14 Thomas Kuhn Zur Entwicklung der kursächsischen Gartenarchitektur und ihrer Theorie im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts Die sächsische Gartenarchitektur erlebte - wie allgemein in Deutschland — um 1770 grundsätz liche Brüche in der Gestalttradition. Der beschreibenden Darstellung zur Entwicklung der Gar tenarchitektur und ihrer Theorie im Kurfürstentum nach dem Siebenjährigen Krieg bis zur Jahr hundertwende sollen von daher Überlegungen zu den Kausalitäten dieses Vorgangs vorangestellt werden. Im Gegensatz zur Architektur setzt sich die Gartenkunst insbesondere mit der ursprünglichen Naturform auseinander und wird somit zur grundsätzlichen Entscheidung gezwungen, diese bei zubehalten, oder unter ein geometrisches und architekturräumliches Reglement zu bringen. Seit der Antike war der Garten in seiner Entwicklung architektonischen Prinzipien gefolgt, im 18. Jahrhundert setzte der Umbruch zu einer landschaftlichen Gestaltungsweise ein. Die Antino mie in der formalen Ausbildung zwischen den geometrischen Gartentypen und dem Landschafts garten, entsprach der Divergenz ihrer sozialen Aufträge. Die „Große Gartenrevolution“ (CLIF- FORD) war ein markanter Ausdruck der tiefgreifenden gesellschaftlichen Umwälzungen in der Epoche der europäischen Spätaufklärung, die formalen Möglichkeiten des Gartens erfuhren ihre sinnbildhafte Verwendung als künstlerische Entäußerung der sich emanzipierenden bürgerlichen Ideen. Natürlichkeit, als sozial determinierter Begriff, konnte am Beispiel des Gartens, weit deut licher als in der Architektur und bildenden Kunst, programmatisch exerziert werden. Die „natür liche“ Gestaltungsweise wurde den spätbarocken Gartenstrukturen entgegengestellt. Das hin sichtlich seiner ästhetischen Wirksamkeit ausgelesene und „optimierte“ Landschaftsbild wurde zum allegorischen Stimmungsträger der geistigen Bewegung der Zeit. 1 Der frühe Landschaftsgar ten wurde so zum „poetischen Raum“, in dem sich bürgerliche Werte wie Freiheit, Individualität und Gemeinschaftlichkeit, in sentimentaler und romantischer Weise verklären und dem Rezipienten didaktisch und moralisierend dargeboten wurden. Eine Welt bürgerlicher Idealität im Kleinen. Die gartenräumliche Wirkung, wie die inhaltliche und formale Qualität der Ausstattung galt einer „emotionsgesättigten Vermittlung von Sinn. “ 2 Mit dem Landschaftsgarten äußerte sich der Um schlag von einem aktiven in ein passives, kontemplatives Naturverhältnis. Der Garten ist nicht mehr Aktionsraum, sondern Sinnraum, seine bisherige architektonische Wesentlichkeit wird von der Dominanz der künstlerischen Wertigkeit verdrängt. 3 Damit handelte es sich zwischen dem geometrischen Garten und sentimentalem landschaftlichem Park, nicht nur in formaler Hinsicht, sondern schon in ihrer funktionalen und ideellen Absicht um grundsätzlich unterschiedene Er gebnisse menschlicher Gestaltungstätigkeit. War der Garten in das auf feudalabsolutistische Re präsentation und Selbstdarstellung ausgerichete spätbarocke Gesamtkunstwerk, das unter dem Aspekt des höfischen Festes seine höchste künstlerische Zusammenfassung und Ausstrahlung er hielt, als „dienendes“ Moment unlösbar eingebunden, wandelten sich die Verhältnisse der Bau-