Dresdner Journal : 06.10.1890
- Erscheinungsdatum
- 1890-10-06
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- Public Domain Mark 1.0
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-189010062
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- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18901006
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- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18901006
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungDresdner Journal
- Jahr1890
- Monat1890-10
- Tag1890-10-06
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- Dresdner Journal : 06.10.1890
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W 232. Montag, den 6. Oktober, abends. 1890 tterux-prci«: Or«»ä8v ^iertvI^LKrlled 2 K. öS LL, d«i <>«» K»i»«rl. äeuttvbsa ?o»t»o»t»It«o vivrtvl- jiLrNok ü 11.; Lui»ort»»Id cko» ckvutoLdeo keict»«« tritt koib- llL(1 8tswp«tLuscül»^ tnLra. Liorvtne l^uwwern: 10 kk. KoKItxtlxaoxixedakr«»« kür äsu k»uw «ivor e»«p»iteveo 2eilb kleiner Sebrikt <0 ?f. Vinter „^^«»»oat- cki« 2eilo SO L5. Lei Adellen- unä üi^ernsnt» enttpr. Xnfieblox. Lr»ckeiuen, IK^licb nüt ^u»n»iiine äer 8oon - n. keiertnxe »denä». k»«^>»prvob-An«ebIu»s: Ur. IL85. flrcMtlÄmM. Für die Gesamüeitung verantwortlich r ^ofrat Gtto Banck, Professor der Litteral ur- und Kunstgeschichte. Kov»l»»« von Lnkvn6Ixnnxen »«»nkrtir I-,ip,ix: F'r. Lran«ktettrr, Lowmi»»iooLr äe« Oreeäoer ^ournnl»; Lnwdnr, I«rU» Vt«n r«Ip»ix >»»«l krnnktnrt o. N.: ^oarrriÄe»« <0 Vo-krr, »«rU» Vt«o - »»mdnrU ?r»U L«tp»jG -er»nktnrt o. II. Aüned«»: L/o«e/ k»rt» Lonlo» >«rUo ernakkart ».». »tnttGnrt: Oo«b« L'o., L«rU»! /«raiitirntiant, Lr«»I»n: Loit Lok-«tt, L»nn»r«r: Li. §cäü«ter, L»u« ».».! Loret <e 6o. Nernuixederr LSaibl. kirpeäition 6e« vr«6ner Zournnl». vreeäeo, Lvin^oretr. 2V. kernsprsct» - ^vsedlue«: Ur. 1285. ' Amtlicher Teil. Dresden, 5. Oktober. Se. Majestät der König haben Allergnädigst geruht, dem Major und persön lichen Adjutanten Sr. Königlichen Hoheit des Prinzen Friedrich August, Herzogs zu Sachsen, Freiherr von Wagner, sowie dem Rittmeister und persönlichen Adjutanten Sr. Königlichen Hoheit des Prinzen Georg, Herzogs zu Sachsen, Freiherr von Müller, die Erlaubniß zur Anlegung des denselben verliehenen Königlich Preußischen Rothen Adler-OrdenS 4. Klasse zu ertheilen. Bekanntmachung, die Zulassung der innen genannten Dachpappen- und Holzcement-Fabrikate als Ersatz für harte Bedachung betr. DaS Ministerium des Innern hat auf Grund sach verständiger Prüfung und Begutachtung beschlossen, die von der Firma Emil Schwanker und Comp. in Furth- Chemnitz hergestellten Dachpappen- und Holzcement- fabrikate unter den in der Verordnung vom 29. Sep tember 1859 (Gesetz- und Verordnungsblatt Seite 321 flg.) ausgesprochenen Beschränkungen, sowie unter dem Vorbehalte jederzeitigen Widerrufes bis auf Wei teres als Ersatz der harten Dachung anzuerkennen und zuzulassen. Unter Bezugnahme auf tz 3 der erwähnten Ver ordnung wird solches mit dem Hinzufügen andurch be kannt gemacht, daß der genannten Firma zur Pflicht gemacht worden ist, jeder Lieferung ihrer Holzcement- vedeckungsfabrikate ein Druckexemplar der unter L nachstehends veröffentlichten Anweisung beizufügen. Dresden, am 2. Oktober 1890. Ministerium des Innern. v. Nostitz-Wallwitz. Münckner. - L AlNveisuug für di« Herstellung der Holjcrmrnt-Bedachuug. Di« Holzcement Bedeckung ist auf einer, für die zu erhol- lende Belastung hinlänglich unterstützten und tragbaren Bret- schaluna oder Windelboden herzustellen. Sle hat zu bestehen anS: t) einer mindesten» 0,6 Skz. hohen gleichsSrmigen Bedeckung de» HolzwerkeS (der Schalung) von freiem Sand oder - düfem MH sEbestaZchigen Stoffe; S) mindestens vier m gehörigem Kugenwechfel mit Holz- cement- oder diesem gleich entsprechender Masse aus einander geklebten Lagen hinlänglich starken Papieres, Pappmaffe oder diesen gleich geeigneten Stoffes; 3) einem Holzcement- oder diesem gleich entsprechenden Ueberzuge der Decklage sud 2, welcher mit feinem Sande (Steinkohlenflngasche, Steinkohlenschlackenpulver oder der gleichen) dicht zu überdecken und in die noch weiche UeberzugSmasse einzudrücken ist; 4) einer aus die Ueberzugsmasse «mb 3 aufzubringcnden und diese gleichförmig überdeckenden, wenigstens 3,5 Nz. hohen Sand- und Kiesschicht, mit einer Beimischung von Lehm, welche unter entsprechender Anfeuchtung, vollkommen nach der Dachfläche abzuebncn und leicht einzuwalzen ist. Uebrigens sind die Einfassungen in den Giebel- und Dach- säumen, welche zur Verhütung des Herabrollens der Decklage «ub 4 erforderlich, nicht aus Holz, sondern aus einem feuer- und wetterbeständigen Material (Blech und dergleichen), her zustellen und für die Ableitung des von der Holzcement-Dccklage abfließenden Tagrwassers die Dachsäumc mit entsprechend an gebrachten Oeffnungen zu versehen. Die Decklage eub 4 ist stets in gutem Stande zu er halten. Nichtamtlicher Leit. Telegraphische Wachrichten. Paris, 6. Oktober. (Tel. d Dresdn. Journ.) B« i der gestrigen Deputiertenwabl in Rambouillet Feuilleton. K. Hoftheater. — Altstadt. — Am 4. Okto ber: „Joseph in Egypten". Oper in 3 Akten nach Duval. Musik von M6hul. (Neu einstudiert.) Die lange und bereitwillige Gastfreundschaft, welche das Meisterwerk Möhuls von seinem Bekanntwerden an bis heute auf deutschen Bühnen gefunden hat und voraussichtlich noch über unser Jahrhundert hinaus sich bewahren wird, gereicht dem Urteil und Geschmack des musikalischen Deutschland zu vieler Ehre und sticht gar vorteilhaft für uns gegen die kühle Zurück haltung ab, welche die eigenen Landsleute des Kom ponisten der vollkommensten Schöpfung dieses berühm ten Tondichters seit jeher bekundet haben. Wohl an achtzig Jahre schon währt,''allerdings mit zeitweiliger Aufhebung, das Heimatsrecht dieser Oper im Reper- toir deutscher Theater und daraus ergiebt sich eine Lebenskraft, eine Unversehrtheit gegenüber der längst vollzogenen einschneidenden Wandlung in den musika lischen Bedürfnissen der Gegenwart, wie sie nur wenigen Werken selbst größerer Meister beschicken ward. In Dresden kennt man „Joseph und seine Brüder" seit dem Jahre 1817, wo C. M. v. Weber die bedeutende Tonschöpfung zur ersten Aufführung brachte und in einem lobreichen Bericht den „einfachen biblischen Geist" derselben mit bewundernden Worten hervorhob. Der musikalische Wert von M<-'hulS Oper wird bestimmt durch die im Gesamteindruck stilvolle, edle Behandlung deS dramatisch einfachen, an- kostbarer Quelle geschöpften Stoffe-, welcher sich in breiten erhielt Graf Caraman (konstitutioneller Republika ner) 5843 Stimmen, Biau (Republikaner) 5747 uud Iouveucel (radikaler Republikaner) L345 Stimmen. ES ist Stichwahl erforderlich. Haag, 8. Oktober. (Tel. d. Dretdn. Journ ) Privatnachrichten auS Loo zufolge wird der König in den nächsten Tagen außer stände sein, sich den StaatSgrschäften zu widmrn. ES werden Regie- rungSmaßregeln erwartet, durch welche der regel mäßige Gang der StaatSgeschäfte gesichert wer den soll. London, 6. Oktober. (Tel. d. DreSdn. Journ.) Am Sonnabend begann ein MassenauSstaud der Hochofenarbeiter in Schottland. Lon 78 Hochöfen find nur noch 6 im Betriebe. Lie Zahl der AuS- ständigen beläuft sich auf nahezu <»000. Lie Visen produktion Schottlands dürfte, wenn der Streik andauert, um etwa 5900 Tonnen wöchentlich ge schmälert werden. Dresden, 6. Oktober. Die Schweiz nnd die Auslieferung von Ver, brechern. Der Berner Ständerat hat soeben einem Gesetz entwürfe seine Zustimmung gegeben, der für die inter nationalen Beziehungen der Schweiz zu anderen Staa ten, insbesondere für die Gewährung internationaler Rechtshilfe von größter Bedeutung ist; eS ist der Ent wurf eines AuSlieferungSgesetzes, der schon seit länge rer Zeit im Vordergründe der politischen Fragen stand und auch im Auslande lebhafteste Beachtung gefunden hat. Der Gesetzentwurf bezeichnet einen entschiedenen Bruch mit den in der Schweiz bisher befolgten Grund sätzen betreffs der Auslieferung von Verbrechern; er läßt die Auslieferung eines flüchtigen Verbrechers nicht nur zu, wenn derselbe wegen eines gemeinen Ver brechens verfolgt wird, das lediglich den Charakter eines solchen hat, sondern auch dann, wenn ihm ein Verbrechen zur Last fällt, das auch den Charakter eines politischen trägt; die Auslieferung ist jedoch indiesem Falle an die Voraussetzung geknüpft, daß der politische Charakter deS Verbrechens nicht überwiegt und daß wegen dieses letzteren eine höhere Strafe nicht eintntt. Bis jetzt galt eS in der Schweiz als Grundsatz, daß auch Per-, sonen, welche wegen solcher „gemischten" Strafthaten verfolgt wurden, der Auslieferung nicht unterlagen. Das neue Auslieferungsgesetz macht diesem Rechts prinzip ein Ende und läßt daS Asylrecht nicht mehr Menschen zu gute kommen, welche nach dem allgemeinen Rechtsbewußtsein auf solche Wohlthat keinen Anspruch haben. Von einer Reihe angesehener deutscher Blätter wird der Schritt, den die Schweiz mit dieser Ein schränkung eines zu weit gehenden Asylschutzes gethan, mit Befriedigung begrüßt. So schreibt die „Magdeb. Zeitung" über das neue Gesetz: „Die Neuerung, welche das vom Schweizer Stände rate soeben genehmigte Gesetz in das Ausliefernngs- recht einführt, bezieht sich auf die sogenannten ge mischten Verbrechen, das heißt Verbrechen, welche einer seits den Charakter eines gemeinen, andererseits den eines politischen Verbrechens tragen. Ein solches ge mischtes Verbrechen ist beispielsweise der von den schweizerischen Angehörigen soeben an dem tessinschen Staatsrat verübte Totschlag, gemischte Verbrechen in diesem Sinne waren die von den Pariser Kommunisten während des Ansstondes verübten Einäscherungen der Häuser in Paris, die Ermordung des Erzbischofs von Paris u. s. w. Die Behandlung dieser Verbrechen ist, was die Auslieferung der schuldigen Personen angeht, überaus verschieden. Tas moderne Völkerrecht huldigt bekanntlich dem Grundsätze, daß wegen eines politi- Zügen zu einer schlichten Familiengeschichte ohne er regten Inhalt von Leidenschaft und Kampf vorhan dener Gegensätze ruhig, ja oft zu behaglich ausdehnt. Allen nervenkitzelnden Effekten abgewandt, abhold jeg lichem koketten Aufputz und nettem, doch überflüssigem Zierat, war der Komponist unter seines verehrten vor bildlichen Lehrmeisters Gluck deutlichem und günstigem Einfluß überall von dem ehrlichsten Streben erfüllt, seine Tonwendungen dem Wort, dem Charakter, der Situation treu anzuschmiegen, den Ausdruck dramatisch wahr und überzeugend zu gestalten und so den äußeren Glanz, das äußerlich Wirksame dem innerlich Em pfundenen, ohne Prunk Gehaltvollen mit künstlerischem Sinn unterzuordnen. Und dem Eifer des Strebens entsprach die Größe des Erfolgs: auf den musika lischen Gebilden der Oper liegt der Geist milder Frömmigkeit und eine gesunde, wohlthuende, vornehme Stimmung geht durch die gesamte Partitur. Wie an- mutend und ergreifend sind die Gesänge Josephs in ihrer ungekünstelten Schlichtheit, gehoben vom Reiz der Melodien, wie rührend in ihrer kindlich naiven Haltung die Strophen des jungen Benjamin! Dra matisch schwungvoll wirkt die große Scene deS von Schuld und Reue gefolterten Simeon, edel und ein dringlich sind die Chöre der Brüder Josephs trotz mancher störenden formalen Einzelheiten, die nament lich Mehuls ausgesprochene Vorliebe für ermüdend häufige Sequenzen hervorruft, und in bester Art effektvoll, energisch im Ausdruck und dessen kräftiger Steigerung erscheinen die Ensembles der Oper, be sonders der große Satz im Schlußaufzuge DaS sind in knappster Heraushebung die wesent» lichen Vorzüge des Werkes, welche dessen andauernde schen Verbrechens eine Auslieferung nicht erfolgt, und er ist seit Beginn dieses Jahrhunderts in allen Aus- lieferungsverträgen ausdrücklich anerkannt worden, so daß man ihn wohl als ein Grundprinzip des inter nationalen Rechtes bezeichnen darf, an dein zu rütteln keinem Staatsmann und keinem Politiker einfallen kann; die Nichtauslieferung politischer Verbrecher ist die Grundlage der ganzen Auslieferungslehre, und kein Staat kann sich zu der entgegengesetzten Ansicht bekennen, abgesehen von anderen Gründen, schon um deswillen, weil er sonst für die politischen Einrich tungen deS anderen StaateS eine Bürgschaft über nehmen würde, die er zu übernehmen keinen Anlaß haben kann. Unter dem Einfluß dieses Grundsatzes hat man lange Zeit auch daran festgehalten, daß auch weyen gemischt-politischer Verbrechen eine Auslieferung nicht verstattet werden könne, und zahlreiche Rechtfälle, die die Geschichte des AuSlieferungSrechtes aufweist, bieten ein interessantes Material für die Erkenntnis, in wel cher Weise und in welchem Umfange der hervorge- bobene Grundsatz praktisch ausgedehnt wurde. Ander seits hat man jedoch nicht die Gefahr für die Liechts- ordnung und Sicherheit aller Staaten verkanrWwelche darin liegt, daß ein an sich gemeines Verbrechen, sagen wir beispielsweise vorbedachte Tötung, um deswillen nicht der Auslieferung unterliegen soll, weil der THüter es vielleicht aus politischem Motive oder zu einem politischen Zweck verübt hat, und die grauenhaften Ver brechen, welche im Laufe der letzten Jahre, sei es zu politischen, sei es zu sozialen Zwecken, begangen wur den, haben dahin geführt, daß die Notwendigkeit, den Asylschutz den wegen solcher Verbrechen verfolgten Per sonen zu versagen, in immer weiteren Kreisen aner kannt wurde. Die Moral und das Rechtsbewußtsein bäumten sich dagegen auf, daß etwa einem Stellmacher oder Kammerer, den berüchtigten Wiener Anarchisten, oder den irischen Mördern im Phönixparke die Wohlthat des Asyls zu teil werde, und dieser äußerst bemerkenswerten Strömung der öffent lichen Meinung vermochte sich auch der Staat, in dessen Gebiet sich die meisten europäischen Flüchtlinge aufhalten, nicht zu entziehen. Ter Gesetzentwurf, der nun bald Gesetz werden wird, trägt dieser Sachlage Rechnung; den alten Grundsatz der Nichtauslieferung politischer Verbrecher, auf welchen die Schweizer mit Recht so stolz, sind, hält er zwar ebenfalls hoch, aber anderseits gestattet er die Auslieferung einer Person welche ein Verbrechen begangen hat, das zwar des politischen Charakters nicht entbehrt, bei welchem aber der Charakter des gemeinen Verbrechens überwiegt. Nach dieser Formel würde zweifellos die Ausliefe rung der Pariser Krmmunards, welche Mord und Brandstiftung verübten, bewilligt werden müssen, wo gegen andererseits die Auslieferung eines Rcvolutions- chefs, der während einer revolutionären Bewegung Papiergeld ausgiebt und nun wegen Münzverbrcchens verfolgt wird, nicht zulässig wäre, weil in diesem Falle der politische Charakter des Verbrechens durchaus im Vordergründe steht. Man hat gegen die Formulierung von verschiede nen Seiten Einwendungen erhoben und behauptet, daß sie im Einzelfalle zu erheblichen Zweifeln Anlaß bieten werde. Letzteres muß bis zu einem gewissen Grade zugegeben werden, gleichwohl aber dürfte die Formel eine der besten seien, die in dieser Beziehung bis jetzt vorgeschlagen wurden; eine Formel ausfindig zu machen, welche im Einzelfalle zu Zweifeln überhaupt keinen Anlaß giebt, ist kaum möglich. Ta die Entscheidung der Zweifel im Einzelfalle in die Hande des Bundes gerichtes gelegt ist, so darf auch gehofft werden, daß sich bald eine feste Praxis bilden und das Gesetz in einer seinem Geiste entsprechenden Weise gehandhabt werden wird. Wir erblicken in ihm ein wesentliches LebenSsrische um so gewisser erklären, als ihnen in dem zu gleichförmigen Kolorit der musikalischen Charakte ristik, welche allen Personen einen sentimentalen Zug beifügt, in der Einförmigkeit des Tempo und Ryth mus und in dem Schweigen der Musik an der ent scheidenden Stelle der Wiedererkennung zwischen Joseph und seinem Vater an sich zwar erhebliche, aber doch nicht so gewichtige Mängel gegenüberstehcn, daß sie die offenbarten künstlerischen Tugenden des Kompo nisten für den Augenblick überdecken oder gar aufheben könnten. In „Joseph und seine Brüder" hat sich M6huls vorzugsweise dem Großen und Erhabenen zugewandtes Talent mit erreichbar höchster Kraft bekundet und eine Schöpfung erzeugt, welche vermöge der künstlerischen Wahrheit und Vornehmheit ihres Inhalts den Namen deS Tondichters noch manches Jahr in der lebendigen Erinnerung aller Musikfreunde festhalten wird. So war die vorgestrige neueinstudierte Darstellung der Oper, welche ihre hierorts letzte Aufführung vor bereits dreiundzwanzig Jahren mit dem unvergleich lichen Niemann in der Titelrolle erlebt hat, eine so angebrachte als rühmliche und vielen höchst willkommene That unserer Hofbühne und sie ermöglicht vielleicht eine wenn auch nur kurze Reaktion im musikalischen Geschmack des Publikums, das sich heute mit blinder Vorliebe von Schöpfungen nährt, die mit ihrer schwülen Atmosphäre, ihren dramatischen Spitzfindigkeiten und raffiniert gesteigerten Effekten vielen Giftstoff enthalten nnd den sie einseitig Genießenden znsühren. Mehuls Werk erhebt an die Ausführenden in zwiefacher Art große Ansprüche; einmal durch die Einfachheit und schmucklose Würde des GesangstilS, Mittel, die internationalen Beziehungen zu festigen und die Kulturgüter der Menschheit in höherem Maße gegen kulturfeindliche Angriffe zu schützen, als dies bisher der Fall war. Ter französische Minister Rouher nannte einst im Senate die Auslieferung das Mittel gegen die Verbreitung des Übels, wir glauben, daß das neue Gesetz der Schweiz in vollem Maße den An spruch darauf erheben kann, ein solches Mittel gegen die allgemeine Verbreitung des Verbrechens genannt werden zu dürfen, und sind überzeugt, daß eS für die von den Kulturstaaten in Zukunft abzuschließenden Ausführungsverträge das Vorbild geben wird. Tagesgeschichte. * Berlin, 5. Oktober. Se. Majestät der Kaiser hat sich heute mittag in Begleitung Ihrer Majestäten des Kaisers Franz Joseph und deS Königs von Sach sen vou Mürzsteg nach Radmer begeben. Bei der Fahrt von Mürzsteg nach Neuberg brach infolge Scheu- werdenS eines der Pferde -die Stange des Wagens, in welchem sich Ihre Majestäten befanden, ohne daß aber ein weiterer Unfall stattgefunden hätte. Ihre Majestäten bestiegen einen Reservewagen und setzten die Fahrt nach Neuberg fort, um von da mittelst Sonoerzuges nach Radmer zu gelangen. Die Ankunft der erlauchten Herren erfolgte daselbst um ^6 Uhr. Ihre Majestäten wurden von Sr. Königl. Hoheit dem Prinzen Arnulf von Bal-ern und den Staatsbeamten begrüßt und begaben sich alsdann unmittelbar nach dem Jagdschlösse, wo bereits eine größere geladene Jagdgesellschaft versammelt war. — Die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung" schreibt in ihrer heutigen Ausgabe an besonders kenntlich gemachter Stelle folgendes: Ein Teil der ausländischen und auch der deutschen Presse hat an die Thatsache, daß die österreichischen Mnister bei An kunst de» Kaiser» Wilhelm in Wien nicht anwesend waren, allerlei Kommentare knapsen zu sollen geglaubt. Wir bemerken hierzu, daß Se. Majestät der Kaiser Wilhelm bereits vor zwei Jahren seinen offiziellen Besuch in Wien ge macht hat, bei dem nicht nur die genirinsamen und die öster reichischen Minister, sondern auch der ungarische Ministerpräsi dent anwesend waren. Diesmal hat Kaiser Wilhelm lediglich einer Einladung des Kaisers Franz Joseph zur Jagd Folge ge leistet und dabei Wien passiert. Die Blätter, die sich über die Abwesenheit der österreichischen Minister wundern, haben unsere» Wissen» darüber, daß die preußischen Minister nicht in Rhon- stock Warrn, nicht» zu bcmerken gehabt. E» «st bedauerlich, daß in deutschen, Zeitungen wie z. B. in der „Münchener Allgemeinen Zeitung", der Anlaß zu In sinuationen hinsichtlich des Grasen Laaffe benutzt wird, die ein falsches Licht auf die deutsch österreichischen Beziehungen zu Wersen geeignet sind. Wenn die genannte Zeitung äußert, „Gras Taaffe muß also als Träger einer Entwickelung der österreichischen Dinge an gesehen werden, welche in den Augen Deutschland» der be stehenden Allianz nicht zuträglich ist", so erwidern wir hieraus: Die Thätigkcit des Grasen Taaffe liegt lediglich auf dein Ge biete der inneren österreichischen Politik. Daß sich Deutschland in diese niemals einmifchen wird, bedarf keiner besonderen Bcr- sichrrung. — Der Reichskanzler General v. Caprivi wurde gestern in Friedrichshafen in einstündiger Audienz von Sr. Majestät dem Könige von Württemberg und als dann auch von Ihrer Majestät der Königin empfangen; später stattete er dem Minister v. Mittnacht einen Besuch ab. Nach der Rückkehr ins Hotel empfing der Reichskanzler die Besuche des Prinzen Wilhelm, deS Kriegsministers v. Steinheil und mehrerer Hofkavaliere. Um 2 Uhr folgte Hr. v. Caprivi einer Einladung des Königs und der Königin zur Hoftafcl. Die Abreise des Reichskanzlers nach Konstanz erfolgte nachmittags in Begleitung des Ministers v. Mittnacht. Von Baden-Baden, wo der Reichskanzler morgen verweilen und auf besondere Einladung Sr. Königl. Hoheit deS Großherzogs im Schlosse absteigen wird, begiebt sich derselbe Montag nach Darmstadt. Se. Majestät der welcher unseren seit Meyerbeers Zeit auf stärkste Poin tierungen, auf vollste dramatische Accente geschulten Sängern und Sängerinnen wenig geläufig ist, und zweitens durch den stattlichen Umfang seines gesproche nen Dialogs, der viel schauspielerische Fähigkeit und Sicherheit erheischt, zwei Momente, deren Beherrschung man für gewöhnlich nur bei einzelnen Mitgliedern eines Opernensembles findet, obwohl hierin seit R. Wag ners Zeit eine deutliche Besserung, freilich auf Kosten der Sangeskunst eingetreten ist. An unserem Kunstinstitut können diese Forderungen gegenwärtig von der Mebrzahl aller Mitwirkenden sehr befriedibend, zum Teil vortrefflich gelöst werden, in erster Reche von den Herren Stritt, Scheidemantel, Nebuschka und Frau Schuch. Hr. Stritt, welcher rein stimmlich in der Titelpartie keine seiner noch vorhandenen Kraft unüberwindliche Schwierigkeiten vorfindet, ist ein ausgezeichneter Darsteller des Joseph durch den vornehmen Stil, die maßvolle Färbung, den ergreifenden und doch überall männlichen GefühlS- ausdruck des Vortrags, wie durch die Würde und milde Hoheit seines talentvollen Spiels. Hr. Scheide mantel giebt den Simeon mit dem ganzen Aufwand seines künstlerischen Vermögens und Eifers und ent faltet in der schweren, einen sehr tüchtigen Schauspieler beanspruchenden Rolle wirksame dramatische Aktion und eine leidenschaftliche Schilderung der quälenden Gewissenspein, welche den reuigen Bruder Josephs foltert. Seine Leistung würde an Eindruck noch ge winnen, wenn er sich durch leiseren Einsatz des erregten AuS - drucks eine allmählichere Steigerung deS letzteren sicherte und seine physische Kraft ökonomischer verwendete, die bei seiner jetzigen Ausführung am Schlüsse merklich versagt
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