Joachim Menzhausen Dresdner Kultur im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts - Problemstellung Ist von Dresden im 18. Jahrhundert die Rede, so denkt man in aller Welt an die Periode Augusts des Starken. Es war dies das Geniezeitalter, und es gibt von ihm seit der Frühzeit unseres Jahrhun derts - also seit der Entdeckung des deutschen Barock - ein Gesamtbild von stetig zunehmender Deutlichkeit und Richtigkeit, zu dessen Ausführung einige unter uns beigetragen haben. Gelegentlich, wie vor einem Jahr in Essen in der Villa Hügel, wird auch die Periode Augusts III. unter den Begriff „Dresdner Barock“ subsummiert und damit die gesamte Regierungszcit der sächsischen Könige von Polen vornehmlich als eine Epoche kultureller Blüte begriffen. Das vo rige Kolloquium unter der Leitung von Professor Bächler (veröffentlicht in: DRESDNER HEFTE, 5. Jg., H. 1 [1987]. Beiträge zur Kulturgeschichte 11.-d. Red.), das allein diesem zwei ten Jahrhundertdrittel gewidmet war, vertiefte aber die Erkenntnis, daß künstlerische Gegen sätze, die in den ersten drei Dezennien schon angelegt waren, nun aufbrachen und die Kunstepo che gleichsam in zwei nebeneinander laufende Strömungen zerlegten. Dieser Umstand, verbun den mit weniger detaillierten Forschungen, verursacht ein allgemeines Gesamtbild von geringer Deutlichkeit. Betrachten wir nun die Zeit zwischen dem Ende der sächsisch-polnischen Union und dem Ende des 18. Jahrhunderts, so erweist sich, daß wir ein solches allgemeines Gesamtbild überhaupt nicht mehr haben. Wir kennen eine Reihe von kulturellen Phänomenen, darunter einige von hohem Rang, andere wiederum von bestürzend zurückgehender Bedeutung. Sie scheinen unverbunden nebeneinander herzulaufen. Wir haben gewissermaßen Mosaiksteine, aber kein Mosaik. Für diesen Sachverhalt gibt es hauptsächlich zwei Ursachen. Die eine ist spezifisch sächsisch, die andere allgemein europäisch determiniert. Erstere ist eine Folge des Siebenjährigen Krieges, der Verarmung, des damit verlorenen Selbstbewußtseins. Der Ostteil Dresdens lag noch über ein Jahrzehnt in Trümmern. Dennoch waren die Aufträge an Architekten und Bildhauer rückläufig, aber natürlich auch an Goldschmiede und Juweliere, an Dekorationsmaler, Posamentierer, Schneider - an alle Gewerke, die für den Bedarf an Luxusgütern in einer königlichen Residenz tätig gewesen waren. Das allgemein-europäische Moment andererseits bestand in einer Umstrukturierung des gesam ten Kunstbetriebes und der Kunstproduktion überhaupt. Geltung und Rang der dekorativen Künste gingen zurück und damit auch der Bedarf an ihnen. Die Bedeutung der bildenden Künste stieg an. Hier setzte die neuere Trennung zwischen Kunst und Kunstgewerbe ein. Dieser Bedeutungswandel, der einen Sinn- und Funktionswandel der Kunst überhaupt impli zierte, änderte die Struktur aller Werke. Das Rokoko endete, der Klassizismus begann. Charakte ristisch für die Übergangsperiode - etwa seit 1770 - ist dieses erwähnte unverbundene Nebenein ander der Formsysteme. Kürzlich tauchte im amerikanischen Kunsthandel die Entwurfszeich-