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Sächsische Dorfzeitung : 23.08.1872
- Erscheinungsdatum
- 1872-08-23
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480520429-187208230
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480520429-18720823
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-480520429-18720823
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungSächsische Dorfzeitung
- Jahr1872
- Monat1872-08
- Tag1872-08-23
- Monat1872-08
- Jahr1872
- Titel
- Sächsische Dorfzeitung : 23.08.1872
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weil e- sich als das Opfer der Koalition Europa'- bettachtele. Es beruhigte sich erst, alS eS sich in gesellschaftlicher Bedeutung doch al- die einflußreichste Macht in Europa wieder anerkannt sah. AlS LouiS Napoleon sich de- Throne- bemächtigte, legte er aber den Fmger m diese Wunde und sagte den Franzosen, daß da- politische Gleichgewicht Europa'- nur eine Phrase sei, mit der Rußland sich die Ooerherrlichkeit sichern wolle. Mit dem Krimkriege suchte Napoleon diese Oberherrlichtett Rußland- zu stürzen und eö gelang ihm auch. Nun wurde Frankreich die erste Macht Europa'- und erklärte, daß jetzt wirklich da- Gleich gewicht der Staalen vorhanden sei. Kein Wunder, daß eS heute nach seinem Sturze von der Höhe die- Gleichgewicht abermals arg bedroht sieht, und daß andererseits der deutsche Kaiser — der mächtigste Regent der Gegenwart — die neue Ordnung vortreff lich findet und durch eine neue Allianz sie zu sichern trachtet. Denn dem greisen Monarchen, Kaiser Wilhelm, darf man wohl zutrauen, daß er im Interesse de- allgemeinen Weltfriedens die Traditionen der heiligen Allianz wieder beleben möchte. Wer der Mächtigste ist, das liegt in der Natur der Sache, will eS auch gern bleiben. Allerdings ist eine kriegerische Gefahr augenblicklich von keinem andern Staate zu befürchten als von Frankreich, welches sich geschlagen und von der Höhe seines Ruhmes gestürzt sieht und auf Revanche sinnt. Es ist auch keine Hoffnung vorhanden, daß bei dieser Nation die Stimme der Vernunft sehr bald die Oberhand gewinnen und Männern Gehör verschaffen werde, die wie Herr A. de Gasparin eine offene und ehrliche Generalbeichte vor aller Welt ablegen. Dieser weiße Rabe hat unlängst unter dem Litel: „Unsere Fehler, unsere Gefahren, unsere Zukunft" eine Schrift herausgegeben, die seiner Wahrheitsliebe zwar alle Ehre macht, jedoch auf eine tiefgehende Wirkung bei seinen Lands leuten nicht rechnen darf. Nur nebenbei wollen wir das Schriftchen hier mit einigen Worten charakterisiren. Das Geschrei über die Härte der Friedensbedingungen geißelt Gasparin mit folgenden Worten: „Wir wollten nach Berlin marschiren, die Deutschen marschirten nach Paris; wir wollten ihnen ihre Rheinprovinz nehmen, sie nahmen uns Elsaß und Lothringen. Aber freilich, wir sind eine ganz besondere Nation. Was wir andern Völkern anthun, das dürfen diese uns nicht anthun, ohne eine Art von Heiligthum-Schändung zu begehen. Wir können uns Alles erlauben, gegen uns ist Nichts erlaubt. Frankreich hat in allen Ländern Kriegs-Kontributionen erhoben, aber wenn man solche bei unS erhebt, so ist daS ein Verbrechen. Frankreich hat ehedem alle Hauptstädte Europas ihrer Gemälde und Statuen beraubt, aber wenn die Beraubten ihre Statuen und Gemälde zurück forderten, so hieß daS, unsere Museen plündern. Frankreich eine Provinz entreißen, ist frevelhaft, Deutschland eine Provinz ent reißen, ist es nicht. Der Boden Frankreichs ist selbstverständlich ein heiliger, aber wenn die Deutschen finden, auch ihr Boden sei heilig — wie sonderbar!" Im Weiteren legt der Verfasser dar, daß Deutschland mit Frankreich eine alte, hochaufgelaufene Rech nung abzumachen hatte und wirklich abgemacht hat. „Ich für meine Person" — ruft u. A. unser Autor aus — „gestehe ganz offen, daß mir die ehrliche Belagerung Straßburgs im Jahre 1870 daS Herz weniger schwer machte, als die unehrliche Weg nahme Straßburgs im Jahre 1681, diese diebische Eroberung mitten im Frieden." Endlich kommt Gasparin noch auf die Revanche zu sprechen, worüber er sehr fein bemerkt: „Die moralische Ueberlegenheit hat uns besiegt. ES ist heute gewiß, daß die Deutschen uns überlegen sind. Aus allen Klassen find sie auSmarschirt, haben gehorcht und gefochten, sind ohne Murren gestorben. Ihre Sitten waren tadellos! Zählt noch hinzu die Bildung, die Würde, den Familiensinn, die Treue, den Seelen schwung, dessen wir nur allzusehr ermangeln, und vergeßt auch nicht die Wahrhaftigkeit, diesen thatsächlichen HerzenSadel; ver gleicht endlich mit unserer systematischen Lügnerei die Aufrichtig keit, die Einfachheit und die Nüchternheit der deutschen Kriegs berichte." Die Summa seiner Untersuchungen zieht der Verfasser in folgenden Sätzen zusammen: „Ich sehe unsere Feinde weniger draußen, al- drinnen, weniger in Deutschland als in Frankreich. Ich sehe unsere Niederlagen anderSwo, als bei Sedan und Pari-. Ich erblickt unsere Rache, unsere Revanche ander-wo, al- in einem über Deutschland davon getragenen Siege. ES handelt sich darum, einen Sieg über unS selbst zu erringen. ES handelt sich darum, etwas Anderes zu reorganisiren, al- unsere Armee: unser Volk, unsere Vorstellungen, unsere Sitten, unsere Seelen müssen wir wieder Herstellen. Die wahre, große Revanche ist die Reform an unS selbst." DaS ist nun, wie gesagt, vom Einzelnen recht wahr und verständig gesprochen, aber die große Masse will davon nichts hören. Wenn Frankreich seinen Ehrgeiz nicht befriedigt weiß, ist das Gleichgewicht Europa's verschoben. Die Situation ist für die Franzosen dieselbe, wie nach 1815; für Deutschland ist sie ähnlich, wie damals für Rußland, welches die heilige Allianz schuf, um alle kriegerischen Beunruhigungen zu verhindern. Fassen wir heute die Ordnung der europäischen Staaten ins Auge, so ist wohl zu behaupten, daß sie viel richtiger als „Gleichgewicht Europa's" bezeichnet werden kann, denn damals die verzweifelten Beschlüsse des Wiener Kongresses. Nach 1815 waren zwar die Fürsten recht wohl zufrieden, auch der wieder eingesetzte Bourbon in Frankreich, aber nicht die Völker; am allerwenigsten das deutsche und italienische, welche zu nationaler Ohnmacht und Erniedrigung verdammt waren. Die Herstellung ihrer Nationalität hat diese beiden größten Völker jetzt in der Hauptsache befriedigt. Es giebt zur Zeit — die untergeordneten Bestrebungen der Polen und Czechen abgerechnet — keine Nationalität in Europa, welche sich nicht im Besitz ihrer staat lichen Errungenschaften und politischen Anerkennung für berechtigt erachtete. In solcher glücklichen Verfassung war Europa noch nie und nüchternen Sinnes wüßte man schwerlich einen Grund aufzusuchen, durch welchen sich eine Kriegs- oder Eroberungs politik irgend eines Staates rechtfertigen ließe. Nur das grollende Frankreich, welches Rache sinnt, spricht anders, ohne mit moralischen Gründen die öffentliche Meinung auf seine Seite ziehen zu können. Waren es doch keine französischen Nationalländer, die es im Kriege mit Deutschland einbüßte. Es kann und wird ihren Verlust verschmerzen, wie 1815 den der Rheinlande, Westphalens und anderer, rein militärischer Eroberungen, abge sehen davon, daß es sich die Folgen seiner dünkelhaften Kriegs politik selbst zuzuschreiben hat. In gewisser Hinsicht könnte man es daher wohl als natur gemäß auffassen, daß sich die Regenten der drei großen Kaiser reiche dahin vereinigten, Europa vor einem neuen Brandkriege französischer Rachlust für die nächste Zukunft sicher zu stellen. Aber die Weltgeschichte läßt sich doch nicht Vorschriften machen; deshalb sind alle heiligen Allianzen nicht höher anzuschlagen, als irgend welche andere Nützlichkeitsbündniffe von Staaten. Das europäische Gleichgewicht beruht heute in der nationalen Befriedigung; um zu ihr zu gelangen, haben die Kleinstaaten Theile ihrer Souveränetät geopfert und sind so gewissermaßen in den großen Reichen aufgegangen. Es war ein natürliches Gesetz, lange vorbereitet, welches sich vollzogen hat und insofern trägt die heutige europäische Staatenordnung die Bedingungen der Dauer und Festigkeit in sich. Aber nichts, was Leben hat, läßt sich zum Stillstand bringen; die ewige Fortentwickelung zeitigt auch immer wieder neue Verhältnisse und neue Fragen. Das Thörichste wäre, wenn die drei Kaiser in Berlin sich gelobten, daß da- neue Gleichgewicht in Europa bleiben müsse, wie eS ist; denn beim Schaukeln der Zeitwogen bleibt es doch niemals ein und dasselbe. Friedlos. Kriminal-Novelle von Ludwig Habicht. . (Fortsetzung.) Sie hörte nicht mehr da- Klopfen an der Thür, nicht mehr daS heftige Rütteln. Jetzt wurde die ohnehin morsche Thür mit Gewalt gesprengt und ein Mann trat hastig ein. Er übersah sogleich, waS hier vorgefallen und rasch besonnen, stürzte er an das Fenster und öffnete eS. Ein dicker giftiger Qualm zog hinaus und die hereinströmende frische Luft gestattete erst jetzt dem Eingetretenen daS Athmen. Angstvoll beschäftigte er sich um die Besinnungslose, holte frisches Wasser herbei und befeuchtete mit seinem weißen Laschentuche fortwährend ihre
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