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Deutsche allgemeine Zeitung : 16.02.1847
- Erscheinungsdatum
- 1847-02-16
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id799109797-184702165
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id799109797-18470216
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-799109797-18470216
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungDeutsche allgemeine Zeitung
- Jahr1847
- Monat1847-02
- Tag1847-02-16
- Monat1847-02
- Jahr1847
- Titel
- Deutsche allgemeine Zeitung : 16.02.1847
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Aandtnen Zuge deutsch-katholischer Begeisterung anzuschließen; nein, das kirchliche Bewußtsein ist auf immer in diesen vom Strome selbstän digen Denkens fortgerisscnen Seelen erloschen; irgend eine haltbare gei- stige religiöse Gemeinschaft außerhalb der katholischen Kirche vermögen sie kaum sich mit Klarheit vorzustellen. Wenn auch protestantische Missio nare im Dienste der evangelischen Gesellschaft ihre Bemühungen, und sa gen wir eö rund heraus, ihren Proselytismus, mit reichem, ja mit er staunlichem Segen gekrönt sehen, so beschränkt sich ihre Wirkung eben nur auf einzelne Kreise, wo noch Raum da ist zu freier Hingabe an le bendig empfundene religiöse Wahrheiten, wo noch Züge frommer Mystik, wo noch die Fähigkeit des Glaubens vorhanden ist. So sind denn auch mehre Gemeinden neubekehrter Katholiken entstanden, aber sie finden auch nur in der Persönlichkeit, die sie zum Dasein gerufen, ihren Brenn - und Anhaltspunkt. Eine größere, allgemeinere Kirchcngenossenschaft, in wel cher diese zerstreuten Bildungen ausgchen möchten, besteht nicht, und das protestantische Leben zersplittert sich nach den vielfachsten Richtungen. Eine protestantische Kirche im vollen Sinne des Worts, an der sich der sin kende Glaube wieder erheben, schwankende Grundsätze wieder zur Festig keit gebracht werden könnten, so nämlich, daß die Kirche als der Aus druck eines entwickelten, ausgebildeten geistigen Lebenßprincips, als ein le benskräftiger Organismus dastände, habe ich nicht gefunden. Dies führt mich darauf, über die Art und Weise, wie im katholischen Belgien, unter dem Schutze der Verfassung, der Protestantismus kirchlich organisirt ist, meine Erfahrungen in Kürze mitzutheilen. Aus dem vorjährigen Staatsbudget ersehe ich, daß für den pro testantischen Cultus 57,000 Fr. ausgesetzt sind, die sich in folgender Weise verthcilen: Antwerpen (mit drei Pastoren, einem deutsch-französischen, einem holländischen und einem anglikanischen) 9800 Fr., Brüssel (mit einem deutschen, einem französischen und zwei englischen Predigern) 12,570 Fr., Ostende und Brügge (zwei anglikanische Kapellen) 4000Fr., Gent (ein deutsch-französisch-holländischer Prediger und ein Anglikaner) und Maria-Hoorebeke in Ostflandern (mit einem flamändischen Pastor) 8083 Fr., Provinz Hennegau, für zwei französische Prediger 6252 Fr., Lüt tich, Verviers und Spaa (zwei französisch-deutsche Gemeinden mit zwei Pastoren und einem Vicar, nebst einer englischen mit Einem Geistlichen) 11,261 Fr.; der Rest für Svnodalkostcn und sonstige Ausgaben. Unter den zehn reformirten Gemeinden (ich lasse natürlich die englischen außer Betracht), welche vom Staatsschatz unterhalten werden, befinden sich höch stens zwei wirklich nationale, d. h. zumeist aus Landcskindcrn bestehende, nämlich die ganz vereinzelte Gemeinde zu Maria-Hoorebeke, merkwürdi ger Ueberrest des Geusianismus, über dessen Erhaltung im Sturme der Zeiten ich gern nähere Mitthcilungen einziehen möchte, und die Kirche von Dour bei MonS. Die übrigen sind dem größten Theile nach aus eingewanderten oder durchreisenden Familien gebildet. Dieser Umstand wirkt natürlich auf das Unzusammenhängende der kirchlichen Verbindung, auf die Mannichfalngkeit der religiösen Ansichten und Bedürfnisse, die sich innerhalb derselben kund gibt, und endlich auf die Schwierigkeiten, denen der Seelsorger bei Erfüllung seines Amtes begegnet, Schwierig keiten, die ihn auf der einen Seite zum Festhalten eines über alle pro testantischen Fractionen erhabenen und dabei echt christlichen Standpunk tes auffodern müssen, auf der andern leicht zur Verflüchtigung oder, wie MM heutzutage sagt, zur Nivellirung selbständig gewonnener Grundsätze verleiten können. In gänzlicher Unabhängigkeit von der bürgerlichen Ge walt, vom Staate, wie alle übrigen Culte in ihrer Existenz beschützt und unterhalten, lebten diese Gemeinden in vollkommener Jsolirung, bis im Jahre 1839, also gleichzeitig mit der zu jener Zeit geschehenen Abtre tung limburgischer, zum Theil protestantischer Gebietstheile an Holland, also mit der fühlbaren Verringerung der dem KatholiciSmus entgegen wirkenden Kräfte, die Pastoren des Landes das Bedürfniß fühlten, sich zu einer Körperschaft zu vereinen und die sogenannte Union cieo öxlisos protostsnto» - Svongoliquos <1u ro^sumo <lo Lslgjgno zu bilden, deren Statuten unterm 18. Mai 1839 vom Könige bestätigt wurden. Ver gebens habe ich die officiellen und nichtofficiellen Blätter durchsucht, um Liesen königl. Beschluß und die demselben ohne Zweifel bcigefügtcn Sta tuten zu finden und dadurch in den Stand gesetzt zu werden, die Maß regel, welche den kirchlichen Verhältnissen der belgischen Protestanten zur staatsrechtlichen Grundlage dienen sollte, einer Untersuchung zu unterwer fen, die in einem constitutionellen, liberal gesinnten Staat auch dem Laien gestattet werden muß. Es scheint, daß man jenes Document dem Publi cum vorenthalten zu müssen glaubte; vielleicht wollte Graf de Theux, der damals, wie jetzt, am Staatsrudcr saß, die Existenz einer organisir- ten protestantischen Kirche verhehlen, sei es, um keinen Anstoß bei seinen Freunden zu geben, oder um die Beschränkungen, welche die Statuten der Bildung neuer Gemeinden cntgegenstellen sollen, der Kritik der Libe ralen zu entziehen. Nach vielem Hin- und Herblättcrn in den Sammlungen der Regie rungsacte des Jahres 1839 traf ich endlich im Moniteur auf die Stelle eines Berichts der Centralscction über das Budget des Ministeriums des Innern, worin die Errichtung einer protestantischen Synode der Kammer in folgender Weise notisicirt wird: „Da die belgischen Protestanten un ter den seit 1830 bestehenden Verhältnissen die leitende Autorität, welche die Gesetze der protestantischen Kirche der vorigen Regierung zu über lassen erlaubten, nicht mehr finden können, haben sie Liese Lücke dadurch gefüllt, daß sie aus den Pastoren und je einem Consistorialmitglicde der verschiedenen Gemeinden eine Synode gründeten. Diese, für die Bcthei- ligten selbst ersprießliche Maßregel ist der Regierung nicht weniger er wünscht, indem sie thr die Mittel an die Hand gibt, Schwierigkeiten in Fölge ctwanigcr über Wahl oder Absetzung von Geistlichen entstehender Cvnfiicte zu heben. Angelegenheiten dieser Natur hatten seit 1830 kei nen kompetenten Richter mehr." Ferner heißt es, daß die Centralsec- tion, bevor sie das erhöhte Postulat für Synodalkosten geneWgt, sich davon versichert habe, daß alle bestehenden Consistorien der Verfügung ihre Zustimmung gegeben hätten. So sehr eine BerbMerung der bis her gesondert bestehenden Kirchen von segensreicher Wirkung gewesen wäre, ist doch zu bedauern, daß die Vertreter der reformirten Kirche dieselbe nicht anders zu Stande zu bringen wußten, als indem sie sich zu einer unter der Controle des Staats stehenden, an ihn in letzter Instanz appelliren- den Behörde eonstituirten, da doch die Jntercession des Staats in Wahl- angelegenheitcn der verschiedenen Culte (und darauf wird in obigen Wor ten besonders hinqewiesen) dem Art. 16 der Verfassung stracks zuwider läuft, und der Verband durch einfache Ausübung des ebenfalls verfas sungsmäßigen Associationsrechts nicht wieder zu bewerkstelligen war. So wenig der Staat als solcher in die innere Organisirung der katholischen Kirche sich mischt, sondern dieselbe als etwas von der öffentlichen Mei nung Getragenes hinnimmt und in ihrem materiellen Dasein beschützt, eben so wenig brauchte der neu geschlossene Synodalvcrband der Sanc- tion der überdies noch ultrakatholischen Regierung unterworfen zu werden. Die Geistlichen konnten zur Rcgulirung der Disciplinarverhältnisse, zur Schlichtung etwaniger Zwistigkeiten, zur Einführung und Beobachtung einer den Localverhaltnissen angemessenen Kirchenordnung, zur Erweckung endlich eines kirchlichen Gcmeinlcbens gar wohl zusammcntreten, ohne des halb eine allerhöchste Genehmigung einzuholen. Die Kirche hätte sich dann wirklich, den vom König von Preußen anerkannten neuern Bestre bungen gemäß, aus sich selbst, von jedem fremden Einfluß unabhängig, heranbilden und kräftigen können. Ein solcher Plan hätte gewissermaßen die Garantie gegeben, daß die Union wirklich im lebendigen Gefühle wur zele, daß nur aus der Vereinigung der zerstreuten Kräfte die Festhaltung des im 16. Jahrhundert theuer Errungenen, ja die Entwickelung und Ver breitung desselben bewirkt werden könne. Weit entfernt jedoch, protestan tisches Leben zu fördern, hat die Union, welche ^eine katholische Regierung zur Autorität in protestantischen Angelegenheiten erhoben hat, die Inter essen ihrer Schutzbefohlenen hintangesctzt und schlechtweg die Unabhängig keit der Kirche vom Staate freiwillig darangegebcn. Denn was ist das einfache Ergebniß der neuen Kirchcngenossenschaft? Die Regierung er kennt sie, wenigstens durch das Organ des Staatshandbuchs, als die allei nige competente Behörde in protestantischen Angelegenheiten an, als den wirklich das protestantische Dogma vertretenden Körper, dem allein sie ihren Schutz und die Verleihung materieller Subsistenzmittel gewährt. Alle andern Gemeinschaften, die im Jahr 1839 neben den vom Staate besoldeten Kirchen bestanden oder im Verfolge gebildet wurden, sollten dem Gutdünken, der Begutachtung der zehn zufällig, rein zufällig aus dem Budget ihr Gehalt beziehenden Geistlichen sich unterziehen, wenn sie die Application des Art. 14 der Constitution, nämlich freie öffentliche Aus übung des Gottesdienstes oder wenigstens die äußern Mittel dazu erlan gen, und nicht als dogmatisch dissenlirende Gemeinden betrachtet wer den wollten. Leider muß man gestehen, cs ist schwer, auch in Belgien, trotz seiner demokratischen Verfassung, die geheimen Fäden zu erspähen, aus denen die wichtigsten Beschlüsse gewunden werden; doch wenn man einzelne zur Kunde gekommene Thatsachen, verschiedene im Schoose der Union und außerhalb derselben erhobene Debatten und besonders den Artikel der Statuten ins Auge faßt, welcher die Staatsbesoldung zur Bedingung der Ausnahme in die Union feststellt, ist ryan zur Folgerung fast gedrun gen, daß bei der Vereinbarung der vom Budget lebenden Geistlichen, wo bei cs sich nicht um Glaubensartikel, sondern um das staatsrechtliche Vcr- hältniß der dissidirenden Gemeinden zur Staatsgewalt handelte, beide, die Regierung sowol wie die Pastoren oder wenigstens die in ihrem Namen handelnde Fraktion derselben, ihr eignes Interesse bedachten und der Verbreitung reformatorischer Ideen, dem Umsichgreifen protestantischen Sinnes, mit Einem Worte, der Bildung neuer Gemeinden (und man weiß, was die privatim bestehende evangelische Gesellschaft bereits geleistet hat), einen Damm haben entgegensetzen wollen. Es follte dem Prosely tismus unter legalem Vorwand ein Einhalt gethan werden. Ich gehe als Laie nicht darauf ein, den Werth der mehrfachen im Lande zerstreuten protestantischen, außer dem Synodalverbande bestehenden Kirchen und Kirchlein abzuröägen; aber mein Bedauern muß ich ausdrücken, daß keine Schritte von Seiten der mit einer Staatsbesoldung begünstigten Pastoren gethan worden sind, um sich den anderweitigen, von den Gaben der Ge° meindeglicder lebenden Geistlichen zu nähern und überhaupt durch Ver brüderung dem oft irre geleiteten Wesen der von einzelnen Persönlichkei ten dirigirtcn Gemeinden entgcgenzuarbciten. Ein Beispiel-der unseligen Folgen der Synodaloerfassung will ich noch schließlich anführen: Im Jahr 1837 oder 1838 hatte sich in Brüssel neben der vom Hofpredigcr Vent versehenen deutsch-französischen Kirche eine Gesellschaft gebildet, welche aus gesammelten Beiträgen eine Kapelle (aus dem Boulevard de l'Observatoire) baute und Hrn. Boucher, ei nen der ausgezeichnetsten französischen Kanzelredncr, zum Prediger bcricf. Es war diese Gründung sehr natürlich, da Hr. Vent das Französische nur ungeläufia spricht und in dogmatischer Hinsicht sehr vielen und zwar angesehenen Protestanten nicht zusagtc. Die Kapelle gewann an innerer Stärke wie an äußerm Wohlstände; sie füllte sich sonntäglich zwei Mal, erfreute sich eines außerordentlichen Zulaufs und besonders des Schutzes der preußischen Gesandtschaft. Nachdem sich die Verhältnisse der vom Staate besoldeten Kirche durch den Abgang des Hrn. Vent und die Be rufung seines Sohnes zum französischen sowie eines tüchtige/i deutschen Candidaten zum deutschen Prediger anders gestaltet hatten, wünschte die Verwaltung der Boucher'schen Kirche, mit der Synodalkirche in Verbin dung zu treten uno jene als Filialgemcinde der letzter« zu constituiren.
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