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Weißeritz-Zeitung : 25.05.1929
- Erscheinungsdatum
- 1929-05-25
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1761426109-192905256
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1761426109-19290525
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1761426109-19290525
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungWeißeritz-Zeitung
- Jahr1929
- Monat1929-05
- Tag1929-05-25
- Monat1929-05
- Jahr1929
- Titel
- Weißeritz-Zeitung : 25.05.1929
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I L I »H! « « Nv^r2x2^>L- §LM Z «« ß «sL« H- ZZ L Mutter Lienhart schlug die Hände zusammen. „Ist das eip Mensch. Denkst du jetzt auch noch ein bißchen nach, Lienhart? Drunten im Sekretär? Wo kein Mensch drunten tAHet Nacht? Und wo alles weiß, daß wir das große Los gWonnen haben? Selbstverständlich sagt sich jeder, der A^Hart hat bloß den Sekretär zum Aufheben. Und morgen tst alles fort, wie weggeblasen! Im Glaskasten heben wir es auf, hier unten im Glaskasten. Da denkt kein Mensch, daß Geld drin ist.' Lienhart sah die Richtigkeit dieser Ausführungen ein. Nm behagte eS ihm auch nicht, das Geld im Glaskasten aufzubewahren. Er hätte es gern allein unter Verschluß gehabt. „Da ist ja ein ganz schlechtes Schloß daran I* »Wenn du willst, daß der Haufen Geld gestohlen wird, . dann tue es in den Sekretär, wenn du es nicht willst, dann Äe eS in de» Glaskasten, bis wir einen Kassenschrank haben. Natürlich lassen wir es nicht ewig im Glas- kastyt.* Schließlich einigte man sich dahin, bis auf weiteres die Kassenscheine in den Glaskasten, die Papiere aber im Sekretär unterzubringen, und man machte sich sogleich ans Merk. Die Obligationen und Aktien wurden in ein großes hlaueS Schnupftuch sorgfältig eingeknotet, die Banknoten desgleichen in ein rotes, und letzteres sofort, dem Horte Ler Nibelungen vergleichbar, in die Tiefe des Glaskastens versenkt. Dann trugen die beiden Ehegatten in feierlicher Art daS andere Bündel hinunter ins Erdgeschoß, um das selbe in dem altertümlichen, polierten Schreibschrank unter zubringen. Mittlerweile war es Mittag geworden, und Grete fiel eS schwer auf das Herz» als ihr einfiel, daß sie über all dem Glück und Unglück vergessen hatte, die Kartoffeln zum Kochen anzusetzen. Dagegen drang plötzlich ein penetranter Geruch von draußen herein. Grete sah, schlimmer Ahnungen voll, die Mutter an, und die Mutter die Tochter. „Das ist daS Siedefleisch!* sagte Grete. „Es wird das Wasser eingekocht sein.* Grete hatte keinen Zweifel. Mutter Lienhart rang nach Atem. „Ich könnte dir geradezu eine Ohrfeige geben; so alt wie du bist, du leichtsinniges Mädel.* Grete zog das Taschentuch aus der Tasche. „Ich kann doch nicht für alles! Du hast's ja auch vergessen!* „Bist du still! Wenn ich in Ohnmacht liege, kann ich Loch nicht auf daS Fletsch achtgeben.* Nun mischte sich Lienhart mit hinein. „Herrgott, ist LaS ein Tag! An den will ich denken und wenn ich hundert Jahre alt werde! So eine Wirtschaft! Ich schaffe Geld ins Hau- und bekomme nicht mal was zu essen dafür! Es ist ein Elend!* Diesen Angriff mußte Mutter Lienhart parieren. „Zum Donnerwetter! Mach' nicht solch einen Spektakel! Wir essen einfach im Restaurant, und zwar in dem feinsten, sage ich dir. Ich denke, wenn man das große Los gewinnt, hat man auch einmal das Recht, in einem feinen Restau- rmü zu speise»!* Dies war zweifellos richtig, und eine halbe Stunde später machte sich die Familie vollzählig auf den Weg nach Silbermanns Restaurant. Lienhart hatte ein paar Geldscheine eingesteckt, und war jvieder in bester Laune. Sie ließ allerdings ein bißchen nach, well eS dort so schrecklich voll war. Das war ein gräßliches Getriebe in dem großen eleganten Saal; wie ein FelS stand Lienhart in der Brandung. Er hatte höflich tzxp Hut abgenommen, und spähte vergebens nach einem Plätzchen. Wie zwei schüchterne Tauben, drängten sich die Frquen hinter ihn. Kein Mensch kümmerte sich um ihn, dafür aber erhielt er zahlreiche Püffe links und rechts von de« Kellnern, denen er überall im Wege stand. Da er feinen Hut, in der Sorge, er möchte zerdrückt werden, sorg fältig wagerecht vor sich hinhielt, bekam er richtig von einem ungeschickten Pikkolo eine Portion überfließender Suppe hinein. Dies erregte in der Umgebung allgemein» Heiterkeit. „Ich wünsche einen guten Appetit!* sagte ein Spaß vogel. Lienhart wurde so zornig, daß er ihm am liebsten den Hut auf den Kopf gesetzt hätte, und es gab einen kleinen Skandal. Dies hatte aber wenigstens den einen Vorteil, daß ein Oberkellner herbeikam. „Dort hinten ist ein Platz! Setzen Sie sich doch endlich einmal hin. Es kann ja kein Mensch mehr ordentlich gehen!* Grete zupfte ihren Vater am Rockärmel. „Wir gehen lieber wieder fort; es ist gar nicht nett Hierl* Lienhart aber setzte seinen Trotzkopf auf. „Jetzt erst recht nicht!* Und sogleich machte er sich auf und kämpfte sich durch zu dem angewiesenen Platz. Schließlich saßen alle drei wohlbehalten an einem kleinen runden Tischchen. „So*, sagte der Vater, „jetzt kann es losgehen!* „Suppe?* fragte jemand in einem schwarzen Frack, der eilig vorüberging. Vor Erstaunen war Mutter Lienhart sprachlos. „Das ist gut! Der wartet gar nicht auf eine Antwort!* Lienhart spielte den Erfahrenen. „Es ist doch klar! Zu einem feinen Essen gehört doch Suppe. Das tst doch selbst verständlich!* Im Handumdrehen stand eine dampfende Suppe vor ihnen. Es ging alles flink, wie in dem Märchen vom Tisch leindeckdich. Auch schmeckte die Suppe gar nicht übel, bis Mutter Lienhart etwas tn ihr fand, was nicht hinein gehörte. Und da noch etwas, und da wieder etwas! „Wenn wir zu Hause so kochen würden, das gäbe einen schönen Spektakel! Aber freilich, in einem feinen Restau rant ist alles gut!* Sorgfältig schob sie mit dem Löffel die verkannten Ochsenschwanzstückchen aus den Rand des Tellers. Nun wollte es auch dem Vater nicht mehr recht schmecken; er wurde ebenfalls mißtrauisch. „Warten wir aus das nächste!* Schon kam auch der Kellner wieder und nahm die Teller weg. Da warf er in der Eile eine schön-gemalte Karte mit der Speisenfolge auf den Tisch. Das war aber auch alles. Nun ließ er sich lange genug nicht mehr sehen. Lienhart wurde sehr ungeduldig, und da er sich jetzt schon ganz sicher fühlte, packte er einfach den nächsten besten befrackten Menschen an dem Teil seines Ge wandes, der am besten zu ergreifen war. „Suppe oder Bujonk?* fragte dieser. „Daß die Menschen es aber alle so entsetzlich eilig hatten! „Bujonk!* befahl Lienhart. „Suppe haben wir schon gehabt*, setzte er hinzu, als der Mann schon weg war. „Ich bin gespannt, was dabei 'rauskommt*, meinte Mutter Lienhart skeptisch, und sie sah besorgt nach dem Kellner, der schon wieder herbeigelaufen kam. „Der Teufel auch! Das ist ja wieder Suppe!' sagte Lienhart entrüstet, als er sich vas Resultat besah. „Kellner, Kellner! Ich will doch nicht nochmal Suppe!' Der Mensch hielt in seinem Lauf inne. „Sie haben doch Bujonk bestellt? ... Na also, das ist Bujonk!' Damit überließ er den Meister seinem Schicksal. Niedergeschlagen löffelte die kleine Familie ihre Fleisch brühe aus. „Die ist wenigstens gut', sagte Grete, um die Stimmung zu verbessern. Ein schwarzer Schatten tauchte auf. Es war endlich wieder der erste Kellner. „Und was trinken die Herr schaften?' Lienhart schluckte schnell einen Löffel der heißen Fleisch brühe hinunter, so daß er sich verbrannte. „Bringin Sie drei Schoppen!' „Drei Schoppen???' „Wenn ich es sage! Von uns trinkt jeder seinen Schoppen!* „Sehr wohl, mein Herr', sagte der Kellner mit einem eigenen Lächeln.
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