdorrend und tötend. Selbst in der nächsten Nähe von Flüssen, wie des Amu- und Syr-Darja, genügen wenige Monate, diese letztere Wirkung herbeizuführen. In solcher Weise wurde einst Mesopotamien in einen blühenden Garten verwandelt, den aber schon seit den Anfängen unserer Zeitrechnung wieder die öde Steppe verschlungen hat. Und ebenso geartet war in früheren Zeiten die Boden kultur in weiten Landstrichen PersienS; sie war auch die im weiten Zentralasien allgemein übliche, weil allein anwendbare. Ein Ende mit Schrecken wurde ihr durch den Mongolensturm und den späteren Niedergang der mohammedanischen Reiche, in denen die Araber längst aufgehört hatten, das herrschende Element zu bilden, bereitet. Die großen volkreichen Lasen schrumpften mehr und mehr zusammen: die nach den alten Schil derungen glänzenden Städte gingen, soweit sie nicht von Barbarenhand in Trümmer gelegt wurden, stetig zurück, mußten auch wohl angesichts des unheimlichen Vordringens der Sandmassen verlassen und verlegt werden. Wo einst Handel und Gewerbe, ja, selbst die Wissenschaften geblüht, schweifte jetzt der räuberische turkmenische oder kirgisische Nomade, ost nur dem Namen nach jenen Usbeken, den Überbleibseln der gol denen Horde, unterworfen, welche in den Städten Zentralasiens herrschten, und die Sorten, die arbeitende und handeltreibende altansässige Bevölkerung, unter dem härtesten, hauptsächlich auf Erpressung bedachten Drucke hielten. Dabei waren diese innrrasiatiscken Khanate, Khiwa, Kokand, Buchara, die turkmenischen Oasen von Merw rc. weithin für ihre Umgebung, was noch im vorigen Jahrhundert, ja noch im ersten Viertel deS gegenwärtigen, die BarbareSkenstaaten Nordafrikas für daS Mittelmeer und dessen europäische Küste waren: Naubnester und gewinnbringende Märkte für die bis weit inS russische Gebiet schweifenden und namentlich auch das nördliche Persien regelmäßig heimsuchenden nomadischen Sklavenjäger. Dies waren die Zustände, welche die Russen in Zentralasien antrafen, und deren Wirkungen nach außen hin so wesentlich dazu beigetragen haben, daß dieselben dort von Kampf zu Kämpf und von Eroberung zu Eroberung geführt wurden. Diese Periode aber ist nunmehr abgeschlossen. DaS Vordringen der Russen um den Aralsee herum nach Khiwa, Kokand, Buchara, die Annexion des zweiten, die Unterwerfung der bei den anderen, erregte wohl jedesmal ein heftiges Ge schrei der Angst und des Zornes in der englischen Presse; tbatsächlichen Widerstand zu leisten, daran dachte die englische Regierung nicht. Ganz anders aber war schon die Wirkung, welche die Eroberung Merws und die Unterwerfung der ganzen Turkmenenwüste bis zur persischen und afghanischen Grenze auf England her vorbrachte. Dem Zeitungslärm gesellten sich nun auch ernsthafte Mahnungen und Einwendungen der eng lischen Regierung hinzu, und die turkmenisch-afghani sche Grenzregulierung führte in ihrem Verlaufe hart an einen russisch-englischen Konflikt. Ein solcher unter blieb eigentlich nur, weil England zur Führung eines Krieges nicht entfernt vorbereitet war und die nicht allzu zahlreichen russischen Streitkräfte an der afghani schen Grenze noch sozusagen in der Luft standen. Hieran hat sich durch den Bau der transkaspischen Bahn nun allerdings vieles geändert, aber auch die Engländer haben von Süden her eine Bahn bis nach Afghanistan hineingelegt und ihre indische Grenze ernsthaft zu befestigen unternommen. Jeder Schritt, den die Russen jetzt in Zentralasien weiter thun, muß einen großen Krieg für sie im Gefolge haben. Nach Süden zu, sei es durch Persien oder Afghanistan, vor dringend, würden sie mit Sicherheit auf die Engländer stoßen, gerade wie daS Vordringen in dem wieder mit China vereinigten Ostturkestan den Widerstand dieser ostasiatischen Großmacht, welche von englischer Seite sicher jede, wenigstens geheime Unterstützung finden würde, Hervorrufen müßte. Diese Umstände sind es, welche Rußland gegenwärtig einen längeren Stillstand gebieten. Es gilt, da das Vordringen bis zu einem Teile des die Südküste Asiens bespülenden Meeres für Rußland so zu sagen das Gewicht eines Natur gebots hat, jetzt die umfassendsten Vorkehrungen zu diesem letzten Stoße zu treffen. Auf die diesem Zwecke mit dienenden großartigen Unternehmungen haben wir zur Genüge schon wiederholt hingedeutet. Die große durch Sibirien nach dem Stillen Ozcan führende Eisen bahn, welche demnächst in Angriff genommen werden wird, begegnet der englischen Eisenbahn in Kanada, welche den Atlantischen und den Stillen Ozean verbindet; die transkaspische Bahn soll verlängert, nach Norden über Samarkand und Taschkent weitergeführt und nach Persien abgezweigt werden, die Besiedelung und Be festigung der sibirischen Südgrenze gegen China hin wird mit Eifer betrieben, und auch nach dem südlichen Zentralasien soll der Strom der russischen Einwande rung gelenkt werden Von der anderen Seite setzen die Engländer ihre bereits erwähnten Bemühungen Feuilleton. K. Hoftheater. — Neustadt. — Am 29. Sep tember: „Gott schütze mich vor meinen Freun den!" Lustspiel in drei Akten von Paul Heyse. (Zum ersten Male.) Es ist eine allen Litteraturfreundcn geläufige That- sache, daß Paul Heyses großes dichterisches Talent sich bisher nur in wenigen dramatischen Arbeiten mit rechter Kraft und vollem künstlerischem Eindruck hat entfalten können und daß schon manches seiner Stücke den Bcurteiler vor die peinliche Frage zwang, wie ein Poet, der in seinen Novellen und Romanen mit dem Nervengeflecht des menschlichen Herzens, dem Geist seiner Zeit und dem Wesen der modernen Ge sellschaft innigste Vertrautheit bekundet — wie ein im Psychologischen so bewanderter, einsichtsvoller Poet innerhalb der Gemarkung der Bühne für die Natürlichkeit und Gesundheit der dramatischen Motive das feine, zuverlässige Empfinden fast gänzlich verlor und in der Charakterzeichnung, ja auch im Dialog mit geistigen Münzen hantierte, die recht unangenehm an die wohlseilen Produktionsmittel weitaus schwächerer, niederer Theaterautoren erinnerten Auch sein jüngstes Lustspiel, mit dem unS eine vom Fleiß der Regie und der Künstler sicher getragene, lobenswerte Darstellung gestern bekannt machte, bringt den Prüfenden in mancher Hinsicht auf jene ihm Ver- bmenheit schaffende Frage. Zwar das dramatische Motiv deS Stückes ist gesund und wohlvcrwendbar, denn wo Gott Hymen seine Hochzeitsfackel in das Heim eines Junggesellen schleudern will, da pflegt sich häufig der bedrohte Egoismus aller „guten Freunde" des selben in seiner ganzen Stärke emporzurichten und dieser Vorgang, der in der Gegenwart freilich um so seltener wird, je übcreiliger, doch materiell bedachter Lebensbündnisse geschlossen werden, bietet dem Ko mödienschreiber wirksamsten Antrieb für seine Erfindung und Gestaltung der einzelnen Phasen und Folgen des entstandenen Kampfes, dessen kritische Wendung dem von allen Seiten gegen sein Glück rücksichtslos Be wahrten endlich den Stoßseufzer erpreßt: Gott schütze mich vor meinen Freunden! Aber die drama tische Ausbreitung des fraglos dankbaren, wenn schon nicht ganz neuen Motivs leidet unter der schwankenden, nicht immer lebenswahren, dazu nicht ausreichend sympathischen Zeichnung der gefährlichen Freunde. Wo in aller Welt begegnet man einem Manne wie dem Bankier Richard Balduin? Er ist allerdings Bankier „von Vaterswegen" und das ent schuldigt seine lyrische VerSdrechselei, aber er ist doch ein nach Bildungsgrundsätzen erzogener Mensch und das läßt seine geistig triste, gefühlsdumme Hal tung und vor allem sein flegelhaftes Benehmen gegen über der Verlobten des Universalfreundes Theodor Frey schlechtweg unfaßbar erscheinen. Letzterer Sünde macht sich ja auch Heinz Brander schuldig, aber ohne uns damit in gleichem Maße zu verblüffen und zu verletzen; dem vor lauter theoretischen Grübeleien über seine Kunst zu deren Ausübung unfähig gewordenen Maler, dessen Paradoxe mehr Geist enthalten als alle gescheidten Meinungen der übrigen Personen zusammen, und dessen grobkörnige Ausdrucksweise diesem bockigen Charakter völlig entspricht, glauben wir seine Unge ¬ zogenheit und rechnen ihm dieselbe ob seiner Unver besserlichkeit möglichst niedrig an. In Brander konnte der Dichter seinem Lustspiel die gesündeste, lebens wahrste Figur geben, wenn cs ihm nicht eingefallen wäre, diesem Stier zu seinen zwei Hörnern der Grob heit und Bosheit noch ein drittes der Eitelkeit aufzu setzen, an dem ihn später die kluge Seraphine packen und also zähmen kann, nnd wenn er den zweiten Bruch in der Charakterzeichnung vermieden, Heinz nicht am Ende inSLager derGeheimrätin hätte übergehen lassen. Der Dritte im Bunde gegen die Verlobte des gemein samen Freundes ist der langweilige Kleinigkeitskrämer Rupert Kolbe, eine Figur, die in keiner Situation vom Dichter ganz klare Umrisse erhalten hat, dem Anscheine nach eine ehrliche Haut, aber ein beschränkter Geist. Auch das Opfer seiner zahlreichen Freunde, der Maler Theo dor Frey, trägt keine individuell fesselnden Züge, eben sowenig seine Braut, die Operndiva; beide sind als Künstler offenbar weit bedeutender denn als Menschen, und dieses Moment schafft den unglaubhaften Konflikt zwischen ihnen, zu dessen Erzeugung eS der merk würdigen Kurzsichtigkeit des Malers und der im Grunde herzlosen Uebereilung seiner Verlobten bedarf. Ein Baron Friesen, welcher in dem Lustspiel den ge schickten Zuhälter der gesellschaftlichen Tageschronik ver körpert, zählt wie die letzterwähnten Personen zu den blutleeren und gleich dem Bankier Balduin zu den unwahrscheinlichen Figuren des Stückes; denn be trachtet man schon einen derart bornierten, von Un wissenheit strotzenden Schwätzer als in der Wirklichkeit überhaupt gegeben, so bleibt es immerhin noch unbe greiflich, daß ein Künstler diesen gefährlichen Tropf über eine Minute hinan- in seinem Atelier dulden wird. Eine verhältnismäßig interessantere Zeichnung hat Paul Heyse mehreren weiblichen Personen zuteil wer den lassen, in erster Reihe der Modellmutter Frau Ehrentraut, einer plastisch heraustretenden Episoden figur, die von Frau Wolff vorzüglich dargestellt wurde, und auch der intriguanten Geheimrätin Sulzbach, welche ihre getäuschten mütterlichen Hoffnungen zur verleumderischen Klatschbase machen, vermochte der Autor manche feine, in scharfer Beobachtung dem Leben entnommene Züge zu verleihen. Der fließend geführte Dialog erhält seine geistvolle Färbung überall, wo Heinz Brander in denselben ein greift und gewinnt einen frischen, originellen Ton, wo die materiellen Fragen der Malkunst berührt werden und die Handlangerinnen des Ateliers zu Worte kommen. Das Lustspiel fand gestern beim Publikum eine sehr freundliche, selbst durch die Breite und gröbere Stimmung des SchlußaufzugS nicht getrübte Aufnahme, und die ausgezeichnete, von Frau Wolff, Frl. Sal bach (Seraphine), Frl. Guinand (Geheimrätin Sulz bach) und den Herren Swoboda (Heinz Brander), Wiene (Rupert Kolbe) und Paul (Theodor Frey) vornehmlich und von allen anderen Mitwirkenden in gleichmäßig guter Art gestützte Aufführung wird dem Stücke, das sich trotz erheblichster Mängel unter der Masse der jetzt üblichen UnterhaltungSfabrikate nicht verlieren kann, eine gute Folge von Wiederholungen sichern. Bei einer der nächsten sollen die vorstehend»'!! Bemerkungen über das Lustspiel nach mancher Seite hin , noch ergänzt und auch der Darstellung ausführlicher gedacht werden. »
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