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Sächsische Dorfzeitung : 07.12.1893
- Erscheinungsdatum
- 1893-12-07
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480520429-189312075
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480520429-18931207
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-480520429-18931207
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungSächsische Dorfzeitung
- Jahr1893
- Monat1893-12
- Tag1893-12-07
- Monat1893-12
- Jahr1893
- Titel
- Sächsische Dorfzeitung : 07.12.1893
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entschlossen, mit einer entsprechenden Forderung an den Landtag heranzutreten, sobald jene Borfrage eine befriedigende Lösung gefunden hat. Der Gesandte vr. Krüger, der seit 1866 ununter« brochen die Hansastädte am preußischen Hofe vertritt, feierte dieser Tage fein 25jährige» Jubiläum al» Bunde», rath-bevollmächtigter. Während diese» Zeiträume» hat vr. Krüger eine umfassende und jeder Zeit von allen Seiten sehr ehrend anerkannte Thätigkeit im BundeS- rache entfaltet; namentlich in den Ausschüssen war er unermüdlich wirksam und eine Reihe großer und ent- scheidender Berichte ist ihm zu verdanken. In der letzten Sitzung de» BundkSrathcS begrüßte der Vorsitzende, Minister vr. v. Bötticher, den Jubilar mit herzlichen Worten und beglückwünschte ihn im Namen der Bunde», rath-bevollmächtigten. Der Kaiser, der dem vr. Krüger jederzeit besondere» Wohlwollen bewiesen hat, entsandte den Chef de» Civilkabinett», Geheim Rath vr. v. Lucavu», und likß ihm durch diesen ein große- Porträt von sich in prachtvollem Goldrahmen, eine Vervielfältigung deS bekannten Lenbach'jchen Bildes, zur Erinnerung an den Festtag überreichen. Wie verlautet, hat der frühere preußische Kultus- Minister Graf v. Zedlitz einen Schlaganfall erlitten. Abweichend von dieser Version meldet die „Kreuzztg.", daß Graf v. Zedlitz während eine- JagdauSflugeS beim Grafen v. Tschirschky-Renard (Groß Strehlitz) an einer Lungenentzündung erkrankt sei. M,t Bezug auf die Angriffe der Agrarier gegen den Reichskanzler v. Caprivi schreibt man von frei- koffervativer Seite: „Doß der Reichskanzler in seinen Reden wiederholt ein warmes Interesse für die Land- wirthschaft und ein volles Berständniß für deren Be deutung bekundet hat, ist selbst von seinen entschiedenen Gegnern anerkannt worden. Gleichwohl wird er nach wie vor in den agrarischen Kreisen als Widersacher be kämpft und zwar unter d.r Begründung, daß er für die Schädigung, welche die Landwirthschast durch die Handelsvertragspol-tik erlitten, durch keinerlei Leistun- gen zu Gunsten der Landwirthschast ein Gegengewicht geboten habe. Die Herabsetzung der Getreidezölle wird namentlich bei den jetzigen niedrigen Getreide- Preisen allerdings von der deutschen Landwirthschast als eine Schädigung empfunden, obwohl eL weit über das Ziel hinau-geschossen wäre, wollte man in der ein, getretenen Zollermäßigung den allgemeinen oder auch nur deu hauptsächlichsten Grund für den niedrigen Stand der Getreidepreise suchen. Aber die Behauptung, daß unter der Leitung des Grafen v. C privi auch auf anderen Gebieten nichts für die Förderung der land- wirthschaftlrchen Interessen geschehen sei, entbehrt der Begründung. Die Novelle zu dem Unterstützung?' wohrsitzges.tze, welche jetzt dem Reichstage wieder vor liegt, ist doch wesentlich von dem Bestreben diktirt, die Belastung des flachen Landes und damit der Land, wirthschaft auf dem Gebiete des Armenwesens zu mildern. Aber auch aus der vergleichsweise kurzen Zeit, in welcher Graf v. Caprivi preußischer Ministerpräsident war, lassen sich Beispiele fruchtbarer Thätigkeit im Interesse der Landwirthschast beibringen. Graf v. Caprivi selbst hat bereits darauf hingewiesen, daß aus jener Zeit das RentengutS-Gesetz stammt, welches die Möglichkeit ge währt, den ländlichen Großgrundbesitz, sowie durch die Neueinrichtung landwirthschaftlicher Mittel- und Klein betriebe den Bauernstand zu heben und zu fördern. Vor Allem aber ist zu betonen, daß unter dem Ministe rium des Grafen v Caprivi der Grundstein zu der preußischen St«uerresorm gelegt wurde, welche, wie immer man im Uebrigen darüber denken mag, unzweifel haft als ein großer Vortheil für den ländlichen Grund« besitz und damit für die Landwirthschast anzusehen ist. Freund und Feind sind über diesen Grundzuz der Reform einig. Der gesammte Grundbesitz erfährt durch dieselbe eine Erleichterung von nicht weniger als jährlich 67 Millionen Mark, von welchem Betrage der Löwen antheil auf den ländlichen Grundbesitz fällt. Der Abschluß der Steuerreform, welche in ihrem zweiten Haupttheile bekanntlich erst am 1. April 1895 in Kraft tritt, ist allerdings erst im Jahre 1893 erfolgt, allein da» Ziel der Sesammtreform, der Verzicht de» Staate» auf die Grund- und Gebäudesteuer, wurde bereit» bei Ein- bringung de» Einkommensteuergesetze» im Herbste 1890 dargelegt. Die Landwirthe haben also durchaus keinen Grund, dem Grafen v. Caprivi eine Vernachlässigung ihrer Interessen zum Vorwurfe zu machen." Den Polizeibehörden ist ein Erlaß de» preußischen Minister» de- Innern zur Kenntniß gebracht worden, welcher, um der mißbräuchlichen Führung nichtpreußischer Adel-Prädikate entgegenzuwirken, bestimmt: Vor der Naturalisation nichtdeutscher Adeliger ist, fall- Zweifel bezüglich der Berechtigung zur Führung de- Adel- obwalten oder Bedenken gegen die Uebertragung de betreffenden ausländischen Adelstitels nach Preußen vor« liegen, die Entscheidung des Minister- einzuholen. Solchen Personen, welche bereit- in den preußischen GtaatS- verband ausgenommen sind, ist die Führung im AuS- lande erworbener Adelsprädikate in anderer al« der ihnen verliehenen Form, namentlich in deutscher Ueber- etzung, ohne besondere landesherrliche Genehmigung nnerhalb Preußen- zu untersagen. AuS dem Unter- thanenverbande auStretende, aber im Lande verbleibende Personen, welche einen ausländischen Adel erwerben, sind gemäß 8 18 des Gesetzes vom 1. Juni 1870 zur Erbringung des Beweises dafür anzuhalten, daß sie binnen 6 Monaten nach Aushändigung der EntlassungS- urkunde in einem anderen Staate die Angehörigkeit er worben haben. Falls sie diesen Beweis nicht erbringen und sonach nicht aufgehört haben, preußische Unterthanen zu sein, sind sie wegen Anmaaßung des Adels nach 8 360 Nc. 8 der Strafgesetzbuches zu verfolgen. Dank der Initiative der Kriegsverwaltung und d m ! Entgegenkommen des Reichstages sind nunmehr die Pensionsbezüge der Kriegsinvaliden von 1870/71 end. lich etwas aufgebessert worden. Die allgemeine Er höhung der PensionSbezüqe kommt auch allen denje- ! nigen kriegsinvaliden Officieren zu Gute, welche mehr als 11 Dienstjahre aufzuweism haben. Ausge- > schlossen sind nur die Leutnants mit weniger als 11 z Dienstjahren, also auch die kriegsinvaliden von 1870/71, i welche diese Zahl der Dienstjahre bei Eintritt ihrer Dienstuntau^lichkeit noch nicht erreicht hatten. Es ist ja wohl einleuchtend, daß man aus diesem Grunde den ! nach der Höhe deS pcnsionsfähigen Diensteinkommens normirten Pensionsminimalbetrag der Offic ere mit weniger als 11 Dienstjahren nicht einseitig erhöhen konnte, aber man hätte die kriegsirvaliden Olfic'-ere mit weniger als 11 Dienstjahren, denen seit über 20 Jahren noch keine Aufbesserung zu Theil geworden ist und welche an und für sich eine für ihre heutigen Verhält nisse ganz unzureichende Pension beziehen, bei der Vor lage deS MilitärprnsionS - Ergänzung-Gesetzes vom 22. Mai d. I. berücksichtigen sollen. Dieses Gesetz bessert nicht nur d'e Pensionsbezüge der sämmtlichen Krieg-- invaliden der Milstärunterklassen auf, sondern in ganz erheblicher Weise auch diejenigen der kriegsinvaliden Osficiere, welche sich noch im Staatsdienste btfinden. Nachdem man nun die 1870/71er Krieg-invaliden aller Klassen und Chargen in ihren Bezügen aufgebessert hat, erscheint es als eine Ehrenpflicht, die bislang vergesse nen kriegsinvaliden Leutnants mit weniger als 11 Dienst jahren nachträglich durch eine entsprechende Zulage zu ' berücksichtigen. Ucber die Wahrung der Sonntagsruhe während der Zeit vor Weihnachten schreibt man von officiöser Seite: Die Gewerbeordnung bestimmt ganz allgemein, daß für die Sonntage während der letzten vier Wochen vor Weihnachten die Polizeibehörde eine Verlängerung der sonst zulässigen Beschäftigungszeit auf 10 Stunden gestatten darf. Die Stunden, während welcher die Beschäftigung stattzufinden hat, werden durch statutarische Bestimmungen oder, wenn diese nicht vorhanden sind, durch die Polizeibehörde festgestellt. In Preußen ist eine ministerielle Anweisung über die Sonntagsruhe im i Handeisgewerbe unter dem 10. Juni 1892 ergangen. eine eherne Stirn, wenn er es auch nicht hindern konnte, daß nach dem Tode seiner Frau seine Haare weiß wurden. Ein Jahr nach diesem schmerzlichen Verluste — eS war im Sommer — stand am offenen Fenster deS Fsmilienzimmers die Tochter des Hauses, Frau Reichfels. Sie hatte auf Wunsch ihres Mannes seit einigen Wochen die Trauer um die Mutter abgelegt und trug ein weiße-, duftiges Sommerkleid, welche- ihr ein überaus jugendliches, mädchenhaftes Aussehen gab. DaS wellige, blonde Haar beschattete eine hohe Stirn. Ihre dunkel gezeichneten Brauen überwölbten ein sPaar tiefblaue Augen, die zur Zeit der Ruhe einen weichen, träumerischen Ernst haben, aber in Momenten der Auf regung oder Ungeduld in einem ungewöhnlichen Glanze aufsprühen. Ihre Nase mit den feingeschnittenen Flügeln erscheint edel geformt und der Mund, nicht klein, aber charaktervoll, ist reizend, sobald er lacht und eine Reihe schöner, weißer Zähne oufblitzen läßt. Im Zimmer geht mit unruhigen Schritten ihr Gatte aus und nieder. Er ist ein schlanker hübscher Mann mit braunen Haaren und Augen. Die vollen, ober etwa- sinnlich aufgeworfenen Lippen deckt ein dichter, in'S Röthliche schimmernder Schnurrbart, dessen Spitzen die sorgsam gepflegten Hände mit einiger Ner vosität drehen, al- er die Frage hinwirst: „Ob eS heute wohl noch ein Gewitter geben wird?" Ueberrascht wendet sich seine Frau von der Land- fchaft ab, blickt ihn an und fragt: „Weshalb? E» ist doch gar nicht schwül?" Dann, als dämmere ihr auf einmal die tiefere Bedeutung seiner Frage auf, fügte sie hinzu: „Ach, Du meinst drinnen bei Papa?" „Ja, drohend genug haben die verd . . . Rech- nungen" — er verschluckte das Beiwort — „den Himmel überzogen." „Weshalb offenbartest Du ihm denn auch nicht Deine Schulden vor der Hochzeit?" bemerkte sie vor wurfsvoll. „Als wenn ich Dich dann bekommen Hütte?" lautet die Antwort. Das leuchtet ihrem neunzehnjährigen Verstände ein. „Glaubst Du, daß der Vater sie bezahlen wird?" fragte er, sie erwartungsvoll anblickend. „Sicherlich, Deine Ehre ist ja jetzt seine Ehre", erwiedert sie mit dem ganzen Stolze der Warnows. Er nickt befriedigt, zündet sich eine Cigarre an und nimmt seinen unterbrochenen Gang im Zimmer wieder auf, während sie ihren Blick dem eiligen Fluge der WolklN zuwendet. Schön und reizvoll bleibt die Natur immer, sei es, daß dre Sonne goldig den Kamm der gegenüberliegenden Berge beleuchtet und Licht und Schatten auf dem waldigen Abhange spielen läßt, sei eS, daß die heraufziehenden Wolken den zu Füßen liegenden See in fahlem, bläulichem Lichte erscheinen lassen. Ein heftiger Zugwind, hervorgerufen durch den Eintritt einer dritten Person, welche nicht rasch genug die Thür hinter sich schließt, hebt die weißen Spltzen- gardinen empor, so daß sie sich wie Segel aufblähen. Die junge Frau fährt vom Fenster zurück, welche- mit lautem Klirren zuschlägt. Die Emtretende ist eine kleine, resolut au-sehende Frau mit einem Gesichte, da- selbst in jüngeren Jahren schwerlich Anspruch auf da- Prädikat „hübsch" gemacht hatte. Da» graue, dichte Diese überläßt den Verwaltungsbehörde» die Festsetzung der Stundenzahl, um welche eine Ueberschrettung der fünfstündigen Arbeitszeit zuzulasseu ist, setzt jedoch aus drücklich fest, daß die Beschäftigung niemals über 7 Uhr abends hinaus dauern darf. In anderen Bundesstaate» liegt die Sache aber anders. So hat der Stadtrath z» Gera die BeschäftigungSzett an den vier, Weihnachten voraufgehenden Sonntagen auf 10 Stunden verlängert und so verlheilt, daß die Läden von 7 bi- 9 Uhr früh, von 11 bi- 1 Uhr mittags und von */,3 bis */,9 Uhr abends offen haben dürfen. Die diesbezüglichen Bor« schriften werden demgemäß in Deutschland nicht einheit lich gehandhabt. Im Fürstenthum Reuß j. L. erfreuen sich z. B. die Geschäftsleute einer anderen Behandlung alS in Preußen. Zu einer Aenderung auf diesem Ge biete würde eS daher keiner Gesetzesumgestaltung, so»- dern nur einer einheitlichen Verfügung seitens der Regierungen bedürfen. Die Handelskammer zu Köln hat an den Reichs tag die dringende Bitte gerichtet, den Handelsverträgen mit Spanien, Rumänien und Serbien baldigst seine Zustimmung zu ertheilen und überhaupt der Handelt' Politik der Regierung eine wirksame Unterstützung an- gedeihen zu lassen. Die Handelskammer verweist dabei auf die Vortheile, die der deutschen Industrie, dem deutschen Handel und der deutschen Schifffahrt au- den bisher abgeschlossenen Verträgen erwachsen sind und spricht ihre Ueberzeugung dahin aus, daß auch die drei noch der Genehmigung des Parlamentes harrenden Handelsverträge volle Billigung verdienen, indem sie durch die Ermäßigung bezw. Bindung der spanischen, rumänischen und serbischen Zollsätze für zahlreiche Waare» gattungen dem deutschen Handelsverkehre mit jenen Ländern eine sichere Unterlage für eine gedeihliche Ent wickelung in der Zukunft biet n. Die amtliche „Koburger Ztg." schreibt an hervor ragender Stelle: „Wir sind in den Stand gesetzt, zu erklären, daß Se. königliche Hoheit der Herzog, um jeglichem Mißverständnisse vorzubeugen, seine Mitglied schaft zum englischen geheimen Rache, d. h. die Würde als msmber ok tbs priv^ eouneil, niedergelegt hat. Dieser Entschluß dürfte darauf zurückzuführen sein, daß man im Reichstage mit der Absicht umging, die Regie rung darüber zu interpelliren, ob ein deutscher Sou- verain der genannten englischen Körperschaft ang hören dürfte. Großbritannien. Bor einigen Tagen meldete die „Times", sie habe aus „ausgezeichneter Quelle" er fahren, daß die öffentliche Bekanntmachung der Ver lobung der Prinzessin Helene von Orleans mit dem Czarewüsch baldigst erwartet werde. Nunmehr ver öffentlicht das Blatt aber eine Zuschrift des Privat- sekretärs deS Grafen von Paris, worin die Nachricht für unzutreffend erklärt wird. — Zu der in Dresden am 15. April d. I. unterzeichneten internationalen Sanitätskonvention hat die englische Regierung nach träglich ih^en Beitritt erklärt, jedoch unter dem Vor behalte, daß bezüglich der Behandlung von Personen, welche an Bord von verseuchten Schiffen ankommen, die aber bei der Ankunft nicht krank befunden werden, in England nicht die Dresdener Beschlusse, sondern die bisherigen britischen Bestimmungen «maßgebend bleiben sollen. — Trotz des seitrns der Polizei ergangenen Verbote? versuchten am Sonntag die Londoner Anar chisten auf dem Trafalgar - Square ein Meeting abzu halten. Das Anarchistenblatt „Commonweal", welches einen Artikel, „Bomben" betitelt, enthielt, in welchem das Attentat in Barcelona gepriesen wird, fand bei den Erschienenen reißenden Absatz. Aber auch zahlreiche Polizeimannschaften waren zur Stelle. Um 3 Uhr Nachmittag versuchte ein Anarchist den Sockel der Nelson säule zu besteigen, wobei er unter dem Zischen der Menge verhaftet wurde. Als die Versuche, den Sockel der Nelsonsäule zu besteigen, sich wiederholten, erschie- nen 50 berittene Polizisten auf dem Platze und trreben die Menge auseinander. Die übrigen Polizeimann schaften schritten gleichzeitig ein und da Widerstand Haar liegt glatt gescheitelt an den Schläfen und die werß gesteiften Mullbänder ihrer sauber gefältelten Haube sind unter dem grob ausgeprägten Kinn in eine Schleife geschlungen. Ihr Anzug von dunkel gedrucktem Kattun und ein mächtiges Schlüsselbund, das mit einem stählernen Haken am Schürzenbande befestigt ist, ver- rathen sofort die Wirthschafterin des Gutes. Durch eine dreißigjährige Dienstzeit hat sie sich daS Vorrecdt er worben, die Kinder des Hauses schlechtweg mit ihrem Vornamen und mit „Du" anzureden, welches sie selbst bei der nunmehr erwachsenen Tochter deS Hause- zum nicht geringen Berdrusse ihres Gatten ausübt. „Der Hrrr Landrath wünschen Sie zu sprechen, Herr Reichfels", sagt sie, als sie das Fenster fest ge schloffen hat. DaS junge Paar wechselt rasch einige verständniß- volle Blicke, welche der Wirthschafterin nicht entgehen und aus denen sie im Stillen ihre Schlüffe zieht. „Hat Dir Papa gesagt, daß er wa- mit Harry zu besprechen hat?" fragte die junge Frau, al- sich die Thür hinter ihrem Manne geschlossen, in etwa- ängst- lichem Tone und schiebt mit ihrem schmalen, kleine» Fuße einen vertrockneten Jasminzweig zur Seite. „Ich fürchte, eS ist wieder wegen Schulden", seufzt die alte Mamsell, während sie den Zweig von der Erde aufhebt. „Wieder, sagst Du?" braust die junge Frau auf. „Ich wüßte nicht, daß Papa schon Ursache gehabt, wegen Schulden mit Hany zu verhandeln." „Aber Lore, we-hald so heftig?" sagt in ver weisendem Tone die alte Mamsell. „Nun, da soll einer nicht heftig werden, wenn »a»
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