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Zschopauer Tageblatt und Anzeiger : 20.05.1939
- Erscheinungsdatum
- 1939-05-20
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1780077211-193905206
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1780077211-19390520
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1780077211-19390520
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungZschopauer Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1939
- Monat1939-05
- Tag1939-05-20
- Monat1939-05
- Jahr1939
- Titel
- Zschopauer Tageblatt und Anzeiger : 20.05.1939
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r. »eßblatt zum Lschopauer LaaeblaN uav Auzetoee O»««aben-, 2V. Mai »ys- Nr. I,S Zum Muttertag So eyW die Mall«: Der schönste Muttertag meines Lebens Ich denke heute daran, wie die Meinige« vor sieben Jahren zum erstenmal Anlauf nahmen, mir als Dtutter Ehre anzutun. Die Zeit lastete, und besonders mein armer Rücken wollte sich biegen unter ihrem Druck. Karl, mein Mann, hatte ein Jahr vorher die große Armee der Ueberzähligen, Aus- geschalteten vermehrt. Das Schlimmste trat dennoch nicht ein: Er verlumpte nicht, wie viele. Verlor nicht die Zugehörigkeit zu den Seinen, den Halt, die Arbeitskraft und die Schaffensfreude. Schwere Stunden kamen dennoch genug. Und mich trafen sie am härtesten in meiner Verantwortung für alle. Die Kinder fühlten das, ohne es zu wissen. Karl übrigens auch. Männer sind oft wie Kinder. Dann sind sie am besten. — So kam der Muttertag in Sicht. Ich hatte den wenige Monate alten Jüngsten in der Wiege. Hans und Anni, seine älteren Geschwister, waren noch triebhaft unverständig, und Karl, mein „Aeltester", ergab sich oft verzweifelter Stimmung. Am Morgen jenes ersten besinnlichen Tages aber lag doch ein Frühnngsblütenstrauß auf meiner Bettdecke, und ein Tütchen mit billigen Zuckerlingen bemühte sich, den Lebens optimismus zu betonen. Karl war fort. Die Kinder träumten noch glücklicheren Zeiten entgegen und wußten nur, daß Vater gesagt habe, sie sollten heute besonders brav sein. Nach ihrer Meinung besorgten sie das auch recht aus giebig. Ich weiß heute nicht mehr, wie und ob sie mich mehr oder ebensoviel gepiesackt haben als sonst. Aber weniger be stimmt nicht. Vaters Glückwunsch haben sie ausgerichtet und mich gehalst, wie er es sie geheißen hatte. Karl, war zu Rad in die Heide gefahren, Walderde für meine Blumentöpfe zu holen. Als er zurückkam, legte er mir die ersten Morcheln auf den Küchentisch. Worte und Feierlich keiten machte er nicht. Wie anders im vorigen Jahr! Ich muß davon erzählen, weil es für mich Sinnbild einer Zeit- und Volkswandlung geworden ist. Karl langst wieder im Beruf und freudiger denn je. Die Kinder gediehen, sich freuend und uns Freude bringend. Haus und Garten waren seit einem halben Jahr unser eigen. Bisher hatte das Erscheinen des Muttertags kleine Rüh rungen, nie ein unvergeßliches Erlebnis gebracht. Wie ein flüchtig Streicheln war der Tag gewesen, rasch gegeben und ebenso vergessen. So hatte ich diesmal des Tages nicht weiter gedacht und wurde von ibm und den Meinen überrascht Mit prahlend blauem Himmel ging er auf. Die Sonne -schenkte köstliche Wärme, Blumenduft und Vogelgezwitscher ärade soviel, daß die Morgenstille nicht lastend wurde. AIS ich sehr früh erwachte, war meines Mannes Bett schon leer. Da sprang uh sofort auf, um nicht mit Verspätung beschämt zu weichen. Ich hatte die Füße noch nicht in den Pantoffeln, als unter meinem Fenster Musik aufklang. Ein „Orchester" spielte einen Choral. Ob feine Zusammensetzung den harmo nischen Anforderungen entsprach, weiß ich nicht; für mich war cs die schönste Musik, die ich je hörte. Ich blickte hinunter. Vater spielte Ziehharmonika, Anni Laute, Hans Zither, Fred, damals das Nesthäkchen, Blockflöte s und — nun habe ich beinahe vergessen, das Schönste zu er- zählen: Es waren ihrer nicht mehr drei, sondern fünf, und > das Nesthäkchen, der kleine Karl, erst drei Jahre alt. Er be- j diente das Schlagzeug mit drolligem Ernst, wenn auch nicht im strengen Nbvtbmus. Traute!, die Fünfiäkrige. schuf sich mit ihrer Mundharmonika einen eigenen Sopran. Alle Sechs waren so in ihr Spiel vertieft, daß sie mich nicht sahen. t Choral mit Schlagzeug — nun, eS ging vorüber unv war doch schön. Dann kamen zlvei Volkslieder, ein Bauern tanz und ein Marsch. Schleunigst sprang ich wieder ins Bett, denn nun würden sie kommen und gratulieren wollen. Und sie kamen, einer nach dem anderen. Sagten keines ein Wort, aber jedes umarmte und küßte mich und legte mir ein kleines Geschenk auf die Bettdecke. Dann erst durste ich aufstehen. Anm hatte mir schon mein schönstes Kleid zurechtgelegt, HanS meine Schuhe strahlend blank geputzt, und auch oie anderen brachten jedes ein Uniformstück. »Heute darfst du nichts arbeiten, Mutter!" verkündete Anni als Sprecherin. „Das machen wir alles mit Vatern zu sammen!" Am liebsten hätten sie mich sogar gewaschen und mir die Zähne geputzt. Auf dem Kaffeetisch pruukte ein Riesennapfluchen, den i Anni heimlich auf dem elektrischen Herde der Nachbarsleute gebacken hatte. Ueberall leuchteten Blumen, auch mein Stuhl war umkränzt. Nach dem Frübftück „Liegekur" im morgen schönen Garten, bis, ja bis das Mittagessen aufgetragen wurde. Und Anni zeigte, was sie bei mir gelernt hat. Ich er innere mich jetzt ihrer Fragen aus voriger Woche: „Mutti, werden Nudeln in kaltem oder kochendem Wasser angescyt?" „Wird Lendenbraten eigentlich gespickt?" „Mus; Piment an die Bratenbrühe?" Angeblich hatte eine Freundin das wissen wollen, aber , es bedentcte unsere Muttertagsspeisekarte. So wickelte sich das Festprogramm gleichmäßig ab. Ich war stillgenießender Zuschauer. Es wurde der schönste Muttertaa meines Lebens. Kann ein noch schönerer anbrechen? Jch will darauf warten — Th. Stein. Muller auf Urlaub Von Carl Julius Haidvogel. TaS ist heute ein Tag der Sorge und Unruhe daheim; Kastentüren schlagen auf und zu, Truhendeckel klappern, Schubladen sind aufgezogen, und ein Koffer steht mit offenem Deckel hungrig inmitten des Zimmers. Ein Kanarienvogel schmettert, angestiftet zum Lärm, was die Kehle hergibt, und zwischen all dem trippeln die hastigen Schritte einer Frau. Sie hat eben ein Wäschestück dem Kasten entnommen und läuft damit zum Koffer. Da fällt ihr plötzlich «in, sie wollte ja eigentlich die warmen Hausschuhe zuunterst legen, also muß sie zur Schuhbank in die Küche. Sie legt darum das Wäschestück zu den anderen Dingen, die rings um den Koffer warten, und eilt hinaus, laut beschimpft vom Kanarienvogel, der den Zusammenhang zwischen seinem abgestandenen Bade wasser und dem Trudel ringsum nicht verstehen will. ,H)H, der arme Zipp!" Die garstige Mutter hebt sogleich das Bade häuschen ab — natürlich, der Sand ist ja auch zu erneuern, das werden die Männer sicher vergessen, wenn sie fort ist. Du lieber Himmel: Wo sie nur heute ihren Kopf hat! Und jetzt schlägt es wieder wie eine Faust auf ihr flatterndes Herz: die Milch, die Milch muß für morgen bestellt werden, und in einer Stunde geh! der Zug. Ja, dieser Zug, wenn dieser Zug nicht wäre! Wenn jetzt plötzlich die Meloung käme, daß ein Blitz aus heiterem Him mel die Schienen vor diesem Zug geschmolzen hätte, sie würde nicht einmal den Kopf schütteln dazu. Sie würde ihre Sachen Grokmutter. Mutter ««» Klub <NSB„ Zander-Multiplex K.) wieder hübsch sn die Schränke legen und Hester lächelnd den Flickkorb hernehmen, der ohnehin mit schwerkranken Strümpfen und Socken bis zum Rande voll ist. Aber Petrus hat kein Einsehen, und besonders sparsam mit Blitzen ist er dann, wenn eine Mutter von daheim fort mutz. Ja, mußte ste den»? Freunde hatten geschrieben, einmal wenigstens, über den Sonntag, möchte sie doch kommen. Ja, was dachten sie denn von ihr? Nun, sie dachten, einer Frau, die sich die Woche über von früh bis spät mit dem Häuslichen herumschlägt, täte es Wohl, für einen Tag di« Hände in den Schoß zu legen. Ach sie — und faulenzen! Mutter sollte doch einmal Urlaub haben, meinten sie, richtigen Urlaub mit Früh stück im Bett, Spaziergang am Vormittag und einem Buch auf dem Sofa nach dem Essen. Ja, es klang alles so herzlich und selbstverständlich aus dem Brief, und auch ibr Mann hatte nichts dagegen, ja, er redete ihr noch zu: nun, den einen Tag würden er und der erwachsene Sohn sich Wohl außer Haus behelfen können; das wäre doch gelacht, wenn eS nicht einmal ohne sie ginge. So leichten Herzens ließen sie die Mutter ziehen! Da hatte man sie wieder die — Buben! Der eine mit seinen achtzehn Jahren, dem sreilich mochte man den „rauhen Knochen" noch hinnchmen; aber der alte, der Vater! Nicht die kleinste bittere Falte batte er um den Mund bekommen; er -chlug weder auf den Tisch, noch polterte er mit bösen Stiefeln ourch die Wohnung. Und heute hätte sie gelacht dazu. Es war eben nichts mehr zu ändern, alles war gegen sie verschworen und die Reise schicksalsschwere Tatsache. Aber das mit dem Sich-selber-behelfen — das sollten die Männer nur nicht zu leicht nehmen! Was sie schon unter Behelfe» verstanden! Nun aber nützt kein Nachdenken und kein Seufzen mehr, sie muß fort. Mutter läuft »och einmal, schon mit dem Koffer in der Hand, von einem Zimmer ins andere. Sie Prüft die Fensterricgel, sie streicht noch rasch eine Decke glatt, rückt einen Stuhl zurecht, und fortwährend spricht sie dabei: „Vergeßt mir ja nicht «Zipp'; das Futter steht im Kasten nebenbei. Und wenn ihr euch Milch kochen wollt, nehmt den Hellen Tops und nicht den blauen. Und vergeßt nicht, das Waschwasser m den Kübel zu leeren — und die Fenster, ich Kitt euch, oie Fenster schließt zu, wenn ihr fortgeht!" — „Ach natürlich, verlaß dich drauf, Mutter", kommt es in verhaltenem Sprechchor zurück, „aber dein Zug, dein Zug, Mutter, der wartet nicht!" Himmel, dieser Zug! Behüt' euch Gott! Morgen abend bin ich wieder da! Lebt Wohl und macht mir keine Dummheiten. Ach, es ist wie vor einer Reise nach Brasilien oder nach Kapstadt. Und schon bei der Tür, läuft ste noch einmal, gebissen vom bösen Gewissen, zurück und zieht mit einem Seuher — daß ihr das noch einftel! — die große Standuhr im Zimmer auf. Nun ist aber endgültig Schluß mit allem, nun fährt sie dahin. Sie hat sich so ans Fenster gesetzt, daß sie lange noch die Stadt sehen kann. Ihre Hände liegen im Schoß, die rissigen, narbigen Arbeitshände, die jetzt mit Rub« bestraft sind, und ihr Kopf schwankt seltsam letcht hin und her, als hätte man ihm alles herausgenommen, was wie Stein«, einer über den anderen getürmt, Tag für Tag ihn erfüllte. —> Draußen ist Frühling; die Felder breiten ihre grünen Teppich« vor sie her, da und dort blüht schon ein Baum, wie einen Strauß hält ihn die Erde ihr entgegen: da schau, Mutter, da» ist für dich, lach' doch ein bißchen dazu, jeder Mensch muß einmal los vom Einerlei, auf Urlaub bist du, begreifst du das nicht? Feiertag ist für dich gekommen, tun und lassen kannst du jetzt einen vollen Tag, was du willst. Du kannst schlafen bis Mittag, dann wird man dir das Essen hinstellen, und was das für eines ist! Nicht einmal an den hohen Feiertagen wir- so gut gekocht. Dann darfst du dein Schläfchen machen. Und da steht schon wieder Kaffee und Kuchen, ja, das löst einem die Zunge; aber erzähl' nur getrost, was du auf dem Herzen hast; du machst damit keinem arbeitsmüden Ehemann den Kopf voll, und zu ärgern brauchst du dich auch nicht, weil gerade ein Jnnge mit kotigen Stiefeln in die gute Stube kommt. Alles räumt mau dir aus dem Wege, woran dein« Liebe für daS Heim sich wundstoßen könnte, nie in deinem Leben ist es dir so gut gegangen wie in diesen Ferien von Pflicht und Sorge. Aber Mutter hockt ganz klein in ihrer Ecke. Ist sie denn noch Mutter? Eine scheue, schüchterne Frau ist sie geworden, die da verstört in die blühende Landschaft sieht; ia, sie ist sich selber so fremd, wie die andere Frau, die ihr gegenüber sitzt und dumme Fragen an sie richtet, ja, so dumme Fragen giöt sie selber zurück; arm ist sie geworden und überflüssig —, die Mutterist auf Urlaub gegangen. Nächsten Nachmittag, eine Stunde früher, als sie müßte, rückt sie wieder ein, hochklopfenden Herzens. Ach, gewiß es war alles so schön, und lieb waren ste, die Freunde; man sah ihr jeden Wunsch von den Angen ab, nein, sie meinten es wirklich gut mit ihr. Aber der spätere Zug — nun, es gab doch immer Verspätungen, und dann kam sie vielleicht um Mitternacht heim, nein, nein, da nahm sie doch lieber den früheren. Und nun öffnet sie die Tür. Sie stolpert über ein paar Stiefel, nein — wie schmutzig die sind! Das ist natürlich der liebe Junge. Sie setzt, noch knapp im Atem, den Koffer ah, ihr erster Weg ist in oie Küche. „Zipp!" Er zankt ihr schon ent gegen, und mit Recht, denn sein Futternapf ist leer. Und was ist denn das für eine Bescherung! Da haben die Männer Milch gekocht, im blauen Topf natürlich, und der Herd ist voll von angebranntcn Krusten. Gleich hat sie das Scheuertuch in der Hand, so wie sie ist, in Mantel und Hut. Und natürlich das Brot unbedeckt auf dem Tisch und die Butter im Papier und nicht in der Dose. Was wird ihr erst alles im Schlafzimmer entgegenstürzen? Diese Lüdriane! Die Fcnstervorhäna« wehen ihr entgegen. Die Betten — du liebe Zeit! Wie ein Zigeuner lager sieht das aus. Und jetzt hört sie draußen die Tür gehen. Ta stehen die zwei vor ihr, die armen Sünder, ja, so sehen sie nach ihren Gesichtern ans. Einer steckt rasch etwas hinter den Rücken, blinzelt zum anderen — nun, was darf ich denn da wieder nicht sehen, ihr feinen Kerle? Mnttcr legt jetzt wahr haftig Brauen und Stirn in Falten und der Zeigefinger — aber soweit kommt sie nicht. Vater tritt vor und räuspert sich — oh, er kann das! Aber sonst kommt auch nichts Gefährliches aus ihm; er holt an dessen Stelle die Hand Hinterm Rücken hervor und reicht Mntter einen — Primelstrauß. Was kann ein erhobener Zeigefinger dagegen tun? Mutter fliegt Vater nm den Hals und dann dem Buben; ach, alles ist vergessen, die offenen Fenster und die schmutzigen Schuhe und die ver schmierte Herdplatte. Sie ist wieder daheim, sie hat wieder um sich, was ihr da» Leben so schwer und doch o wert macht, die Sorge um die Kleinigkeiten deS Lebens. D e Mutter ist wieder da!
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