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Zschopauer Tageblatt und Anzeiger : 23.07.1938
- Erscheinungsdatum
- 1938-07-23
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1780077211-193807232
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1780077211-19380723
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1780077211-19380723
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungZschopauer Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1938
- Monat1938-07
- Tag1938-07-23
- Monat1938-07
- Jahr1938
- Titel
- Zschopauer Tageblatt und Anzeiger : 23.07.1938
- Autor
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193i Sonnabend, den 23. Juli rr. 27 wie äuge« SßGopauer Gonntagsvßati »erläge zum ZfGopauer Lagevlatt und Anzeiger Haus zu schleppen. Die sehnige Alte wär nicht leicht. Aber schon auf der Türschmelle verriet sich ihre unge« brochene Lebenskraft. Sie kam überraschend schnell wie« der zu sich und zog schnaubend Luft durch die Nase. So« fort wehrte sie sich und wollte nicht mehr getragen sein. Sie beaebrte wieder zurück ins Freie. Dann tappte sie, auf Almut gestützt, dem Brunnen zn Und hielt den grauen Kopf unser den Wasserstrahl. Ge« raume Weile stand sie so. Ingrimmig scheuchte sie die gaffende Dirn an die Arbeit zurück und ließ sich von Almut verbinden. Die leichten Finger des Stadtfräuleins, die so geschickt an ihr herumhantierten, schienen ihr wohlzutun. Sie saß mit halbgeschlossenen Augen auf der Hausbank, langsam verrauchte der Zorn. „Haut mir der Fratz glei an Necha umi (über)! Hast so was scho gesehgn?" Es klang nur noch wie fernes Donnergrollen. * * * Seit drei Tagen war die Neitenres abgängig. Der K'rgmald hatte die Flüchtige ausgenommen. Der Ncitcnsepp ging umher, aschfahl wie ein Tod kranker. Die Gendarmerie war bereits verständigt, es wurden Streifen unternommen bis zur Landesgrenze. Aber wahrscheinlich war die Dirn in ihrer Angst hin« über ins Salzburgische gelaufen. Der Vorfall auf dem Lackneranwesen hatte sich her« umgesprochen. Er wurde im Mund der Leute aufge« bauscht zu etMn Mordanschlag auf die Lacknerin. Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm! sagten die bösen Zungen. Es war wieder üble Zeit für die Inwohner des Reitenlehens, die Reitenseppin tat tagelang den Mund nicht auf und wagte sich nicht herunter in den Ort. Sie rührte auch keine Arbeit mehr an. Ihre Augen waren vollkommen erloschen, regungslos saß sie meist auf der Hausbank, bas Gesicht den Grenzbergen zuge wandt. Der Neitensepp betrachtete sie oft mit stummer Scheu. - - Am Abend des dritten LageS, als er von ergevniS« loser Suche nach Hause kam und sich erschöpft neben sein Weib setzte, rückte die Reitenseppin feindselig zur Seite. Da packte den Seppen eine sinnlose Wut, er schlug die Frau und brüllte wie ein Stier. Als er sich heiser getobt hatte, sagte die Reitenseppin ganz ruhig: „Schrei, wia'st magst! Es nutzt dir ntxl Unser Res ktmmt nimmer. Die Hot der Bergwald ver« schluckt — wta den andern. Woaßt scho, wen i moan. Dös is d' Straf Gottes!" Sie steckte still die Zöpfe wieder auf und ging hinauf In die Kammer der Res. Dort schloß sie sich ein. Die Augen blutunterlaufen, hatte oer Sepp ihr nach« gestarrt, er ächzte vor Gr,mm und Scham. Sein Ge« sicht war mager geworden, die Backenknochen stachen her« vor, der Mund war grau und klaffte vor Qual. Wer ihn so sah, dem mußte ein Erbarmen kommen. Er aß keinen Bissen, obwohl er den ganzen Tag umhergeirrt war. Mit einer fast endgültigen Bewegung wandte er seinem Hof den Rücken, diesem schwer erkämpften und blutig verteidigten Besitz. WaS ging ihn der tote Stein« Kausen an, wenn er sein Kind nimmer hatte? Der Reüeusepp stieg langsam wieder hinauf in den Wald. Unmerklich war die Nacht gekommen, ein verhänge« ner Himmel lastete auf den Bergen und bedeckte die höchsten Gipfel mit Wolkenschwaden. Die Dunkelheit brach ein, daß kaum noch die Hand vor den Augen zn scheu war. Der Neitensepp stieß einigemal gegen Baumstämme, er war vom Weg abgekommen und mutzte lange herumtappen, bis er ihn wrederfand, den schma« len Streifen Dämmerung zwischen den hohen, unruhig rauschenden Tannen. Aber da war plötzlich eine dunkle Gestalt, die ver« sperrte ihm den Weg. Der Neitensepp fuhr zusammen, ein Schauer schoß ihm über den Rücken, dann streifte seine Hand an Menschen« wärme. „I bin'sl" sagte der Lackner-Simon. En, fernes Wetterleuchten zuckte über den Wald. In dem raschen Lichtschein sahen die Männer ihre Gesichter, fahl und gespenstisch, nie hatten sie sich so in Einsamkeit und Dunkel getroffen. Beide dachten daran, was da wohl früher geschehen wäre, ehe die Res dem Burschen die Hände gebunden hatte — mit einem Faden, dünner als seinstgesponnener Flachs. „Suachst d' Res?" fragte der Neitensepp. Der Simon antwortete nicht. Was sollte auch die Frage? Warum denn sonst lief er herum bei Nacht und Nebel, umaetrieben wie eine arme Seel, die nirgends Ruhe fand? Freilich, das Madl war's nicht wert. War ein böseS Maül, ein rechter Zornnickel, der mit dem Rechen zuschlug. „D' Muatta schangt böS aus — hat an faustgroßen Binkel7Beule) am Kopf.. ? Der Simon murrtLes widerwillig gegen den Retten« kuhen. Freundlichere Bilder schossen ihm durch den Kopf« Die Nes — seine Res, er würbe sie finden und wieder in den Armen halten — schon jetzt erlebte er ihre Nähr — es war wie ein Rausch... Da hörte er den Neitensepp neben sich ächzen. Der große, starke Mann müßte sich setzen. Irgendwo aut Wegrand sackte er im Dunkel auf einen Felsblock. „Hörst?" stammelte er. „Hörst ntt?" Ein Schauer überlief den Simon. DaS hatte auch die Nes gerufen — damals — in jener Regenngchtz Hörst nit? Und dann war bas Grauenhafte gekommen« das Unerklärliche — der Schrei... Der Simon hütete sich, dem Neitensepp zu nahe zu kommen. WaS war mit allen diesen Menschen los? Mit diesen Leuten aus dem Neitenlehen? Die Nacht blieb stumm. Der Lackner-Simon hörtq Nichts außer dem Rauschen des Wasserfalls. Nach eiüer Weile stand der Neitensepp wieder auf« schwankend wie ein Betrunkener. . ^aa!"^ ^)a wußte der Neitensepp, baß der Schrei anS ihm selber kam. Aus dem Abgrund seines Gewissens. Und baß nur jene Menschen ihn vernahmen, die leine gller« Nächsten waren. * * * . ' Sie trennten sich bald darauf. Einer war dem andern «keMstta. Und als die dunklen Dachfirste von einigen „Wann's MaLl höamkimmt, wer i ihr schon zoagn, was recht iS!" Das paßte dem Simon doch wieder nicht. Anrühren sollte der Kerl, der grobe, das Madl um die Welt nicht. DaS vertrug er nicht, daß einer die Res schlug, ünd wenn's der eigene Äater war. „Wann's überhaupt no höamkimmt « » sagte der Neitensepp. Das gab dem Simon einen Stich. Beide atmeten schwer. Der Weg wurde steiler, schon kam bas Rammen von den KönigSbacherfällen herüber. Plötzlich blieb der Simon stehen, er hatte einen Entschluß gefaßt. „Neitner, t moan's ehrli. I will tü Res hqm. WH wann sie a d' Muatta am Kopf stellt — und wänn'S mt an Hof kost' — 's Mudl muaß her ..." In der Dunkelheit verzog der Neitensepp das Gesicht, er lachte lautlos, wurde aber sofort wieder ernst. „Äscherst (Zuerst) mttaßt ma's Ham!" sagte er hart« /»Äscherst ^s Madl finden, na weiterreden!" Aber aus dem Simon schlug ein Feuer, er brannte ichterloh vor Eifer und Begier. Daß der Neitensepp eine Werbung so ruhig aufnahm, machte ihn hoffnungS« roh. Alles ließ sich leichter an, als er gedacht hatte. Man konnte reden mit oem Neitensepp. Man konnte ihn auch fragen — Dinge fragen, die einem das Her« abürückten. Und die Dunkelheit war gut. Die deckte di« Gesichter zu. „Nachbar..." Zweimal setzte der Simon an und seins Stimme war heiser. „Nachbär t hätt a Krag.. ." Der Rettmsepp blieb stellen. Beunruhigt horchte ey zu dem Burschen hinüber, er fühlte etwas heran-« schleichen, eine Frage herankriechen, auf die er nicht ant worten konnte und wollte. Er wappnete sich, er riß sich zusammen und war zu allem bereit. „Was willst?" fragte er kurz. Nun aber hatte der Simon Len Katzen verWen. MU seiner Fassung war es vorbei. Er'hatte vMWtg feig wollen, schlau und überlegend. Aber sein MMW klopfendes Herz schmiß alle klüge'n Plane über bA Kausen. „Neitner — mein Vattern hast'v du — bis Lu'Ä gwen? ...." Es war ein klägliches Gestammel. Mer aus jedem Wort drang eine solche Herzensangst, Laß bet RWW l fepp im Dunkel die Fäuste baW muhte. .WiMf Was reden? Was tun? Die Wahrheit war schliMie als ein Hagelwetter. Neues Leben wollte «Min üij -er Reit. Da waren zwei Menschen, zwei Hose, die zn einander drängten. Km-er würden spielen int Schatteft 9. Fortsetzung. Gildis betrachtete Ne Schwester forschend und besorgt. Da sie selbst .virUchastliche Sorgen nicht kannte, deutete sie Almuts Bläste rn" G«drückthett auk ganz andere Art. „Almut . . " fragte ste stockend vielleicht liebst du Walter nocü? Ast der Verzicht so schwer?" Almut muß/-- Hr« an? Ferne zurück« holen. „Set unbesorgt, GilNSi Das lst lang vorbei. Du brauchst nie mehr die aermgstk Befürchtung zu haben. Ich liebe einen LvderLN Man* " Sie hatte es ganz von »nnen heraus gesagt. Es war so unbewußt über »hri Linnen gekommen, als hätte es ein Fremder, Unbeteittgler -br behauptet. Sie saß wie erstarrt. Felsen, grünes Gewässer, ein Büschel Alpenrosen, ein fleckiger Rucksack wirbelten durch ihr Gehirn. Ein kobaltblauer Himmel, davor ein Männerprofil — der erste und einzige Mensch, mit dem Almut Gerdes allein gewesen war zwischen Himmel und Erde — am Nana? t-es Steinernen Meeres. Gildis konnte die Augen nicht von Almut wenden. Sie erkannte in diesem Augenblick die Schönheit der Schwester nahezu wie eine Offenbarung. Almut schien erschrocken in sich hiueinzuhorchen. „Und er?" fragte Gildis gespannt. „Er?" Almut schu'vvte mit den Fingern. „Er macht sich nicht soviel aus mir .. Gildis lächelte ungläubig. Sie umfaßte Almut mit einem langen, wägenden Blick, ihr Lächeln vertiefte sich, sie zitierte halblaut: „Ws wär^ der Mann, der dich, Isolde, nicht liebte?" Die Schwestern hatten nicht ohne Bewegung vonein« ander Abschied genommen. Eine Einladung von Gildis, Mr den Rest ihres Berchtesgadener Aufenthaltes nach Kuchenstein überzustedeln, hatte Almut ausgeschlagen. Sie war fest entschlossen, wieder Jahr um Jahr vor das Nächste Wiedersehen zu legen. Auch in das Kranken« »immer hatte sie nur einen kurzen Blick geworfen. Walter schlief. So nahm Almut als Erinnerung feilt gestilltes und entspanntes Gesicht mit fort, das mit dem Ausdruck eines Endlich-Heimgekehrten in den Kissen lag. Am Fußende des Bettes hatte Hanno gesessen. Gildis hatte sie bis an die Gartenpforte begleitet. Gesprochen wurde nicht viel. Aber Almut sah beim letzten Händedruck mit Staunen und Erschütterung, daß Gildis Tränen in den Augen hatte. „Ich danke dir!" hatte Gilois gesagt. „Mir ist ein Stein vom Herzen. Denke an Mich, wenn du einmal einen Menschen brauchen solltest — wenn ich etwas für -ich tun kann ..." Almut sann darüber nach, als sie durch den Buchen« wald ging, zurück auf die Reit. Vielleicht war dieses Wort doch mehr als eine Phrase gewesen. GildtS hatte ks im Augenblick sicher ehrlich gemeint. Aber Almut rvnme noch nicht w recht an die verwandelte GildiS glauben. Unerträglich wäre thr eine Zurückweisung ge« wesen, falls sie ein? Bitte gewagt haben würbe. Das Lacknerlehen kam in Sicht, als Almut lauschend fftehenbueb. Durch den Sommerabend drang das Gekeif einer Weiberstimme, schrill ünd wütend, in der aller« höchsten Fistel. Daneben aber war ein anderer Weiber« xock, von einer blanen Schürze halb verdeckt, ein weißes Kopftüchl blinkte. Das schmale, dünne Wesen trug einen Rechen geschultert. „Du Rotzlöfft, du nixiga," schrie die Lacknerin. „Du Mistkrampen, du! Ums HanS umalurn, und aufn Sim« wer spckaliern! Sunst nix mehr! Jetzt schaust aber glei, -aß d wetterkimmst — oder i mach dir Füaß." Lie Res schob mit zitternder Hand das Kopftüchl tiefer in die Stirn, als wollte sie ganz darunter ver« schwinden. „I geh scho ..." sagte sie scheu. Aber sic zögerte doch Doch ein wenig, ihre flinken Augen liefen durch Hof nud Garten, die Fensterreihen des Hauses entlang. Da gab thr die Alte mit knochiger Faust einen Stoß in den Rücken, daß sie wie ein leichtes Kleiderbündel vorwärts, flvg. Tie Nes wurde dunkelrot. Alles vertrug sie, bloß an« rühren durfte sie keiner. Sie schnellte hernm, eine Wild« Kcit war m ihrem Gesicht, vor der die Lacknerin zurück« wich. Aber es war schon zu spät. WeitauShvlend schlug -ic NeS mit dein Rechen nach der Alten. Einen Augenb ick stand die Lacknerin wie vom Donner gerührt. Dann chwankte sie und knickte in den Knien kiir. Ehe Almut hinzuspringen konnte, mar sie schon zusammengesnnkett. „Um Gottes willen, Mädel, was machst du denn?" Mit hängenden Armen stand die Nes und starrte ans das Unheil, das sie angerichtet hatte. Ueber das Leder« gesicht der Lacknerin tropfte es rot. Die Res wollte schreien, laut und verzweifelt, aber kein Ton kam über ^^»E??idcbleichen Lippen, sie fand nur plötzlich die Kraft ihrer Beine wieder und entfloh wie gejagt hinauf in den Bergwald. -Almut rief um Hilfe, die Stalldtrn kam herbeigestürzt. -es Hohen GÄl. Wenn er. der Neitensepp. läng Wo ft nicht mehr war, würde fein Fletsch und Blut «Met« leben in den Löchtersöhnsn. Es durfte nicht hageln. Nicht um Lür Welt. „Naa!" sagte Lek ReitenfLvp mechanisch, i ' „ leryt. „I VM S net gwen .. / Der Simon waKe nicht recht, sich Zu WuM Eü horchte den Worten des Bauern nach. Sie Mten heM und rauh, aber irgendwo fehlte -er feste Kern. Durst- tnan noch einen Schwur verlangen? Der Neitensepp fühlte -aS Zögern des Burschen und bangte vor dem nächsten Wort. Er wußte, laüg hielt e- Nicht mehr Lurch. Aber der Simon gab sich zufrieden. Plötzlich Lekarft Lie Ichsucht seiner Jugend Sie Oberhand. Warum her- .umsiochern in den alten Dingen? Er hafte gefragt — er hatte seine Pflicht getan — nun mochten Lie Toten
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