38 Siegfried Wollgast Zur Spätaufklärung in Dresden. Beispiel: Johann Christoph Adelung Die Aufklärung ist eine historische Etappe im Geistesleben Europas, die man im marxistischen und häufig auch im bürgerlichen Verständnis auf die Zeit zwischen der englischen bürgerlichen und der Großen Französischen Revolution datiert, auf die Jahre zwischen 1688 und 1789. Fried rich Engels hat ihre Grundzüge knapp Umrissen. 1 Es ist mehr als eine philosophische Bewegung, sie erfaßt z.B. auch Literatur und Kunst. Und diese Emanzipationsbewegung der neuen, aufstre benden Klasse der Bourgeoisie besitzt neben den ihr eigenen allgemeinen auch eine Reihe von spe zifisch nationalen Zügen. Das gilt auch für die deutsche Aufklärung. Sie ist m. E. zudem 1789 keineswegs abgeschlossen; klassische deutsche Philosophie wie klassische deutsche Literatur verstehen sich auch als aufklä rerische Bewegungen! So ragt die Aufklärung in Deutschland bis ins 19. Jh. hinein. Die deutsche Aufklärung weist auch in ihrer vierten, der Spätphase, eine Reihe von Strömungen auf. Eine davon bilden die sogenannten Popularphilosophen: Johann Georg Sulzbach (1720-1779), Moses Mendelssohn (1729-1786), Johann Erich Biester (1744-1816), Thomas Abbt (1738-1766), Johann Jakob Engel (1741-1802), Johann Heinrich Feder (1740-1825), Christoph Meiners (1747 bis 1810) u. a. Ihre Bedeutung ist in der Literatur- und Philosophiegeschichtsschreibung stark unterschätzt und auch in der DDR bislang zu wenig untersucht worden. Die Popularphilosophen appellierten an den gesunden Menschenverstand, vermieden metaphy sische Fragestellungen und wandten sich gegen religiöse Intoleranz und Unwissenheit, ohne die christliche Offenbarung direkt anzugreifen. Größte Aufmerksamkeit widmeten sie ethischen Fragen, wobei sie die Moral unabhängig von Kirche und Dogma betrachtet wissen wollten. Natürlich zeichneten sich auch innerhalb der Popularphilosophie bestimmte Unterschiede ab. So waren die um die „Berlinische Monatsschrift“ (1783-1796) gruppierten Aufklärer (J. E. Biester, F. Gedicke u. a.) nur ein Teil dieser Richtung, wenn auch ein maßgebender. Ebenso spielte Fried rich Nicolai (1765-1806) und die von ihm herausgegebene „Allgemeine Deutsche Bibliothek“ un ter ihnen eine wichtige Rolle. Die Popularphilosophen verbanden Grundsätze der Philosophie Christian Wolffs (1679-1754) mit Prinzipien John Lockes (1632-1704) und Ideen englischer Deisten. In hohem Maße suchten sie volksbildnerisch wirksam zu werden und nahmen in der sich inder zweiten Hälfte des 18. Jh. beträchtlich ausbreitenden Publizistik einen bemerkenswerten Platz ein. Damals bildeten sich in Deutschland eine immer deutlicher konturierte geistig-literarische Öffentlichkeit heraus. Eine entscheidene Grundlage dafür lag in den mit der sozialökonomischen Entwicklung gewachsenen Bildungs- und Informationsbedürfnissen. Auch in Deutschland kam seit der Mitte des 18. Jh. dem Buch Warencharakter zu. Den Schriftstellern eröffneten sich Möglichkeiten, Bindungen an ein Mäzenatentum zu lösen. Da in Sachsen nach dem Siebenjährigen Krieg die Zunft-